Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
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Kann jemand vom Gehsteig auf Daniel Faulkner geschossen haben?

Die Beurteilung des Standorts eines Schützen hängt naturgemäß von den als möglich erachteten Flugbahnen der Geschosse ab. Da kleinere Fragmente offensichtlich zersplittert sind, nachdem das Projektil ein Hindernis getroffen hat und davon abgeprallt ist, können solche Fragmente zumeist nur wenig Aufschluß geben. Selbst das im Gebäude gefundene Fragment mit einem noch immer beträchtlichen Gewicht ist nicht sehr hilfreich. Nur das Projektil knapp rechts neben der Eingangstür kann dazu herangezogen werden. Darüber hinaus müßte der als möglicher Täter angeführte Kenneth Freeman für die Zeugen verdeckt gewesen sein, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden.
Wenn er, wie behauptet, den Volkswagen auf der Beifahrerseite verlassen hat, war er für Scanlan, Magilton und Chobert tatsächlich nicht sichtbar. Für diese drei Zeugen wäre er durch die geparkten Autos verdeckt gewesen. Nur Cynthia White konnte diesen Bereich sehen. Sie hat aber auch gesagt, daß sie Mumia Abu-Jamal aus dem Parkplatz laufen sah. Das heißt, sie hat sich auf den Bereich links von Daniel Faulkner konzentriert. Kenneth Freeman wäre damit am Rand ihres Blickfeldes gewesen und hätte sehr leicht unbemerkt bleiben können. Die späteren Ereignisse konnte sie nicht glaubwürdig beschreiben und hat diese wahrscheinlich nur gehört, nicht aber gesehen. Daher wird Kenneth Freeman durch die Zeugenaussagen zunächst nicht als Täter ausgeschlossen.
Die Suche nach dem Schützen ist eine Gleichung mit drei Variablen und nur einem scheinbaren Fixpunkt. Die Positionen von Daniel Faulkner, Mumia Abu-Jamal und Kenneth Freeman sind nur ungenau bekannt, können aber in Relation zu den Fahrzeugen bestimmt werden. Davon hängt aber die Schußrichtung ab. Erschwerend kommt hinzu, daß dieser Schuß selbstverständlich am beabsichtigten Ziel vorbeiging und damit die Unsicherheit weiter vergrößert wird. Andererseits schränken die Zeugenaussagen die möglichen Standorte der Beteiligten ein. Der scheinbare Fixpunkt, das Projektil neben der Eingangstür von Locust 1234, steht in Relation zum übrigen Geschehen ebenfalls nicht mit beliebiger Genauigkeit fest, da die Lage der Fahrzeuge relativ zur Eingangstür in beschränktem Rahmen ungenau bekannt ist. Auch dafür muß eine gewisse wenn auch kleine Unsicherheit eingerechnet werden.
Daniel Faulkner stand während der ersten Schüsse noch auf der Straße zwischen seinem eigenen Auto und dem Volkswagen oder am Rand des Gehsteigs. Seine Position wird durch mehrere Zeugenaussagen eingeschränkt. Mumia Abu-Jamal war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls auf der Fahrbahn in der Nähe des Zwischenraums zwischen Polizeiauto und Volkswagen. Seine Position wird durch Zeugenaussagen und die möglichen Laufrichtungen beschränkt. Kenneth Freeman müßte sich auf dem Gehsteig hinter der Beifahrertür des Volkswagens befunden haben. Sein Abstand von der Gehsteigkante müßte gering gewesen sein um den Zeugen nicht aufzufallen. Außerdem wird seine Lage durch die Beifahrertür begrenzt. Rechts und oben (südlich und westlich) lassen sich die Grenzen aufgrund fehlender Zeugenbeobachtungen nur vage angeben. Diese Linien werden durch die Grenzen der Sichtlinien Choberts und Scanlans bestimmt, die er nicht merklich überschreiten durfte. Aber gerade diese beiden Linien sind von geringer Bedeutung, da sie im entscheidenden Bereich keinen Einfluß auf die möglichen Schußrichtungen haben.

Ausgangspositionen der Beteiligten

Die obige Skizze zeigt die ungefähre Position der Beteiligten zum Zeitpunkt der ersten Schüsse. William Cook scheint nicht auf, da er nicht zu den Verdächtigen zählt. Die beiden nächsten Skizzen verdeutlichen die Schußrichtungen der beiden möglichen Schützen. Für beide Personen kommt jeweils ein Bereich von 120 bis 150 Grad in Frage. Trotzdem dieser Bereich sehr großzügig und unter Berücksichtigung der wenig wahrscheinlichen Grenzbereiche ermittelt wurde, liegt der Treffer neben der Tür nicht in Kenneth Freemans Zielbereich. Daniel Faulkner stand direkt vor ihm oder rechts vor ihm, der Treffer neben der Tür liegt aber deutlich links vor ihm. Auch eine deutliche Ausdehnung der Bereiche in denen sich Freeman und Faulkner aufgehalten haben können, würde dieses grundsätzliche Problem nicht beseitigen. Kenneth Freeman könnte beinahe überall hingeschossen haben, nur nicht zur Haustür. Kenneth Freeman müßte auf die Straße und Daniel Faulkner auf den Gehsteig gelaufen sein. Damit hätte er den Polizisten aber nicht mehr von hinten überraschen können. Der Treffer neben der Haustür liegt jedoch im Zentrum von Mumia Abu-Jamals Zielbereich.

Freemans und Abu-Jamals Zielbereiche

Die Skizze zeigt auch Informationen über das Fragment im Inneren von Locust 1234 an. Wie in Wettlauf gegen den Tod beschrieben wird, ist die Stange des Parkverbotszeichens das einzige offensichtliche Hindernis am Tatort. Wenn ein Schuß von Mumia Abu-Jamal abgegeben wurde und die Stange traf, besteht aufgrund der möglichen Ablenkungswinkel in jedem Fall die Möglichkeit, daß ein Fragment davon die Glasscheibe in der Eingangstür durchschlagen hat. Dies ist kein Beweis dafür, daß es so geschehen ist, aber dafür, daß es so gewesen sein kann und dieses Fragment somit nicht als Gegenbeweis in Frage kommt. Mit Kenneth Freeman verhält sich die Sache jedoch vollständig anders. Nachdem er den Volkswagen verlassen hat, war die Stange nicht nur sehr nahe, sondern auch noch links von ihm, während Daniel Faulkner rechts von ihm war. Die Stange war so nahe, daß selbst ein schlechter Schütze daran vorbeigeschossen hätte. Mit jedem Schritt den sich Freeman zu Daniel Faulkner hinbewegt hätte, wäre die Stange näher gekommen und damit als mögliches Ziel vollends ausgeschieden. Die Tatortfotos von Pedro Polakoff zeigen ebenfalls, daß jede Person die den Volkswagen auf der Beifahrerseite verläßt, so nah an der Stange ist, daß diese ganz einfach nicht versehentlich getroffen werden kann. Daß Kenneth Freeman nicht nur einmal, sondern zweimal derartig weit daneben geschossen haben soll ist nicht bloß unwahrscheinlich, sondern ganz einfach unmöglich.
An dieser Stelle muß einschränkend gesagt werden, daß es sich nicht mit Sicherheit beweisen läßt, daß Kenneth Freeman in diesem Szenario wirklich zweimal so weit daneben geschossen haben müßte. Der erste Fehlschuß ist mit dem Projektil neben der Eingangstür belegt. Der zweite Schuß ist lediglich wahrscheinlich, wenn man annimmt, daß ein Teil der Fragmente von einem Projektil stammt welches zuvor die Stange getroffen hat. Wenn man annimmt, daß alle gefundenen Fragmente - der Kupfermantel, das Fragment im Gebäude und die kleineren Fragmente neben der Hauswand unterhalb der Bleimarkierung - von ein und demselben Projektil stammen, namentlich vom Treffer in Daniel Faulkners Rücken, bliebe nur ein Fehlschuß übrig. Die Wahrscheinlichkeit ist eher gering, da die Fragmente als nicht ummantelt bezeichnet wurden und daher wohl kaum zum selben Projektil wie der Kupfermantel gehören. Die Natur dieser Projektilteile hat aber keinen Einfluß auf den Fehlschuß neben der Eingangstür.
Der erste Teil von Schiffmanns Beweisführung verfehlt ihr Ziel vollständig. Die Treffer im Eingangsbereich von Locust 1234 belasten Mumia Abu-Jamal stark anstatt ihn zu entlasten. Gleichzeitig wird Kenneth Freeman als Schütze ausgeschlossen. Bezeichnenderweise fehlt in der Skizze aus Wettlauf gegen den Tod die Position Freemans, da dies die eben beschriebene Situation für den Leser unmittelbar deutlich gemacht hätte. Jetzt bleibt nur noch das Ende der Schießerei.



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