Abschnitt 2.1.2

Hitler "verhandelt" mit Polen

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Im Oktober 1938 forderte Hitler von der polnischen Regierung erstmals die Überlassung Danzigs und eines schmalen Landstreifens durch Westpreußen ("Korridor"), auf dem eine Eisenbahn- und Autobahnverbindung gebaut werden sollte. Am 24. Oktober 1938 diskutierten der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop und der polnische Botschafter in Berlin, Józef Lipski, erstmals die "polnische Frage". Die Forderungen Hitlers wurden von der polnischen Regierung abgelehnt. Doch zu dieser Zeit wusste noch niemand, dass Hitler in Wirklichkeit Polen angreifen wollte und die Gebietsforderungen nur Vorwände waren. [1]

Am 25. Januar legte Ribbentrop bei einem Besuch in Warschau die Forderungen Hitlers erneut vor, versuchte aber gleichzeitig, Polen in den Antikominternpakt [2] hinein zu ziehen. Bei der Ostpolitik stand Hitler vor zwei Alternativen: Er konnte entweder einen Pakt mit Polen abschließen und seinen Nachbarn später politisch entmachten, oder er konnte sich durch einen Vertrag mit der Sowjetunion absichern und Polen dadurch isolieren. [3]

Schließlich brach zwischen dem Dritten Reich und Polen ein Konflikt um Danzig und den Korridor aus: Am 27. April 1939 kündigte Hitler den Freundschaftspakt von 1934 [4] und ließ nun den "Fall Weiß", den Überfall auf Polen, endgültig ausarbeiten. [5] Doch Beck gab nicht nach: Der Zugang zur Ostsee erschien ihm unverzichtbar, und er erkannte, wie gefährlich ein Beitritt Polens zum Antikominternpakt wäre.

Im August eskalierte der Konflikt: Hermann Göring [6] versuchte, Polen zur Aufgabe des Bündnisses mit den Westmächten zu bewegen, und bat den schwedischen Großunternehmer Birger Dahlerus um Vermittlung mit dem britischen Kabinett: Am 27. August überreichte Dahlerus den Briten die Forderungen Hitlers und ein "großzügiges Angebot", nämlich den dubiosen Vorschlag eines Nichtangriffspakts zwischen dem Dritten Reich und Großbritannien. Diese halboffiziellen Verhandlungen verliefen erfolglos, doch die Westmächte empfahlen die Aufnahme direkter deutsch-polnischer Verhandlungen. Daraufhin kam es zu einer Unterredung zwischen Ribbentrop und Lipski, aber Beck hatte die Unterzeichnung jeglicher Verträge mit dem Dritten Reich untersagt und vermied selbst seit dem 5. Januar 1939 direkte Gespräche mit Hitler. Doch er unterschätzte Hitlers politische Macht bei weitem und rechnete nicht mit dem drohenden Zweifrontenkrieg.

Nun stellte Hitler einen 16 Punkte-Katalog zusammen, in dem sowohl die Forderungen nach Danzig und dem Korridor als auch eine Garantieerklärung an Großbritannien enthalten waren. Dieser wurde am 30. August zwischen Ribbentrop und dem britischen Diplomaten Sir Neville Henderson besprochen, worauf Henderson der polnischen Regierung riet, Kontakt mit dem deutschen Außenministerium aufzunehmen. Am nächsten Tag versuchte Lipski, mit Ribbentrop zu verhandeln, aber zuerst verweigerte man ihm die Audienz, und die dann dennoch Statt findende Diskussion verlief ergebnislos. Doch die Westmächte ahnten nicht, dass Hitler seine Verhandlungsstrategie auf den "Fall Weiß" abgestimmt hatte. [7]


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1) siehe Abschnitt 1.3.1 [¶]

2) Der Antikominternpakt wurde im Oktober 1936 offiziell als Bündnis gegen den Bolschewismus zwischen dem Dritten Reich und Japan geschlossen. Ein Jahr später trat Italien bei. [¶]

3) siehe Abschnitt 1.3.1 [¶]

4) siehe Abschnitt 1.3.2 [¶]

5) siehe Abschnitt 3.1.1 [¶]

6) Göring war unter anderem Reichsmarschall des Dritten Reichs. [¶]

7) Vgl. die Abschnitte 1.3.1 und 1.3.2. [¶]


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