Schon im September 1941 begann die SS, die Juden aus den Gettos in KZ-Lager zu verschleppen. Im Januar 1942 fand in Berlin die Wannsee-Konferenz unter dem Vorsitz Heydrichs statt, in der hohe Funktionäre des RSHA, der SS und der NSDAP die "Endlösung der Judenfrage" erörterten: Alle Juden, die im Machtbereich der Nazis lebten, sollten in Konzentrationslagern zu Schwerstarbeiten eingesetzt werden, [1] und die Arbeitsunfähigen unter ihnen sollten einer "Sonderbehandlung" zum Opfer fallen, also ermordet werden. Mit der Organisation der Deportationen wurde der SS-Führer Adolf Eichmann betraut.
Im Sommer 1942 begann die Verschleppung der Juden aus den Gettos in KZ-Arbeitslager wie Auschwitz oder Majdanek oder in die neu errichteten Vernichtungslager. [2] Meistens wurden zuerst die Obdachlosen mit einer List aus dem Getto gebracht:
"Bestimmte Gruppen von Gettobewohnern werden aufgefordert, sich... für den Arbeitseinsatz im Osten bereit zu halten. Anfangs melden sich zahlreiche Obdachlose freiwillig, um die drei Kilogramm Brot und eine Dose Marmelade zu erhalten, die man jedem für die Reise versprochen hat... Niemand ahnt zu dieser Zeit, dass das Reiseziel ein Vernichtungslager ist." [3]
Die Juden wurden von SS-Männern zusammengetrieben und zum nächsten Bahnhof gebracht, wo sie in Viehwaggons verladen wurden; [4] es gab aber auch Fälle, wo die Menschen in offenen Güterwagen ins Lager transportiert wurden. Der Transport dauerte vielfach mehr als zwölf Stunden; die Gefangenen wurden während der Fahrt nicht ernährt, und die Waggons waren dermaßen überfüllt, dass manche Menschen niedergetrampelt oder erdrückt wurden. Oft versuchten sie auszubrechen, wie der folgende Polizeibericht über einen Judentransport aus der galizischen Stadt Kołomyja ins Vernichtungslager Bełżec im September 1942 beweist:
"Jeder Waggon dieses Transportes war mit 100 Juden beladen... Bei der... Dunkelheit in der Nacht sind mehrere Juden entkommen, die sich nach Entfernung des Stacheldrahtes durch die Luftlöcher hindurchgezwängt haben...
[...]
Die immer größer werdende Panik unter den Juden, hervorgerufen durch die starke Hitze, Überfüllung der Waggons und den Leichengestank -es befanden sich beim Ausladen der Waggons etwa 2000 Juden tot im Zuge- machte den Transport fast undurchführbar." [5]
Auf dem Lande lebende Juden bzw. solche, die vor der Deportation ins Getto geflüchtet waren, versteckten sich in Wäldern. Einheiten der SS, des SD oder der deutschen Ordnungspolizei (ORPO) durchsuchten ganze Landstriche und veranstalteten Judenhetzen:
"Wir durchsuchten den Wald,... konnten jedoch nichts feststellen, denn die Juden waren offensichtlich gut getarnt. Daraufhin durchkämmten wir das Waldstück ein zweites Mal... Wir stellten fest, daß sich hier Juden in Erdbunkern versteckt hatten. Sie wurden dort heraus geholt... Die Juden wurden dann an Ort und Stelle erschossen." [6]
Die aufgespürten Juden wurden massenhaft erschossen und in riesigen Gräbern verscharrt. In Ostpolen [7] wurde die jüdische Bevölkerung vielfach gar nicht in die Lager abtransportiert, sondern an Ort und Stelle ermordet.
1) siehe Abschnitt 5.2.1 [¶]
2) siehe Abschnitt 5.2.3 [¶]
3) Piekałkiewicz, Der Zweite Weltkrieg, S. 741. [¶]
4) Das Warschauer Getto verfügte über einen eigenen Bahnhof, an dem die Juden verladen wurden ("Umschlagplatz"). [¶]
5) zit. in: Browning, Ganz normale Männer, S. 53-56. [¶]
6) Bericht eines ORPO-Offiziers; zit. in: Browning, Ganz normale Männer, S. 168. [¶]
7) siehe Abschnitt 4.1.4 [¶]
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