Autonomer Block
auf der LLL-Demo
erinnerte an ermordete GenossInnen
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Internationale Solidarität in Berlin
Es gibt viele Arten zu töten
Man kann einem ein Messer
in den Bauch stechen,
einem das Brot entziehen,
einen von einer Krankheit
nicht heilen,
einen in eine
schlechte Wohnung stecken,
einen zum Selbstmord treiben,
durch Arbeit zu Tode schinden,
einen in den Krieg führen.
Nur weniges davon ist in
unserem Staate verboten.
(Bertolt Brecht)
Von Jenny Winter
Berlin - Am 14. Januar gab es auf
der mittlerweile traditionellen LLL-Demon-stration zum ersten Mal
einen Unabhängigen Block, der von mehreren revolutionären
Gruppen organisiert wurde. Das Motto dafür wurde angelehnt an das
oben genannte Gedicht gewählt. Damit sollte ausgedrückt werden,
dass nicht nur Faschisten, sondern auch das ganz "normale System", der
"ganz normale Kapitalismus" tötet.
Die Entscheidung für einen eigenen Block war das Ergebnis
vieler Diskussionen, die im vergangenen Jahr geführt wurden.
Dabei ist immer deutlicher geworden, dass viele GenossInnen immer
unzufriedener mit den Inhalten und der Praxis radikaler linker Politik
geworden sind.
Konkret sind viele wesentliche Inhalte und Ziele in den
vergangenen Jahren immer mehr zur Seite geschoben worden beziehungsweise
fast verschwunden. Es schien beinahe so, als sei das einzige Kampfgebiet
der Linken nur noch der Bereich Antifaschismus. Nun soll die Berechtigung
antifaschistischer Politik und antifaschistischer Mobilisierungen nicht
geleugnet werden. Tatsache ist jedoch auch, dass der Kampf gegen kapitalistische
Ausbeutungsver-hältnisse, die Solidarität mit Befrei-ungsbewegungen,
der Kampf um die Freilassung der politischen Gefangenen und anderes
mehr zunehmend vernachlässigt worden sind oder kaum mehr einen
Ausdruck in der Linken gefunden haben.
Deshalb wurde der Entschluss gefasst, unabhängig vom
Antifa-Block, an dem sich im letzten Jahren alle Gruppen beteiligt
hatten, etwas Eigenes zu organisieren, um diese Inhalte klarer zu demonstrieren.
Für sehr wichtig wurde auch befunden, dass sich Genossinnen und
Genossen aus der Türkei und Kurdistan entschlossen hatten, zusammen
mit deutschen revolutionären Gruppen in Berlin im Unabhängigen
Block zu demonstrieren. Dies bedeutete für alle einen wichtigen
Bezugspunkt der praktischen internationalen Solidarität und Zusammenarbeit.
Auch in den vergangenen Jahren war die Forderung nach Freilas-sung
der GenossInnen aus der RAF, die teilweise schon über 20 Jahre
in den Hochsicherheitstrakten der BRD-Knäste gefangen sind, gerade
bei LLL ein zentraler Punkt gewesen. Die Wichtigkeit der Solidarität
mit den Gefangenen zeigte sich nicht zuletzt bei dem Massaker an revolutionären
Gefangenen in der Türkei, das am 20. Dezember 2000 türkische
"Sicherheitskräfte" angerichtet haben. In dessen Verlauf wurden
mindestens 30 GenossInnen ermordet, weil sie mit dem Mittel des Hungerstreiks
und Todesfastens gegen ihre Verlegung in "F-Typ"-Gefängnisse protestierten,
also Knästen nach Stammheimer Vorbild. Dieser Hungerstreik dauert
trotz des Massakers immer noch an.
In der Vorbereitung zum Block spielte auch die Verarbeitung
der Erfahrungen mit dem letztjährigen revolutionären 1.
Mai, auf dem es auch einen Unabhängigen Block gegeben hat (der
allerdings durch Repression stark beeinträchtigt wurde) eine große
Rolle. Was von den meisten beteiligten Gruppen übereinstimmend analysiert
wurde, war, dass neben praktischen Kampagnen und Organisierungen eine
unter den revolutionären Gruppen stattfindende Debatte über verschiedene
Fragen unabdingbar ist, um aus dem jahrelangen Theorieloch herauszufinden
und radikale linke Politik wieder wahrnehmbar zu machen. Gerade in den
Jahren seit der "Wende" haben sich linke Inhalte zunehmend nur noch als
Antifa-Aktivitäten artikuliert.
Dazu kommt, dass speziell seit Antritt der rot-grünen
Regierung der Bereich Antifaschismus immer mehr von staatstragenden
Institutionen, Medien, "Promis" etc. entdeckt wird. Wobei selbstredend
munter weiter in Folterstaaten abgeschoben und mittlerweile sogar
wieder Krieg geführt wird, und sogar das Kriegführen noch
unter "Antifa"-Vorwänden stattfindet. So wurde die Bombardierung
Jugo-slawiens 1999 von Fischer mit dem Argument propagiert , "man
müsse ein neues Auschwitz verhindern." Waffenlieferungen weltweit,
auch an faschistische Folterstaaten, haben unter Rot-Grün sogar
neue Rekordstände erreicht. Und ebenfalls selbstredend werden
rentitente oder militante Antifa-schistInnen weiterhin eingekesselt,
festgenommen, zusammengeschlagen, abgeurteilt. Dieser verlogene staatliche
"Antifaschismus" mit seiner Funktion als Lähmung und Integrationsfaktor
für die Linke muss angegangen und geknackt werden, dies gelingt
jedoch nur, wenn das kapitalistische und imperialistische System als
Ganzes angegriffen wird. Dies war ein wesentlicher Gesichtspunkt für
einen Unabhängigen Block bei der LLL-Demo.
Es war am 14. Januar sehr positiv, dass sich eine ganze
Reihe von Gruppen aus anderen Städten und Ländern,
aus Skandinavien und aus der Schweiz, im Block eingereiht haben.
Aus den Diskussionen, die zum Teil vor der und zum Teil der Demo gelaufen
sind, hat sich ergeben, dass auch in anderen Städten in ähnlicher
Richtung diskutiert wird wie in Berlin auch. Die türkischen/kurdischen
Genos-sInnen trugen Bilder und symbolische Särge der ermordeten
Gefangenen. Es gab im ganzen Block verteilt Fahnen und Transparente. Verschiedene
revolutionäre Gruppen verlasen Redebeiträge. Dazwischen internationale
Kampflieder und Parolen, die immer wieder zum entschlossenen Widerstand
gegen die Polizei aufriefen, gegen die Isofolter, Freiheit für die
RAF, Freiheit für Mumia Abu Jamal und alle revolutionären Gefangenen,
und nicht zuletzt: Ketten!
Die geplanten Angriffe der Polizei konnten so durch das
entschlossene Auftreten des Blockes ganz gut verhindert werden,
obwohl sie zwei, drei Mal fest entschlossen schienen, jetzt "reinzugehen"
und schon ihre Vorbereitungen getroffen hatte, aber es sich dann, nachdem
die Straße gleich von DemonstrantInnen dichtgemacht worden war,
anders überlegte, und sich auf mürrische Blicke, ein paar Rempeleien
(die zurückgegeben wurden) und "Abfilmen" beschränkte.
Es sind, auf die gesamte Demonstration bezogen, nur einige wenige Festnahmen
bekannt geworden, die meisten gab es bei so genannten Vorkontrollen. An
der Demonstration haben sich insgesamt 15 000 bis 20 000 Menschen beteiligt.
Vor allem angesichts der Tatsache, wie viele Methoden sich die Herrschenden
hier schon überlegt haben, um die LLL-Demo aus der Welt zu
schaffen, von massiven Angriffen bis hin zum Totalverbot im vergangenen
Jahr.
Abschließend kann gesagt werden, gerade die Teilnahme
von Gruppen aus anderen Städten und Ländern hat dem Block
geholfen und den solidarischen Charakter der Demo unterstrichen. Klar
ist: Solidarität ist keine Einbahnstraße.
So: See you next year in Berlin, oder früher, hier
oder da.
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Call-Center-Agents -
Rebellion am Headset
Berliner Call-Center entlässt 27 MitarbeiterInnen,
nachdem diese wegen mieser Arbeitsbedingungen die Gründung eines
Betriebsrates forderten
Von Sebastian Liebermann
Berlin - Am Freitag, dem 2. Februar lud die Geschäftslei-tung
des Call-Centers Hotline GmbH in Friedrichshain zu einem Treffen
ein, nachdem es immer wieder zu Protesten wegen der schlechten Arbeitsbedingungen
gekommen war. Hier sollte zumindest darüber gesprochen werden,
wie es mit einer betrieblichen Mitbestimmung aussehen würde. Doch
es kam anders: Als Erstes wurden die Unterzeichner des Aufrufes zu einer
Betriebsver-sammlung fristlos entlassen, die Geschäftsleitung erteilte
Hausver-bot, in der Folge wurden mindestens 23 weitere ArbeiterInnen
entlassen. Denn der nach eigenen Angaben aus einem “Alternativbe-trieb”
stammende Geschäftsführer Hartmut Horst meint: "Ein Betriebsrat
ist nicht zeitgemäß und überflüssig."
Hintergründe des Protestes vieler ArbeiterInnen waren
unter anderem eine Androhung von mindestens 30 Kündigungen für
diejenigen, die es nicht schaffen würden, ihr Arbeitstempo immer
weiter zu erhöhen. Am Montag zuvor hatte sich auf einer einberufenen
Be-triebsversammlung die Mehrheit der ArbeiterInnen für die Gründung
eines Betriebsrates ausgesprochen. Doch die Geschäftsleitung
will mit allen Mitteln jeden Pfennig einsparen, auch wenn dies nur
durch extremen Arbeitszwang und Terror erreicht werden kann.
Auch die IG Medien und deren Jugend unterstützen die
Initiative, ebenfalls die Call-Center-Offensive aus Friedrichshain.
Nach Aussa-gen der betroffenen ArbeiterInnen soll der Protest nun weitergehen.
So soll Öffentlichkeit geschaffen werden, da es schließlich
nicht "nur" um die eigenen Jobs geht, die miesen Arbeitsbedingungen betreffen
alle Beschäftigten in den circa 90 Call-Centern in Berlin. Dort sind
etwa 7000 Menschen unter schlechtesten Arbeitsverhält-nissen beschäftigt,
viele nur über Zeit- und Tagelöhner-Verträge. Die Proteste
jetzt sind zwar erst mal aus eigener Betroffenheit entstanden. In vielen
anderen Call-Centern, wie zum Beispiel bei Audio-Service, ist es immer
wieder zu Mitbestimmungsforderungen gekommen, ebenso zur Forderung nach
"korrekten" Verträgen, da bei den Tagelöhner-Verträgen mit
jedem Tag die Entlassung drohen kann, wenn man dem Arbeitstem-po nicht standhalten
kann. Doch bei den Protesten bei Hotline GmbH sind sie zum ersten Mal zu
einem Politikum geworden, das in der Medienlandschaft breitere Beachtung fand.
Forderungen nach Gründung eines Betriebsrates sind zwar
nichts Revolutionäres, denn sie sind ja im Grunde eine uralte
"Errungen-schaft" der Sozialdemokraten - doch schon dies passt den
Chefs und ihrer New-Economy-Philoso-phie nicht.
Auf absehbare Zeit wird sich die Zahl der in Call-Centern
Beschäf-tigten und damit das Konfliktpo-tenzial noch deutlich
erhöhen, wie man schon bei den zahlreichen Schulungen durch das
Arbeitsamt zu so genannten Call-Agents absehen kann. Dies auch international.
So kam es in zahlreichen europäischen Metropolen, wie zum Beispiel
in Spanien, immer wieder zu massiven Protesten und For-derungen nach
Mitbestimmung und besseren Arbeitsbedingungen der zumeist jugendlichen
Be-schäftigten.
Das Problem der bestimmt zunehmenden Arbeitskämpfe in
Call-Centern wird jedoch sein, dass der Prozess, der Wirbel, für
den man sorgen kann, relativ kurz ist - doch die passenden Antworten
hierauf werden gefunden werden.
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Foto:
Agent
Schlickenrieder
(zum
vergrößern, auf Bild klicken)
Weitere Infos auf der Homepage von
Roter Aufbau Schweiz:
www.aufbau.org
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Agentennetzwerk enttarnt
Münchner Gruppe 2 seit fast 20
Jahren aktiv
Zürich/München - Im Dezember letzten Jahres trat
die Schweizer Gruppe Revolutionärer Aufbau mit einer Meldung
an die Öffentlichkeit, die für einigen Wirbel in linksradikalen
Kreisen gesorgt hat: Die in München ansässige so genannte
Gruppe 2 ist ein Netzwerk eines deutschen Geheimdienstes. Die Gruppe 2
produzierte seit Beginn der achtziger Jahre Videofilme zur Dokumentation
linker Geschichte, vertrieb Lieder aus dem kommunistischen Wider-stand
und publizierte Texte unter anderem von italienischen politischen Gefan-genen.
Eines der bekanntesten Projekte war der mit ehemaligen Gefangenen aus der
RAF gedrehte Film "Was aber wären wir für Menschen . . .?" Doch
dieses an sich erfreuliche Dienstleistungsangebot diente nur zur Tarnung
eines Agentennetzwerks, mit dem die deutschen Geheimdienste nicht nur
an die Namen und Adressen potenzieller Kunden kamen, sondern das auch zur
Ausfor-schung vieler Debatte des revolutionären Wider-stands in Italien,
Frankreich, der Schweiz und Deutschland diente.
Der Schweizer Revolutionäre Aufbau schöpfte jedoch
Verdacht und begann eine Recherche-gruppe zu bilden, die Erstaunliches
zu Tage förderte: Gesichert ist bis jetzt, dass das Gruppe-2-Mitglied
Karsten Banse nicht nur der beste Freund von Gruppe-2-Chef Manfred Schlickenrieder
ist, sondern zudem ein Offizier des deutschen Militärischen Abschirm-dienstes
(MAD) ist. Bei Schlicken-rieder selbst ist bisher nicht bekannt, welchem
deutschen Ge-heimdienst er unterstellt ist, aber sein Deckname "Camus"
ist belegt. Dieser taucht sowohl auf mehreren Geheimdienstdossiers auf,
in denen Schlickenrieder seine Ausforschungen auswertet, als auch in Charakterisierungen
von Menschen, denen er während seiner Agententätigkeit in
der Linken begegnete. Zudem scheint klar, dass Schlickenrieder kein einfacher
Agent war, der nur auf Befehle seiner Vorgesetzten aktiv wurde. Der Aufbau
veröffentlichte Dokumente, in denen Schlicken-rieder taktische Ausführungen
seiner Bespitzelungen skizziert. Zudem beschaffte er auch für die
in London ansässige privatwirtschaftliche Firma Hakiuyt der ehemaligen
MI-6-Agenten Mike Reynolds und Christopher James Informationen über
die europäischen Anti-Shell-Proteste.
Mit der Konzeption einer Dokumentationsstelle ließen
sich viele Türen in für die Geheimdien-ste wichtigen Strukturen
öffnen. Analog zum Spitzel Klaus Steinmetz reichte vielen Linken
das angebotene Dienstleistungs-paket der Gruppe 2 aus, eigene politische
Aktivitäten, geschweige denn eigene politische Stand-punkte brauchten
Schlickenrieder und Co. nicht mehr zur eigenen Reputation präsentieren.
Über die Beteiligung an der so genannten Broschürengruppe
in Berlin und die Vorbereitung des Kongresses "Bewaffneter Kampf und Triple
Oppression" bekam die Gruppe beispielsweise nicht nur die Namen vieler
aktiver Linker mit, sondern konnte auch kleinste inhaltliche Unterschiede
der Teilneh-menden nach Pullach und/oder Köln melden. Da Schlickenrieder
zudem den Kongress filmte, angeblich um diesen im Nachhinein mittels
Video als Dokumentation zur Verfügung stellen zu können, kann
davon ausgegangen werden, dass über sämtliche Anwesenden Fotos
existieren. So entdeckten die Schweizer während ihrer Recherchen
bei Schlickenrieder ein fast vollständiges elektronisches Fotoarchiv
über die Akti-visten des Aufbaus. Dafür waren von zuvor in
der Schweiz angefertigten Filmaufnahmen Porträts gezogen worden.
Archivierungs-kennzeichen legen nahe, dass es sich hierbei nur um einen
Bruchteil des Gesamtarchivs handeln kann. Nach dem gleichen Muster dürfte
auch das Filmmaterial von Veranstaltungen mit ehemaligen RAF-Gefangenen
in Deutschland ausgeschlachtet worden sein.
Mit der Enttarnung von Schlicken-rieder und seiner Gruppe
2 gelang dem Revolutionären Aufbau die Zerschlagung eines Agentennetz-werks,
das wahrscheinlich nicht nur in deutschen Geheimdienst-stellen einen
hohen Stellenwert genoss, wie er anhand der monatlichen Spesenabrechnung
Schli-ckenrieders in Höhe von etwa 7000 Mark allein schon deutlich
wird. Die Tatsache der Kontakte zum Beispiel zum italienischen Sisde
und zum britischen MI 6 lassen erkennen, dass die Gruppe 2 auch auf europäischer
Ebene eine zentrale Funktion bei der Bespitzelung besaß. Den
Umfang der Spitzeltä-tigkeit Schlickenrieders hat der Revolutionäre
Aufbau auf seiner Homepage ausführlich dokumentiert. gud
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