INITIAL - streitschrift für autonome und kommunistische politik / online
Ausgabe 01
I N H A L T

FÜR DEN KOMMUNISMUS! Debatte FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!
           



Debatte
Die Linke und der Nationalismus
Nationaler Befreiungs-
kampf   -
eine Betrachtung
Wer oder was ist hier eigentlich anti-
national?
Kurt Tucholsky zum Thema Nationalis-
mus


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   Stürmung des Palastes/Oktober-
revolution in Russland 



            



























































































































































































































































Konterrevoltutionäre Spinner

Kohl & Hannelore grüßen nett - die Aktenkoffer sind schon in der Schweiz gebunkert...
Kohl mit faschistischem Handgruß



Wenn das Haupt gesenkt wird neben den Wider-
sprüchen
Eine Betrachtung der Positionen zum nationalen Befreiungskampf


Von Achim Guduan
Wandbild Hafenstraße / Israel-Boykott
Wandbild Hafenstraße/Hamburg
rief zum Israel-Boykott auf

Am 24. November 2000 äußerte sich der Professor für Geschichte an der Bundes-wehruniversität in München, Michael Wolffsohn, in einem Gast-beitrag für die Tageszeitung "Die Welt" über ein mögliches Zusam-mengehen deutscher Nazis mit arabischen Islamisten, um gemeinsam jüdische und israelische Einrichtungen in Deutschland und in ganz Europa anzugreifen. Eine ähnliche Besorgnis äußerte Paul Spiegel, der Präsident des Zentral-rats der Juden in Deutschland, zum Beginn des Jahres. Wenn auch nach dem Brandanschlag auf die Synagoge von Düsseldorf und dem Angriff auf die ehemalige Synagoge von Essen im Oktober letzten Jahres die Möglichkeit für ein derartiges Zusammengehen nicht völlig ausgeschlossen werden kann, so ist doch die Frage noch zu stellen, inwieweit diese Möglichkeit realistisch ist und inwiefern diese Äußerung nicht doch eher im Dienst steht, der Kritik an dem Vorgehen Israels gegen die palästinensische Bevölkerung den Boden zu entziehen. Interessant ist hierbei, dass Wolffsohn nicht nur einen Zusammenschluss arabischer und deutscher Rechter sieht, sondern in diesem Zusam-mengehen auch eine Beteiligung von links ortet, wobei er die palästinensischen Kontakte der RAF als Beispiel anführt. Wie sehr es Wolffsohn hierbei jedoch nur um eine Diffamierung einer Kritik an Israel geht, wird an zwei Beispielen überaus deutlich: an der oberflächlichen Betrachtung dieser Kontakte im Libanon, die nur die RAF und islamische Fundamentalisten, aber keine arabischen Linken und keine RZ erkennen vermag, und an der Gleichsetzung der Kritik, Israel lasse auch auf Kinder wie den zwölfjährigen Mohammed aus Gaza schießen, dessen Tod im Dezember weltweit im Fernsehen zu verfolgen war, mit den mittelalterlichen christlichen Verleumdun-gen, Juden würden Kinder fressen, die zur Propagierung antijüdischer Pogrome benutzt wurden.
Kann Wolffsohn durch seine Tätigkeit für die Bundeswehr und wegen zahlloser anderer Diffamie-rungen der Linken getrost als rechts bezeichnet und damit auch seine Vorhaltungen abgeschoben werden, so zeigt uns eine Durch-schau linker Zeitschriften wie der "Interim", dass die Kritik eines Zusammenschlusses von Linken mit rechten Kreisen sehr wohl auch von links kommt. Mehr noch: Es existiert auch auf der Linken eine Auffassung, die jede Kritik an Israel und jede antizionistische Position als antisemitisch zu verurteilen versucht. Und schließlich betrachten viele Linke jede Unterstützung nationaler Befrei-ungsbewegungen für nicht vereinbar mit den eigenen Zielen und verweigern mit dieser Begründung diesen Bewegungen jedwede Soli-darität.
Betrachten wir im Folgenden einmal genauer die einzelnen Posi-tionen. Es fällt hierbei auf, dass die erstgenannte Kritik sich zumeist auf Begebenheiten innerhalb des palästinensischen Widerstands bezieht, jedoch kaum die Aspekte benennt, die eine Unterstützung deutscher Linker für eine reaktionäre Bewegung deutlich machen. Dies traf vor allem auf die so genannte islamische Revolution im Iran zu, in der einige Linke oft nur einen antiimperialistischen Cha-rakter erkennen wollten, da der Iran die US-amerikanische Hege-monie ebenso frontal angriff wie die diesbezüglichen Bestrebungen des Westens insgesamt. Die Sym-pathie für das theokratische Regime wurde zudem durch die Kollaboration der kommunistischen Tudeh-Partei gefördert, die sogar zu einer Koalition mit den iranischen Geistlichen führte. Außenpolitisch unterstrich der Iran außerdem seine antiimperialistische Position mit der Unterstüt-zung der Besetzung der US-amerikanischen Botschaft in Teheran und der Umbenennung der Straße vor der britischen Botschaft in Bobby-Sands-Straße nach dessen Tod im Hungerstreik 1981. Erst mit der Ausschaltung der Tudeh-Partei ab 1983 und deren anschließender Liquidierung änderte sich das Bild dieser Linken auf das Regime.
Kann allenfalls für die Anfangszeit des Regimes von einer nennenswerten Sympathie deutscher Linker gesprochen werden, so muss jedoch auch gesagt werden, dass diese Sympathie nie größere Ausmaße annahm und, auf andere Bewegungen bezogen, erst recht kaum zu verzeichnen ist. Viel bedeutender für die deutsche Linke war in den siebziger wie in den achtziger Jahren die Sympathie für den palästinensischen Wider-stand, die auch zu einer Vielzahl gemeinsamer Initiativen und sogar zu gemeinsamen Kommando-unternehmen führte. Hier setzt auch die zweite Kritik an, die der Linken wegen ihrer Unterstützung des Widerstands und ihrer antizionistischen Position einen kaschierten Antisemitismus vorwirft. In fast allen Fällen wird dieser Vorwurf mit dem Papier "Gerd Albertus ist tot" begründet, das von einigen aus den RZ 1992 veröffentlicht wurde. Obwohl dieses Papier schon kurz nach seiner Veröffentlichung wegen seiner pauschalen Verur-teilung des palästinensischen Widerstands als rechtsgerichtet kritisiert wurde und die damaligenen Antiimps schon in den achtziger Jahren sich von der Abu-Nidal-Gruppe distanzierten, mithin sehr wohl in Bezug auf den palästinensischen Widerstand zwischen fortschrittlichen und nichtfortschrittlichen Kreisen unterschieden wurde, wird es fast wie ein Heiliger Gral als Beleg aus der Schublade gezogen, um jede Unterstützung für den palästinensischen Wider-stand zu diskreditieren. Um diese Position zu untermauern, wird zudem oft auf die Beteiligung zweier deutscher Mitglieder der RZ an der Flugzeugentführung nach Entebbe verwiesen, bei der es angeblich zu einer Selektion der jüdischen Passagiere gekommen sein soll. Dass zum Schluss jedoch französische und israelische Staatsbürger im Flugzeug gefangen gehalten wurden, wird hierbei meistens verschwiegen ebenso wie die Tatsache, dass die einzige Quelle, die diese Selektion damals behauptete, die israelische Presse war.
Als Beispiel für diese Position sei hier auf den Beitrag "Die antisemitischen Früchte des Zorns" aus der "Interim" (Nr. 337) vom Juni 1995 verwiesen, in dem die nicht genannten Autoren zunächst die Forderung der Schreiber des "Albertus"-Textes nach einer "Diskussion über Antisemitismus und Antizionismus" unterstützen, die für die Autoren jedoch gleich im nächsten Satz zu einer "Auseinandersetzung mit dem antizionistischen Antisemitismus" mutiert. Die Position der Autoren gipfelt schließlich in den Sätzen: "Der Charakter des Antizionismus, als eine aktualisierte Version des Antisemitismus, wird in der Linken nicht nur verkannt. Vielmehr haben viele radikale Linke in der BRD . . . dazu beigetragen, dass der Antisemitismus . . . programmatischen Charakter erlangte." Deutlich tritt hierbei das Argumentationsschema zu Tage. Der Ausspruch "Antizionismus ist gleich Antisemitismus" wird seines Behauptungscharakters beraubt und in die Form eines Beweises gekleidet, zur Absicherung eines dritten Aspektes: der eigenen Position nämlich, wonach die Kritik an Israel beziehungsweise die Unterstützung des palästinensischen Widerstands unakzeptabel sei. Doch die Benutzung einer Behauptung als ein Beweis sagt rein gar nichts über ihren Wahrheitsgehalt aus, es gilt nach wir vor, diesen zu ergründen.
Dieser stellt sich sicherlich anders dar. So ist der Linken schon seit langem bewusst, dass Arafat wie auch seine Fatah den palästinensischen Kampf eher behindern, als ihn nach vorne bringen. Die Tatsache der Spaltung der arabischen Gesellschaften in Beherrschte und Beherrschende wurde nicht zuletzt durch die Massaker des jordanischen Kö-nigs Hussein deutlich, der in wenigen Wo-chen über 20 000 palästinensische Käm-pfer im Schwar-zen September 1970 liquidieren ließ und damit das Geschäft des Imperia-lismus besorgte. Auch die Mas-saker der Amal während des Lagerkrieges 1986 im Libanon zeigen deutlich diese Spaltung auf. Folgerichtig sind die Kontakte beispielsweise der RAF zum palästinensischen Widerstand klar auf Seiten der dortigen Linken zu finden, so vor allem bei der PFLP und der DFLP. Wenn Gerd Albertus nach Jahren im Libanon alte Kontakte wieder aufnahm, muss hingegen berücksichtigt werden, dass die aufgesuchten Kontaktpersonen nach all den Brüchen der palästinensischen Widerstandsgeschichte andere, auch reaktionäre Positionen annehmen konnten beispielsweise bei Abu Nidal. Die Abu-Nidal-Gruppe wurde jedoch, wie oben schon erwähnt, von der antiimperialistischen Linken zu keiner Zeit als potenzieller Bündnispartner betrachtet.
Darüber hinaus muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand nicht ausschließlich auf Angriffe auf den Staat Israel beschränkt war. Viel wichtiger, gerade für die bewaffnet kämpfenden Gruppen, war vielmehr die Möglichkeit, zum einen eine militärische Ausbildung im Nahen Osten zu erhalten, zum anderen aber diesen Raum als Rückzugsgebiet nutzen zu können. So brüstete sich der israelische Geheimdienst nach der Invasion des Libanon 1982, Guerilleros aus fast allen Ländern der Welt entweder gefangen genommen oder liquidiert zu haben. Es sei hier auch erwähnt, dass die mit Lorenz ausgetauschten Gefan-genen eben in den Südjemen ausgeflogen worden sind und nicht nach Moskau, Peking, Tirana oder welches proletarische Mutterland auch immer.
Doch auch bei den zahlreichen Inter-ventionen in Deutschland, sowohl bei den bewaffneten Aktionen als auch bei den Demonstrationen, wurde immer darauf geachtet, zwischen dem Staat Israel und der jüdischen Bevölkerung hier wie anderswo zu unterscheiden. Bei keiner einzigen Demonstration war das Ziel der Sitz einer jüdischen Gemeinde, immer standen zionistische oder israelische Einrichtungen im Mittelpunkt des Interesses oder, wie die oben zitierten anonymen Autoren selbst zugeben, deutsche Rüstungslieferanten. Es zeigt sich mithin, dass die Kritik, Antizionismus sei Antisemitismus, nur mit einem nicht gerade stichhaltigen geschichtlichen Verweis moralisch argumentieren kann, überzeugende Argumente liefert sie jedoch nicht.
Kommen wir nun zu der auch in kommunistischen Kreisen weit verbreiteten Kritik an nationalen Befreiungsbewegungen, diese würden nur einer neuen Bourgeoisie zur Macht verhelfen, die eigentlichen, proletarischen Probleme der Bevölkerung jedoch nicht lösen. Es fällt hierbei auf, dass der alte Gedanke des Hauptwiderspruchs sich manifestiert, ein hierarchisches Verhältnis von Varianten der Unterdrückung, das als einzig anzugreifenden Widerspruch nur den zwischen Kapital und Arbeit zur Bekämpfung zulässt. Diese Sicht jedoch ist, zumal für kommunistische Kreise, ahistorisch, denn nicht einmal die russische Oktoberrevolution entwickelte sich allein aus dem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, vielmehr diente gerade der aus diesem Widerspruch erwachsene so genannte Nebenwi-derspruch des Krieges als ein Motor, der die Bevölkerung zur Revolution antrieb. Die Kritik an den Bolschewiki aber, ja die These der Unmöglichkeit einer sozialistischen Revolution im zaristischen Russland wurde immer mit dem Argument auf die mangelnde Ausbreitung der kapitalistischen Arbeitsteilung in diesem Land begründet, wobei gern auch auf die Teilung in so genannte Haupt- und Nebenwidersprüche verwiesen wurde. Wenn heute kommunistische Gruppierungen auf diese Teilung verweisen, so sollten sie berücksichtigen, dass die Ersten, die diese Teilung betonten, in Deutschland zumeist bei der Sozialdemokratie ihre politische Heimat fanden, mit der Konsequenz, jeden revolutionären Standpunkt abzulegen. So führte die ausschließliche Sichtweise aufs Proletariat schon früh in der Sozialdemokratie zu dem Standpunkt, dass ein siegreicher wilhelminischer Feldzug dem "deutschen Arbeiter" Vorteile und ein besseres Leben bescheren könnte.
Es ist evident, dass dieser Standpunkt mit einer kommunistischen Position unvereinbar ist. Doch hat uns zu dieser Meinung bisher die Sozialdemokratie verholfen, so können wir diese auch mit Lenin bestätigt sehen. Denn es war Lenin, der von "gerechten und ungerechten Kriegen" sprach. Wenn wir nun mit Clausewitz den Krieg als Mittel zur Durchsetzung einer bestimmten politischen Position begreifen, also zur freien Entfaltung eines bestimmten Standpunktes, wird deutlich, dass es auch eine gerechte und ungerechte Befreiung beziehungsweise Freiheit geben muss. Die Freiheit des deutschen Bauern in Nazi-Deutschland, sich in der Ukraine alles aneignen zu können, steht der Freiheit einer Arbeiterin am Fließband, über die Stückzahl zu bestimmen, gegenüber. Ebenso verhält es sich mit der Freiheit eines Menschen, seine eigene Sprache öffentlich sprechen zu können, seine vor Ort befindlichen Ressourcen selbst ausbeuten zu können. Wir sehen, dass der Begriff der Freiheit beziehungsweise der Befreiung nicht auf einen Aspekt beschränkt werden kann und selbst auch von der Rechten, wie mit dem viel zitierten Satz Rosa Luxemburgs geschehen, vereinnahmt werden kann. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als diesem Begriff Werte beizugeben, die seine Ausrichtung zementieren können. Und dies passiert auch: Kein Mensch, und schon gar nicht aus der Linken, würde ernsthaft Widerspruch bei der Forderung eines Kurden erheben, seine eigene Sprache sprechen zu wollen. Gleiches gilt auch bei dem Beispiel der Fabrikarbeiterin. Schauen wir auf Afrika, sprechen wir oft von der Ungerechtigkeit des Imperia-lismus, die Rohstoffe der Länder auszuplündern. Bei all diesen Positionierungen ist immer auch eine Werteauswahl vorhanden, die uns zu unseren Ansichten führt.
Haben wir nun aber erkannt, dass es sehr wohl gerechte Formen der Freiheit und der Befreiung gibt, müssen wir überprüfen, inwiefern ihre Propagierung auch zu einer umfassenden Freiheit führt. Oft wird angeführt, dass nationale Befreiungsbewegungen doch wieder nur alte, variierte Unterdrü-ckungsverhältnisse hervorbringt, das Beispiel Arafat wird hierbei gern verwendet. Ein Blick in das Fatah-Programm würde aber erkennen lassen, wie wenig diese Organisation mit sozialistischer Politik gemein hat, mithin als Beispiel wenig nützt. Die PKK hingegen hatte zunächst ein fortschrittliches Programm und schien auch den Willen zu besitzen, vieles davon umzusetzen. Doch bei einer genaueren Betrachtung fällt auf, dass Öcalan zum Beispiel schon Anfang der neunziger Jahre vom Menschen als einem religiösen Wesen sprach, mithin also wieder in alte Gesellschaftsmuster zurückzufallen schien. Nehmen wir jedoch Kuba und Vietnam als Beispiel, können wir erkennen, dass zumindest in diesen beiden Ländern vieles aus dem Programm der jeweiligen KP umgesetzt wurde: Erreicht wurde ein Bildungsstandard, der auch nach Jahrzehnten immer noch beispielhaft für beide Regionen ist. Erreicht wurde ferner ein Lebensstandard, der wenigstens Hunger und Obdachlosigkeit ausschließt, die medizinische Versorgung ist sogar besser als in manchem EU-Land. Damit sind Kuba und Vietnam Beispiele, die belegen, dass ein nationaler Befreiungskampf sehr wohl auch proletarische Belange berücksichtigen kann. Diese Beispiele ließen sich zudem ergänzen durch Angola und Mosambik, Länder, in denen nach der nationalen Befreiung eine Spaltung der Unabhängigkeitsbewegung eine rechte und eine linke Tendenz sichtbar werden ließ. Trotz des sich daraus entwickelnden, teilweise bis heute andauernden blutigen Krieges gelang es beiden Ländern, eine fortschrittliche Entwicklung einzuleiten, die erst mit dem Zusammenbruch der so genannten Comecon-Staaten ihr Ende fand. So war es in Mosambik normal, auch Frauen ein Auslandsstudium zu ermöglichen. In Algerien wurde darüber hinaus zumindest bis zum Ausbruch des Krieges die Analphabetenquote unter Frauen auf etwa zehn Prozent gesenkt, wobei diese zehn Prozent zumeist in den südlichen Gebieten der Sahara zu finden waren beziehungsweise in den islamistischen Hochburgen im Osten des Landes.
In all den genannten Ländern gab es Befreiungsbewegungen, die zuerst die nationale Befreiung propagierten, nach der Unabhängigkeit aber auch andere Freiheiten versuchten umzusetzen. Die Betonung der nationalen Befreiung war hierbei dem Umstand geschuldet, dass Kolonisatoren (hier Frankreich und Portugal) beziehungsweise korrupte einheimische Politiker im Dienste des Imperialismus (Batista und die USA) das Land ausplünderten und die einheimische Bevölkerung fast jedes Rechtes beraubten. Vor der nationalen Befreiung waren die Hauptmerkmale in diesen Ländern Hunger, Alkoholismus, Prostitu-tion, Drogenhandel, Bildungsarmut und eine extreme medizinische Unterversorgung, Missstände, die in diesen Ländern, wenn der Westen nicht sofort wieder einen neuen Krieg finanzierte, von den Befreiungsbewegungen abgeschafft wurden, womit deutlich die enge Verbindung von nationaler und sozialer Befreiung zu Tage tritt. Die Bevölkerungen konnten auf Grund dieser sozialen Misere leicht für die nationalen Befreiungsbewegungen gewonnen werden, da ihnen sichtbar war, wie sehr die ausländischen Mächte das Land gängelten und es in seiner Entwicklung hemmten und eben nicht ein einheimischer Alfred Cromme, ein Jürgen Schrempp oder ein Ron Sommer oder ein einheimischer Konzern das Land auspresste. Anders als in den imperialistischen, hoch entwickelten Industriestaaten war es in den genannten Ländern notwendig, zuerst die auswärtigen Kolonisatoren beziehungsweise ihre Statthalter zu vertreiben, mithin also eine taktische Notwendigkeit, um eine fortschrittliche Entwicklung, das strategische Ziel, für alle einleiten zu können. Wenn die Befreiungsbe-wegungen daher das Nationale zu betonen scheinen, dann ist dies eben diesem taktischen Umstand geschuldet, eine Unterwerfung anderer beinhaltet dies jedoch nur so weit, wie auch die Ausübung der von Marx so genannten Diktatur des Proletariats das Kapital zwingt, sich den Bedürfnissen der Produzierenden anzupassen. Gleiches hat Vietnam von den USA erzwungen.
Da in den genannten Ländern die Linke, auch historisch betrachtet, relativ stark war - Ho Chi Minh war Mitbegründer der KPF - konnte sich in diesen nationalen Befreiungsbewegungen kein Nationalismus durchsetzen, der chauvinistisch ausgeprägt war und wiederum einen anderen Bevölkerungsteil zu unterdrücken beginnt. Deshalb schlossen sich selbst ethnische Minderheiten diesen nationalen Befreiungsbewe-gungen an. Wie wichtig gerade die Unterstützung der ethnischen Minderheiten für die nationalen Befreiungsbewegungen ist, zeigt das Beispiel der Bru in den Truong-Son-Bergen der vietnamesischen Provinz Quang Tri, die nicht nur den ständigen Bombardierungen und Napalm-Angriffen der USA in der Demilitarisierten Zone widerstanden, sondern zum Großteil den Ho-Chi-Minh-Pfad in dieser Region bauten, wie auch alle andere Logistikarbeit durchführten. Selbst-verständlich bekamen die Bru nach der Revolution den Boden zugesprochen und verfügen seitdem über ein weit reichendes Autonomiestatut, anders als zum Beispiel die Montagnards in der Provinz Lam Dong, die es vorzogen, mit den USA zu kollaborieren - schon der selbst gewählte französische Name zeigt den Vasallencharakter dieser Bergvöl-ker -, wobei ihr Lohn meist in wenigen Naturalien bestand, was bei Alkohol und Tabak fatal an das Schicksal der amerikanischen Ureinwohner erinnern lässt.
Welche Entwicklung das Land nach der Unabhängigkeit einnimmt, hängt aber von den Kräfteverhältnissen ab, die innerhalb der Befreiungsbewegungen zwischen Rechten und Linken existieren und gerade anhand der jahrzehntelangen Kriege in Vietnam, Angola und Mosambik sichtbar wurden. Gerade wenn die Linke stark genug ist, nach der Unabhängigkeit an die Umsetzung ihres Programms zu gehen, zeigt sich der enorme Druck der regionalen Bourgeoisie oder Oligarchie. Figuren wie Chamorro in Nicaragua und Arafat in Palästina wenden sich sofort ihren ehemaligen Gegnern zu, um mit diesen zusammen gegen die Linke zu arbeiten. Ist die Rechte zudem nicht weniger stark, führt dies schnell zu einem neuerlichen Krieg - wobei die Rechte dann von den hoch industrialisierten Staaten unterstützt wird wie in Angola, Mosambik und Algerien -, der nicht nur dem Land und der Bevölkerung weitere Schäden zufügt, sondern jede fortschrittliche Entwicklung zusammenbrechen lassen kann. Aber auch innerhalb der Linken tauchen nun Kräfte auf, die selbst wieder nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Die gewonnene Macht kann auch altgediente Genossen verführen und sie zu Korruption und herrisches Verhalten führen, womit die gesamte Entwicklung einer Bewegung nachhaltig gefährdet wird. Doch auch wenn diese Fälle eine enorme Sprengkraft besitzen, dürfen sie nicht in der Hinsicht überbewertet werden, dass sie ein grundlegendes Charaktermerkmal nationaler Befreiungsbewegungen oder gar Organisierung darstellen, finden sie sich doch auf allen Ebenen in jedem Land der Welt, in autonomen Zentren und Kneipenkollekti-ven ebenso wie in verschiedenen Zentralkomitees. Vielmehr sind sie Ausdruck der Schwierigkeit, Verhaltensmuster der alten Gesellschaft abzulegen und Verbindlichkeiten einzuhalten, die aus einer sozialistischen Ethik entstehen.
Wir konnten sehen, dass eine fortschrittliche, eine linke Bewegung, wenn sie die nationale Befreiung propagiert, sicherlich auch andere Befreiungen propagieren und nach der Unabhängigkeit, der Erlangung der staatlichen Macht, umsetzen, also sämtliche gesellschaftlichen Widersprüche aufgreifen muss. Wird nur einer dieser Widersprüche aufgegriffen, kommt es schnell auch innerhalb einer fortschrittlichen Bewegung zu einer reaktionären Ausrichtung. Die Geschichte gerade der Kommu-nistischen Parteien lässt uns deutlich das reaktionäre Potenzial erkennen, das eine Gesellschaft besitzt, in der nach der sozialistischen Revolution nur ein Widerspruch zugelassen wird, andere Widersprüche aber nicht gelöst, sondern auf ein Neues unterdrückt werden. Es ist kein Zufall, dass die russische Mafia ihre Mitglieder aus alten KGB-Kadern rekrutieren konnte. Die Anerken-nung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit als alleiniger Widerspruch führte auch in der DDR zu einem Potenzial, das schließlich im Herbst 1989 zur bürgerlichen Wende führte und die gesamte sozialistische Gesellschaft dahinraffen ließ. Die Motivation Zehntausender von DDR-Bürgern, in die westdeutschen Botschaften in Prag und Budapest zu gehen, und Hunderttausender, für ein "einig deutsches Vaterland" zu demonstrieren, liegt auch in ihrem ureigensten proletarischen Interes-se, für ihre Arbeit eben nicht nur ein scheinbar schlechtes Produkt zu erhalten, sondern das anscheinend bessere aus dem Westen. Die Bilder zur Währungsreform in der DDR zeigen uns, wie reaktionär sich eine Betonung allein des Proletarischen entwickeln kann - im Übrigen ähneln sie fatal den Bildern der Pogrome von Rostock und Hoyerswerda. Hier zeigt sich deutlich die Möglichkeit der faschistischen Wendung des proletarischen Kampfes. Als weiteres Beispiel sei hier nur noch an die Bauarbeiterdemonstrationen gegen ausländische Arbeiter erinnert.
Das Zulassen nur eines Widerspruchs kann deshalb kein Weg für die Linke sein, der auch nur annähernd Erfolg verspricht. Vielmehr müssen sämtliche Widersprüche begriffen und die von ihnen Betroffenen anerkannt werden. Außerdem muss die Linke beginnen, die Wechselbeziehun-gen zwischen den einzelnen Widersprüchen aufzudecken, und diese Erkenntnisse in eine politische Praxis umsetzen. Eine hierarchische Ordnung der Widersprü-che ist hierbei ebenso abzulehnen wie ihre bloße Aneinanderreihung, wie sie zum Ende der achtziger Jahre mit dem Papier "Drei zu eins" in der autonomen Linken in Mode war. Diese Aneinanderrei-hung erkennt zwar die Gleichwertigkeit aller Formen der Unterdrückung und damit auch die Situation der Unterdrückung überhaupt für alle Unterdrückten an, sie führt aber in ihrer praktischen Umsetzung zu der allseits bekannten Anti-Haltung, wie sie gerade die autonome Linken geprägt hat und die damit ihre Fähigkeit verlor, Antworten zu geben. Eine Analyse der Gesellschaft, die der Linken auch eine strategische Möglichkeit eröffnet, ist mit der bloßen anerkennenden Aneinanderreihung der Unterdrückungsformen jedenfalls nicht möglich. Diese ergibt sich erst in dem Augenblick, wenn die Linke die Kräfte zu orten vermag, die die Richtung und das Tempo der gesellschaftlichen Entwicklung bestimmen. Diese Kräfte finden sich jedoch nicht in "dem" Mann und auch nicht in "dem" Deutschen. Um diese bestimmen zu können, ist es notwendig von der Seite der Unterdrückten zu der der Unterdrücker zu wechseln, mithin eine so genannte Wendung durchzuführen hin zum einzigen dynamischen Unterdrückungsmo-ment: dem multinationalen, mittlerweile global agierenden Kapital.
Wenn wir daher von Haupt- und Nebenwidersprüchen sprechen, kann dies nur auf das dynamische Leistungsvermögen der Unterdrü-cker zur Gestaltung der Gesellschaft bezogen sein. Eine Klassifizierung der Unterdrückten, gar eine Hervorhebung eines Teils von ihnen, muss jedoch zurückgewiesen werden. Diese Klassifizie-rung ist aber anscheinend ein Hauptmerkmal der autonomen Linken. Fast überall ist es anzutreffen, so zum Beispiel in der Ablehnung der sozialen Frage ("Wer arbeitet, ist selbst schuld", "Springer-Leser sind Faschisten"). Am fatalsten wirkt sich diese Haltung bei der antinationalen und antideutschen Strömung aus, die sich nicht nur einen bestimmten Teil der Unterdrückten als zu überzeugendes Subjekt ausgesucht hat, sondern auf der Grundlage der Ablehnung und sogar des Angriffs auf einen Großteil der hiesigen Bevölkerung agiert. Sicherlich ist es notwendig, den Konsens des Schweigens in diesem Land zu durchbrechen, der mindestens seit der Wende die faschistische Offensive begleitet und allenfalls in Extremsituationen wie nach dem Pogrom von Rostock im Herbst 1992 und den permanenten Attacken im Jahr 2000 heuchlerischen Betroffenheitsritualen Platz macht. Doch hierbei hilft es der Linken wenig, auf alle verbal einzudreschen, die Deutsche sind oder dafür gehalten werden. Hier muss die Linke vielmehr die Komplizenschaft des Staates, das Wohl-wollen so mancher Polizeidienststelle, der Justiz und vor allem der Geheimdien-ste an die Öffentlichkeit zerren und die Zusammenhänge mit den Kapitalinteressen deutlich machen. Der Zusammen-hang zwischen der ersten faschistischen Offensive zu Beginn der neunziger Jahre und der Kahlschlagpolitik der Treuhand und die vielen faschistischen Funktionäre, die gleichzeitig Geheimdienstmitarbeiter waren, sind jedoch von der Linken fast vollständig ignoriert worden. Dabei zeigte sich hier sehr leicht die Möglichkeit, zwei Widersprüche miteinander zu verbinden und für eine politische Praxis der Linken eine Synthese eingehen zu lassen. Dies nicht genutzt zu haben war einer der schwersten politischen Fehler der Linken und ein Grund für ihren jetzigen Zustand.
                        Wie absurd die Betonung des Deutschen - auch in seiner Vernei-nung - zudem ist, zeigt das Beispiel der Kommentare von Jürgen Elsässer in der "Jungen Welt". Bei noch jeder Beurteilung der Situation in Nordirland konnte Elsässer nicht anders, als den alten Tirpitz aus der Versenkung zu holen und ihn als Freund des irischen Nationalismus darzustellen, um schließlich den irischen Befrei-ungskampf an sich in einem Atem-zug mit dem deutschen Imperia-lismus abzulehnen und die englische Dominanz im Besonderen als segensreich darzustellen, da diese immerhin gegen Deutschland gestanden hat. Dabei entblödete sich Elsässer nicht, Punk und Beat als Beispiele für das Gute anzuführen, das immer "aus England kam". Die Machenschaften des britischen Empire verschwieg er hierbei wohlweislich, womit sich nun spätestens der Kreis schließt: Aufgebro-chen im Dienste einer politischen Korrektheit - wohlwollend betrachtet, um begangene Fehler nicht noch einmal zu widerholen - endet die Verirrung im Schoß der imperialistischen Staatengemeinschaft, zu der Deutschland allerdings nicht zu gehören scheint.  Von hier aus ist es ein sehr kleiner Schritt, auch die USA zu einen Garanten des Friedens und des menschlichen  Fortschritts zu erklären, wie es neulich in einem obskuren Flug-blatt  in Berlin unter dem Motto “Lang lebe Israel!” zu lesen war.   Es verwundert dann auch nicht, dass nationale Befreiungsorgani-sationen wie  die PFLP und die DFLP - aber sicherlich auch jede andere fortschrittliche  Organisa-tion, die auf dieser Erde für eine gerechtere Gesellschaft den Kampf auf ihrer jeweiligen nationalen Ebene aufgenommen hat - in einem Atemzug genannt werden mit den Vasallenstaaten, die der deutsche Faschismus während des Zweiten Weltkriegs im Namen nationaler Unabhängigkeit eingerichtet hatten. Diese Vermischung kleidet sich zwar in den Mantel der Theorie, bei einer näheren Be-trachtung wird aber sofort deutllich, dass Staaten wie Großalbanien und Großkroatien nichts mit einem freien Nicaragua, einem freien Kuba, einem freien Vietnam und so weiter gemein haben außer dem Etikett. Sollte die Verwendung eines Etiketts jedoch ausreichen zur Verurteilung einer politischen Position, müsste die Linke sich auch von dem des Sozialismus verabschieden, denn auch dieses wurde vom Faschismus benutzt. Diese Vermischung ist jedoch kein auf Oberfläch-lichkeit zurückzuführender Fehler, sondern wird bewusst benutzt und gehört zur Methode der Diffamierung.
Diese antideutschen Positionen scheinen kaum einem erntshaften politischen Standpunkt zu entsprechen, zumal die wenigsten dieser Position eine radikale Politik betreiben, wie sie wenigstens Antifasist Genclik vor ihrem Scheitern noch zu Beginn der neunziger Jahre durchführte mit ihren Angriffen auf deutsche Faschisten. Die heutigen antinationalen und antideutschen Gruppen besitzen als einzige Praxis die Bewegung ihres Zeigefingers, mit dem sie ihre moralischen Verweise auf Auschwitz unterstreichen. Diese Paxis scheint eher der Mittäterschaft der eigenen Familie herzurühren. Doch auch wenn die eigenen Väter und Mütter, die eigenen Großväter und Großmütter vom Dritten Reich profitierten und willentlich alles mitgemacht haben, entbindet es nicht die Linke von der Aufgabe, eine Mehrheit der Bevölkerung, der Nachfahren der Täter, zu überzeugen und zu gewinnen. Eine Pflicht, die sowohl hier als auch überall gilt. Mit welcher Taktik dies geschieht - das ist die Aufgabe der Linken vor Ort, herauszufinden.
IRA-Plakat in memory of Boby Sands
IRA-Plakat




                           


  
        
Buch von Bomber Harris Buch, geschrieben
von Bomber Harris
                         
              
























































































        





        
           
Der deutsche Hosenpisser
Deutscher, der sich die Hose vollpisste beim Progrom


           
































                        
Hasta la victoria siempre!!!
"Schafft zwei, drei, viele Vietnam!!!"
(Losung von Che Guevara)



 
                                    
           

Bomber Harris do it again, oder wer oder was ist eigentlich antinational?

             
Von Anna Bauer

Als in der Noch-BRD und Noch-DDR Ende des Jahres 1989, gemeinhin als "die Wende" bezeichnet, deutsch-nationaler Wahn im fortwährenden Gröhlen der deutschen National-hymne, gelegentlich unter Absin-gen aller drei Strophen, und im Schwenken deutscher Fahnen und Fähnchen fröhliche Urständ feierte, gab es unter den Linken wahrscheinlich niemanden, dem beim Betrachten der dementsprechenden Fernsehbilder und dem Anhören der dazu passenden Kommentare und des schon erwähnten Gegröhles nicht speiübel geworden wäre. Die in das an den Fanatismus zum Kriegseintritt 1914 erinnernde deutsch-nationale und antikommunistische Getaumel von einigen Tausend Linken trotzig hineingeworfene Losung "Nie wieder Deutschland" war ebenso verständlich wie hilflos und einige Monate darauf bereits anachronistisch, denn der reiche, der große und den Namen Deutschland nach dem Hitlerfaschismus weiter tragende Teil des zweigeteilten deutschen Territoriums hatte den kleineren, den ärmeren und den unterlegenen Teil geschluckt, der seinerseits den Namen "Deutschland" im Staatsnamen vermieden hatte. Um es nicht zu vergessen, gab es auch noch die kleine "Insel" Westberlin, die, was von vielen geschätzt wurde, irgendwie überhaupt nicht richtig deutsch war. So musste mann als Bürger dieser Insel nicht zur Bundeswehr und hatte auch einen "provisorischen Personalausweis".
Es ist interessant, dass die DDR den Namen Deutschland vermied, sie bewies damit historisches Feingefühl und setzte gewissermaßen nominal einen antinationalen Schwerpunkt. Während sich Pro-dukte aus westdeutscher Produktion mit dem Logo "made in Germany" brüsteten, begnügte sich die DDR mit "made in GDR", German Democratic Republic und nicht Democratic Republic of Germany. Leider ist uns nicht bekannt, welche Diskus-sionen bei der Na-mensgebung der DDR geführt wurden, aber ganz offensichtlich wollte man sich dort von der deutschen Vorgeschichte - Kolonialismus und Konterrevolu-tion, Krieg und Faschismus - auch im Staatstitel distanzieren. Bei internationalen Sportereignissen hatten dann die Kommentatoren immer die Schwierigkeit, zwischen den "deutschen Sportlern" und den "Sportlern der DDR" zu unterscheiden, denn "deutsche Sportler" waren Letztere anscheinend nicht. Auch dass in diesen Zeiten speziell in einem Bereich, einem öffentlichen Sektor (viele andere gab es darüber hinaus freilich nicht) wie dem Sport die DDR über die BRD dominierte, führte dazu, dass man sich in der BRD über die vielen DDR-Medaillen nicht freuen konnte, denn diese fielen ja nicht nur den verhassten Kommunisten, sondern auch noch den Vater-landsverrätern zu! In der DDR führte diese Medaillenflut hingegen zu der sicherlich auch beabsichtigten Identifizierung mit dem Staat.
Dass dies nicht unbedingt einer Einsicht in historische Zusam-menhänge, sondern vielfach einfach gelernter Gewohnheit beziehungsweise widerwillig akzeptierter Unterordnung unter das Gesellschaftssystem der DDR geschuldet war, wissen wir spätestens seit den vielen Demonstra-tionen mit den Tausenden von DDR-Fahnen, aus denen das DDR-Symbol - Hammer, Zirkel und Ähren, stehend für die Einheit von Arbeiter- und Bauernklasse und Intelligenz - demonstrativ herausgeschnitten worden war. Endlich konnte und durfte man einfach "Deutscher" sein. Dass es darüber hinaus in der DDR viele gab, die diese Entwicklung auch unter diesem Gesichtspunkt traurig, tragisch und fatal fanden, soll hiermit nicht infrage gestellt werden.
Es gibt noch andere Beispiele, die diese Entwicklung verdeutlichen. So mutierte die eher soziologisch, also im Herrschaftsverhältnis zwischen Staatsvolk und Staatsfüh-rung wurzelnde Losung "Wir sind das Volk" der Wendezeit sehr rasch zur völkisch-national zu definierenden Parole "Wir sind ein Volk". Und das, was folgte, war ebenso logisch wie fürchterlich: Fremde Völker haben in diesem Ein-Volk-sind-wir-Staat nichts zu suchen, vor allem dann nicht, wenn sie von einem staatlich verordneten Internationalismus "profitiert" haben, wie die Vietnamesen, die Angolaner, die Kubaner, die Mosambikaner und andere, wie Russen, Mongolen, Tataren, die sich für viele sowieso nur auf Grund der deutschen Niederlage ansiedeln konnten, was für diese dann noch viel schlimmer war.
Aber schon die "alte" BRD kannte Rechtsextremismus. Lange vor der "Wende" gab es Aufmärsche von "Vertriebenen" mit revanchistischen Parolen, Wehrsportgruppen, Anschlägen, gab es Ressenti-ments gegen Nichtweiße und Diskriminierung von Arbeitsimmi-grantInnen und Behinderten, gab es Braunzonen, Terror gegen Linke und anders Denkende. Und die direkte Überführung faschistischer Mandatsträger in die BRD, wie zum Beispiel Schleyer und Globke und Filbinger und die vielen anderen nicht so bekannten Mitglieder der Braunzone in politische, wirtschaftliche und kulturelle Ebenen, ist hier nicht direkt Thema, sollte aber nie vergessen werden.
Die Ebene des direkten Pogroms wie Rostock und Hoyerswerda, die wirkliche Vielzahl von Anschlägen und Morden war jedoch neu. Es ist nicht verwunderlich, dass angesichts solcher Entwicklungen unter vielen Linken die Abneigung gegen den Begriff "deutsch" an sich immer größer wurde. Verständlich auch insofern, da die mit der DDR, von aller Kritik am "preußischen Sozialismus" mit allen seinen negativen Erscheinungsformen einmal abgesehen, verbundene Hoffnung auf eine deutsche Repu-blik ohne Chauvinismus und Völkermordgelüste und mit einer klaren Absage an den Nationalso-zialismus mit ihr zusammen untergegangen war.
Der nationale Taumel mit Feuerwerk und Fahnen und Po-gromen hat ein Übriges dazugetan. Trotzdem muss die Frage gestellt werden, ob die Parole "Bomber Harris, do it again" gerechtfertigt ist, auch wenn angesichts der aktuellen Entwicklungen viele ihr zunächst spontan zustimmen würden und zugestimmt haben. Der Begriff "antinational" wurde hier zu Lande zuerst gleichgesetzt mit dem Begriff "antideutsch". Heute wird "antinational" überwiegend gleichgesetzt mit der Ablehnung staatlicher Formatio-nen, also einem anarchistischen Verständnis davon, dass jeder Staat ein Unterdrückungsinstru-ment ist und von daher abzulehnen und zu bekämpfen sei. Es ist offensichtlich, dass auch Anarchis-tInnen den Kampfbegriff "Feuer und Flamme für jeden Staat", (abgeleitet von der Losung "Feuer und Flamme für diesen Staat") nicht direkt auf Staaten wie Kuba oder Vietnam anwenden würden oder wollen.
Ist dies jedoch der Fall, bedeutet antinational zu sein zwangsläufig auch, Begriffe wie "nationaler Befreiungskampf" oder Namen wie "Front der nationalen Befreiung" abzulehnen oder zumindest infrage zu stellen. Dabei wird dann häufig sehr unreflektiert mit diesen Begriffen umgegangen, und es werden verschiedene Begriffe vermengt und verwechselt. Nationale Befreiung ist nicht gleichzusetzen mit nationalistischem Chauvinis-mus oder dem Bestreben, andere Nationen oder Völker zu unterdrücken und zu kolonisieren. Den Völkern des Trikonts das Recht abzusprechen, sich gegen koloniale und neokoloniale Unterdrückungs-mechanismen zu wehren, bedeutet nichts anderes als ein vom hohen Ross herunter angewendeten Metropolenchauvinismus. Was nichts anderes heißt, als dass Metropolenlinke, die in ihren Nischen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, relativ sicher hocken, jedenfalls in den allermeisten Fällen sicher und meistens ziemlich bequem in ihren Wohnungen und Stammkneipen leben, sich anmaßen, über andere, die unter ganz anderen, bei weitem nicht so bequemen und sicheren Bedin-gungen leben und kämpfen müssen, ein arrogantes Urteil zu fällen.
In diesem Zusammenhang wird die Problematik des kurdischen Befrei-ungskampfes besonders häufig genannt: Nutzt es den Kurdinnen und Kurden, sich von türkischer, irakischer oder iranischer Vorherr-schaft zu befreien, wenn sie danach unter der Herrschaft kurdischer Patriarchen, Großgrundbe-sitzer oder gegebenenfalls Partei-größen leben müssten oder sollten? Was soll dann also der eigene Staat, wenn er wiederum neue oder andere Unterdrückungsme-chanismen beinhaltet? Können die KurdInnen sich dann nicht diese Kämpfe gleich ersparen? Diese Fragen zu stellen ist in jedem Fall legitim. Nicht legitim ist aber, sie stellvertretend für die Kurdinnen und Kurden zu beantworten. Dies geschieht jedoch und ist, unabhängig von der Position, die gegenüber Gruppen wie der PKK eingenommen wird, Ausdruck eines ausgeprägten linken Metropolen-chauvinismus, des "Wir sind da schon viel weiter als ihr, und eigentlich können wir euch erzählen, wie es geht". Aber das können wir überhaupt nicht. Weil wir überhaupt nicht, zumindest die allermeisten von uns, mitreden können über Ermordungen und Verschlep-pungen ins Nirgendwo, das Niederbrennen von Tausenden von Dörfern, das Verschlepptwer-den von Angehörigen und Freunden, ohne dass man einen Ermittlungsausschuss oder einen Anwalt anrufen kann (und wenn, was nützt es schon?), das Im-Knast-Verschwinden für viele Jahre, weil man/frau die falschen Farben getragen oder in der falschen Sprache öffentlich aufgetreten ist, und so weiter.
Der Schritt, sich von einer chauvinistisch-rassistischen Staatsmacht zu befreien, die schaltet und waltet, wie es ihr gefällt, kann nicht anders als ein Akt der Befreiung für die betroffenen Völker gewertet werden. Das bedeutet nicht, das andere Formen wie die von kapitalistischer, oligarchischer oder patriarchaler Unterdrückung davon auszuklammern wären oder nicht nachfolgen sollten. Wie die Geschichte der Befreiungskämpfe, auch die der so genannten nationalen, zeigt, laufen diese Formen von Befreiung teilweise parallel oder folgen unmittelbar nach. Dass dies freilich nicht zwangsläufig stattfindet und abhängig ist von der Stärke der fortschrittlichen Kräfte in solch einem Befreiungskampf oder einer Revolution, ist eine andere Frage. Es kann jedoch nicht unsere Aufgabe als Metropolen-linke sein, diese Reihenfolge zu bestimmen oder zu bewerten.
Linke aus den Metropolenstaaten, das heißt den Staaten, die über Jahrhunderte hinweg die Völker im Trikont sowohl mittels Völkermord und Kolonisation als auch über ökonomische, militärische und kulturelle Unterdrückung beherrscht haben, sollten sich genau überlegen, inwieweit sie aus einer Position der relativen Sicherheit und eines relativ guten Lebens jetzt auch noch anfangen, diesen Völkern und Staaten vorschreiben zu wollen, wie ihr Weg zur Befrei-ung auszusehen hat. Was speziell, aber nicht ausschließlich Kurdistan betrifft, so wäre in jedem Fall die Vertreibung der türkischen Besat-zungsarmee und die Ausrufung eines eigenen Staates für die Kurdinnen und Kurden ein bedeutender Fortschritt. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass das Nato-Land Türkei von seinen Verbün-deten uneingeschränkte Unterstüt-zung gegen so genannte Sezes-sionisten erhält, während andere Sezessionskriege wie in Jugosla-wien von der Nato wiederum uneingeschränkt unterstützt wurden, bis hin zum Bombenkrieg im Jahr 1999. Die Nato weiß sehr genau, welche Sezessionskriege ihr nützen und welche ihr schaden, und warum. Die Linke hingegen, speziell in der BRD, zerfleischt sich in Definitionsfragen und wird handlungsunfähig. Das ist genau das, was die Herrschenden zu ihrer Herrschaftssicherung wollen und brauchen. Eine der Lieblingsfra-gen, die sich anscheinend zwangsläufig stellt, ist: Wer ist eigentlich das Volk, und: Wer sind die Völker?
Das "Volk" wird in unserem Verständnis gleichgesetzt mit dem "plebs", den Plebejern, den einfachen Leuten, dem Pöbel, abgeleitet aus dem absolutistischen "Der Staat bin ich" der Könige, wobei die anderen dann das Volk, das gemeine, sind, und weiterentwickelt von Marx nach dem Siegeszug der Bourgeoisie zum Proletariat,, das natürlich "kein Vaterland" hat. Diese Definition hat mit dem nationalistischen Volksbegriff, mit dem Neudeutsch ethnisch oder Alt-deutsch völkisch definierten kruden Begriff, nichts zu tun. Wie auch bei den nationalen Befreiungsbewegungen sind alle diejenigen das Volk, die arm,, unterdrückt, lohnabhängig sind, egal, wie sie aussehen, wo sie geboren, wer ihre Eltern sind, was für einen Pass sie haben. Im Gegen-satz zu denen, die die Herrschaft besitzen, egal, wie die aussehen, wo sie geboren, wer ihre Eltern sind und was für einen Pass sie haben. Der nationalistisch-rassistische Volksbegriff ist schräg, wissenschaftlich unhaltbar und rein polemisch, nämlich darauf angelegt, andere "Völker" zu Feinden zu erklären, zu Sündenböcken zu machen, die Grenzen zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu verwischen. Es gibt weder ein deutsches noch ein türkisches, noch ein englisches oder amerikanisches Volk, sondern nur jene, die oben sitzen und die Profite einstreichen, und diejenigen, die unten sind und die Profite der Herr-schenden erwirtschaften. Diese sind das Volk, egal wo sie geboren sind oder wo sie herkommen.
Im Zuge antinationaler PC, bei der der Begriff "Volk" als solches schon anrüchig ist, hat die linksliberale/autonome "communitiy" diesen Begriff ersetzt durch "Ethnien" oder "indigenas" oder "natives". Wobei, konkret gesprochen, diese Begriffe auch nichts anderes ausdrücken, als dass eine einheimische Bevölkerung durch Imperia-listen und Kolonialisten und nationale Chauvinisten politisch, sozial, ökonomisch, kulturell, militärisch unterdrückt und ausgebeutet wird. Wie zum Beispiel mittels des Verbots der kurdischen Sprache in der Türkei, wobei klar ist, dass viele Angehörige der armen Bauern überhaupt kein Türkisch verstehen und sie deshalb bei der Erledigung ganz simpler Angelegenheiten vollkommen aufgeschmissen sind, Ähnliches gilt für die Indigenas in Lateinamerika und Asien. Oder dass ihre herrschenden Klassen, unabhängig, wo sie herkommen, zum Beispiel Perus neoliberaler Autokrat Alberto Fujimori, der jetzt auf Grund elterlicher Herkunft wieder Staatsbürger von Japan ist und so der Strafverfolgung in Peru entkommt, mit imperialistischen Staa-ten verbündet sind - ihre Mitglieder sind selbstverständlich anerkannt und werden nicht diskriminiert, gleichgültig, ob sie hell, dunkel, durchsichtig oder neongrün aussehen - darauf kommt es überhaupt nicht an.
Die Tatsache, dass es nach Jahrhunderten der Kolonisation eine ganze Reihe von ausländischer und in Verbund mit ihnen inländischer Kolonialisten gibt, die Völker unterdrückten und ausbeuteten, sollte eigentlich als selbstverständlich anerkannt sein. Die Tatsache, dass imperialistische "Leitkultu-ren", seien sie nun spanisch, deutsch, portugiesisch, japanisch, türkisch, englisch, US-amerikanisch, seit Jahrhunderten versuchen, durch verschiedene Mecha-nismen ihre "Leitkultur" durchzusetzen, resultiert aus dem Bedürf-nis, kolonisierte Völker, Staaten, Kulturen ihrer eigenen Verwert-barkeit zuzuführen, was die Zer-schlagung all des Widerstands bedeutet, der dieser Verwertbarkeit entgegensteht. Wenn Völker, seien sie nord- oder südamerikanische Indigenas oder KurdInnen, oder Maori, sich diesen Verwertungs-mechanismen entgegenstellen und sich dabei auch auf die Unter-drückung des eigenen Volkes berufen, so ist es total metropolenarrogant, diese Kämpfe von hier aus, also von einer imperialistischen Metropole, auf so einer abgehobenen Ebene wie "Jeder Volksbegriff ist reaktionär, jeder Staat ist repressiv" zu kritisieren.
Anstelle dieser in der deutschen Linken überaus beliebten Praxis machen wir weiter mit den Fragen: Wer oder was ist deutsch?, und: Hatte Bomber Harris Recht oder nicht? Die Losung "Bomber Harris do it again" bezieht sich auf den Bombenangriff der US-amerikanischen und britischen Streitkräfte im Februar 1945 auf Dresden. Dabei kamen einige Zehntausend Menschen, überwiegend Flücht-linge, die sich vor allem in der Innenstadt und auf dem Haupt-bahnhof drängten, ums Leben. Die oben genannte Losung, manchmal mit der Foto-kulisse der Ru-inen ergänzt, ist ein beliebtes Symbol bei antideutschen Grup-pen. Dazu das Zitat aus einem Aufruf des Auto-nomen Haufens (Aha), zitiert aus "Interim", Nr. 318, anlässlich einer Gedenkveranstal-tung zum 50. Jahrestages des Bombardements: "Denn die Bombardierung Dres-dens stellte wie viele andere militärische Aktionen einen notwendigen Schritt bei der Zerschlagung des Nationalsozialismus und damit der Befreiung der in den KZs Inhaftierten dar."
Aber tat es das tatsächlich? Tatsache ist, dass die Kriegspro-duktion weiterging. Auch, dass die noblen Villen der Nazi-Oberen und ihrer Unterstützer aus der Wirt-schaft nicht bombardiert wurden. Auch wurde nicht der militärisch wichtige Bahnhof Dresden-Neustadt bombardiert oder nur so schwach, dass bereits kurze Zeit später der Betrieb wieder aufgenommen werden konnte, sondern der mit Flüchtlingen voll gestopfte Hauptbahnhof. Der Angriff auf Dresden stellte auch nicht, wie die AutorInnen des Aufrufes anhand eines Zitates der Royal Air Force annehmen, einen Versuch dar, die Rote Armee zu entlasten, da Sachsen überhaupt nicht das Ziel der Roten Armee war, sondern Berlin einzukreisen. Die Sorge der Westalliierten galt zu diesem Zeitpunkt bereits viel stärker dem fortschreitenden Vormarsch der Roten Armee gen Westen.
So zitiert Simone de Beauvoir in ihrem Essay "Das Alter" (Paris, 1970) Churchill mit folgenden Worten: "1945, als die Deutschen sich zu Tausenden ergaben, schickte ich Feldmarschall Mont-gomery ein Telegramm mit der Empfehlung, ihre Waffen zu horten; es hätte ja die Notwendigkeit eintreten können, sie den Soldaten der Wehrmacht zurück-zugeben, falls nämlich die Russen ihren Vormarsch fortgesetzt hätten." Simone de Beau-voir führt diese Äußerung Churchills auf seine zunehmende Vergrei-sung zurück. Im Jahr 1999 wurde jedoch öffentlich bekannt, dass es tatsächlich bereits Geheimverhand-lungen zwischen gefangenen deutschen Offizieren und britischen Militärs gegeben hatte, die das Ziel hatten, einen gemeinsamen Angriff auf die geschwächte SU durchzuführen. Der Kriegsverlauf entzog diesen Ver-handlungen die Grundlage. Was die Befreiung der Konzentrations-lager anbelangt, so hätten die Westalliierten, spätestens nachdem ihre Flugkapazitäten ausreichend waren, dazu die Möglichkeit gehabt, taten es jedoch nicht. Sie hatten bereits lange Kenntnis von Existenz und Lage der Vernich-tungslager, teils durch Informan-ten, teils durch die Auswertung von Erkundungsflügen. Dennoch fiel keine einzige Bombe auf Auschwitz, um zumindest die Zufahrtswege, die Rampe, den Bahnhof zu zerstören. Nichts geschah.
Noch einmal ein Zitat aus dem Aufruf des Aha: "Dass dabei als militärisches Ziel auch die deutsche so genannte Zivilbevölkerung in ihrer Moral gebrochen werden sollte, rechtfertigte sich aus den für Millionen von Menschen tödlichen Erfahrungen mit Nazideutschland. Denn nicht nur die Wehrmacht kämpfte an diversen Fronten bis zum letzten Mann, sondern auch die (ob widerwillig oder nicht) loyalen Deutschen wurden zu Exekutoren des Rasse- und Ver-nichtungskrieges, indem sie zum Beispiel durch den Bau von Panzergräben und die Verteidi-gung der zu Festungen ausgebauten Städte die Lebensdauer des Nationalsozialismus bis zur totalen Niederlage verlängerten." Mit der Gutheißung der bewusst durchgeführten Bombardierung von Zivi-listen werden die Standards der Genfer Konvention auch von linker Seite außer Kraft gesetzt. Es ist aber in jedem Fall eine gefährliche These, wenn Linke anfangen, die Genfer Konvention in dieser Beziehung zu revidieren. Auch der Vernichtungskrieg der Faschisten kannte keine Zivilbevölkerung, sondern nur kollaborierende Loya-le, die "geschont" wurden, und "Banditen", die "präventiv" oder zur "Vergeltung" liquidiert wurden. Die Logik imperialistischer und faschistischer Militärs und Statthalter kann aber auf keinen Fall Vorbild für Linke sein! Dies würde in letzter Konsequenz auch bedeuten, den Atomangriff auf Hiroshima und Nagasaki zu rechtfertigen, da ja auch Japan als Verbündeter Nazi-Deutschlands und auch als eigenständiger rassistischer, faschistischer Staat eine Vielzahl schreck-licher Verbrechen verübt hatte. Diese Angriffe wurden neben der Vergeltung für den japanischen Angriff auf Pearl Harbour von den USA auch mit der Verkürzung des Pazifikkrieges begründet. Mittler-weile ist eigentlich unbestritten, dass es neben der Drohung in Richtung Sowjetunion in erster Linie um das erstmalige praktische Ausprobieren der neuen Waffen-technik ging, denn Wissenschaftler und Dokumentationsteams waren sehr schnell zur Stelle, zahlten für ihren Eifer allerdings dann früher oder später häufig mit ihrem Leben.
Auch die Nato-Menschenrechts-krieger, erstmals unter direkter Beteiligung der BRD, rechtfertigten ihre Ausweitung "militärischer" auf "eher zivile Ziele" (Brücken, Straßen, Sendeanstalten, Eisen-bahnlinien, zivile Fabriken) mit der notwendigen Demoralisierung der Bevölkerung, der Zerschlagung von "Propagandamaschinen" und so weiter. Die USA in ihrem Krieg gegen Vietnam (auf das mehr Bomben fielen als auf ganz Europa während des Zweiten Weltkrieges) argumentierten ebenfalls damit, dass dem Vietcong beziehungsweise der nordvietnamesischen Armee Logistik und Unterstützung zerstört beziehungsweise entzogen werden sollten. Auch dabei wurde die Zivilbevölkerung nicht ausgespart und gezielt angegriffen.
Nun mal zu einem anderen Aspekt antideutscher/antinationaler Sicht-weisen. Als anlässlich des rassistischen Mordanschlages in Lübeck die Gruppe Café Morgenland im Sommer 1996 zu einer Demon-stration in Lübeck und Greves-mühlen aufrief, da war in ihrem Aufruf die Rede von "80 Millionen potenziellen Rassisten". 80 Millio-nen, das heißt alle, vom türkischen Fabrikarbeiter bis zur iranischen Immigrantin, vom Säugling bis zum Kreuzberger Autonomen. Wen will man denn dann eigentlich mobilisieren, und was soll durch so eine Aussage ausgedrückt werden? Aber selbst wenn mit den 80 Millionen Rassisten nur die deutsche Bevölkerung gemeint ist, bleibt die Frage: Und wie definiert sich "deutsch"; durch Geburtsort, Pass, Eltern oder Zeitpunkt der Einreise? Diese etwas polemische Frage ist dennoch gerechtfertigt, denn wenn man sie konsequent zu Ende denkt, resultiert daraus eine biologistische und in letzter Konsequenz rassistische Heran-gehensweise. Ebenso wenig wie es Gene für "Kriminalität" oder "Terrorismus" gibt, wie manche rechten Wissenschafter seit Jah-ren behaupten, gibt es ein speziell deutsches Gen für Rassismus. Und Rassismus ist auch kein deutsches Phänomen, wenn auch die Geschichte der faschistischen, rassistischen Verfolgung mit der Konsequenz der fabrikmäßigen Verwertung und Vernichtung von Millionen von Menschen allerdings einzigartig ist. Eine Relativierung von Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Mauthausen, der anderen Konzen-trationslager und der massenhaften Vernichtung der Zivilbevölke-rung durch Wehrmacht und SS darf es nicht geben. Dies geschieht allerdings ständig, und zwar nicht nur durch die Revisionisten, die behaupten, die Vernichtungslager seien eigentlich Arbeitslager gewesen, oder die Zahl der Opfer sei viel zu hoch angesetzt, sondern auch zum Beispiel durch Leute wie Außenminister Fischer, der die erste deutsche Kriegsbeteiligung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gerade damit begründete, ein neues Auschwitz müsse auf alle Fälle verhindert werden, und sei es durch das Mittel des Krieges. Es interessierte in diesem Zusammenhang die Minister Scharping und Fischer überhaupt nicht, dass die Überlebenden deutscher Vernichtungslager einen offenen Brief an sie richteten, indem sie sich scharf von dieser Begrün-dung, die einen Missbrauch ihrer Geschichte darstellte, distanzierten, und ein sofortiges Ende des Bombenkrieges gegen Jugosla-wien, das während des faschistischen Krieges allergrößte Opfer erleiden musste, forderten. Leider wurden auch viele Linke Opfer dieser Relativierung und dieses Pro-pagandacoups, so dass in der BRD die 78 Tage lange Bombar-dierung Jugoslawiens ohne wirklich große Massenprotestbewe-gung vonstatten gehen konnte, ganz anders als zu Zeiten des Zweiten Golfkrieges 1991.
Ganz klar ist, dass speziell seit den Zeiten der "Wende" rassistische und antijüdische Tendenzen in Teilen der Bevölkerung, Angriffe, Morde, Bedrohungen, Propagan-daaktionen sich über Jahre hinweg ziemlich offen entwickelt haben und entwickeln konnten. Dennoch sind  Rassismus und Antisemi-tismus keine speziell deutschen Phänomene. Das Wort Pogrom stammt aus dem Russischen, die Pogrome im zaristischen Russland und in Polen waren für ihre Grau-samkeit berüchtigt und wurden von den zaristischen Herrschern jahrhundertelang benützt, um Unzu-friedenheit mit der Selbstherrschaft auf eine diskriminierte und meist in Ghettos zusammengepferchte jüdische Bevölkerung zu kanalisieren. So wurden die ersten durch die Faschisten errichteten Ghettos sowie die größten Vernichtungsla-ger speziell in Gebieten Osteuro-pas errichtet, in denen traditionell der Antisemitismus stark verbreitet war. Es ist auch eine Tatsache, dass die meisten der Häftlinge, die nach dem Aufstand im polnischen Vernichtungslager Treblinka flüchten konnten, später antisemitischen Polen zum Opfer fielen, die sie entweder auslieferten oder gleich selber umbrachten. Rassis-tische und religiös-rassistische Pogrome fanden/finden leider auch weltweit statt, von Armenien bis Kurdistan, von Bangladesch bis Ruanda. Und der Vernichtungs-krieg der weißen Eroberer Nord- und Südamerikas kann hierbei auch nicht vergessen werden. Rassistische Pogrome gegen Ein-wandererInnen, Jüdinnen und Ju-den, Sinti und Roma und Flüchtlin-ge gibt es auch europaweit, in Frankreich wie in Spanien oder in der Slowakei oder in Rumänien.
Es kann aber auch nicht darum gehen, aufzulisten, wo die meisten oder die schlimmsten Pogrome stattfinden, sondern zu überlegen, wem das nützt. Rassenhass und Rassenwahnideologien haben im-mer den herrschenden Klassen genützt und werden von ihnen gezielt als Mittel zur Herrschaftssi-cherung und zu Kriegsvorberei-tungen eingesetzt. Es ist immer bequem für die Herrschenden, Minderheiten als Sündenböcke aufzubauen und damit die Leute davon abzulenken, wer wirklich für alle Missstände verantwortlich ist.
Karl Liebknecht, der im Ersten Weltkrieg wegen seiner antimilitaristischen Arbeit im Gefängnis war, hat das klar erkannt, und in der Losung "Der Hauptfeind steht im eigenen Land!" zusammengefasst. Als Linke sehen wir überhaupt keinen Sinn darin, irgendwelchen Bomberpiloten Beifall zu zollen, sondern vielmehr in der Losung des Kommunistischen Manifestes: Proletarier(innen) aller Länder, vereinigt euch!





                           





Kurt Tucholsky
Kurt Tucholsky


“Aber einen Trost hast du immer, eine Zuflucht, ein Wegschweifen. Selbst auf Umgebungsflachheiten stehen Bäume, Wasseraugen schimmern dich an, Horizonte sind weit, und auch durch düstere Verhängung kommt noch Feldatem.”

Alfons Goldschmidt,  “Deutschland heute”


HEIMAT

von Kurt Tucholsky
(aus "Deutschland, Deutschland über alle von 1929)

Nun haben wir auf vielen Seiten Nein gesagt, Nein aus Mitleid und Nein aus Liebe, Nein aus Haß und Nein aus Leidenschaft - und nun wollen wir auch einmal Ja sagen. Ja -: zu der Landschaft und zu dem Land Deutschland.
Dem Land, in dem wir geboren sind und dessen Sprache wir sprechen.
Der Staat schere sich fort, wenn wir unsere Heimat lieben. Warum grade sie - warum nicht eins von den andern Ländern -? Es gibt so schöne.
Ja, aber unser Herz spricht dort nicht. Und wenn es spricht, dann in einer andern Sprache - wir sagen “Sie” zum Boden; wir bewundern ihn, wir schätzen ihn - aber es ist nicht das.
Es besteht kein Grund, vor jeden Fleck Deutschlands in die Knie zu sinken und zu lügen: wie schön! Aber es ist da etwas allen Gegenden Gemeinsames - und für jeden von uns ist es anders. Dem einen geht das Herz auf in den Bergen, wo Feld und Wiesen in die kleinen Straßen sehen, am Rand der Gebirgsseen, wo es nach Wasser und Holz und Felsen riecht, und wo man einsam sein kann; wenn da einer seine Heimat hat, dann hört er dort ihr Herz klopfen. Das ist in schlechten Büchern, in noch dümmeren Versen und in Filmen so verfälscht, daß man sich beinah schämt, zu sagen: man liebe seine Heimat. Wer aber weiß, was die Musik der Berge ist, wer die tönen hören kann, wer den Rhythmus einer Landsschaft spürt . . . nein wer gar nichts andres spürt, als daß er zu Hause ist; daß das da sein Land ist, sein Berg, sein See, auch wenn er nicht einen Fuß des Bodens besitzt . . . es gibt ein Gefühl jenseits aller Politik, und aus diesem Gefühl heraus lieben wir dieses Land. Wir lieben es, weil die Luft so durch die Gassen fließt und nicht anders, der uns gewohnten Licht-wirkung wegen - aus tausend Gründen, die man nicht aufzählen kann, die uns nicht einmal bewußt sind und die doch tief im Blut sitzen.
Wir lieben es, trotz der schrecklichen Fehler in der verlogenen und anachronistischen Architektur, um die man einen weiten Bogen schlagen muß; wir versuchen, an solchen Monstrositäten vorbeizusehen; wir lieben das Land, obgleich in den Wäldern und auf den öffentlichen Plätzen manch Konditor-tortenbild eines Ferschten dräut - laß ihn dräuen, denken wir und wandern fort über die Wege der Heide, die schön ist, trotz alledem.
Manchmal ist diese Schönheit aristokratisch und nicht minder deutsch; ich vergesse nicht, daß um so ein Schloß hundert Bauern im Notstand gelebt haben, damit dieses hier gebaut werden konnte -aber es ist dennoch, dennoch schön. Dies soll hier kein Album werden, das man auf den Geburtstagstisch legt; es gibt so viele. Auch sind sie stets unvollständig - es gibt immer noch einen Fleck Deutschland, immer noch eine Ecke, noch eine Landschaft, die der Photograph nicht mitgenommen hat . . . außerdem hat jeder sein Privat-Deutschland. Meines liegt im Norden. Es fängt in Mitteldeutschland an, wo die Luft so klar über den Dächern steht, und je weiter nordwärts man kommt, desto lauter schlägt das Herz, bis man die See wittert. Die See . . . Wie schon Kilometer vorher jeder Pfahl, jedes Strohdach plötzlich eine tiefe Bedeutung haben . . . wir stehen nur hier, sagen sie, weil gleich hinter uns das Meer liegt - für das Meer sind wir da. Windumweht steht der Busch, feiner Sand knirscht dir zwischen den Zähnen . . .
Die See . . . Unvergeßlich die Kind-heitseindrücke; unverwischbar jede Stunde, die du dort verbracht hast - und jedes Jahr wieder die Freude und das “Guten Tag!” und wenn das Mittelländische Meer noch so blau ist . . . die deutsche See. Und der Buchenwald; und das Moos, auf dem es sich weich geht, daß der Schritt nicht zu hören ist; und der kleine Weiher, mitten im Wald, auf dem die Mücken tanzen - man kann die Bäume anfassen, und wenn der Wind in ihnen saust, verstehen wir seine Sprache. Aus Scherz hat dieses Buch den Titel “Deutschland, Deutschland über alles” bekommen, jenen törichten Vers eines großmäuligen Gedichts. Nein, Deutschland steht nicht über allem und ist nicht über allem - niemals. Aber mit allen soll es sein, unser Land. Und hier stehe das Bekenntnis, in das dieses Buch münden soll:
Ja, wir lieben dieses Land.
Und nun will ich euch mal etwas sagen:
Es ist ja nicht wahr, daß jene, die sich “national” nennen und nichts sind als bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben. Weder die Regierungsvertreter im Gehrock, noch der Oberstudienrat, noch die Herren und Damen des Stahl-helms allein sind Deutschland. Wir sind auch noch da.
Sie reißen den Mund auf und rufen: “Im Namen Deutschlands . . .!” Sie rufen: “Wir lieben dieses Land, nur wir lieben es.” Es ist nicht wahr.
Im Patriotismus lassen wir uns von jedem übertreffen - wir fühlen international. In der Heimatliebe von niemand - nicht einmal von jenen, auf deren Namen das Land grundbuchlich eingetragen ist. Unser ist es.
Und so widerwärtig mir jene sind, die - umgekehrte Nationalisten - nun überhaupt nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle - so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen. Wir pfeifen auf die Fahnen - aber wir lieben dieses Land. Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln - mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir Fluß und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land. Wir haben das Recht, Deutschland zu hassen - weil wir es lieben. Man hat uns zu berücksichtigen, wenn man von Deutschland spricht, uns: Kommunisten, junge Sozialisten, Pazifisten, Freiheitslie-bende aller Grade; man hat uns mitzudenken, wenn “Deutschland” gedacht wird . . . wie einfach, so zu tun, als bestehe Deutschland nur aus den nationalen Verbänden.
Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir.
Und in allen Gegensätzen steht - unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert - die stille Liebe zu unserer Heimat.
aus:
“Deutschland, Deutschland
über alles”, 1929