Langstreckentest Kawasaki Zephyr 750

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Wer Wind sät...

Geht Kawasakis „Mildem Westwind“ im Alltag bald die Puste aus, oder sorgt die Zephyr 750 auch nach 50 000 Kilometern noch für frischen Wind in ihrer Klasse?


Von Michael Schäfer; Fotos: Schwab, Archiv


Im Herbst 1990 pfiff ein frischer Wind durch die Messehallen der IFMA in Köln. Mit 550 und 750 cm³ Hubraum kündigten gleich zwei Zephyr Modelle von Kawasaki einen Wetterumschwung an: weg von der stromlinienförmigen Einheitsverkleidung der Supersportler, hin zum Windgesicht der frühen Jahre.
Und der Erfolg gab Kawasaki Recht: 8698 Zephyre aller Größenordnungen - Anfang 1992 kam noch die Zephyr 1100 dazu - fegen heute durch die Bundesrepublik, davon 3489 mit 750 cm³ Hubraum. Und eine von ihnen trat am 28. März 1991 bei MOTORRAD zum 50 000-Kilometer-Marathon an.
Die Zephyr 750 hatte im Redaktions-Alltag schnell einen guten Ruf: „Auf kurvigen Landstraßen in Spanien ein Traum", ließ sich MOTORRAD-Mitarbeiter Imre Paulovits gleich nach Testbeginn hinreißen. Auf Landstraßen hat die Zephyr etwas von einem Hecht im Karpfenteich: Die Fahrleistungen reichen dort dank drehfreudigen Motors und kurzer Endübersetzung aus, sogar 100-PS-Sportlern Paroli zu bieten, und die Bremsanlage ist das Beste, was zu bekommen ist: kräftig, standfest, aber vielleicht ein bißchen bissig.
Aber das paßt zu ihr wie die hohen und weit zurückliegenden Fahrerrasten: „Sitzposition wie bei einem Superbike", berichtete nicht nur MOTORRAD-Mitarbeiter Martin Haegele nach einer Schottlandtour.
Die Zephyr taugte dabei - siehe oben - durchaus auch für längere Touren. Die halbe EG, die Schweiz und Österreich finden sich im Fahrtenbuch der Zephyr 750 wieder. Sogar der Beifahrer kann auf der ausreichend breiten und langen Sitzbank die Welt recht unbeschwert genießen. Das hohe Drehzahlniveau des Triebwerks jedoch ist auf Dauer nicht gerade jedermanns Sache. Ein langer letzter Gang als Overdrive täte der Zephyr 750 für beschauliches Touren gut.
Es gibt für die Zephyr einen Denfeld-Träger- und Koffersatz bei Kawasaki: Träger für 146,50 Mark, zwei 24-Liter-Koffer für 375 Mark oder zwei 35-Liter Koffer für 457 Mark.
Der erste 35-Liter-Koffersatz war allerdings bereits nach etwa 20 000 Kilometern an den Haltelaschen ausgerissen und mußte ausgetauscht werden. Der Kunststoff ist spröde und bricht auf Dauer aus
Auch die Schlösser haken und lassen sich mit dem pofeligen Blechpreß-Schlüsselchen nur umständlich öffnen und schließen. Die Koffer sind auch nicht ganz wasserdicht.
Die Sitzbank war nach 50 000 Kilometern zwar durchgesessen, hielt sich jedoch lange Zeit recht gut. Auch hat die Maschine Regen; Schnee und Streusalz an Metallteilen und Rahmen überdurchschnittlich gut überstanden. Eine Ausnahme hiervon machen nur die Schrauben - und vor allem der Flächenlack. Die Oberflächen von Bürzel, Seitendeckeln und Tank waren sehr kratzempfindlich. Der Importeur in Friedrichsdorf weiß um dieses Problem und hat das auch nach Japan weitergeleitet.
Kein Einzelfall war auch der Elektrofips der Tankuhr im Drehzahlmesser, der eine ganze Anzahl der 1991 verkauften Zephyr 750 betraf. Eine inzwischen abgeänderte Verlötung in der Tankuhr war anfällig gegen Vibrationen und legte die ansonsten sehr genaue Benzinstandsanzeige lahm. Kawasaki Deutschland hat bisher alle betroffenen Drehzahlmesser auf Garantie-ausgetauscht.
Drei Punkte wollten nicht ganz in das sportlich-klassische Bild der Zephyr 750 passen. Zum einen waren die Gabelfedern so weich, daß die Gabel schon bei einer mittelmäßigen Bremsung durchschlug. Ein Satz White Power-Federn samt White Power SAE 5-Gabelöl funktionierte aber so gut, daß Kawasaki Deutschland für 1993 eine entsprechende Abstimmung auch in Serie anstrebt.
Der zweite Schwachpunkt betrifft die Lagerung der Aluminium-Schwinge. Die Nadellager arbeiteten auch nach 50 000 Kilometern noch einwandfrei. Doch wenn eine Schwinge, wie an der Test-Zephyr, auf der Schwingenachse bis zu sieben Millimeter axiales Spiel aufweist, braucht man sich über Fahrwerksschwächen nicht zu wundern. Die Schwinge muß in einem solchen Fall mit Beilagscheiben ausdistanziert werden.
Der dritte Schwachpunkt betrifft den Motor: Er klingelt kräftig unter Last im Bereich von 4000/min, wenn man sich an die Benzin-Empfehlung „Normal" im Fahrerhandbuch hält.
Also griff MOTORRAD an der Zapfsäule probeweise zu den schärferen Sachen: zuerst zu Eurosuper, 95 Oktan-bleifrei, dann zu Super Plus, 98 Oktan bleifrei, und schließlich auch Super verbleit mit 98 Oktan.
Das Resultat: Nur verbleiter Superkraftstoff hielt das. Zephyr-Triebwerk unter allen Fahrumständen klingelfrei. Eurosuper und selbst Super Plus verdaute der Motor nur mit Klopfgeräuschen: „Das Problem ist uns bekannt: Ab 1993 nimmt ein neues Zünd-Steuergerät die Frühzündung in dem betroffenen Bereich etwas zurück", verkündete dazu Kawasaki Deutschland.
Einsicht herrscht auch zum sehr schlecht dosierbaren Choke. Nur extrem Feinfühlige schafften es, den Zephyr-Motor nach einer kalten Nacht auf eine stabile gemäßigte Drehzahl einzuregulieren. Eine geänderte Hebelübersetzung soll ab 1993 Abhilfe schaffen.
Die Redaktion MOTORRAD hatte jedoch den Verdacht, der schlechte Kaltlauf würde auch dadurch verursacht, daß Kawasaki Deutschland auf das in den USA und der: Schweiz für die Zephyr: 750 .angebotene Sekundärluftsystem verzichtete.
Mit Hilfe eines Sekundärluftsystems kann eine etwas fettere Leerlaufeinstellung gewählt werden. Diese Einstellung bietet eine gute Grundlage für akzeptable Eigenschaften in der Warmlaufphase.
Ohne die Abgasreinigung aber muß ein Motor gerade im Leerlauf-, und unteren Teillastbereich sehr mager bedüst werden, um den Abgas-Meßzyklus nach der ECE R 40-Norm noch bestehen zu können. Damit jedoch sind Kaltlaufprobleme geradezu programmiert.
Kawasaki Deutschland wies diese Zusammenhänge zwar zurück, deutete jedoch an, dass die Zephyr 750 in Deutschland in absehbarer Zeit ebenfalls Mit dem Sekundärluftsystem ausgestattet werden wird. Allerdings wohl nur, weil nochmals verschärfte Abgas-Grenzwerte keine ändere Wahl mehr lassen.
Einige Zephyr-Fahrer durften sich an feuchtkalten Wintertagen mit Vergaservereisung herumschlagen. Bei der Verdampfung des Kraftstoffs im Vergaser entsteht Verdunstungskälte, die unter bestimmten Bedingungen das Kondensat gefrieren läßt. Und es ist nicht sehr angenehm, wenn die Drosselklappen bei Dreiviertelgas festfrieren...
Kawasaki entwickelt zur Zeit gerade für die Zephyr 750 eine nachrüstbare Vergaserheizung nach Art der Yamaha XJ 600 S. Ob der große Ölkühler der Zephyr mit an der Vergaservereisung beteiligt war, da er keinen Thermostaten aufweist und den Motor im Winter so möglicherweise permanent zu stark kühlt, will Kawasaki in den nächsten Monaten auf Anregung von MOTORRAD untersuchen. Andererseits hat das Zephyr-Triebwerk den Ölkühler bei warmer Witterung dringend nötig. Trotz seiner Anwesenheit zeigen gelbe Verfärbungen an Tassenstößeln, Kolben und weiteren Bauteilen im Zylinderkopf, daß das luftgekühlte Triebwerk hier beachtliche Temperaturen erreicht.
Immerhin hatten die Kaltstartorgien nicht den geringsten Einfluß auf die Lebensdauer des Zephyr-Triebwerks. Beinahe alle Bauteile wiesen nach 50 000 Kilometern Laufleistung erstaunlicherweise noch Betriebsmaß wenn nicht sogar Einbaumaß auf. Der einzige wahrnehmbare Verschleiß betraf die etwas verhärteten Ventilschaft-Dichtungen, die Kupplungsreibscheiben, die ganz normalem Verschleiß unterlagen, die Ventilsitze die etwas zu breitgeschlagen wurden und nachgefräst werden sollten, die Primär-Zahnkette von der Kurbelwelle zur Zwischenwelle, sowie ein aufgeweiteter Sitz des Getriebeausgangslagers
Die Primärkette trat an der Test-Zephyr schon früh akustisch in Erscheinung; doch auch Leserzuschriften berichten ab etwa 10 000 bis 15 000 Kilometern Laufleistung von wüsten Klappergeräuschen aus dem kalten Zephyr-Motor, die verschwanden, sobald er seine Betriebstemperatur erreicht hatte. Ein Phänomen, das sich die Kawasaki-Techniker nicht ganz erklären können.
Doch scheint es sich hierbei eher um einen Schönheitsfehler zu handeln: Die Lebensdauer des Triebwerks wird von einer gelängten Primärkette offenbar nicht beeinträchtigt.
Tja - und dann ist da noch der Ölverbrauch. Oder besser: die Verbräuche. Denn das Fahrtenbuch der Zephyr 750 weist zwei scharf voneinander getrennte Ölverbräuche aus: Wer den Motor nicht zu sehr forderte, brauchte nur selten nachzufüllen. Wer dagegen mit hohen Drehzahlen fuhr, hatte im Extremfall nach 1000 Kilometern ohne jede Vorwarnung plötzlich bis zu 1,4 Liter Öl verbraucht.
Kolben, Kolbenringe und Zylinder waren jedoch maßlich absolut in Ordnung, und auch die Ventilschaft-Dichtungen scheiden aufgrund der Verbrauchs-Charakteristik als Ursache aus.
Möglicherweise, so Ingbert Rohrbach, der Kundendienstleiter von Kawasaki Deutschland, ist die Rauhtiefe der Bearbeitungsspuren in den Zylinderlaufbuchsen, die im Normalfall einen dünnen Ölfilm halten und damit die Schmierung der Kolben sicherstellen sollen, zu groß: Ab einem bestimmten Verbrennungsdruck gelangt Verbrennungsgas in das Kurbelgehäuse und drückt ÖI über die Gehäuseentlüftung in den Luftfilterkasten, wo es angesaugt und verbrannt wird. Als weitere Ursache ist für Ingbert Rohrbach denkbar, daß die Kolbenringe ab einer bestimmten Drehzahl anfangen zu schwingen und somit nicht mehr genügend abdichten. Kawasaki will die Ursachen untersuchen und abstellen.
Ein leidiger Punkt an der Dauertest-Zephyr war der aufgeweitete Sitz des Getriebeausgangslagers. Hier scheint eine zu starke Kettenspannung ihre Spuren hinterlassen zu haben: Weiter war eine Schweißnaht des rechten Schalldämpfers durchvibriert.
Bis auf wenige Punkte, die Kawasaki alle mit wenig Aufwand verbessern kann, hat sich der „Milde Westwind" Zephyr 750 also als durchaus beständig erwiesen: Die Richtung stimmt, die Stärke stimmt, und die wenigen Turbulenzen lassen sich beseitigen, wenn Kawasaki mit Hochdruck daran arbeitet. Wer Wind gesät hat, muß also nicht, wie es das Sprichwort . will, immer gleich Sturm ernten - es kann auch mal ein warmer Regen daraus werden.
 

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