Vergleichstest Zephyr
750 gegen Z 650

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Vergleichstest Zephyr 750 gegen Z 650
IM LAUFE DER ZEIT
( aus PS 3/1991 )


Die handliche, durchzugsstarke Kawasaki Z 650 von 1976
ist die Basis der neuen Zephyr 750.
Kann dieses Konzept heute noch überzeugen ?

 
Es gibt Motorräder, die Dich einfach fesseln. Sie reißen mit, ihre Formen prägen sich ein, und Du träumst von ihnen. Später, wenn es sie nicht mehr gibt, erzählst Du Legenden über sie und wünschst ihre Wiederkehr. Wenn sie dann eines Tages doch wieder vor Dir stehen, als brandneue Modelle sogar, bist Du elektrisiert und fängst wieder an zu träumen.
Wie auf der IFMA im Herbst 1990, als Du auf dem Kawasaki-Stand beim Anblick der neuen Zephyr 750 glaubst, wieder die  Z  900 vor Dir zu haben. Wie ein Blitz trifft Dich die Erinnerung. Diese Formen kennst Du doch. Fast alles stimmt, aber war sie damals nicht viel größer ?
 
Aber halt, da gab es doch noch eine kleine 650er, die wieselflink durch die Kurven streifte und ihren Fahrer niemals so überforderte wie die 900er. Hat Kawasaki die beiden etwa vereint, neu ausgestattet und damit das Traummotorrad von einst verwirklicht ?
   Um dies zu erfahren, haben wir eine Z 650 von 1978 herangezogen und die neue 750er mit ihr auf Testfahrt geschickt.
Die modernisierte Technik wurde geschickt in dem alten Kleid verpackt. 
Der Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen täuscht vor, mit dem alten Gestell völlig baugleich zu sein.

Wie Geschwister: Die Linienführung zeigt die Verwandtschaft zwischen der Zephyr (links) 
und der Z 650
Erst wenn Tank, Sitzbank und Seitendeckel demontiert sind und ein genauer Blick die Rohrführung streift, wird deutlich. daß es neu gezeichnet wurde. Die Rohre sind massiver als früher, sie umlaufen den Motor wie ein Käfig, und die beiden Schleifen des Rahmenrückgrats setzen nicht mehr am unteren, sondern am oberen Ende des Lenkkopfs an. Sie sind durch Dreiecksverbände und Knotenbleche mit dem unteren Ende verbunden. So ist der Lenkkopf in einen Verbund von sechs Rohren eingebettet. Das Vorderrad wird nun von einer Gabel mit modernen 41 Millimeter Standrohrdurchmesser geführt. 
   Hinten übernimmt eine massige Leichtmetall-Kastenschwinge mit Exzenter für die Kettenspannung die Radführung, die Feder- und Dämpfungsarbeit teilen sich aber ganz konservativ zwei seitliche Federbeine. 

Der Rahmen der Zephyr 750 ist wesentlich
massiver, der Motor trägt die Stilelemente
von der 900er

Speichenräder, schmale Reifen, hinten Trommelbremse, zusätzlicher Kickstarter
bei der Z 650
Das Motorrad rollt auf 17- Zoll-Rädern, vorn mit drei Zoll, hinten mit vier Zoll breiten Felgen und Reifen im neuzeitlichen Niederquerschnitt-Format: 120/70-17 vorn, 150/70- 17 hinten. 
Für die Verzögerung sorgen vorn zwei gelochte, schwimmend gelagerte Gußscheiben mit 300 Millimetern Durchmesser, die von Doppelkolben-Schwimmsätteln mit unterschiedlich großen Radbremszylindem umfaßt werden. Hinten nehmen gleiche Sättel eine 230er Scheibe in die Zange. Soweit die auffälligsten Neuerungen.
   Die Liebe steckt im Detail des Nostalgikers. Auf den fast unverändert von der alten Z 750 – einer Weiterentwicklung der Z 650 aus dem Jahr 1982 – übernommenen Motor wurden die wie Schnekkenhäuser geschwungenen Ventildeckel der Z 900 aufgesetzt und auch deren rundlichere Kühlrippen gewählt. Der Motor ist vornehm graublau lackiert, mit herrlich polierten Seitendeckeln. Vor ihm ist ein formschöner Ölkühler montiert, der das Schmiermittel nicht etwa durch schnöde Schläuche, sondern durch verchromte Leitungen zugeführt bekommt. Die zwei Uhrenschalen haben die Form, die schon früher den Blick des Fahrers von der Strasse locken konnte. Noch dazu sind sie voll verchromt, wie auch die Spiegel und die tropfentörmig gestylten Blinker. Zierliche Leichtmetall- Fussrasten, dazu ein eng verlegter Auspuff mit zwei dünnen Enddämpfern lassen die Maschine schlank wirken. Wer von der alten 650er umsteigt, auf der die tief und vorn angebrachten Fussrasten und der relativ hohe und breite Lenker eine aufrechte Sitzposition erlaubt, dem fällt sofort auf, daß es bei der neuen kompakter und sportlicher zugeht. Aber die Sitzhaltung ist bequem, alles liegt ergonomisch günstig.
Der Anlasser erweckt dann das altbekannte Aggregat zum Leben. Wie schon in früheren Tagen, als der Motor noch in den alten Modellen seinen Dienst verrichtete, legt er nach wie vor unwillige Kaltlaufeigenschaften an den Tag. Der Choke sitzt aber nun nicht mehr am Vergaser, sondern in der Schaltereinheit der linken Lenkerarmatur und ist leicht mit dem Daumen zu bedienen.
   Wenn der Zephyr-Motor seine Betriebstemperatur erreicht hat, wird er zum Erlebnis allererster Klasse. Wie der alte 650er kann er ab 3000 Touren im fünften Gang bewegt werden, nur dreht er noch 1000 Umdrehungen weiter, bis 10 000/min. 
Ausserdem reagiert er über die modernen Gleichdruck-Flachschiebervergaser doch wesentlich spontaner auf die kleinste Bewegung des Gasgriffs. In dem gesamten nutzbaren Drehzahlbereich legt er völlig gleichmässig zu. Setzte der alte Motor durch seinen voll gleitgelagerten Kurbeltrieb zu seiner Zeit Masstäbe in Sachen Laufruhe, wirkt er gegen seinen neuesten Ableger wie ein Rauhbein. Dies liegt wohl nicht zuletzt an der Silentblocklagerung im neuen Fahrgestell, während der Motor irn alten noch starr verschraubt war.
   Ihrer um fünfzehn Jahre älteren Schwester zieht die Zephyr in allen Bereichen davon, obwohl die 650er auch nur sechs Pferde weniger hat. Leider konsumiert das neue Motorrad aber geringfügig mehr Benzin als das alte. Wie bei der Z 650, ist auch bei der Zephyr die Gesamtübersetzung sehr kurz, was zusammen mit der sehr gelungenen Motor-Abstimmung für schaltfaules, zügiges Fahren sorgt. Die Gänge rasten mit kurzen Schaltwegen weich und sicher ein,wesentlich besser als bei der alten.
  Das Fahrwerk der Z 650 war seinerzeit vielleicht das beste, was die Japaner auf öffentliche Strassen brachten. Es ließ sich bis Höchstgeschwindigkeit sicher fahren, war trotzdem ausgesprochen handlich und beutelte nicht mit gnadenloser Härte. Heute gelten andere Maßstäbe. 

Auf der Z650 sitzt der
Fahrer auch bei zügiger
Fahrweise klassisch
aufrecht
Die Zephyr erlaubt 
dynamische Fahrweise,
die Bodenfreiheit 
reicht aus
Der Geradeauslauf ist kein Thema mehr, das muß jeder Hersteller beherrschen. Handlichkeit ist gefragt. 17 Zoli ist heute das Standardmaß der Räder, da darf auch die Zephyr keine Ausnahme machen. Und sie enttäuscht nicht. Sie lässt sich wesentlich leichter umlegen als die 650er, wirkt aber zunächst etwas nervös. Nach wenigen Kilometern Eingewöhnung fühlt sich der Fahrer aber pudelwohl. Dann eilt die Fuhre wie an der Schnur gezogen durch jede Biegung. Bis Höchstgeschwindigkeit kann sie sowohl solo als auch zu zweit so gut wie nichts aus der Ruhe bringen.
   Bis etwa 170 km/h ist die alte auch für heutige Verhältnisse ein Musterbeispiel an Zielgenauigkeit und liegt wie ein Brett. Darüber kommt eine leichte Unruhe im Lenkkopfbereich auf, aber sie schaukelt sich keineswegs auf. Weder Längs- noch Querrillen können ihr etwas anhaben, und provozierte Lenkerunruhe klingt sofort ab. Dieses Phänomen mag an dem hohen und breiten Lenker liegen, der den Fahrer bei Höchstgeschwindigkeit zu einem Dauerklimmzug zwingt. Schnelles Fahren ist auf der Zephyr durch die kompaktere Sitzhaltung wesentlich angenehmer. 
Es gibt aber eine Übung, die die alte Kawasaki besser kann. Durch den breiteren Vorderreifen und dem kleineren Raddurchmesser neigt die
Zephyr bei plötzlichem Bremsen der Kurve zum Aufstellen. Das ist der 650er völlig fremd. Dafür gehören die neuen Bremsen zum Feinsten. Der Druckpunkt ist eindeutig zu spüren, die Kraft von zwei Fingern reicht völlig, und die Bremswirkung ist vehement. Zu allem Luxus lässt sich die Hebeleinstellung per Exzenter wie auch am Kupplungshebel vierfach verstellen. Vor fünfzehn Jahren mußte die Bremshand noch fest zupacken und erzielte trotzdem weniger Wirkung. Hier ist die deutlichste Entwicklungsleistung der Ingenieure zu bemerken. Die hintere Bremsanlage arbeitet bei beiden Maschinen gut dosierbar und ohne das Hinterrad zum Stempeln zu zwingen.
Die massige Kastenschwinge
und die neuen Federbeine
sorgen bei der Zephyr für
saubere Radführung

Die vordere 
Bremsanlage
mit 300 mm 
Scheiben 
verzögert die 
Zephyr 
vorbildlich 
Bei den Federelementen haben die Ingenieure ebenfalls viel dazugelernt. Wer Bedenken gegenüber der Leistungsfähigkeit der zwei einzelnen Federbeine hatte, weil doch heute ein Zentralfederbein modern ist, verliert sie nach der ersten Probefahrt. Die aufwendigen Kayaba-Elemente lassen sich in der Federbasis fünffach, in Druck- und Zugstufe je vierfach verstellen. Und zwar sehr eftektiv. Wir haben im Solobetrieb je nach Fahrergewicht mit der Federstellung zwei bis drei, Zugstufe eins bis zwei, Druckstufe eins das beste Fahrverhalten erzielt. Im Zweimannbetrieb sollte die Federbasis auf maximaler Höhe stehen, die Zugstufe auf drei und die Druckstufe auf vier. An der 650er lässt sich nur die Federbasis verstellen. Für den Solobetrieb reicht die Dämpfung noch aus, im Zweimannbetrieb – für den sich beide Maschinen in punkto Platzangebot gut eignen – ist sie aber völlig überfordert. Die Maschine wippt, und die Federung schlägt durch.
   Die Gabel der Zephyr mit ihren 41 Millimeter starken Standrohren ist nicht verstellbar. Zwar ist sie verwindungssteifer als die alte 36er und spricht wesentlich sensibler an, dazu ist sie in der Zugstufe besser gedämpft, aber die Federrate ist eindeutig zu weich gewählt. Bereits im Solobetrieb und bei winterlichen Temperaturen schlägt sie beim harten Bremsen durch.
Der Vergleich zeigt, daß ein 15 Jahre altes Konzept mit diversen technischen Neuerungen auch heute noch überzeugen kann. Aber paßt die Zephyr überhaupt in unsere Zeit, in der Motorräder mit gleichem Hubraum heutzutage volle 100 PS leisten und hinter deren Verkleidung selbst Tempo 200 und mehr ein Kinderspiel 
ist ? Eindeutig ja. Sie ist eine Fahrmaschine, die im Alltag in fast allen Belangen rundum überzeugt, und   daß zu einem sehr günstigen Preis. 
Viele hatten geglaubt, das Universalmotorrad sei tot, aber die Zephyr zeigt, daß dies ein Irrtum war. Auf der Landstrasse erfreut sich der Zephyr-Pilot eines erwachsenen Motorrades, das dank der überzeugenten Durchzugskraft des Motors und der Fahrwerksqualitäten wie einst die Z 650 die klotzigen PS-Monster verblüffen kann.
  In Japan versprechen sich die Marktstrategen einiges von der nackten Schönheit. Dort gibt es als Zubehör Tank und Sitzbank in original Z 900-Form und –Lackierung, dazu einen Vierrohrauspuff.
  Und da fängst Du wieder an zu träumen. Von einer Zephyr mit 82 PS aus 903 ccm Hubraum, mit einer einstellbaren Gabel, Fünfspeichen-Rädern im Campagnolo-Design, 320er Bremsscheiben und vier schlanken Auspuffrohren. Aber vielleicht stehst Du irgendwann wieder einmal elektrisiert vor dem Kawasaki-Stand.
Imre Paulovits
Datenspiegel Z 650 und Zephyr 750  (207 KB)
 

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