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Jahreswechsel
2000/2001:
Drohungen und
rechte Gewalt
in der
Oberpfalz

Vor vier Jahren: Vier Tote bei rechtsradikalem Anschlag

Schweigemarsch erinnert an die Schwandorfer Brandnacht

Neonazi legte Feuer in Ausländer-Wohnhaus / Parallelen zu Mölln

Von unserem Redaktionsmitglied Irma Held

Schwandorf. Die Bilder von Mölln und Schwandorf gleichen sich: Der Brand im sog. "Habermeierhaus" in der Schwandorfer Innenstadt am 17. Dezember 1988, bei dem vier Menschen ums Leben kamen, bildete den Auftakt zu rechtsradikaler Gewalt gegen Ausländer. Mölln war eine weitere Folge davon. Kurz nach dem Brandanschlag fand in Schwandorf ein Schweigemarisch gegen Ausländerfeindlichkeit statt. Heute wird mit einer Demonstration an die Brandnacht vor genau vier Jahren erinnert.

Schwandorf, 17. Dezember 1988: Kurz nach 1 Uhr steht das "Habermeierhaus", ein Wohn- und Geschäftshaus, lichterloh in Flammen. Vier Bewohner, bei Ausbruch des Feuers hielten sich 14 Personen in dem Gebäude auf, verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Osman (50), Fatma (44) und Memeth (12) Can sowie Jürgen Hübener (47). An diesem Tag war außerdem in der Nähe des Brandortes an einem Haus, in dem Ausländer wohnten, ein Aufkleber mit der Parole "Türken raus" gefunden worden. Schon bald wurde in Schwandorf, obwohl die Brandursache noch unklar war, gemunkelt, Neonazis hätten das Feuer gelegt.

Diese Vermutung wurde dann am 5. Januar 1989 zur Gewißheit. Die Polizei nahm den Auszubildenden Josef Saller (19) fest. Dieser gestand, einen Stapel Kartonagen im Treppenhaus in Brand gesetzt zu haben. Er wollte "die Türken nur ärgern". Das Geständnis widerrief er später. Im Mai 1990 wurde Saller, der öfters mit einem Baseballschläger spazierenging und unter anderem Kontakte zur jüngst verbotenen "Nationalistischen Front" unterhielt, wegen schwerer Brandstiftung zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Dagegen legte seine Verteidigerin Revision ein.

Am 13. Januar 1989 bekundeten in einem Schweigemarsch "für Völkerverständigung, gegen Fremdenhaß" einige hundert Bürger ihre Solidarität mit Ausländern. Erstmals gingen Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit auf die Straße - heute ein gewohntes Bild. Grünen-Politiker und SPD-Stadträte beteiligten sich an der Demonstration, einer fehlte - Schwandorfs Oberbürgermeister Hans Kraus (CSU).
Er hatte in einer Erklärung dargestellt, daß er den Anschlag verabscheue und um die Toten trauere. Doch der Trauermarsch "erweckte den Eindruck, daß in unserer Stadt rechtsradikales Gedankengut zu Hause ist" und "hier in unserer Stadt ein Hort des Neonazismus wäre". Heute gibt es vermutlich in jeder deutschen Stadt Neonazis. Damals hielt sich die Szene noch bedeckt, und die gefährlichen Zeichen der Zeit wurden nicht erkannt.

Bei aller Trauer und Verurteilung dieser Tat so der OB 1989, sehe er aus Schwandorfer Sicht keinen Anlaß für eine solche Kundgebung. Der heutige Schweigemarsch, zu dem unter anderem der Kreisverband der Grünen und der SPD, die katholische Studierende Jugend und die Schülermitverwaltung des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums aufgerufen haben, beginnt um 19 Uhr am oberen Marktplatz und endet mit einer Kundgebung vor dem inzwischen neuerbauten Brandhaus.

Mittelbayerische Zeitung Region, 17.12.1992