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Jahreswechsel
2000/2001:
Drohungen und
rechte Gewalt
in der
Oberpfalz

Drei Skinheads wegen Angriff auf Pakistaner im "Kaufland" in Amberg vor Gericht

"So etwas kannte ich nur aus dem Fernsehen"

"Habe nicht vorgehabt, ihn zusammenzuschlagen" / "Outfit hat nichts mit politischer Einstellung zu tun"

S c h w a n d o r f / A m b e r g (ak). Wegen gefährlicher Körperverletzung und einer Reihe weiterer Delikte haben sich drei Jugendliche aus dem Landkreis Schwandorf seit gestern vor dem Amtsgericht Amberg zu verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, am 3. März 1994 im Schwandorfer Kaufhaus "Kaufland" einen pakistanischen Textilverkäufer brutal zusammengeschlagen zu haben (die MZ berichtete). Anschließend hatten sich zwei der Skinheads gegen ihre Verhaftung gewehrt und dabei einen Polizisten verletzt. Vor dem Jugendschöffengericht bestritten die Angeklagten gestern, die Tat geplant zu haben. Weiter wiesen sie rechtsradikales Gedankengut ihrerseits zurück.

"Ausländerschweine raus! Das habe ich bestimmt nicht geschrien. Das hat nur in der Zeitung gestanden." Vehement bestritt der 21jährige Norbert L. (Namen von der Redaktion geändert) irgendeinen Zusammenhang der Tat am 3. März mit Rechtsradikalismus. Mit seinen Freunden Andy S. und Josef B. (beide 17) hatte er im Keller des elterlichen Hauses wieder einmal gezecht - ein paar Maß pro Tag war das übliche Quantum. Als seine Freundin kam und ihm erzählte, der pakistanische Textilverkäufer aus dem Kaufhaus an der Regensburger Straße habe sie wieder belästigt, sei ihm die Hutschnur geplatzt, so seine Version. Ohne seinen Kumpeln etwas zu sagen, sei er losmarschiert um den Mann zur Rede zu stellen.

Die zwei Mitangeklagten und ein Dritter der wegen Strafunmündigkeit nicht vor die Schranken des Gerichtes zu treten brauchte, seien ihm erst später nachgegangen. Im Kaufhaus ist das "Zurredestellen" in Tätlichkeiten ausgeartet, in deren Verlauf der "Dicke", so wurde Norbert L. von den Zeugen genannt, den Verkäufer zu Boden geworfen, geschlagen und getreten hat. "Ich habe nicht vorgehabt, ihn zusammenzuschlagen", versicherte der "Dicke", dessen Kahlschädel jetzt wieder eine Haarpracht bedeckt.

Die Tat war nicht geplant

Norbert L. bestritt, daß die Tat geplant und abgesprochen worden sei. "Wir sind nicht zu viert reinmarschiert", beharrte er auf Nachfragen von Richterin Susanne Mugler. Damit widersprach er sämtlichen Zeugen. Diese gaben unisono an, daß die Gruppe geschlossen das Kaufhaus gestürmt habe.

Andy S., dem noch weitere sieben Delikte, wie Nötigung, Diebstahl, Zeigen des Hitler-Grußes, Körperverletzung und Sachbeschädigung, zur Last gelegt wurden, gestand dem Gericht, seinem Freund beigestanden und ebenfalls den Pakistaner verprügelt zu haben. Erst durch das beherzte Zugreifen von Angestellten und Kunden konnten die beiden Schläger vorerst gebändigt werden. Als die inzwischen eingetroffenen Polizeibeamten, die Skins festnehmen wollten, leisteten sie trotz, Handfesseln energischen Widerstand. Einem Polizeibeamten sprühte Andy S. Tränengas ins Gesicht, zertrümmerte mit seinem Kopf das Blaulicht des Einsatzfahrzeuges und beschädigte die Fahrzeugtür.

"Die Polizei hat mir leid getan"

Dabei sollen auch Beleidigungen wie "Bullenschweine", "Faschistenschweine"... gefallen sein. Verbale Unterstützung haben die Angeklagten vor dem Kaufhaus, wo sich mittlerweile eine über 50köpfige Menschenmenge gebildet hatte, laut Aussage von Zeugen auch von zwei Mädchen; der Freundin des "Dicken" und dessen Mutter erhalten. "Draußen vor dem, Kaufhaus war es schlimmer als drinnen" so eine Verkäuferin. "Mir haben die Polizisten direkt leid getan." Diese wurden wüst beschimpft und bespuckt "Es herrschte das totale Chaos. So etwas kannte ich nur aus dem Fernsehen", äußerte ein weiterer Zeuge.

Während Andy S., der seine Untersuchungshaft seit einigen Wochen in einer Jugendhilfeeinrichtung absitzt, und Norbert L. weitgehend geständig waren, was zumindest die Mißhandlung des Pakistaners betrifft, bestritt Josef B. jegliche Beteiligung. Er kenne das Opfer überhaupt nicht, beteuerte er. Er habe lediglich eine Rangelei mit Passanten gesehen. Nach seiner Vorliebe für Springerstiefel und Bomberjacken gefragt, entgegnete er, sein "Outfit habe nichts mit seiner politischen Einstellung zu tun". Er gab an, ein passionierter Sammler von Militaria aus dem Zweiten Weltkrieg zu sein. Seine Reichskriegsflagge habe er ganz legal auf einem Flohmarkt gekauft. Was Richterin Susanne Mugler zu der Bemerkung veranlaßte: "Gegen Geschichtsinteresse ist nichts zu sagen, solange es sich um vernünftige Gedanken handelt." Der Prozeß wird morgen fortgesetzt.

Mittelbayerische Zeitung Schwandorf, 19.07.1994