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Jahreswechsel
2000/2001:
Drohungen und
rechte Gewalt
in der
Oberpfalz

Mutmaßlicher Brandstifter bricht sein Schweigen nicht

Ausländerfeindlicher Aufkleber wies der Polizei den Weg

Seit gestern steht Josef Saller (20) wegen besonders schwerer Brandstiftung vor Gericht / Vier Tote

S c h w a n d o r f / A m b e r g (ra). Vier Menschen, darunter die dreiköpfige türkische Familie Can, starben beim Brand des sogenannten "Habermeier- Hauses" in den Morgenstunden des 17. Dezember 1988. Seit gestern muß sich der Schwandorfer Josef Saller vor der Jugendkammer des Landgerichts Amberg wegen des Tatvorwurfs der besonders schweren Brandstiftung verantworten. Der mutmaßliche Brandstifter hat sein ursprüngliches Geständnis nach dem Versuch einer Tatrekonstruktion widerrufen und bestreitet seither, das Feuer im Treppenhaus gelegt zu haben. Vor Gericht schweigt der 20jährige Autolackierer zu den Vorwürfen. Ein ausländerfeindlicher Aufkleber, den Saller am gleichen Abend an einem Haus in der Höflinger-Straße anbrachte, wies der Polizei den Weg zu dem Angeklagten und zeigt auch schon die politische Brisanz dieses Prozesses; zu den befürchteten Ausschreitungen kam es aber nicht.

Großes Medieninteresse prägte am gestrigen ersten Verhandlungstag das Bild im Schwurgerichtssaal des Landgerichts, wo der Mammutprozeß auf vier Tage angesetzt ist: 67 Zeugen und mehrere Sachverständige sollen gehört werden. Der Angeklagte hüllt sich seit dem Widerruf seines Geständnisses in Schweigen, und wollte auch gestern nichts zu dem Tatvorwurf sagen. So beschäftigte sich die Jugendkammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Josef Auerhammer am ersten Verhandlungstag mit den polizeilichen Ermittlungen, dem Geständnis und schließlich den Umständen, die zu dem Widerruf führten.

In der Anklageschrift beschuldigte Erster Staatsanwalt Klaus Demmel den 20jährigen Saller, am 17. Dezember 1988 gegen 0.30 Uhr im Treppennaus des Wohn- und Geschäftsgebäudes am Schiesierplatz Feuer gelegt zu haben. Mit drei Zundhölzern habe er Packpapier in dort herumstehenden Pappkartons angezündet. Als er eine ausländische Männerstimme von oben hörte, flüchtete er. Das ca. 20 Zentimeter hohe Feuer ließ er brennen, obwohl er erkennen mußte, so Demmel, daß es auf die Holztreppe übergreifen konnte und daß in dem Haus Menschen wohnen. Dies sei als besonders schwere Brandstiftung strafbar.

An einem Modell des Gebäudes erläuterte der sachbearbeitende Beamte der Kriminalpolizei Amberg dem Gericht die Raumaufteilung in dem Haus. Während sich andere Bewohner retten konnten, gab es für Osmann Can, seine Frau Fatma und den 13jährigen Sohn Mehmet sowie den im Dachgeschoß wohnenden Jürgen Hübner keine Rettung mehr. Sie starben in dem Flammenmeer. Eindeutig stehe an den Angaben des Kripo-Beamten fest, daß sich der Brandherd im Treppenhaus befand, von das Feuer sich trichtermäßig nach oben ausbreitete und so den Eingeschlossenen den Weg nach unten abschnitt. Man habe im Brandschutt am Treppenhaus Reste von Packpapier und Cartonagen gefunden; Hinweise auf Öl oder Benzin habe es nicht gegeben.

Aufkleber "Türken raus"

Zu den polizeilichen Ermittlungen sagte der Zeuge aus, daß der Verdacht aufkam, daß der Aufkleber "Türken raus", der in der gleichen Nacht an einem ebenfalls von Ausländern bewohnten Haus in der Höflinger Straße angebracht wurde, im Zusammenhang mit dem Brand interessant sein könnte. Die Kripo-Abteilung Staatsschutz ermittelte Josef Saller der mit rechtsradikalen Kreisen in Verbindung gebracht wurde, als den Mann, der den Aufkleber angebracht hatte, was er auch heute noch zugibt. Bei ersten Vernehmungen kam es zu Widersprüchlichkeiten bezüglich seines Alibis: seine Aussagen stimmten nicht mit denen seiner Eltern überein. Am 5. Januar habe dann der tags zuvor festgenommene Saller ein Geständnis abgelegt.

Dabei habe er erklärt, er sei am Abend des 16. Dezember plan- und sinnlos durch die Schwandorfer Altstadt gegangen sei. Zunächst habe er den Aufkleber angebracht. Am Marktplatz sei ihm die Idee gekommen, beim "Habermeier-Haus" noch etwas zu tun, um die darin lebenden Ausländer zu ärgern. Er sei kurz zu der etwa 800 Meter entfernten elterlichen Wohnung gegangen und habe Zündhölzer geholt. Wie der Kriminalbeamte aussagte, habe er den Tatort in allen Details beschrieben und teilweise sogar skizziert, lediglich die Seite des Türgriffs, Ort und Verlauf der Treppe habe er falsch mitgeteilt.

Mir einem Streichholz habe Saller das Treppenhaus erleuchtet, mit drei Hölzern das Packpapier in den zwei Pappkartons entzündet. Eine Männerstimme habe ihn zur Flucht veranlaßt. Obwohl das Papier schon rund 20 cm hoch brannte, machte er sich direkt auf den Heimweg. In seinem Geständnis habe Saller betont, er habe nicht gedacht, daß aus den brennenden Kartons so ein großes Feuer entfachen könnte. Er habe keineswegs Menschen töten oder einen so hohen Sachschaden anrichten wollen. Saller selbst habe sich als strikter Gegner von Alkohol und Drogen bezeichnet, so daß Beeinträchtigungen dieser Art ausschieden, meinte der Zeuge.

Die Wandlung im Verhalten Sallers kam dann vier Tage später, als man ihn von der Justizvollzugsanstalt Amberg zu einer Tatrekonstruktion nach Schwandorf brachte. Schon im Pkw sei Saller "eher reserviert and nicht mehr so gesprächig" gewesen, meinte der Kripo-Beamte. Bei der Brandruine äußerte er, eine innere Stimme sage ihm, er solle bei der Rekonstuktion nicht mitmachen. Auf die Beschwichtigung, dies sei nur ein teil des ohnehin schon abgelegten Geständnisses, ging er dann noch in das Treppenhaus und zündete ein Streichholz an. Und er behauptete, zum erstenmal in diesem Gebäude zu sein. Er sprach von einem polizeilichen "Psychoterror", der zu dem Geständnis geführt hätte. Die Tatrekonstruktion wurde abgebrochen. Seitdem streitet Josef Saller die Tat ab.

[Bild: Auf dem Weg in den Gerichtssaal: Josef Saller wird aus der Justizvollzugsanstalt Amberg von Polizeibeamten zur Verhandlung gebracht.]

Mittelbayerische Zeitung Schwandorf, 03.04.1990