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Jahreswechsel |
In der Untersuchungshaft Geständnis widerrufen
Josef Saller widerrief sein Geständnis. In einem Brief aus der JVA an Jugendermittlungsrichterin Mugler, die den Haftbefehl gegen ihn erließ, räumte er zwar die Anbringung des Aufklebers ein, distanzierte sich aber von dem Brand. Als er am Vormittag des 17. Dezember in die Stadt gegangen sei und dabei aus der Ferne die Menschenmenge sah, habe er zunächst an einen Christkindlmarkt gedacht. Er wiederholt den Vorwurf des Psycho-Terrors der Polizei, die ihm nicht geglaubt habe. Erst als er ihnen das erfundene Geständnis mit glaubhaften Details präsentierte, hätten ihm die Beamten plötzlich alles geglaubt. Zuvor hätten sie ihm zugesagt, ein gutes Wort für ihn einzulegen, schrieb Saller an die Ermittlungsrichterin. Und er fügte hinzu, daß er den Mut für eine Brandstiftung gar nicht aufbrächte. Es folgten weitere Vernehmungen durch die Polizei, wobei es insbesondere um die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen und das Detailwissen bezüglich der Tat ging. Das Schnappen des Türöffners, der defekte Türschließer, der starre Türgriff, das in der Durchfahrt geparkte und von ihm beschriebene Auto, vieles wollte er nach Aussagen des Kripo-Beamten als Erfindungen oder Zufall darstellen, um das falsche Geständnis glaubwürdig zu machen. Als Grund für die Selbstbeschuldigung gab er an, die Polizei testen zu wollen. Auch die Enttäuschung über die Angaben seiner Eltern bezüglich seines Alibis wurde bei der gestrigen Verhandlung als mögliche Ursache genannt. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde u.a. festgestellt, daß sich Saller zu Hause Autonummern notiert hatte; von 25 Kennzeichen waren elf der Pkw auf türkische Staatsangehörige zugelassen, angeblich ohne Hintergedanken. Auch eine Frau, die in dem Haus wohnt, an dem der Aufkleber "Türken raus" angebracht war, erklärte, daß sie Saller schon mehrfach vor dem Anwesen gesehen habe, Die Kripo-Beamten sagten gestern im Zeugenstand übereinstimmend aus, daß Josef Saller zwar Vorhaltungen, insbesondere wegen des Alibis gemacht worden seien, er aber bei seinem Geständnis keineswegs unter Druck gesetzt worden sei. Die "Wurzel der Tat"?Der Verdacht, ein Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt Amberg hätte ihm zu bem Widerruf geraten, kam ebenfalls am gestrigen ersten Verhandlungstag zur Sprache. Zwei ehemalige Untersuchungshäftlinge wurden in den Zeugenstand gerufen. Der erste erklärte, Saller habe seine Frage bejaht, ob er der Schwandorfer sei, der das "Habermeier-Haus" angezündet habe. Gleichzeitig wisse er von einem Mithäftling, daß dieser ihm zum Widerruf geraten habe. Auch der zweite erklärte, Saller habe ihm gegenüber gesagt, daß er es war, er aber sein Geständnis zurücknehmen werde, weil es keine Beweise gegen ihn gebe. Ebenfalls als Zeugen geladen waren die Ermittlungsrichterin Mugler und der damalige Staatsanwalt Gerhard Maier. Dabei nahm der von dem Angeklagten gebrauchte Begriff, die ausländischen Bewohner des Hauses "ärgern" zu wollen, breiten Raum ein. Staatsanwalt Demmel wollte wissen, inwieweit dieser hinterfragt worden sei, und brachte dabei auch Rechtsradikalismus als mögliche "Wurzel der Tat" ins Spiel; dazu hätte Saller sich nicht ausführlich geäußert. Das eventuelle politische Umfeld der Tat soll insbesondere am morgigen dritten Verhandlungstag beleuchtet werden. Zu einer Kontroverse in dem ansonsten sehr sachlich verlaufenen Prozeß zwischen Nebenkläger Georg Rudolph und Verteidigerin Barbara Geiger kam als gegen 18 Uhr auch Gewitterwolken über Amberg aufzogen: Staatsanwalt Gerhard Maier hatte den damaligen Haftbefehlsantrag auf Mord formuliert, wobei Rechtsanwalt Rudolph immer wieder nachhakte, während die Verteidigerin die rechtliche Bewertung als alleinige Aufgabe der Jugendkammer ansah. Die auf vier Tage angesetzte Verhandlung wird heute fortgesetzt. Mittelbayerische Zeitung Schwandorf, 03.04.1990 |