Liebe und Erotik im Mittelalter
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Sexualität im Mittelalter

Es gibt offenbar wenig Berichte, die auf BDSM im Mittelalter schließen lassen. Das kann zwei Gründe haben: Entweder es gab nichts dergleichen - oder aber es war so "normal", dass es nicht berichtenswert war (*grins*). Eine Spurensuche...

Anfänge...
Verhalten, das man heute als BDSM bezeichnen könnte, kam schon in uralten Hochzeitsritualen vor. Um circa 300 verfasste Mallanaga Vatsyayana das "Kama Sutra". Der Text stellt vier Schlagarten beim Liebesspiel, die zulässigen Körperregionen für Schläge und die Arten der wolllüstigen Schmerzenslaute vor. Bemerkenswert: Der Text mahnt, dass Schlagspiele ebenso wie das Kneifen und Beißen beim Geschlechtsverkehr nur einvernehmlich erfolgen dürfen. Laut Chronik des Sadomasochismus ist das Kama Sutra der erster bekannte Text über SM-Praktiken und -Sicherheitsregeln.

um 1200
Im Nibelungenlied wird die Hochzeitsnacht von Brunhilde und König Gunther beschrieben: "Er rang nach ihrer Minne und zerriss ihr Kleid. Da griff nach einem Gürtel die herrliche Maid. Einer starken Borte, die sie zur Seite trug: Da tat sie dem Könige großen Leides genug. Die Füß und auch die Hände sie ihm zusammenband. Zu einem Nagel trug sie ihn und hing ihn an die Wand." Es dürfte sich dabei aber kaum um die Beschreibung einer einvernehmlichen SM-Praktik handeln. Im Kontext des Nibelungenliedes geht es eher darum, dass Brunhilde dem armen Gunther den Vollzug der Ehe verweigert...




zwischen 1200 und 1300
Henri d'Andely erzählt die Geschichte von Aristoteles und Phyllis und inspiriert die Künstler. Die Unterwerfung des Aristoteles wird dabei als "Weiberliste", und als Mahnung vor der erotioschen Macht verstanden. Die Lust des Aritoteles besteht auch nicht darin, geritten zu werden. In der Fabel nimmt er das nur in Kauf, um sich der schönen Phyllis zu nähern.

ab 1210
Die Flagellanten-Bewegung entsteht in Italien. Die Angehörigen dieser schwärmerisch-religiösen Laienbewegung peitschen oder geißeln sich zum Zweck der Buße selbst bis aufs Blut. Der Flagellantismus breitet sich in ganz Mittel- und Westeuropa aus und erreicht während der Pestjahre 1348 und 1349 seinen Höhepunkt. Das Konstanzer Konzil verbot die Bewegung 1417. Vereinzelte Flagellanten-Prozessionen fanden aber noch bis etwa 1820 statt. Ob die Flagellanten-Bewegung eine sexuelle Dimension hatte, ist umstritten. "Der Fanatismus und der Aberglauben", schrieb Giovanni Frusta, "bildeten die erste Unterlage; die Sinnlichkeit kam später hinzu und vollendete das Werk."

1347
Die Mystikerin und Heilige Caterina Benincasa (auch Katharina von Siena) wird im italienischen Siena geboren. Sie musste sich 1374 wegen ihres angeblich religions- und sittenwidrigen Verhaltens vor dem Generalkapitel der Dominikaner verantworten. Die Nonne liebte es, sich von ihren Mitschwestern regelmäßig und entblößt bis zur rauschhaften "Verzückung" peitschen zu lassen. Zeitgenossen bezeugten einen sexuellen Charakter der religiösen Visionen, die durch die Flagellation ausgelöst wurden.

1470
Friedrich III. ließ sich 1470 im Nürnberger Frauenhaus mit silbernen Ketten von Huren einfangen, um sich dann mit ein paar Gulden wieder loszukaufen. (in: Georg Denzler, Die verbotene Lust, München 1988, S. 208)

1498
Der italienische Humanist und Philosoph Pico della Mirandola berichtet: "Ich kenne einen Menschen von sehr verliebtem Temperamente, der demungeachtet keine Frau zu caressiren vermag, ohne vorher gegeißelt zu seyn. (...) Der Patient befindet sich nicht eher auf dem Gipfel seiner wollüstigen Empfindung, bis er Blut aus den Wunden träufeln sieht, welche die Geißelung zur Folge hatte. Schon einen Tag vorher läßt er die Ruthe in Essig weichen, die er dem Frauenzimmer, welches seiner Lust dienen soll, in die Hand geben wird, und auf den Knieen bittet er sie um die Gunstbezeugung, daß sie ihn blutig streiche. Je heftiger sie aufhaut, desto größere Ansprüche erwirbt sie sich auf seine Liebkosungen. Erst wenn er von Schmerzen ganz erschöpft ist, stellt sich das Wollustgefühl vollständig bei ihm ein. Wer nicht ganz moralisch verdorben ist, muß bei kälterm Blute solcher Excesse sich schämen und sie verabscheuen." Mirandolas Theorie, es handle sich bei den Anhängern dieser Praktik um "entnervte Wüstlinge" und "frostige Personen", die so ihren ermatteten Geschlechtstrieb wiederbeleben wollten, hält sich bis ins 21. Jahrhundert.

1534
Otto Brunfels (1488-1534) berichtet ebenfalls von Männern, die sich mit Rutenhieben stimulieren, kennt aber auch den umgekehrten Fall: "Es ist noch nicht lange her, daß ein Mann, der in Amsterdam eine der ersten Stellen bekleidete, des unzüchtigen Umgangs mit einer Frauensperson beschuldigt wurde, die er nicht ohne vorausgehende Flagellation seinen Wünschen willfährig machen konnte."

circa 1539
Pierre de Brantôme, Seigneur de Bourdeille, wird geboren. In seinen Memoiren erwähnt Brantôme eine vornehme Dame, die mit Wollust ihre Kammerfrauen und Mädchen schlägt sowie einen Mann, der mit seiner Frau ähnliche Spiele unternehm. Außerdem berichtet er von einer Frau, die als Mädchen von ihrer Mutter alle zwei Tage viermal Ruthenhiebe bekam, nicht als Strafe, sondern weil die Bewegungen der Hinterbacken und die Wendungen des Körpers bei diese Execution ihr Vergnügen machten. Dann kommt er auf einen hochgestellten Mann zu sprechen, der in seinem 84. Jahr, bevor er seinenen ehelichen Pflichten nachkam mit Ruthenhiebe seine erschlaffte Natur künstlich zu erregen versuchte.

circa 1580
Der englische Dichter Christopher Marlowe schreibt über einen seiner Kritiker: "When Francus comes to solace with his whore, / He sends for rods and strips himself stark naked; / For his lust sleeps, and will not rise before / By whipping of the wench it be awaked. / I envy him not, but wish I had the power, / To make myself his wench but one half hour."

Quellen und weitere Hinweise: Chronik des Sadomasochismus"