Die hohe und niedere Gerichtsbarkeit im Papenteich
und
Die Gemeindeverwaltungen

 

Beim mittelalterlichen Volksgericht, später Landgericht genannt, wurde über Streitigkeiten der Gemeinden untereinander und über Strafsachen geurteilt; dabei wurden Todesstrafen gleich vollstreckt. Der Gograf hatte beim Landgericht die Aufgabe, die Verhandlung zu leiten und stellte das Urteil fest.

Beim Dorfthing wurde hauptsächlich über die Bestellung der Feldmark, die Regelung der Ernte und andere Gemeinschaftsangelegenheiten beraten; die Schlichtung von Streit stand nur gelegentlich auf der Tagesordnung. Diese Versammlungen wurden vom Bauermeister geleitet.

 

Der Gograf im Papenteich

Im Papenteich formte das Landgericht unter freiem Himmel bei den Dingbänken das Urteil nach dem sich in Jahrhunderten herausgebildeten Papenteicher Recht. Es wurde mündlich von Generation zu Generation weitergegeben und umfasste nur bürgerliche Rechtsangelegenheiten (Privatrecht). Vielleicht hat es, solange das Landgericht noch Strafsachen aburteilte, auch dafür eigene Rechtsgewohnheiten gegegeben, aber es liegen keine Dokumente dazu vor.
Wie das Papenteicher, so gab es auch ein Heidmärker und ein Gifhorner Recht. Über diesem lokalen Recht aber stand das germanische Recht, das als sächsisches oder niedersächsisches Recht im "Sachsenspiegel" 1220 - 1235 von Eicke von Repkow aufgezeichnet wurde.
Der Gograf (oder Gogräfe, Hogräfe) hatte beim Landgericht die Aufgabe, die Verhandlung zu leiten und stellte fest, was die Gemeinschaft als Schuld erkannt hatte.

Als die Fürsten die oberen Gerichtsherren wurden, durften keine Urteile mehr vollstreckt werden; der vom Go- oder Landgericht Verurteilte wurde zunächst vor das Amtsgericht gestellt. Erst wenn dort das Urteil bestätigt war, wurde der Verbecher zur Richtstätte gebracht oder ins Gefängnois gesteckt.
Mit der schrittweisen Einführung des römischen Rechts mussten zudem die Gerichtsurteile im 16. Jahrhundert protokolliert werden. So baute man neben den Gerichtsplatz eine Wohnung mit Schreibstube für den Hogräfen.
Um 1550 wurde das Papenteicher Gericht schon durch die Obrigkeit begrenzt und kontrolliert. Die Urteile wurden protokolliert. Die Mitwirkung des Volkes wurde überflüssig, denn nun wurde das geschriebene Recht massgebend. Anstelle einer (kurzen) mündlichen Verhandlung mit Urteilsfindung trat vielfach ein Prozeß mit seinen langatmigen, von lateinischen fachausdrücken durchsetzten Akten.

1566 Lehen 10 W.Blanke p.102 ff. (Lehnswesen / feudal system)

1612 wird noch der neue Hogräfe vom Umstand (= der männlichen Bauernbevölkerung) gewählt, aufgeboten und eingeführt. Der Hogräfe leitet die Gerichtsverhandlung an den Dingbänken und alle Bauern des Papenteichs fanden -in ihrer Eigenschaft als Umstand- das Urteil. Die Bestrafung aber übernahm bereits das Amtsgericht in Gifhorn. Die alten Formen blieben also noch gewahrt, aber die Rechte des Volkes waren schon begrenzt und der noch frei vom Umstand gewählte Hogräfe unterstand dem Amtmann.

1733 fungieren die Gogräfen nur noch als Untergebene des Amtmannes. Sie hatten die Polizeigewalt in ihrer Gografenschaft. Man könnte sie mit den späteren Gendarmerienposten vergleichen.

1840 wird das Go- und Landgericht durch das "Gesetz über das Verfahren in Polizei-Starfsachen" abgeschafft; Untersuchung und Aburteilung aller Polizeivergehen war nur noch Sache der Ämter.

 

Gemeindeverwaltung/en im Amt Gifhorn

Gemeindeverwaltungen sind seit dem Mittelalter bekannt. Denn es waren Regelungen zur gemeinsamen Nutzung der Dorfflur zu treffen, diese auch zu kontrollieren, Gemeindehirten einzustellen und gemeindeeigene Hirtenhäuser zu bauen und zu unterhalten, und gemeindeeigenes Vermögen zu verwalten und durch Rechnungslegung auszuweisen.
Die Wahrnehmung eines solchen Amtes war dem Bauermeister auferlegt. Es war ein reihenpflichtiges Amt, das deshalb jährlich in der Riege (Reihe) gewechselt werden musste. In einigen Dörfern gab es sogar für Vollhöfner und Köther je einen eigenen, nur für ihre Bauernklasse zuständigen Bauermeister. Die Bezeichnungen variieren, ausser Bauermeister wurde der Amtsinhaber auch als Schulze, Erbschulze, Dorfschulze, oder Schulte oder Schultheiß bezeichnet.
Bauermeister und Dorfschulzen sind als Vollzugsorgane für die damals noch selbständige politische Gemeinde tätig geworden und wohl auch bei Streitigkeiten über Hutungsrechte mit den Nachbargemeinden oder auch den Grundherrschaften als berechtigte Verhandlungspartner ihrer Gemeinden aufgetreten.

Im 16. Jahrhundert änderte sich dies mit der verstärkten Herausbildung des territorialen Fürstenstaates, der in seinem Allmachtsanspruch die Dörfer mit ihren Bewohnern der alleinigen Verfügungsgewalt eingerichteter staatlicher Ämter unterstellte, und auf Ortsebene die Erledigung einer Vielfalt aufgetragener Pflichtaufgaben verlangte.
Damit war für die Gemeinden das Ende ihrer bis dahin von der Obrigkeit eingeräumten bzw. geduldeten politischen Selbständigkeit eingeleitet. Zunehmende staatlichen Verwaltungsaufträge (s.u.) überforderten die Bauermeister und Dorfschulzen, die ihre Aufgaben vielleicht auch aus solidarischen Gründen, unwillig und unkorrekt ausführten.

1674 veranlassten die zunehmenden staatlichen Verwaltungsaufträge (wie Viehzählung, Steuerumlegung und -eintreibung, Ansagen und Überwachen von Dienst- und Landfolgepflichten, Durchführung von Einquartierungen und Berichte über Hof- und Gebäudeverhältnisse) die staatlichen Behörden zu einer Reform mit dem Ergebnis, dass neben den Bauermeistern für die Dörfer "Geschworene Männer" zu bestellen seien; sie wurden als Geschworene, Ortsgeschworene, Feldhüter, Pfänder, und Feuergeschworene bezeichnet.
In grösseren Dörfern gab es vereinzelt mehrere Geschworene, wogegen kleinere Dörfer von Geschworenen grösserer Nachbarorte mit betreut wurden.

Damit büsste das Amt des Bauermeisters noch mehr an Bedeutung ein.
Nach 1854 erlangten die Gemeinden ihre kommunalpolitische Eigenständigkeit durch das Hannoversche Verfassungsgesetz wieder zurück. An die Stelle des Geschworenen trat ein von der Gemeinde gewählter Gemeindevorsteher (später auch als Bürgermeister bezeichnet). Als wichtige Entscheidungsorgane wurden die Gemeindeversammlung bzw. ein gewählter Gemeindeausschuss rechtsverbindlich tätig.

Q: 

10 W.Blanke 1983  		in: 30 p.92..107 
30 H.Klose (Hrg.) 1983: 	Festschrift    
43 T.Bosse 1988:	 ..ab 1563. 
W.Rinkel bis einschl. 1983 	in: 30  p.62..71, p.72..74, p.75..80, p.81-91

F.L. Ganshof 1977: Was ist das Lehnswesen? (Buch bei Anna Rieger)  
insbes. p. xiii-xiv (Einleitung) u. p.178/179 


 

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