Dieses Essay wurde nicht als ein philosophisches Werk über Schuld oder Unschuld, sondern zum Zwecke der Beweisführung entworfen. Diese Absicht und der enorme Umfang des zugrundeliegenden Materials machten es daher von Anfang an notwendig, dieses Essay als Zusammenfassung von Ausschnitten aus anderen Dokumenten zu konzipieren. Daher enthält es eine große Menge an Fußnoten, welche rund 40 Prozent des gesamten Textes ausmachen. Naturgemäß überschneiden sich die Kapitel immer wieder. Deshalb werden einige der Anmerkungen und Fußnoten an mehr als einer Stelle angeführt.
Ein weiterer Grund für die häufige Verwendung von Querverweisen und Zitaten ist die Art und Weise, in der dieses Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Immer wieder stand ich vor Aussagen, die mit der Wirklichkeit ganz einfach nicht in Einklang zu bringen sind. Unzählige Autoren kommentieren den Fall in der einen oder anderen Weise, scheinen sich aber nicht um die Belegung ihrer Aussagen zu kümmern. Um den Umfang dieses Schriftstücks nicht übermäßig anwachsen zu lassen, habe ich in vielen Fällen nur angegeben wo der entsprechende Hinweis zu finden ist. Nur in den mir besonders interessant erscheinenden Fällen habe ich den entsprechenden Text zitiert. Dementsprechend habe ich auch meine eigenen Erörterungen möglichst kurz gehalten. Für eine genaue Analyse meiner Argumentation sind deshalb zumindest die Prozeßmitschriften aus dem Jahre 1982 sowie die Mitschriften der späteren Beweisaufnahmen aus den Jahren 1995-97 erforderlich.[1]
Die im folgenden diskutierten Bereiche sind auf dem Stand vom Oktober 2005. Bis zum Juli 2006 hat sich an den vorgelegten Beweisen und Theorien nichts verändert. Lediglich die Entscheidung des Bundesberufungsgerichts für den dritten Gerichtsbezirk der Vereinigten Staaten vom 6. Dezember 2005 wurde in Form von Ergänzungen an den betroffenen Kapiteln berücksichtigt (Ergänzungen in kursiver Schrift).
Christian Peheim
Juli 2005 bis Juli 2006
Vorbemerkung zur 2. Auflage
Ein in den letzten Monaten häufig geäußerter Kritikpunkt ist die Kürze der Darstellung von Polizeiübergriffen in den Vereinigten Staaten und ganz besonders in Philadelphia. Des weiteren wurde kritisiert, daß ich in diesem Essay weder auf die schwierige Situation von Verurteilten in der Todeszelle, den Ungerechtigkeiten bei der Verhängung der Todesstrafe oder die vielen vermeintlichen und wahrscheinlichen Fehlurteile eingehe. Dies ist zweifellos richtig, ergibt sich aber zwangsläufig aus dem Thema der Abhandlung. Wenngleich mir als entschiedenem Gegner der Todesstrafe jedes einzelne Todesurteil zutiefst zuwider ist, soll dieses Essay keine Kritik am Rechtssystem der Vereinigten Staaten sein. Der einzige Zweck der folgenden Seiten ist eine Darstellung der tatsächlich in diesem Fall vorhandenen Beweise. Der ebenfalls enthaltene Überblick über Verfahrensfragen wurde lediglich soweit ausgeführt, um die Bewertung dieser Beweismittel näher zu beleuchten. Deshalb fehlt auch konsequenterweise eine eingehende Analyse der Gerichtsentscheidungen seit dem Ende der nachträglichen Beweisaufnahmen (PCRA-Anhörungen).
Mißstände im amerikanischen Rechtssystem kann man wohl zu Recht als gegeben betrachten. Allein die große Anzahl an erfolgreich angefochtenen Todesurteilen, welche häufig zur Freilassung der ursprünglich Verurteilten führten, sind schon ein deutlicher Beleg. Anklagen gegen Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Fehlverhaltens während der Ermittlungen stärken diese Behauptungen. So sehr diese Darstellungen auch dazu geeignet sind den Ruf der amerikanischen Ermittlungsbehörden zu vermindern, stellen sie jedoch keine Beweise für oder gegen Mumia Abu-Jamal dar. Sie mögen die Emotionen des Betrachters ansprechen und reichen wohl auch aus um die Redlichkeit der Behörden nicht als gegeben anzunehmen, sind aber kein Grund um jede Aktion der Polizei als ungerecht hinzustellen. Gerade deshalb habe ich im Kapitel Eine Verschwörung der Polizei die behauptete Unredlichkeit der Polizei Punkt für Punkt überprüft und mit den tatsächlichen Auswirkungen dieser Vorgänge verglichen.
In dieser Abhandlung soll auch in der ergänzten Fassung das Hauptaugenmerk auf die Beweise gelegt werden, um den Leser in die Rolle eines Geschworenen zu versetzen. Einige der Leser haben mir zusätzliche Literatur empfohlen um die Hintergründe näher zu beleuchten. Jedoch handelt es sich bei diesen „Hintergründen“ immer wieder um eine Darstellung von Mißständen innerhalb des amerikanischen Rechtssystems, welche auf die Beweise des Falles Mumia Abu-Jamal keinen Einfluß haben. Ein häufig empfohlenes Werk ist Race Against Death von Michael Schiffmann.[2] Auch hier findet sich dasselbe Muster. Der Großteil des Buches widmet sich dem rassistischen Verhalten der Behörden sowie den historischen Wurzeln und den Ungerechtigkeiten des amerikanischen Strafrechtssystems. Eine tiefergehende Diskussion der Beweismittel gegen Mumia Abu-Jamal findet nicht statt, und der Autor schreckt auch nicht vor einer verzerrten Darstellung der Geschehnisse zurück.[3] Gerade aus diesen Gründen habe ich die mir von Lesern empfohlene Literatur nicht berücksichtigt, obwohl sie mir zum Teil bereits bekannt war.
Eine weitere Änderung betrifft die Darstellung der Örtlichkeit Ecke 13. und Locust, auf die ich von einem ortskundigen Leser aufmerksam gemacht wurde. Ebenso wurde berücksichtigt, daß die als Quelle verwendete Internetseite Mumia Solidaritäts Index MSI nach einer kurzfristigen Stillegung wieder verfügbar ist.
Christian Peheim
November 2006