Richter Sabo wird in vielen Veröffentlichungen als voreingenommen und unfair bezeichnet. Selbst im Jahre 1982 wurde er in Zeitungen öffentlich kritisiert. Laut solchen Berichten sahen ihn viele Anwälte in Philadelphia nicht als unparteiisch an. Mumia Abu-Jamals Unterstützer weisen besonders darauf hin, daß er vor seiner Tätigkeit als Richter 16 Jahre lang Hilfssheriff war und noch immer dem Verein der Polizeibruderschaft[1] angehörte. Außerdem wäre er der Richter mit den meisten Todesurteilen in den Vereinigten Staaten. Seine Verhandlungsführung war von Anfang an unfair und hatte die Verurteilung Mumia Abu-Jamals zum Ziel. Gegner Abu-Jamals bestreiten diese Vorwürfe.
Wie so vieles im Zusammenhang mit diesem Fall wird auch die Beschreibung des Richters Albert Sabo übertrieben. Seine Rolle während der Verhandlung von 1982 soll nicht überbewertet werden. Man muß aber auch den Unterschied zwischen der Verhandlung von 1982 und den PCRA-Anhörungen von 1995-97 berücksichtigen.
In einem Mordprozeß wird das Urteil von den Geschworenen gefällt. Der Richter hat nur einen begrenzten Einfluß auf dieses Urteil. Er kann zweifellos durch seine Entscheidungen während der Verhandlung beeinflussen, was die Geschworenen zu hören bekommen. An deren Entscheidungsfindung kann er aber nicht mitwirken. Daher sind die 31 oder 32 Todesurteile[2], darunter 29 Schwarze, die ihm zugeschrieben werden, nicht nur auf ihn zurückzuführen. Auch die Behauptung, er sei für mehr Todesurteile verantwortlich als jeder andere Richter in den Vereinigten Staaten läßt sich nicht beweisen. Es gibt keine Statistiken die dies belegen könnten. Trotzdem spricht die hohe Zahl für sich.
Die Möglichkeit eines Richters die Verhandlung zu beeinflussen besteht darin, wie er Einsprüche behandelt. Zunächst einmal kann er Beweise generell für unzulässig erklären oder bestimmte Fragenkomplexe ausklammern. Während der Zeugenbefragung kann er Einsprüche der jeweiligen Gegenseite abweisen oder ihnen stattgeben. Beides geschieht regelmäßig, und auch Richter Sabo hat dies getan. Eine statistische Analyse des Prozesses ist nicht sehr aufschlußreich. Aufgrund der Strategie der Verteidigung, die Beweise der Staatsanwaltschaft in Zweifel zu ziehen, ist daß Kreuzverhör der Zeugen generell länger als die direkte Befragung. Weiters lag es in der Natur der Sache, daß die Fragen der Verteidigung häufig vom eigentlichen Geschehen am Tatort abwichen, um die Glaubwürdigkeit der Zeugen in ein schiefes Licht zu rücken. Die Länge der Befragung und die Ziele der Fragen des Verteidigers führten zu häufigen Einsprüchen. Die Staatsanwaltschaft wiederum beschäftigte sich hauptsächlich mit den Geschehnissen am Tatort und befragt die Zeugen nur zu einem eng begrenzten Themenbereich. Abgesehen davon, daß Zeugen unzulässige Vermutungen äußerten, war nur wenig Raum für Einsprüche.
Die Befragungen der wenigen Zeugen der Verteidigung zeigten erwartungsgemäß das umgekehrte Muster. Hier mußte Staatsanwalt McGill angreifen, um die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu unterminieren. Die Verteidigung hatte den Vorteil der direkten Befragung und mußte daher weniger Einsprüche hinnehmen.
Auch wenn der Verteidiger wesentlich häufiger durch Einsprüche behindert wurde als der Staatsanwalt, waren diese Einsprüche gut begründet und ließen keine einseitige Behinderung Mumia Abu-Jamals erkennen. Gleichzeitig waren die Einsprüche auf beiden Seiten aber auch kaum dazu geeignet, die Geschworenen nachhaltig zu beeinflussen. Die Behauptung, Einsprüchen des Staatsanwalts wäre stets stattgegeben worden, während die Einsprüche der Verteidigung stets abgewiesen wurden, ist ganz einfach nicht richtig, Es wäre aber auch unsinnig, mit dieser Behauptung die Fairneß des Verfahrens in Zweifel zu ziehen. Zweifellos hätten in einigen Fällen anderslautende Entscheidungen des Richters zu Einsprüchen den Verlauf des Verfahrens geringfügig ändern können, von Bedeutung waren allerdings nur 3 Punkte.
Diese 3 Punkte waren die kriminelle Vorgeschichte Robert Choberts, die Aussage Veronica Jones zum Angebot durch die Polizei und schließlich die Aussage Gary Wakshuls.[3] In allen 3 Punkten entschied Richter Sabo gegen die Verteidigung. Fragen zur Vorgeschichte Robert Choberts hätte den Wert seiner Aussage in den Augen der Geschworenen schmälern können, den dies hätte begründen können, wieso er seine Geschichte schrittweise zugunsten der Darstellung der Staatsanwaltschaft änderte. Seine Identifizierung Mumia Abu-Jamals am Tatort hätte aber trotzdem Bestand gehabt. Eine ausführliche Befragung Veronica Jones zu dem was ihr die Polizisten angeblich angeboten haben, hätte die Aussage von Cynthia White mit Sicherheit zweifelhaft erscheinen lassen. Der Widerspruch zwischen ihrer ursprünglichen Aussage gegenüber der Polizei und ihrer Aussage im Zeugenstand wäre in einem anderen Licht erschienen, hätte aber Veronica Jones’ These von zwei laufenden Männer nicht bedeutsamer gemacht. Bei der Befragung im Jahre 1995 konnte die Staatsanwältin diese Behauptung ziemlich erfolgreich widerlegen. Schließlich hätte eine Verlängerung des Verfahrens, um Gary Wakshul befragen zu können, die Glaubwürdigkeit des Geständnisses im Krankenhaus vermindern können. Als Gary Wakshul 1995 aussagte, hat Richter Sabo seine Begründung für den fehlerhaften schriftlichen Bericht für glaubwürdig gehalten. Das bedeutet aber keinesfalls, daß ihm 1982 auch die Geschworenen geglaubt hätten. Durch diese Entscheidungen Richter Sabos wurde die Verhandlungsführung tatsächlich beeinflußt.
Die Entscheidungen des Richters waren in jedem Fall begründet und stellen aus rechtlicher Sicht keinen Grund für die Anfechtung des Urteils dar. Ein Richter hat naturgemäß einen gewissen Spielraum für Entscheidungen und kann dabei nach seinem eigenen Ermessen vorgehen. Die für seine Entscheidungen aus rechtlichen Gründen vorgegebenen Grenzen hat Richter Sabo nicht überschritten. Er hätte sie aber auch dann nicht überschritten, wenn er im Sinne der Verteidigung entschieden hätte. Ob jedoch anderslautende Entscheidungen einen vernünftigen Geschworen dazu bewegt hätten, einen begründeten Zweifel zu sehen, ist ungewiß. Das Gewicht der vorgelegten Beweise wäre auch bei anderslautenden Entscheidungen enorm gewesen. Die Entscheidungen können darin begründet gewesen sei, daß der Richter den Angeklagten für schuldig hielt. Bei einer Diskussion an der Richterbank außerhalb der Hörweite der Geschworenen sagte er dies unmißverständlich.[4]
Die Situation während der PCRA-Anhörungen war das Gegenteil der Situation während des Verfahrens von 1982. Die Verteidigung legte Beweise vor und die Staatsanwaltschaft mußte diese Beweise angreifen. Die meisten Zeugen waren so unglaubwürdig, daß es der Staatsanwaltschaft leichtfiel deren Glaubwürdigkeit zu unterminieren. Sie erhielt dabei aber auch die Hilfe des Richters. Die Anschuldigung, Richter Sabo hätte Leonard Weinglass schikaniert, ist zum Teil richtig. Sabo und Weinglass waren von Anfang an auf Konfrontationskurs. Albert Sabo wollte 1995 das Verfahren abschließen, Leonard Weinglass wollte die Befragung zunächst so lange ausdehnen, bis der Hinrichtungsbefehl aufgehoben werden muß. Die für August geplante Hinrichtung war von Anfang an unmöglich. Selbst wenn die PCRA-Anhörung rechtzeitig beendet worden wäre, hätte die Anrufung eines Bundesrichters den nötigen Aufschub garantiert. Es war aber insgesamt ein Zeitgewinn, wenn Richter Sabo die Aufhebung verfügen mußte und die Anrufung eines Bundesgerichts später erfolgen konnte.
Die Strategie der Verteidigung war auf Zeitgewinn ausgelegt. Dies führte zu schier endlosen Debatten um Formalitäten und zu unzähligen Zeugenvorladungen, die später für nichtig erklärt wurden. Dabei kam die teils provokante Arbeit der Verteidigung der Staatsanwaltschaft zu Hilfe. Zur Abwicklung der Zeugenaussagen mußte die Verteidigung zunächst bekannt geben, welche Zeugen aussagen würden und was der ungefähre Inhalt der Aussage sein würde. Dies würde es der Staatsanwaltschaft erlauben, sich auf den Zeugen vorzubereiten und eventuell herauszufinden, ob die Zeugenaussage zulässig ist. Richter Sabo hat immer wieder verlangt, daß dies rechtzeitig in schriftlicher Form geschehen muß. Statt dessen versuchte die Verteidigung mehrmals, einen Zeugen in den Zeugenstand zu rufen und den Inhalt der Aussage unmittelbar davor mündlich bekannt zu geben. Das Resultat war die Ablehnung von 29 Zeugen. Auch die Anträge auf zusätzliche Ermittlungen waren nur dazu geeignet, das Ende des Verfahrens hinauszuzögern. Die Anträge gingen oft zu weit am eigentlichen Fall vorbei um Aussichten auf Erfolg zu haben. Ein Kommentator beschrieb Sabos Verhalten als ebenso absurd wie Leonard Weinglass’ Verhalten korrekt war.[5] Albert Sabos Verhalten war tatsächlich deutlich voreingenommen, aber Leonard Weinglass hat dessen Ablehnungen oft provoziert. Die Streitigkeiten gingen so weit, daß Weinglass wegen Mißachtung des Gerichts zu 1000$ Geldbuße verurteilt wurde. Der Grund dafür war die Weigerung Leonard Weinglass’ dem Richter Fotos zurückzugeben. Später behauptete Weinglass, er wurde verurteilt weil er die Fotos nicht schnell genug überreicht hat. Die Verhandlungsmitschrift zeigt aber, daß er die Aufforderung des Richters ignorierte und statt dessen mit ihm diskutiert hat.[6] Eine ähnliche Erfahrung mußte Rachel Wolkenstein bereits am 2.8.1995 machen. Als sie am Anfang der Verhandlung versuchte, ein vom Richter bereits an einem anderen Verhandlungstag entschiedenes Thema erneut anzuschneiden, wurde sie von Richter Sabo zunächst verwarnt. Nachdem sie aber weiterhin auf diesen Punkt einging, ließ sie der Richter nach kurzer Diskussion wegen Mißachtung des Gerichts für den Rest des Tages in eine Arrestzelle bringen.[7] Zumindest das vorläufige Ergebnis war im Sinne Mumia Abu-Jamals, und Richter Sabo mußte noch während der Anhörung den Hinrichtungsbefehl aufheben.[8]
Interessanterweise schien Weinglass von seinen nicht zugelassenen Zeugen nicht besonders beeindruckt gewesen zu sein. Er erreichte durch die Anrufung des Obersten Gerichts Pennsylvanias, daß die PCRA-Anhörung zweimal verlängert wurde um zusätzliche Zeugen zu hören. Deshalb wurden sowohl 1996 als auch 1997 neuerliche Anhörungen durchgeführt. Unter anderem zwang er Richter Sabo, die Aussage von Pamela Jenkins einfließen zu lassen. Weinglass hat aber nie versucht, die 1995 abgewiesenen Zeugen auf diesem Weg in den Zeugenstand zu rufen.
Richter Sabos Einflußnahme bestand erneut in der Zulassung von Zeugenaussagen und in der Behandlung von Einsprüchen. Wiederum hat Richter Sabo die Einsprüche, welche keinen nennenswerten Einfluß auf das Gesamtergebnis hatten, zumeist fair entschieden. Wenn jedoch die Staatsanwaltschaft versuchte, die Zeugen als unglaubwürdig hinzustellen, hat er deutlich sichtbar Partei ergriffen. Dies betraf hauptsächlich Veronica Jones, aber auch gegenüber Pamela Jenkins zeigte er eine deutliche Feindseligkeit.
Veronica Jones’ Behauptung, sie hätte auf Druck der Polizei gelogen, war weder beweisbar noch war sie zu widerlegen. Nach 13 Jahren gab es mehr keine Beweise, die sie der Falschaussage überführen hätten können. Daher deutete die Staatsanwältin an, Veronica Jones wäre von der Verteidigung bezahlt worden. Um dies zu untermauern zeigte sie, daß Veronica Jones’ Lebensgefährte im Laufe der Monate nach ihrem ersten Zusammentreffen mit den Anwälten Mumia Abu-Jamals beträchtliche Mietrückstände beglichen hat.[9] Darüber hinaus hinterfragte die Staatsanwältin, wer ihre Anwälte bezahlt. Die Fragen zielten oft auf das Privatleben von Veronica Jones ab und Richter Sabo hat in diesen Fällen die Einsprüche von Leonard Weinglass und die Einsprüche des Anwalts von Veronica Jones generell abgewiesen.
Das gleiche geschah bei der Befragung von Pamela Jenkins.[10] Das Verhalten Richter Sabos war so feindselig, daß sich Pamela Jenkins während eines Wortwechsels mit dem Richter offen über seine Benehmen beschwerte. Daraufhin drohte ihr der Richter, er würde ihre gesamte Zeugenaussage streichen wenn sie nicht antwortet.[11] Eine solche Drohung hätte er tatsächlich an die Verteidigung richten müssen, er war aber offensichtlich auf Konfrontationskurs mit der Zeugin und unterstellte ihr, sie habe persönliche Motive für ihre Zeugenaussage. Ansonsten hätte er ihr nicht die Streichung ihrer Aussage, sondern eine Strafe wegen Mißachtung des Gerichts androhen müssen. Selbst das Oberste Gericht Pennsylvanias hat die emotionale Haltung Richter Sabos zur Kenntnis genommen und damit entschuldigt, daß auch ein Richter nur ein Mensch ist.[12]
Wirklich bedeutsam war jedoch nicht das Verhalten Richter Sabos während der Verhandlung, sondern seine Beurteilung der vorgelegten Beweise. Er befand die Aussage Gary Wakshuls für glaubwürdig, hielt Veronica Jones für unglaubwürdig und er glaubte auch Dessie Hightower nicht. In allen Fällen konnte er Argumente für seine Entscheidung aufzählen.
Im Falle Gary Wakshuls glaubte er, daß der Streß und die Trauer zu seinem falschen Bericht geführt haben.[13] Gary Wakshul beschrieb seinen Zustand als emotional verletzt. Als er das Geständnis Mumia Abu-Jamals hörte, zog er sich zunächst in eine Nische zurück und begann zu weinen. Dann ging er für kurze Zeit nach draußen, setzte sich in den Wagen und beruhigte sich wieder. Von den nächsten Stunden hatte er nur eine schwache Erinnerung, bis er auf dem Weg nach Hause in einen Betonpfeiler fuhr und erkannte, daß er sich zusammennehmen muß, oder er würde es nicht schaffen nach Hause zu kommen. Richter Sabo hielt es für glaubwürdig, daß er in diesem Zustand einen fehlerhaften Bericht geschrieben hat.
Veronica Jones hielt er für unglaubwürdig, weil sie in vielen Details zweifelhaft ausgesagt hat. Sogar ihre erste Aussage gegenüber der Polizei ließ nicht darauf schließen, daß sie zwei Männer davonlaufen gesehen hat. Weiters behauptete sie, ihre Falschaussage von 1982 wäre aus Angst vor der Polizei zustande gekommen. Trotzdem hat sie damals im Zeugenstand ausgesagt, die Polizei hätte versucht, sie zu einer Falschaussage zu bewegen. Dies ist mit Angst vor der Polizei schwer in Einklang zu bringen. Die Entscheidung Richter Sabos war wohl begründet.[14] Aber auch er selbst scheint Zweifel an der Wirksamkeit seiner Begründung gehabt zu haben. Am Ende der Aufzählung der Widersprüche in Veronica Jones’ Aussage (die Widersprüche waren tatsächlich zahlreich), fügt er als zusätzliche Begründung in einer Kurzfassung zahlreiche andere Aussagen gegen Mumia Abu-Jamal an: „Der Angeklagte wurde in geringer Entfernung von dem von ihm getöteten Polizisten gefunden. Seine leere Waffe wurde knapp daneben gefunden. Augenzeugen haben ihn unabhängig voneinander als Schützen identifiziert. Der Angeklagte hat sich vor Zeugen mit dem Mord gebrüstet. Der Bruder des Angeklagten war während des gesamten Vorfalls am Tatort und hat keinen davonlaufenden Mörder erwähnt, sagte aber zu den am Tatort eintreffenden Polizisten ‚Ich habe damit nichts zu tun’.“[15] Dies ist eine kurze Zusammenfassung der Beweise gegen Mumia Abu-Jamal, aber keine unmittelbare Begründung für Veronica Jones’ Unglaubwürdigkeit.
Gerade mit Veronica Jones stand die Verteidigung von Anfang an vor einer schwierigen Aufgabe. Vor Gericht konnten sie nur ihre Aussage zu den beiden fliehenden Männern verwerten, und dieser Teil wurde vom Richter für unglaubwürdig befunden. Tatsächlich wurde diese Zeugin aber auch dafür benutzt, die Polizei der Einflußnahme zu bezichtigen und um auf diesem Weg die Zeugenaussage Cynthia Whites in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dieser Teil wurde aber vor Gericht nicht bewertet.
Die schwächste Begründung für seine Entscheidung wählte er bei der Feststellung ob Dessie Hightower glaubwürdig war. Er verneinte dessen Glaubwürdigkeit gestützt auf zwei Fakten. Zunächst führte er eine Befragung Hightowers an, die von Robert Greer, dem Ermittler der Verteidigung, im Mai 1982 durchgeführt wurde.[16] Gegenüber Robert Greer erklärte Dessie Hightower, er sah die Polizeiautos und er sah eine Person vom Tatort fliehen.[17] Im Zeugenstand erklärte er, die Sequenz der Ereignisse sei ungenau dargestellt und in Wirklichkeit sah er die fliehende Person bevor zusätzliche Polizisten am Tatort ankamen. Weiters glaubte er bei der Analyse des Tests mit dem Lügendetektor dem Polizisten und nicht Hightower.[18]
In allen drei Fällen wäre eine gegenteilige Entscheidung möglich gewesen und hätte die Position Mumia Abu-Jamals enorm verbessert. Obwohl alle Entscheidungen ausführlich begründet wurden, halte ich sie zumindest für fragwürdig. Und genau diese Entscheidungen sind das große Problem Mumia Abu-Jamals. Die Entscheidung, ob ein Zeuge glaubwürdig ist oder nicht, liegt im Ermessen des Richters der die Verhandlung führt. Dieser Richter hat die Möglichkeit das Verhalten des Zeugen zu beobachten und kann daher am besten beurteilen ob er glaubwürdig ist oder nicht. Ein Berufungsgericht kann hingegen nur noch das Protokoll der Verhandlung lesen oder, wie es Richter Yohn ausdrückte, das kalte Papier bewerten und ist deshalb wesentlich weniger in der Lage die Glaubwürdigkeit einzuschätzen.[19] Daher können Berufungsgerichte wie der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias oder die Bundesgerichte nur noch überprüfen, ob die Entscheidung Richter Sabos sachlich begründet war oder nicht. Die mittlerweile zuständigen Bundesgerichte können auch aus rechtlichen Gründen nicht selbst entscheiden, ob sie die eine oder andere Seite für glaubwürdiger halten. Ein seit 1996 geltendes Gesetz und ein zu diesem Gesetz gehörendes Urteil des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten haben eine solche unabhängige Einschätzung eindeutig verneint.[20]
Albert Sabo hielt auch andere Zeugen für unglaubwürdig (William Singletary, Arnold Howard, William Harmon und Pamela Jenkins). In diesen Fällen muß ich ihm Recht geben. Wenngleich deren Aussagen von Unterstützern Mumia Abu-Jamals oft als Beweis für das unehrliche Verhalten der Polizei benutzt werden, stimme ich mit Richter Sabo darin überein, daß deren Aussagen haltlos sind.
Die Berufungsrichter in Pennsylvania haben die Anschuldigung, die Verhandlungsführung durch Richter Sabo wäre ungerecht gewesen, als unbegründet abgelehnt. Richter Yohn vom Bundesgericht hat die Beschwerde abgelehnt, da keine Bundesgesetze verletzt wurden. Formell hatten beide Recht. Trotzdem ist die enorme Tragweite der richterlichen Entscheidungen während der PCRA-Anhörungen ein Punkt, der in meinen Augen das gesamte Verfahren eindeutig gegen Mumia Abu-Jamal beeinflußt hat.
Nach meiner eigenen Einschätzung der Beweise wäre das Urteil bis auf einen Punkt ähnlich der Bewertung Albert Sabos ausgefallen. Veronica Jones’ Geschichte von den beiden fliehenden Männern war widersprüchlich und selbst dann, wenn man ihr glaubt, deutet ihre Aussage nicht auf zwei fliehende Täter hin. Dessie Hightower erscheint mir glaubwürdig, aber zusammen mit anderen Zeugenaussagen war es ungewiß was er wirklich gesehen hat und wann er diese Person gesehen hat. Seine Aussage war sicher kein ausreichender Beweis für einen fliehenden Täter.[21] Nur Gary Wakshuls Aussage hätte ich grundsätzlich anders bewertet. Die Gegenüberstellung seiner Aussage mit seinem schriftlichen Bericht vom 9.12.1981 hat nicht nur das Geständnis im Krankenhaus nachdrücklich in Zweifel gezogen, sondern hätte auch einen verantwortungsvollen Geschworenen davon überzeugen können, daß dieses Geständnis fabriziert wurde. Mit einer solchen Bewertung hätte Richter Sabo allerdings einer neuerlichen Austragung des Verfahrens zustimmen müssen.
Ergänzung 2006: Für mich überraschend hat das Bundesberufungsgericht den Anspruch der Verteidigung die Voreingenommenheit des Richters betreffend ebenfalls für berufungsfähig erklärt.[22] Das Überraschende ist dabei nur die formalrechtliche Seite und nicht die Annahme, daß Richter Sabo wirklich einseitig gehandelt haben könnte. Zur Zeit arbeiten beide Seiten an ihren Argumenten und der Ausgang ist noch ungewiß. Das Bundesberufungsgericht hat die Berufungsfähigkeit auf das Verhalten des Richters während der PCRA-Anhörungen eingeschränkt, da Beschwerden zu seinem Verhalten während der Verhandlung von 1982 bereits von früheren Anwälten vorgebracht werden hätten müssen. Wegen dieses früheren Versäumnisses können solche Vorwürfe heute nicht mehr geltend gemacht werden. Manche Unterstützer Mumia Abu-Jamals bedauern diesen formalen Fehler. Er hat aber keinen nennenswerten Einfluß auf den Ausgang der Berufung. Richter Sabos Entscheidungen im Jahre 1982 waren für solche Angriffe ganz einfach nicht geeignet. Entscheidungen wie der Ausschluß des Angeklagten von großen Teilen des Verfahrens oder die Ablehnung John Africas als Rechtsberater waren gut fundiert und nicht willkürlich. Speziell der Ausschluß des Angeklagten von großen Teilen des Verfahrens war keine gegen ihn gerichtete Schikane, sondern durch das Verhalten Mumia Abu-Jamals erzwungen.