William Cook - eidesstattliche Erklärung
William Cook und Mumia Abu-Jamal waren die einzigen Zeugen, die unmittelbar am Tatort waren und niemals vor Gericht ausgesagt haben. William Cook wurde einmal während der PCRA-Anhörung als Zeuge angekündigt, erschien aber nicht zum festgesetzten Termin.[1] Zu diesem Zeitpunkt war eine Vorladung für sein Erscheinen vor Gericht in einer anderen Sache anhängig. Die Übereinkunft zwischen seinem Anwalt und der Staatsanwaltschaft war, daß er ohne Gefahr einer Verhaftung aussagen kann und danach gemeinsam mit einem Polizisten und seinem Anwalt zu seiner eigenen Anhörung gehen soll.
Während der Verhandlung im Jahre 1982 war er ebenfalls in Philadelphia. Am Tag vor der ersten Zeugenbefragung waren er und sein Bruder Wayne Zuseher und haben kurz vor dem Ende der Diskussionen die Vorgehensweise des Gerichts lautstark kritisiert. Daraufhin wurden sie wegen Mißachtung des Gerichts zu jeweils 60 Tagen Gefängnis verurteilt.[2]
Er wurde in den Zeitungen für seine Weigerung auszusagen heftig kritisiert. Schließlich übergab er den Anwälten Abu-Jamals seine eidesstattliche Erklärung vom 29.4.2001.[3]
Zunächst erklärte William Cook, Kenneth Freeman wäre im Volkswagen gewesen und hätte eine Waffe Kaliber 38 dabeigehabt. Als er von Daniel Faulkner angehalten wurde kam es zunächst zu einem Wortwechsel, danach habe Faulkner auf ihn eingeschlagen. Er selbst hat den Polizisten aber nicht geschlagen. Später ging er zu seinem Wagen und suchte vom Fahrersitz aus Papiere auf der Rückbank. Er hatte das Gefühl, daß noch andere Personen auf der Straße waren, konnte aber nicht sagen wer und wie viele. Er hat auch Robert Choberts Taxi nicht gesehen. Als er den ersten Schuß hörte, konnte er nicht sehen was geschehen ist, weil sich Daniel Faulkner vor dem Volkswagen befand. Er selbst befand sich auf dem Fahrersitz und blickte nach hinten.
Als er Mumia Abu-Jamal zum ersten Mal sah, rannte dieser gerade über die Straße, hatte aber nichts in seiner Hand. Dann hörte er einen weiteren Schuß und sah wie sein Bruder taumelte. Er sah nicht, wer auf seinen Bruder geschossen hat. Als William Cook auf dem Rücksitz suchte, war Kenneth Freeman noch immer im Wagen. Als er das nächste Mal hinsah, war die Beifahrertür offen und Freeman war nicht mehr zu sehen. Später hat Freeman über einen Plan zur Ermordung Faulkners gesprochen und erklärt, er hätte an der Schießerei teilgenommen.
William Cook wollte zunächst davonlaufen, konnte es aber nicht wegen seines Bruders. Er hat auch zu Mumia Abu-Jamal gesagt „Ich bin für dich da“.
Während der Verhandlung hat er nicht ausgesagt, weil sein Anwalt erklärte, er könnte in diesem Fall ebenfalls wegen Mordes angeklagt werden. Auch Anthony Jackson hat in niemals aufgefordert auszusagen. Deshalb trat er 1982 nicht als Zeuge auf. Während der PCRA-Anhörung wollte Rachel Wolkenstein daß er aussagt, aber Leonard Weinglass lehnte es ab.
Diese eidesstattliche Erklärung wirft mehrere Probleme auf. Zunächst einmal hat William Cook nichts nennenswertes gesehen, obwohl er am Tatort war aber gerade zum richtigen Zeitpunkt nach hinten gesehen hat. Genau das ist das erste Problem. Die Zeugenaussagen belegen nämlich, daß der Wortwechsel zwischen Faulkner und Cook vor der Motorhaube des Polizeiautos, also hinter dem Volkswagen stattfand.[4] Auch der Fundort eines Projektils, verschiedener Fragmente und einer Einschußkerbe im Bereich des Hauseingangs Locust-Straße 1234 liegt zwischen Polizeiauto und Volkswagen. Scheinbar hat der Schütze von der Straße kommend danebengeschossen und die Tür getroffen.[5] Des weiteren deuten die Position von Mumia Abu-Jamal und Daniel Faulkner sowie die Lage der Waffe Daniel Faulkners darauf hin, daß die Tat zwischen Volkswagen und Polizeiauto stattgefunden hat. William Cook erklärt die Lage der Waffe damit, daß er eine Waffe mit dem Fuß zur Seite gestoßen hat.
Er kann auch nicht erklären, wie er an die Hauswand auf der Südseite der Straße gelangt ist. Alle Zeugenaussagen stimmen darin überein, daß William Cook beim Eintreffen der Polizei unmittelbar an der Hauswand stand. Wenn er mit Mumia Abu-Jamal gesprochen hat, sollte er doch natürlicherweise bei seinem verletzten Bruder bleiben. Statt dessen begab er sich scheinbar sofort zur Hauswand. Laut dieser eidesstattlichen Erklärung war Kenneth Freeman im Volkswagen. Als dieser das Auto verlies, blieb die Beifahrertür offen. Beim Eintreffen der Polizisten war die Tür offensichtlich geschlossen. Wer hat die Tür geschlossen und wann ist das geschehen?
Wie hätte Kenneth Freeman Teil eines Mordplans sein sollen? Ein Mordplan erfordert ein abgestimmtes Aufeinandertreffen von Täter und Opfer. Da beide mit Autos unterwegs waren, mußte der Ablauf genau geplant werden. Wäre der Volkswagen 30 Sekunden zu früh oder zu spät am Tatort vorbeigefahren, hätten sie Daniel Faulkner nicht getroffen. Unmittelbar vor der Tat wurde Albert Magilton von Daniel Faulkner angehalten und befragt. Faulkners Erscheinen am späteren Tatort konnte also nicht auf die Sekunde genau vorhergesagt werden, weil ein solcher unvorhersehbarer Aufenthalt auch mehrere Minuten dauern könnte. William Cook müßte irgendwo in der Nähe gewartet haben, um genau zum richtigen Zeitpunkt gegen die Einbahn fahren zu können. Er behauptet in seiner eidesstattlichen Erklärung nur, daß er vom Polizeiauto etwa einen halben Block weit verfolgt wurde und dann am Straßenrand anhielt. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß er gezielt in diesem Augenblick genau auf diese Stelle zusteuerte. Noch weniger gibt es einen Hinweis darauf, daß er dieses Vorgehen zuvor mit dem Täter oder den Tätern abgesprochen hat. Um Daniel Faulkner vor die Mündung von Kenneth Freemans Waffe zu locken, müßte William Cook am Mordplan mitgewirkt haben. Als Beifahrer konnte Kenneth Freeman den Zeitablauf nicht steuern. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, daß sich William Cook an einem Mordplan beteiligt hat. Nicht einmal diese grundsätzlichen Bedingungen für einen Mordplan lassen sich vernünftig erklären.
Noch weniger plausibel ist die Behauptung, Kenneth Freeman hätte gemeinsam mit Arnold Beverly gehandelt. Arnold Beverlys Komplize wartete ebenfalls an der Locust-Straße. Ein weiterer Komplize, der lediglich in einem Auto vorbeifährt und nicht einmal dafür sorgen kann, daß er zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, würde keinen Sinn ergeben. Die genauen Angaben Beverlys lassen aber keinen großen Spielraum für den vorgesehenen Tatort zu.
Weiters kann er nicht erklären, warum er nicht ausgesagt hat. Zum Zeitpunkt des Prozesses war er mehr kein kleines Kind. Er wußte, daß seinem Bruder ein Todesurteil droht und er hat mit Sicherheit gewußt, daß seine Aussage entlastend wäre. Die Behauptung, sein Anwalt hätte gesagt ihm würde ebenfalls eine Mordanklage drohen falls er aussagt, ist so lächerlich, daß man sie nicht einmal diskutieren kann. Während der PCRA-Anhörung vom Jahre 1995 erklärte sein Anwalt Daniel-Paul Alva diese Situation auch essentiell anders.[6] Es gab während dieser Zeit die Überlegung, daß William Cook nicht aussagen solle wenn er sich damit selbst belasten würde. Allerdings hat William Cook später seinen Anwalt darüber informiert, es sei entschieden worden daß er nicht aussagen würde, gab aber nicht an wer dies entschieden hat.
Noch unsinniger ist die Behauptung, Leonard Weinglass wäre gegen seine Aussage im Zeugenstand gewesen. Gerade Weinglass hat während der Anhörung die Staatsanwaltschaft vehement angegriffen, weil sie seiner Meinung nach William Cook mit Arrest bedroht und damit sein Fernbleiben herbeigeführt hat.[7] In den Gerichtsakten wurde nicht erwähnt, wegen welchen Delikts William Cook damals vor Gericht erscheinen sollte und welche Strafe ihm dafür drohte. Offensichtlich wurde er dafür aber nicht mit Steckbrief gesucht. Weinglass beschrieb es später als Vergehen,[8] und in einer Fernsehdokumentation von ABC wurde es als leichter Diebstahl bezeichnet.[9] Damit war sicherlich keine schwere Strafandrohung verbunden war. Sollte ihm seine eigene Bequemlichkeit wirklich wichtiger gewesen sein als das Leben seines Bruders? Und wieso hätte Leonard Weinglass auf einen Entlastungszeugen verzichten sollen? Noch unglaubwürdiger als William Singletary, William Harmon oder Arnold Howard konnte er auch nicht sein.
Die Erklärung William Cooks ist ausreichend vage, um einige andere Erklärungen möglich zu machen. Arnold Howard erklärte, er habe seinen Führerschein an Kenneth Freeman verliehen und dieser sei im Volkswagen gewesen. Trotzdem erklärt dies nicht, wieso Daniel Faulkner diesen Führerschein bei sich hatte. Er hat ihn sicherlich vor der Schießerei, also von William Cook und nicht von Kenneth Freeman, erhalten. Die ungenaue Beschreibung würde aus Mangel an Details sogar die Aussage Arnold Beverlys zulässig erscheinen lassen, in der sich Beverly selbst als Täter bezeichnet hat. Die einzige Übereinstimmung mit einer anderen Aussage ist die Behauptung, er habe etwas auf dem Rücksitz des Autos gesucht, nachdem er von Daniel Faulkner geschlagen wurde. Linn Washington wollte Blutstropfen auf dem Fußboden hinter dem Fahrersitz gesehen haben. Allerdings wurde der Wagen durchsucht und der Polizeibericht hat keine Blutstropfen erwähnt.[10] Eventuell kann man auch noch Michael Newmans Erklärung heranziehen, wonach Robert Choberts Taxi angeblich auf der anderen Straßenseite geparkt war. Diese Behauptung ist aber noch fragwürdiger.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Aussage der Wahrheit entspricht. Noch weniger würde sie einem Kreuzverhör standhalten.
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[1] PCRA-Anhörung vom 11.9.1995, Seite 146f
[2] Verhandlungsmitschrift vom 18.6.1982, Seiten 90-92
[3] Eidesstattliche Erklärung von Willian Cook (keine deutsche Übersetzung verfügbar); Quelle: Free Mumia Coalition, NYC
[4] Verhandlungsmitschrift vom 25.6.1982, Seite 5
Michael Scanlan beschreibt seine Beobachtung:
“I noticed the policeman talking to a gentleman in front of his police car ...”
[5] Frailty of the Ballistics Evidence in the Case Against Mumia Abu-Jamal von Lori Allen, 1.12.2001
Die Autorin versucht die eidesstattliche Erklärung William Cooks zu belegen, in dem sie einen Blutfleck im Bereich zwischen dem Volkswagen und dem davor geparkten Ford heranzieht (also im Bereich von Locust-Straße 1232). Dieser Blutfleck enthält auch Blut mit der Blutgruppe Mumia Abu-Jamals und könnte bei dessen Abtransport entstanden sein. Allerdings räumt auch Lori Allen ein, daß die Projektile in der Nähe des Hauseingangs von Locust-Straße 1234 gefunden wurden.
[6] PCRA-Anhörung vom 12.9.1995, Seite 6ff
[7] PCRA-Anhörung vom 12.9.1995, Seite 10ff
[8] KGO TV Report: A Case Study in Irresponsible Journalism
By C. Clark Kissinger and Leonard Weinglass, 18.6.1998
Weinglas beschreibt das Delikt als „misdemeanor“, also ein Vergehen und kein Verbrechen („felony“).
[9] 20/20 vom Fernsehsender ABC, 9.12.1998
Moderator Sam Donaldson zitiert Leonard Weinglass, der das Vergehen als „minor theft charge“ bezeichnete.
[10] Verhandlungsmitschrift vom 19.6.1982, Seite 3.63f
Der Polizist Roy Land erklärt in diesem Abschnitt, welche Gegenstände aus dem Volkswagen beschlagnahmt wurden. Auf Seite 3.79 erklärte er ausdrücklich, im Volkswagen keine Blutspuren gefunden zu haben.
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