Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
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Daniel Faulkner

Obwohl im Internet unzählige Abhandlungen über Mumia Abu-Jamal zu finden sind, ist sein Opfer kaum bekannt. Fotos von Mumia Abu-Jamal sind weit verbreitet. Trotzdem haben die meisten seiner Unterstützer wahrscheinlich noch nie ein Foto von Daniel Faulkner gesehen. Die öffentliche Diskussion beschäftigt sich ebenfalls fast ausschließlich mit Mumia Abu-Jamal. Der von ihm ermordete Polizist scheint nicht zu existieren. Ich verwende hier bewußt den Ausdruck „der von ihm ermordete Polizist“ und nicht „der angeblich von ihm ermordete Polizist“, da für mich diese eine entscheidende Tatsache zweifelsfrei feststeht.

Daniel Faulkner war zum Zeitpunkt seiner Ermordung knapp 26 Jahre alt. Er arbeitete seit dem 31.5.1976, also seit fünfeinhalb Jahren, für die Polizei von Philadelphia. Seine Personalakte enthielt zu diesem Zeitpunkt 7 Belobigungsschreiben, aber keinen einzigen disziplinären Eintrag.[1] Seine Arbeit bei der Polizei war einwandfrei. Sogar Veronica Jones, eine Zeugin der Verteidigung, berichtete davon, daß er ihr geholfen hat. Einmal hat er sie davor bewahrt beraubt zu werden, und ein anderes Mal hat er sie davor bewahrt verprügelt zu werden.[2]

Daniel Faulkner

Daniel Faulkner (21.12.1955-9.12.1981)

Staatsanwalt McGill fragte in seinem Schlußplädoyer: „Ist es nicht ironisch, daß Daniel Faulkner ... von einer Kugel getötet wurde die er nicht in seine eigene Waffe geben durfte, da ihre Durchschlagskraft zu groß war?“[3] Es ist wenig wahrscheinlich, daß sich Mumia Abu-Jamal von einer Patrone der Type Plus P hätte aufhalten lassen. Wahrscheinlich wäre es nur zu einem Durchschuß gekommen. Ich halte es aber für ironisch, daß Daniel Faulkner sterben mußte, weil er nicht versucht hat seinen Angreifer zu töten. Als er einen Schuß abgegeben hat, hätte er mit Leichtigkeit auch zweimal schießen können. Seine Waffe war so konstruiert, daß sie doppeltes Abfeuern leicht gemacht hätte.[4] Er hat nur einmal geschossen und danach wahrscheinlich Deckung gesucht. Dieser eine Schuß konnte Mumia Abu-Jamal jedoch nicht aufhalten. Hätte Daniel Faulkner zweimal geschossen, könnte er noch am Leben sein. Hätte er seine Waffe auf Mumia Abu-Jamal entleert, wäre er mit großer Wahrscheinlichkeit noch am Leben.

Das ist die wirkliche Ironie an diesem Fall. Daniel Faulkner starb, weil er nicht töten wollte.

Zur Zeit (Dezember 2006) ist es noch fraglich, ob Mumia Abu-Jamal ein neues Verfahren zur Ermittlung des Strafmaßes erhält.[5] Die Staatsanwaltschaft hat dagegen Berufung eingelegt. Gleichzeitig hat die Verteidigung gegen die Anerkennung des Schuldspruchs berufen und möchte ein neues Verfahren zur Ermittlung der Schuldfrage abhalten. Als überzeugter Gegner der Todesstrafe und aufgrund meiner Einschätzung der Beweise wünsche ich ihm, daß sein Strafmaß erneut bestimmt wird und er erfolgreich mildernde Umstände geltend machen kann. Das Urteil wäre dann lebenslange Haft. Das ist aber auch schon das Einzige was ich ihm wünsche. Er sitzt seit mittlerweile 25 Jahren im Gefängnis, fast die gesamte Zeit davon in der Todeszelle. Trotzdem hat er nicht ein einziges Mal Reue gezeigt.[6] Reue ist eine der Voraussetzungen für eine Begnadigung und eine vorzeitige Entlassung. Reue würde das Eingeständnis der Schuld bedingen, und diese hat er stets abgestritten. Laut Leonard Weinglass wird Mumia Abu-Jamal auch kein Gnadengesuch an den Gouverneur von Pennsylvania stellen, da ein solches Gesuch ein Eingeständnis der Schuld verlangen würde und er dies niemals tun wird.[7]
Daniel Faulkner brachte es in gut fünf Jahren auf 7 Belobigungsschreiben. Mumia Abu-Jamal hat in einem beinahe fünfmal so langen Zeitraum nichts getan oder gesagt, was auch nur zu einer einzigen Belobigung ausreichen würde. Offensichtlich gefällt ihm die Rolle des Märtyrers besser als die Rolle des reumütigen Polizistenmörders. Deshalb verdient er es, bis ans Ende seiner Tage hinter Gittern zu bleiben. Ihn vorzeitig zu entlassen wäre ein echter Justizirrtum.

Der Titel dieses Essays besteht aus den drei Fragen Free Mumia? Fry Mumia? Oder gebt ihm ein neues Verfahren? Am Ende möchte ich alle drei Fragen mit Nein beantworten. Er soll dort bleiben wo er ist, wenngleich ich damit ausdrücklich nicht die Todeszelle, sondern nur das Gefängnis meine.


[1] Verhandlungsmitschrift vom 3.7.1982, Seiten 5-9
[2] Verhandlungsmitschrift vom 29.6.1982, Seiten 166-167
Staatsanwalt McGill (Q) befragt Veronica Jones (A):
Q. Did you know Officer Faulkner at all?
A. Yes. I knew him.
Q. Did you tell the police that you knew Faulkner, "He saved me from being robbed once"?
A. Yes. And beaten up.
Q. Is that right?
A. True. Very true.
Q. Officer Daniel Faulkner, the one that died, saved you from being robbed one time?
A. Yes, he did. And beaten up.
Q. Was that the same incident or two separate incidents?
A. Two separate incidents.
[3] Verhandlungsmitschrift vom 1.7.1982, Seite 149
Staatsanwalt McGill in seinem Schlußplädoyer während der Schuldbestimmungsphase:
“Isn't it ironic that Daniel Faulkner after stopping someone in the normal course of his duties was killed by a bullet that he could not put in his own gun, because it was too highly powered?”
[4] Verhandlungsmitschrift vom 23.6.1982, ab Seite 93
Der Waffenexperte Anthony L. Paul erklärt den Unterschied zwischen einem einfachen Schuß (single-action) und zwei aufeinanderfolgenden Schüssen (double-action).
[5] Die in den Ergänzungen erwähnte Entscheidung des Bundesberufungsgerichts hat die Chancen verbessert, daß er ein neues Verfahren bekommt, da zwei weitere Punkte als berufungsfähig anerkannt wurden.
[6] Die angebliche Aussage gegenüber Steven Bloch lasse ich in diesen Zusammenhang aus, da Mumia Abu-Jamal diese Aussage bestreitet.
[7] In anderen Fällen, in denen sich ein Verurteilter geweigert hat ein Gnadengesuch zu stellen, haben zumeist die Anwälte von sich aus ein solches Gesuch eingereicht. Wegen der fehlenden Voraussetzungen für eine Begnadigung waren solche Gnadengesuche jedoch generell erfolglos.


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