2. Tag: Donnerstag, 28. Juli 1999

Trotz der Müdigkeit des Vortags wachen wir von alleine gegen 6 Uhr auf. Der Blick aus dem Fenster: blauer Himmel, keine Wolke weit und breit und das trotz der eher schlechten Wetter-Vorhersage. Beim Aufstehen jagt mir jedoch der Blick ins Tal einen Schreck ein: Dicke Wolken steigen auf und ich dränge auf ein sofortiges Aufbrechen: „ Ui, ich glaub´ wir sollten los, das sieht gar nicht gut aus da unten! Das fängt sicher bald an zu regnen. Wir sollten sofort los, damit wir wenigstens ein paar Stunden ohne Regen fahren können.“ Doch Peter macht mich darauf aufmerksam, daß die von mir erblickten Regenwolken lediglich der Frühnebel direkt über dem See ist und meine Panikmache völlig unbegründet sei. Er legt daraufhin eine erstklassige Parodie auf meinen Aufsteh-Appell hin, die von nun an zum Aufbruch-Motto der Tour geworden ist: „Ui ui ui, ich glaub wir müssen los! Das sieht gar nicht gut aus!“ Nach sparsamer Morgenwäsche (von kaltem Wasser haben wir von gestern noch genug!) und Frühstück werden die Sachen zusammengepackt (die Klamotten aus dem Trockenraum sind wie erwartet noch ziemlich klamm, was besonders bei den Schuhen so richtig Spaß macht!) Anschließend werden die Bikes gepflegt, die wir gestern schmählich im Stich gelassen haben: Zumindest alle beweglichen Teile säubern und ölen. Um 8:35 geht’s los: Erstmal werden ein paar Wanderer so richtig geweckt, als wir in voller Montur die Holztreppen auf die Gruppe zu runterfahren und kurz vor der Gruppe abbiegen. Nach 50 m erster außerplanmäßiger Halt: Vor lauter Tran habe ich vergessen, meinen Camelbak zu schließen, so daß er den Rucksackinhalt durchtränkt und unten aus dem Rucksack tröpfelt. Hoffentlich sind wenigstens die Hüttenklamotten in den Plastiktüten noch trocken geblieben! Der Downhill ins Tal ist weitgehend fahrbar, nur einige kurze Schiebestücke wegen Nässe. Nach dem Durchqueren einiger Almwiesen haben sich unsere Schuhe wieder mit Wasser vollgesaugt. Wir landen in Dalaas auf einer Teerstraße und folgen dieser nach St. Anton. Wir verzichten auf die Extratour über den Kristbergsattel und fahren außenrum. Auf  Teer schlucken wir Kilometer um Kilometer. Mit leichten Steigungen kommen wir bis St. Gallenkirch, wo uns ein gutes Restaurant (Holzworm) empfohlen wird. Der Holzworm macht aber erst um 15 Uhr auf. Wir entschließen uns, Müsliriegel und Powerbars einzuwerfen und bis Gargellen (9 km, viele Hm!) zu fahren und dort Mittagspause zu machen. Erst ziemlich steil, dann etwas flacher und die ganze Zeit auf Teer geht es 1,5 Std. bis nach Gargellen. Wir gönnen uns ein leckeres Mittagessen (Bandnudeln mit Gorgonzolasoße und Salat und Marillenstrudel) und insgsamt über 1 Std. Pause. Wasservorräte werden aufgefüllt und los geht’s. Das Losfahren ist ziemlich qualvoll, da nicht nur die Camelbaks sondern auch die Bäuche ziemlich voll sind. Nach einem weiteren Stück über Teer geht es über Schotter weiter in ein traumhaftes Tal. Dabei sind ein paar Schneefelder zu überqueren, aber diese Schiebepassagen gehen schnell vorüber. Nach dem Überqueren eines Baches beginnt die Schiebe-/Tragepassage. Teilweise enge Kehren auf den schmalen Serpentinen bergauf fordern unsere ganze Kraft. Das Tragen über Felsbrocken und Gestrüpp verbunden mit immer dünner werdender Luft laugt uns mehr und mehr aus. Durch die schwindende Kraft und Konzentration gibt es immer häufiger schmerzhaften Kontakt zwischen Schienbein und Pedalen. Trotz der Anstrengung und dem hohen Puls wird es merklich kälter. Ein paar Wolken über der Gipfelkette verdecken mehr und mehr die Sonne und lassen den Wind noch kälter erscheinen. Endlich oben angekommen ist sofort Umziehen angesagt: Armlinge und Beinlinge sind Pflicht, da es ziemlich kalt über das Schlappiner Joch (2202 m) pfeift. Der Downhill ist größenteils fahrbar und trotz ein paar Bagatellstürze in engen Kehren bei Tempo 0 km/h (Peter) landen wir heil und trocken in Schlappin, von wo es auf Schotter und Teer bis nach Klosters geht. Hier erwartet uns um kurz vor Sieben schon das Ferienheim Schweizer. Total super: Wir können unsere Räder abspritzen und unsere Sachen werden gewaschen und getrocknet! Wie wir erfahren hat es hier in Klosters am Nachmittag ordentlich geschüttet. Wir waren zu dieser Zeit glücklicherweise noch auf der anderen Seite des Schlappiner Jochs, so daß wir einen ganzen Tag mit Sonne hinter uns haben, der für die Dauerdusche gestern entschädigt. Abendessen vom Feinsten: Zucchini-Cremesuppe, Nudeln mit Putenschnitzel, Salat und Eis als Nachtisch. Der Wirt ist auch Biker (ca. 30 Jahre alt) und zeigt uns zum Nachtisch noch ein Video der Schwiss-Open, die er in diesem Jahr auch mitgefahren ist. Es geht um ca. 5000 Hm an einem Tag. Er wurde 80. von über 2000 Startern. Ziemliches Tier. Mit Fachsimpeleien neben dem Videoschauen klingt der Abend schön aus. Gegen 22 Uhr geht’s ins Bett (2 Doppelzimmer mit genügend Platz!) Von den „Agenten“ haben wir seit dem Downhill von der Freiburger Hütte nichts mehr gesehen, was uns nicht weiter traurig stimmt!
Fazit: 62 km, ca. 1700 Hm bergauf, Schnitt: 10,8 km/h

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