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Schon in den letzten Ausgaben der Initial haben wir über
die Repression gegen politische AktivistInnen im Baskenland berichtet. Wir
veröffentlichen einen weiteren Artikel auf Grund erneuter Verbote von
baskischen Organisationen, die für ein unabhängiges und freiesBaskenland
kämpfen. Die Situation in diesem kleinen, in zwei Teile geteiltenund
von zwei Staaten verwalteten und unterdrückten Land, das nördlich
und südlich der Pyrenäen mitten in Europa liegt, spitzt sich weiter
zu. Der spanische Staat schlägt mit aller Härte zu. Für ein
unabhängiges Baskenland, für seine Identität, Kultur und Sprache,
für eine andere Gesellschaft zu kämpfen bedeutet für die Aktiven
immer wieder, willkürliche Festnahmen und Incommunicado-Haft, Schläge
und Folter, wie von etablierten Menschenrechtsorganisationen wie AmnestyInternational
(Jahresbericht, Spanien 2001) bestätigt wird
Repression
im Baskenland hält unvermindert an
Von Rosaría Méndez
Seit dem 11. September 2001 hat der „Kampf gegen den Terror“auch
in Europa die „Priorität der Prioritäten“, wiees der
spanische Ministerpräsident José María Aznar vonder Volkspartei
der so genannten konservativen Partido Popular auf dem EU-Gipfelin Brüssel-Laeken
im Dezember 2001 formulierte. Er hat dafür gesorgt,dass die Gefangenenhilfsorganissation
Gestoras pro Amnistia und die AngehörigenorganisationSenideak auf die
Liste der „terroristischen Organisationen“ gesetztwurden. Beide
Organisationen wurden zuvor am 31. Oktober 2001 verboten. Hierbeimuss man
sehen, dass die europäische Definition von Terrorismus so schwammigist,
dass damit jeglicher unliebsame Protest als terroristisch definiertwerden
kann, eine Entwicklung, die in Spanien schon seit Jahren zu beobachtenist.
Zusätzlich hat Spanien zurzeit die Präsidentschaft der EUinne und
erhofft sich nun die Unterstützung der anderen Staaten beider verstärkten
Bekämpfung des so genannten Terrorismus. Spanienszentrales Anliegen
ist es, die Instrumente der Repression gegen GegnerInnenin ganz Europa auszuweiten,
wobei es sich um die Unterstützung der andereneuropäischen Staaten
sicher nicht sorgen muss, denn in den meisten europäischenLändern
wurden die Gesetze, die angeblich der Bekämpfung des Terrorismusdienen
sollen, verschärft, oder eine Verschärfung befindet sichin der
Diskussion.
Der europaweite Haftbefehl ist auf EU-Ebene durchgesetzt, und es wurde sich,
wie oben bereits erwähnt, auf eine Terrorismusdefinition geeinigt. Während
die Bundesrepublik den Windschatten des 11. September 2001 nutzte, um unter
anderem eine große Anzahl von Gesetzesverschärfungen rund um den
Paragrafen 129 (Einführung des Paragrafen 129b) vorzunehmen, ist die
Regierung Spaniens schon seit mehreren Jahren fleißig dabei, Sondergesetze,
so genannte Anti-Terror-Gesetze, zu schaffen, die anscheinend dehnbar wie
Gummi sind und nun mit voller Härte umgesetzt werden. In den letzten
drei Jahren hat die Regierung Spaniens sich weit reichende Instrumente geschaffen,
die es ermöglichen, jeglichen Widerstand oder unliebsame Presse zu kriminalisieren,
und seit Herbst 2001 sorgen diese Gesetzesverschärfungen für eine
Repression unglaublichen Ausmaßes im Baskenland.
Die Strafrechtsreform von 1998 beinhaltete zunächst Maßnahmengegen
unangemeldete Demonstrationen oder Gegendemonstrationen und stelltdie Teilnahme
an solchen unter Strafe. Das Rufen von Parolen, politischeMeinungsäußerung
oder Kritik am brutalen Vorgehen der Polizeiauf Demonstrationen können
als „Bedrohung“ ausgelegt werden,wobei dieser Terminus nicht
klar definiert ist, trotz alledem aber Haftstrafenvon zwei bis vier Jahren
nach sich ziehen kann. Wie auch hier zu Lande wurdenbeschleunigte Gerichtsverfahren
eingeführt, die vor allem die Verhängungvon exemplarischen und
abschreckenden Strafen zum Ziel haben. Die darauffolgende Strafrechtsreform
im Jahre 2001 konkretisierte einige Definitionender Reform von 1998, und
vor allem wurde das Strafmaß für verschiedeneDelikte drastisch
erhöht. Der Begriff des „städtischen Terrorismus“wurde
eingeführt, das heißt, dass Delikte wie Sachbeschädigungoder
auch Landfriedensbruch nun mit zehn bis 20 Jahre bestraft werden können.
Das der spanische Staat dieses Gesetz auch zur Anwendung bringt, zeigt das
Beispiel eines Jugendlichen aus Larrabetzu, der einen Geldautomaten angezündet
haben soll und zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Nach dieser „Reform“
kann jeder Zusammenstoß auf einer Demonstration als „terroristischer
Akt“ gewertet und bestraft werden, da sämtliche neu geschaffenen
Bestimmungen sehr weit ausgelegt werden können. Des Weiteren kann das
Recht auf Bekleidung öffentlicher Ämter für zehn bis 20 Jahre
abgesprochen werden, was kritische Einstellungen in öffentlichen Institutionen
unterbinden soll. Auch das Gedenken an gefallene oder ermordete GenossInnen
steht nun unter Strafe.
Die jüngste Verschärfung betrifft die Strafmündigkeit vonJugendlichen,
die von 16 auf 14 Jahre herabgesetzt wurde. Jugendliche, denenvorgeworfen
wird, ein politisches Delikt begangen zu haben, werden nach denAnti-Terror-Gesetzen
behandelt, und auch sie werden, wie alle anderen Festgenommenen,der fünftägigen
Incommunicado-Haft ausgesetzt. Was dort passiert,wird an dem Fall eines Jugendlichen
deutlich, der nach zwei Tagen Incommunicado-Haftins Gefängniskrankenhaus
eingeliefert werden musste. Oder aber im dokumentiertenFall der Verhaftung
von Iratxe Sorzabal, die nach Madrid verbracht wurdeund dort so geschunden
und schwer verletzt ankam, dass sogar ein MadriderGefängnisarzt Anzeige
erstattete. Die festgenommenen Jugendlichen müssensich des Weiteren
nicht vor einem Jugendgericht im Baskenland verantworten,sondern vor einem
Sondergerichtshof in Madrid, der Audencia Nacional. DieHöchststrafe
wurde von fünf auf zehn Jahre Gefängnis, nichtin einer Jugendstrafeinrichtung,
verdoppelt, und zusätzlich könnenbis zu fünf Jahre „kontrollierte
Freiheit“ angeordnet werden.Geldstrafen, die von den Jugendlichen nicht
bezahlt werden können, werdenden Familien aufgebürdet.
Zurzeit ist das Baskenland von 23 000 Polizisten besetzt. Hinzu kommen Angestellte
von privaten Sicherheitsfirmen, die zum Beispiel an Universitäten eingesetzt
werden. Das Land, mit einer Einwohnerzahl von 2 882 766 hat mehr als 600politische
Gefangene und weltweit 2000 Flüchtlinge und Deportierte,die in anderen
Ländern zum Teil unter faktischem Hausarrest stehen,zu beklagen. Gegenwärtig
kann man das Baskenland getrost als Experimentierfeldnicht nur spanischer
oder französischer Repressionsmaßnahmen,sondern einer gesamteuropäischen
Repression bezeichnen. Spanien hatsozusagen eine Vorreiterrolle inne, und
es bleibt abzuwarten, inwieweit diedort erprobten Maßnahmen auch in
anderen Ländern Europas zur Anwendungkommen, also auch hier in der Bundesrepublik,
die ebenfalls emsig dabei ist,sich ähnliche „gesetzliche Grundlagen“
zu schaffen. ZurPolitik der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
gehört auch,in üblicher Manier, Repressionsmaßnahmen jeweils
anderer Länderntotzuschweigen, wenn diese ab und an doch ein wenig undemokratisch
oder zudrastisch erscheinen, wie zum Beispiel die Verletzung des demokratischen
Grundrechts der Pressefreiheit: Das Verbot der baskischen Zeitungen „Egin“
sowie der gleichnamigen Radiostation oder des Magazins „Ardibeltza“
sowie die wiederholte Inhaftierungen des Chefredakteurs Pepe Rei waren der
bundesdeutschen Politik oder Presse kaum eine Randnotiz wert. Ebenso dieTatsache,
dass Internet-Seiten baskischer Organisationen oder Publikationenge- oder
zerstört werden.
Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass in den so genannten unabhängigen
Tageszeitungen oder anderen Medien nichts über das Verbot der baskischen
Jugendorganisation Segi zu lesen oder zu hören war, die auf Grund der
gleichen Vorwürfe – wie etliche Organisationen zuvor, also jener,
eine terroristische Organisation zu sein – am 5. Februar 2002 verboten
wurde und weswegen einige Jugendliche seitdem mit Haftbefehl gesucht werden.
Dieses Verbot zog wie auch alle anderen zuvor unzählige, willkürliche
Verhaftungen nach sich. Eine bedeutende Rolle bei all diesen Verboten, Festnahmen,
Durchsuchungen etc. spielt der durch den Pinochet-Fall bekannt gewordeneRichter
Baltasar Garzón, der ja ach so gelobt wurde für seinEngagement,
den Opfern der Pinochet-Diktatur Gerechtigkeit zu bringen. Warumletztendlich
nichts dabei herauskam, ist wohl eine andere Frage. Nun hater mit die bedeutendste
Rolle inne, die politische Lösung des Konfliktszwischen dem Baskenland
und dem spanischen beziehungsweise dem französischenStaat durch die
Kriminalisierung der baskischen Bevölkerung zu verhindern,weil eben
diese nicht bereit sind, ihre Identität Madrid oder Parisunterzuordnen.
Frankreich verneint überhaupt die Existenz eines solchenKonfliktes,
liefert aber fleißig und gehorsam politische Gefangenean Spanien aus
und lässt Spanien auch sonst jede Hilfe angedeihen, diees wünscht.
Aber anscheinend ist es auch das nicht wert, darüberzu berichten.
Segi: Die baskische Jugend kämpft
Die Geschichte des Baskenlandes ist die Geschichte eines Landes, das immer
gekämpft hat, um seine Identität und Souveränität zuverteidigen.
Seine geographische Lage war schon immer begehrt: Sie bedeutetseit jeher
den Zugang nach Afrika oder zur Iberischen Halbinsel. Daher hatdas Land immer
friedlich mit den Kulturen zusammengelebt, die es respektierthaben, sich
jedoch gegen diejenigen gewehrt, die es einnehmen wollten. (.. .) Das Baskenland
verteidigt noch immer die Grundrechte, die zu jedem Landgehören, und
in diesem Kampf bleibt keine andere Wahl, als sich mitden Interessen der
Staaten Frankreich und Spanien auseinander zu setzen.Es ist ein Land, das
bereit ist, mit seinen Nachbarländern in Gleichheitund Respekt zusammenzuleben.
Jedoch besteht heutzutage die Gefahr, dass seineSprache verschwindet, seine
Kultur wird verachtet und zur Folklore degradiert,es gibt kaum eine anerkannte
Institution, und die Geschichte des Baskenlandeswird in den Schulen nicht
erwähnt. Das führt dazu, dass die gemeinsameErinnerung verschwindet.
Dieser Mangel an Demokratie und die Verletzung dermenschlichen Würde
haben die baskische Gesellschaft dahin geführt,die notwendigen Werkzeuge
zu schaffen und sich zu organisieren, um dem französischenund spanischen
Staat im politischen Konflikt gegenüberz treten: Iskatolas,allgemeine
baskische Schulen wurden gegründet, um Kindern und Erwachsenendas Euskara
zu lehren (was während der Diktatur unter Franco verbotenwar), alternative
Kommunikationsprojekte wurden unterstützt, verschiedeneOrganisationen
wurden geschaffen, um die Rechte der ArbeiterInnen, der politischenGefangenen,
der Frauen, der Homosexuellen . . . zu verteidigen. Es gab undgibt verschiedene
ökologische Bewegungen, wie zum Beispiel die Bewegunggegen die Kernkraftwerke
oder die Solidari@s con Itoiz, (ein allen technischenNormen widersprechenden
und deswegen illegales Staudammprojekt der spanischenRegierung; Anm. d. Ü.).
(. . .) Eine dieser Strukturen ist die Jugendbewegung.Die baskische Jugend
ist direkt von territorialer Teilung und Herrschaftbetroffen. Unsere Identität
ist in Gefahr, da unsere Sprache heutzutagenur noch von wenigen Jugendlichen
gesprochen wird. Die Bildung und ihre Inhaltewerden von den Regierungen Spaniens
und Frankreichs vorgeschrieben. Der Einflussder Globalisierung und des Neoliberalismus
verurteilt die jungen Menschenin einer Gesellschaft zu leben, die auf Individualismus
und Ungleichheitaufbaut. Die Jugendlichen sind gezwungen, die spanische oder
französischeStaatsbürgerschaft anzunehmen, niemand kann legal Baske
und nur Baskesein. Aber die baskische Jugend hat auch gelernt, sich selbst
zu organisierenum all diesen Problemen entgegenzutreten: verschiedene antimilitaristische,
ökologische, soziale, kulturelle und politische Organisationen sindgeschaffen
worden. Unter ihnen ist auch Segi. Segi will verschiedene Jugendorganisationen
Europas und der Welt einander näher und dazu bringen, nicht nur diverse,
spezifischen Verhältnisse und Probleme, sondern ihre Vorstellungen,Erfahrungen,
ihre Vorgehensweise in ihren Kämpfen auszutauschen. Diesist der Weg,
solidarische Beziehungen zu schaffen, um Probleme gemeinsamangehen zu können.
Unter anderem versteht sich Segi als internationalistischeOrganisation und
betrachtet den Kampf für die Rechte eines Landes alsBeitrag zum Kampf
für die demokratischen Rechte aller Länder. Diesund der Aufbau
der Unabhängigkeit und des Sozialismus im Baskenlandist Segis Beitrag
zum Befreiungsprozess aller Länder dieser Welt undzum Wunsch, eine bessere
Welt mit Gerechtigkeit und Gleichheit für alleMenschen zu schaffen.
Segi: Eine baskische Jugendorganisation für die Unabhängigkeit
Die Ziele
Segi will der baskischen Jugend eine Alternative anbieten, die dazu dient,
die Situation zu verändern und für eine Alternative zu kämpfen.
Die Hauptziele von Segi sind, eine Lösung für die schwierigen Lebensbedingungen
der Jugendlichen zu finden, eine Lösung, die ihre Rechte verteidigtund
den Aufbau eines Gesellschaftsmodells ermöglicht, das auf Sozialismus
und Unabhängigkeit basiert und uns umfassende Souveränität
garantiert. Der Ansatz unserer Arbeit rührt von der Überzeugung
her, dass die baskische Jugend Verfechter und Darsteller des Befreiungsprozesses
ist. Deshalb und unter Betonung des strategischen Aspekts der baskischenJugendbewegung
innerhalb der baskischen Bewegung ist es unser Wille, eineJugendbewegung
aufzubauen, welche die Fähigkeit besitzt, ihre Problemeselbst zu beantworten.
Segi ist ein Zusammenschluss für diejenigen,die als freie, jungen Menschen
in einem freien Land leben wollen und sichfür die Verteidigung des Aufbaus
unseres Landes und der Rechte der Jugendengagieren. (. . .)
Das Selbstverständnis
Eine Organisierung der baskischen Jugend:
Die baskische Jugend ist für sich eine soziale Gruppe der Gesellschaft,
ein Teil der Gesellschaft mit seinen eigenen, spezifischen Problemen. Segis
Aufgabe ist es, diese Probleme umfassend zu beantworten. Daher ist Segi nicht
nur eine „junge“ Organisation auf Grund des Alters seiner Mitglieder,
sondern auch, weil sie den Willen und die Zukunft der baskischen Jugend verteidigt.
Eine Organisation für das gesamte Baskenland: Städte und Dörfer,
Industrie und Landwirtschaft, Berge und Küsten. Segi beteiligt sichüberall,
um als eine einzige Jugendbewegung die aufgezwungenen Grenzenzu überwinden.
Eine Organisation für die Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeit ist die einzige Alternative, die wir haben, um zu
überleben. Um in einem freien Land mit eigener Identität zu leben,
ist es lebenswichtig, die Instrumente zur Entwicklung dieses Landes zu kontrollieren.
(. . .)
Eine revolutionäre Organisation
Der Aufbau einer neuen Gesellschaft ist die tägliche Arbeit von Segi,
die Verteidigung der Rechte der Frauen, die Umverteilung des Reichtums, die
sexuelle Freiheit, der Kampf gegen jene, die Vorteile aus unserer Arbeitskraft
ziehen . . . Unser Ziel ist ein wirtschaftliches Modell, dass die Gleichheit,
die Solidarität, das Gleichgewicht mit Natur gewährleistet undeine
soziale Struktur, die auf der Teilnahme aller Bürger basiert. Segidefiniert
sich selbst als eine feministische Organisation und kämpftgegen die
doppelte Unterdrückung, die junge Frauen erleiden. Weiterhinist Segi
eine internationalistische Bewegung, weil wir der Meinung sind,dass wir nicht
völlig frei sein können, bis die Gesamtheit derBeziehungen zwischen
den Ländern weltweit auf Freiheit und Solidaritätbasieren. Somit
ist unser Kampf für die Unabhängigkeit und denSozialismus unser
Beitrag zum Befreiungsprozess der unterdrückten Länderder Welt.
(. . .)
Eine „euskaldune“ (baskischsprachige) Organisation
das Euskara oder die baskische Sprache ist die Fahne unserer Identität,
das Herz unseres Landes. Das Euskara ist ein wertvolles Werkzeug, was wir
besitzen, um einander zu verstehen. Aber baskisch sein ist mehr als die Tatsache,
eine spezifische Sprache zu sprechen: Wir beziehen uns auf unser Wesen, unsere
Identität, unsere Traditionen, unsere Bräuche und Kultur. Das ist
der Grund, warum Segi eine „euskaldune“ Organisation ist.
Eine pluralistische Organisation: Jugendliche mit unterschiedlichen Interessen,
Motivationen und Vorstellung finden ihren Platz bei Segi. Segis Türen
sind weit offen für alle jungen Leute im Baskenland, die organisiert
für unsere Freiheit und die Rechte der Jugend kämpfen wollen. Mehr
als eine Organisation, eine Bewegung: Segi ist eine Gruppierung von allen
jungen Leuten, die eins teilen: den Sozialismus und die Unabhängigkeit
als Ziel. (. . .)
Anm: "euskalduna" bedeutet in etwa baskischsprachig. Die baskische Bevölkerung
kam jedoch schon vor sehr langer Zeit dazu, die ethnische Zugehörigkeit
auf die Kenntnis der baskischen Sprache und Kultur zu beziehen, im Gegensatz
zu den meisten anderen Kulturen, die die Zugehörigkeit am so genannten
Blutgesetz festmachten.
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Festung Australien zeigt Europa,
wo es langgeht
Vom Emily Davis
Das als Einwanderungsland bekannte Australien sorgte im letzten Sommer für
Schlagzeilen, als Hunderten von schiffbrüchigen Flüchtlingen die
Einreise verweigert wurde. Im Januar dieses Jahres wurden die Medien wieder
aufmerksam, als Asylbewerber militante Proteste veranstalteten. Dabei dient
Australien als Vorzeigebeispiel für die Regierungen Europas, wenn es
um die Einwanderungspolitik geht.
Als ein norwegischer Kapitän 283 Flüchtlinge aus dem Meer vor Australien
rettete, löste er unwissentlich eine Wende in der australischen Asylpolitik
aus. Der konservative Premierminister John Howard ergriff die Gelegenheit,
kurz vor dem Wahlkampf den „harten Mann“ zu mimen. Die hauptsächlich
aus Afghanistan und dem Irak stammenden Flüchtlinge hatten den komplizierten
bürokratischen Prozess nicht durchlaufen, um ihre Einreise nach Australien
zu ermöglichen. Also verwehrte die Regierung ihnen als illegale Einwanderer
die Landung und ließ sie erst mal auf dem Frachtschiff schmoren. Ein
Versuch, die Flüchtlinge auf der australischen Christmas Island landen
zu lassen, wurde von der Eliteeinheit SAS blockiert.
Schließlich wurde die so genannte pazifische Lösung gefunden.Die
weltkleinste Republik, Nauru, erklärte sich bereit, die Asylbewerber
aufzunehmen. Das 21 Quadratkilometer große Land war bisher höchstens
für Phosphatminenbesitzer und Geldwäscher von Interesse, hatteaber
einen ganz besonderen Beweggrund: etwa 30 Millionen Euro Schulden. Sowurden
die Flüchtlinge von der norwegischen „Tampa“ in einfür
eine Ringkampfweltmeisterschaften gebautes Gästedorf gebracht.Einige
weitere Hundert, die die Marine vor der Küste Australiens aufgegriffen
hatte, weigerten sich erst mal, auf Nauru auszusteigen und wurden in dennächsten
14 Tagen teilweise durch Soldaten mit Gewalt vom Schiff gezwungen.
Seit August 2001 wurde kein einziger Migrant in Australien aufgenommen, der
ohne Visum per Schiff ankam. Inzwischen hat die „pazifische Lösung“
Konturen angenommen. Die Pazifikrepubliken Palau und Papua-Neuguinea erklärten
sich zusätzlich bereit, Asylbewerber aufzunehmen. Australien baut und
verwaltet in allen drei Ländern Asyllager für Flüchtlinge,
die von der Marine daran gehindert werden, in australische Gewässereinzufahren.
Dort werden ihre Asylanträge bearbeitet, bevor sie eventuellzeitlich
begrenzte australische Visa erhalten. Noch bleibt unklar, was mitdenjenigen
Flüchtlingen passiert, die abgelehnt werden. GeschätzteKosten der
vorgelagerten Off-shore-Bearbeitung: 148 Millionen australischeDollar im
Jahr (75 Millionen Euro). Außerdem führte Australieneine „sicheres
Drittland-Regelung“ für Asylbewerber ein.
Das Thema Flüchtlinge dominierte den darauffolgenden Wahlkampf im traditionellen
Einwanderungsland. Die regierenden Konservativen ließen ihre Wähler
wissen, „Wir werden entscheiden, wer in dieses Land kommt und unter
welchen Umständen.“ Im September, direkt nach der „,Tampa‘-Affäre“,
genossen sie 60 Prozent Unterstützung in der Bevölkerung; die höchste
Zahl seit 1976. John Howard warnte nach den Anschlägen in den USA, Flüchtlinge
könnten afghanische Terroristen sein. Die Regierung behauptete auch,
Flüchtlinge hätten ihre Kinder ins Meer geworfen, um ihre Einreise
zu erzwingen. Dieser Bericht erwies sich inzwischen als falsch. Die Regierung
scheute also nicht mal vor Lügen und verdrehten Tatsachen, solange sie
ins rassistische Grundtenor passten. Bei der Wahl am 10. November wurde
die Regierung mit großer Mehrheit wieder gewählt; Analysten schätzen
die „pazifische Lösung“ als entscheidenden Faktor ein. Die
Konservativen übernahmen viele der circa eine Million Wähler, die
1998 für die rechtsradikale One Nation Partei stimmten. Dabei hattedie
sozialdemokratische Labor-Partei die Auslagerung der Asylbewerber vorbehaltlos
unterstützt.
Im Dezember letzten Jahres flammten Proteste in den inländischen Flüchtlingslagern
buchstäblich auf. Inhaftierte MigrantInnen legten Feuer im Lager Woomera
auf einem ehemaligen Raketenstützpunkt im Hinterland. Ein ehemaliger
Insasse erzählte dem australischen Fernsehsender ABC: „Sie wollen
den Rauch, um von außen gesehen zu werden.“ In vier der sechs
australischen Lager traten im Januar Flüchtlinge in den Hungerstreik.
Einige schluckten Reinigungsmittel oder ließen sich die Lippen zunähen.
Elf Jugendliche drohten mit Selbstmord, falls sie nicht freigelassen würden.
Sie wurden vorübergehend aus dem Lager entlassen. Hunderte von Demonstranten
sammelten sich vor den Lagern und bekundeten ihre Solidarität. In Sydney
begannen sie einen Hungerstreik, in Melbourne durchbrachen sie den Zaun des
Lagers Maribyrnong.
Australien ist das einzige entwickelte Land, das alle Asylbewerber in Lager
einsperrt. Dort warten um 3000 Menschen zum Teil jahrelang auf ein Visumoder
bleiben eingesperrt, weil ihre Anträge abgelehnt wurden, aber siewegen
fehlender diplomatischer Beziehungen nicht abgeschoben werden können.
Die unmenschlichen Zustände in den Lagern sollen wohl zur Abschreckung
„illegaler“ Einwanderer dienen. Das „Medical Journal of
Australia“ meint allerdings, die bedrückende Atmosphäre destabilisiere
die geistige Gesundheit der Inhaftierten. Psychologe Zachary Steel, der MigrantInnen
aus dem Sydneyer Lager behandelt: „Wenn Menschen unmenschlich behandelt
werden, verhalten sie sich auf extreme Art und Weise, und das ist es, was
wir jetzt sehen.“
Die Einwanderungs- und Asylpolitik Australiens dient aber vielen europäischen
Regierungen als Vorbild. Die Einwanderung wird über Quoten reguliert:
2002 werden 84 500 Einwanderer akzeptiert, davon 45 000 ausgebildete Arbeitskräfte.
Zusätzlich nimmt das Land jährlich 12 000 Menschen aus humanitären
Gründen auf. Dann ist Stopp. Genau das, was anscheinend Politikern von
Heiner Geißler über Tony Blair bis Otto Schily vorschwebt: verwertbare
Arbeitskräfte bilden den Hauptteil, ein paar Familienmitglieder undnoch
weniger Flüchtlinge dürfen aber auch mal rein, wenn es dennsein
muss. Durch die Einführung der „Sicheres-Drittland-Regelung“
passte sich Australien der Festung Europa zusätzlich an. Nun werdenAsylbewerber,
die sich vor der Einreise in einem anderen Land aufgehaltenhaben, das als
sicher eingestuft wird, in dieses Drittland abgeschoben. Dieitalienische
Regierung folgte schon dem australischen Vorbild und lässtjetzt auch
ihre Marine Schiffe mit Flüchtlingen vor der Küste abfangenund
abweisen. Dabei kamen Anfang März etliche Menschen ums Leben, alsein
Marineschiff einem sinkenden Flüchtlingsboot keinerlei Hilfe leistete.
Interessanterweise kam vor einiger Zeit der Vorschlag von der britischenRegierung,
Asylanträge nur außerhalb der Grenzen Europas anzunehmen:Flüchtlinge
sollten sich erst in den Botschaften melden und nicht aufKosten der Regierungen
innerhalb Europas leben, während ihre Anträgebearbeitet werden.
Letztendlich wurde dieser Vorschlag von Australien aufgenommenund in die
Praxis umgesetzt. Es bleibt abzuwarten, wann Europa nachzieht.
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