Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
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Mangelhafte Leistung des Anwalts <<< >>> Richter Sabo und die einzelnen Verfahren

Der Angeklagte - Mumia Abu-Jamal

Bei einer Erörterung der Qualität des Rechtsbeistandes kommt man nicht umhin, auch die Rolle des Angeklagten zu beleuchten. Seine Leistungen als Anwalt in eigener Sache werden von seinen Unterstützern als professionell bezeichnet. Auch Anthony Jackson äußerte sich 1995 dementsprechend.[1] Seine Gegner erklären, er hätte potentielle Geschworene verängstigt und deshalb hat Richter Sabo ihm das Recht entzogen, die Geschworenen selbst zu befragen.
Die einzige feststehende Tatsache zur Auswahl der Geschworenen ist, daß Richter Sabo am 9.6.1982 auf Antrag von Staatsanwalt McGill die Befragung der Geschworenen übernommen hat. Als Begründung wurde angeführt, es wäre zu langsam gewesen und einige der potentiellen Geschworenen wären durch Abu-Jamal verängstig gewesen.[2] Anthony Jackson widersprach beiden Darstellungen vehement. Ob sich Geschworene verängstigt oder unwohl fühlten, läßt sich aufgrund der Sitzungsprotokolle ganz einfach nicht mehr erkennen. Diese Protokolle sind nicht in der Lage die Emotionen der befragten Personen wiederzugeben. Die Basis für die Behauptung, Geschworene wären von Abu-Jamal verängstigt gewesen, ist eine Frage von Staatsanwalt McGill an einen der Geschworenen, ob dieser Angst davor hat von Mumia Abu-Jamal befragt zu werden. Der potentielle Geschworene (er wurde nicht ausgewählt) hat dies mit „Ja“ beantwortet. Das ist aber kein eindeutiger Beweis dafür, daß auch andere Geschworene verängstigt waren. In der weiteren Diskussion erklärte Richter Sabo, er hätte ebenfalls den Eindruck gehabt, die Geschworenen würden sich unwohl fühlen und gab damit dem Staatsanwalt recht.
Der Umstand, daß an zwei Tagen nur eine Geschworene ausgewählt wurde, kann zwar als langsam gewertet werden, ist aber zumindest nicht extrem langsam. Bei dieser Geschwindigkeit hätte die gesamte Prozedur etwa 5 bis 6 Wochen gedauert. Anthony Jackson erwähnte bei dieser Diskussion ein anderes Verfahren, bei dem dieser Abschnitt 9 Tage dauerte, und er erwähnte das Verfahren gegen einen gewissen Hinckley, bei dem die Auswahl der Geschworenen sogar 5 Wochen in Anspruch nahm.
Das Recht die Geschworenen zu befragen darf nicht mit dem Recht sich selbst zu verteidigen verwechselt werden. Bei der Befragung der Geschworenen hat der Richter das Recht diese Befragung selbst zu übernehmen oder die Befragung den Anwälten zu überlassen. Die Rechte des Angeklagten werden aber durch die Übernahme der Befragung durch den Richter nicht weiter eingeschränkt. Er kann weiterhin Wünsche an den Richter weitergeben, und er kann die betreffenden Personen weiterhin ohne Angabe von Gründen ablehnen. Auch bedeutete die Übernahme der Befragung durch den Richter nicht, daß Mumia Abu-Jamal das Recht verloren hat sich selbst zu verteidigen. Im weiteren Verlauf der Befragung der Geschworenen hat Richter Sabo die Befragung zwar wieder an die beiden Anwälte übertragen, ließ den in eigener Sache agierenden Mumia Abu-Jamal aber trotzdem keine Fragen stellen.
Die Behauptung, Staatsanwalt McGill hätte die Übernahme der Befragung durch den Richter herbeigeführt, ist eindeutig belegt. Mumia Abu-Jamal hat ihn dabei ungewollt unterstützt. Unbestreitbar ist die Tatsache, daß sich mindestens ein potentieller Geschworener vom Angeklagten verängstigt fühlte. Lediglich die Absichten Joseph McGills sind fraglich. Wenn sich mehrere potentielle Geschworene vom Angeklagten verängstigt fühlten, gab es für McGill keinen Grund die Übernahme der Befragung durch den Richter zu unterstützen. Ganz im Gegenteil hätte es sein Anliegen sein müssen, diese Personen als Geschworene auszuwählen. Die Gefahr für ihn war, daß die zukünftigen Geschworenen Mumia Abu-Jamal als ruhigen und besonnenen jungen Mann kennenlernen, der in freundlicher Weise Fragen stellt. Danach wäre es schwierig gewesen, ihn als ruchlosen Mörder hinzustellen. Selbst bei einer Verurteilung des Angeklagten aufgrund der Fakten hätte es ein guter Eindruck bei den Geschworenen leichter gemacht, seinen guten Charakter als Milderungsgrund plausibel zu machen.[3]
In der weiteren Folge zeigte sich die mangelnde Reife Abu-Jamals. Anstatt aus dieser Entscheidung des Richters das Beste zu machen, verhielt er sich wie ein trotziges Kind und wies Anwalt Jackson an, sich nicht mehr am Verfahren zu beteiligen.[4] Als ihm später während der Verhandlung das Recht entzogen wurde, sich selbst zu verteidigen, reagierte er in der gleichen Weise.[5]
Die Petition von 22 Mitgliedern des Britischen Parlaments geht ausführlich darauf ein, wie dem Angeklagten das Recht entzogen wurde, sich selbst zu verteidigen. Dies ist am 17.6.1982 geschehen. Der Grund dafür war das wiederholte Verlangen Abu-Jamals, John Africa[6] an seiner Seite zu haben. Der Richter hat es ausdrücklich nicht erlaubt aber Anthony Jackson damit beauftragt, dies mit dem Obersten Gericht Pennsylvanias zu besprechen. Die Mitglieder des Britischen Parlaments argumentieren, John Africa als Beistand am Tisch der Verteidigung zu haben, wäre ein natürliches Recht des Angeklagten gewesen. Sie zitieren dazu Fälle aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien.[7] Ähnliche Argumente werden in der Petition der Chicana/Chicano Studies Foundation vorgebracht. Sie ignorieren dabei aber den eigentlichen Grund für den Entzug des Rechts sich selbst zu verteidigen. Die Diskussion zwischen Abu-Jamal und Richter Sabo, die zum Entzug dieses Rechts führte, begann mit der Forderung des Angeklagten nach einem Mikrophon, ging aber sehr rasch zur Frage über, ob John Africa am Tisch der Verteidigung sitzen darf. Um sich eine Vorstellung vom unglaublich kindischen Verhalten Abu-Jamals zu machen, muß man wohl oder übel die gesamte ermüdende Diskussion durchlesen. Diese umfaßt die Seiten 44 bis 128 des Gerichtsprotokolls und zeigt deutlich, daß Abu-Jamal keinesfalls gewillt war, die Entscheidung des Richters zu akzeptieren. In seiner Vorstellung konnte ihm nur John Africa einen Freispruch garantieren.[8]
Das Verhalten Abu-Jamals lies dem Richter keine andere Möglichkeit als Mumia Abu-Jamal von der Position des Verteidigers in eigener Sache zu entfernen und Anthony Jackson wieder zum alleinigen Verteidiger zu bestellen. Die Rechtsfrage, die diesen Disput ausgelöst hat, war die Frage, ob John Africa am Tisch der Verteidigung Platz nehmen darf um Mumia Abu-Jamal zu unterstützen. Die Frage, ob die Ablehnung dieses Wunsches rechtmäßig war, läßt sich klar beantworten. Richter Sabo war mit seiner Begründung eindeutig im Recht.
Unmittelbar nachdem Mumia Abu-Jamal das Recht sich selbst zu verteidigen entzogen wurde, ging Anthony Jackson wegen dieser Frage zum Obersten Gericht Pennsylvanias.[9] Richter McDermott vom Obersten Gericht sagte das gleiche wie Richter Sabo. Anthony Jackson muß den Angeklagten verteidigen so gut es ihm möglich ist und zwar auch dann, wenn der Angeklagte verlangt daß er keine Fragen an die Zeugen stellt. Weiters darf John Africa nicht als Verteidiger auftreten, da er kein zugelassener Anwalt ist, und es ist John Africa auch nicht erlaubt, als zusätzlicher Berater ohne speziellen Auftrag am Tisch der Verteidigung zu sitzen. Die Rechtsfrage war damit eindeutig geklärt. Ein zusätzlicher Hinweis darauf ist auch die bereits erwähnte Petition von 22 Mitgliedern des Britischen Parlaments. Diese erklären in ihrer insgesamt 59 Seiten umfassenden Petition mit vielen Worten und unter Anführung zahlreicher Fälle aus den USA und Großbritannien, wieso Richter Sabo dies erlauben hätte müssen. Trotzdem zeigt gerade diese lange und komplizierte Argumentation unter Zuhilfenahme von Fällen aus Großbritannien, daß in Pennsylvania ganz einfach kein Rechtsanspruch auf derartige Unterstützung bestand. Hätte es einen derartigen Rechtsanspruch gegeben, wäre diese langatmige Petition nicht erforderlich gewesen.
Mumia Abu-Jamals Unfähigkeit, sich mit der rechtlich fundierten Entscheidung des Richters abzufinden, führte in weiterer Folge wie bereits erwähnt wurde zum Entzug des Rechts sich selbst zu verteidigen. Mit Sicherheit war es ein Rückschlag für den Angeklagten. Eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Anwalt und Angeklagtem hätte die Auswirkungen dieser Entscheidung gering halten können. Auch war es Abu-Jamal möglich mit John Africa zu kommunizieren. Er hat dies regelmäßig durch die Vermittlung von Theresa Africa und Janet Africa getan. John Africa selbst war scheinbar nie im Gerichtssaal. Aber Mumia Abu-Jamals Einstellung war alles oder nichts. Er wollte den Gerichtssaal offensichtlich zu seinem Forum machen, und als dies nicht möglich war zog er sich trotzig zurück. In weiterer Folge erneuerte er immer wieder seinen Wunsch nach John Africa und wurde stets nach langen Argumenten mit dem Richter aus dem Gerichtssaal entfernt.
Die Tatsache, daß er während großer Teile seiner Verhandlung nicht im Gerichtssaal war, wird von seinen Unterstützern als Grund für ein neues Verfahren angeführt. In Wirklichkeit lies er Richter Sabo keine andere Wahl. Es stimmt, daß sein Prozeß einem Zirkus glich. Aber diesen Zirkus hat er selbst ins Leben gerufen. Tatsächlich war er selbst sein größter Feind.
Gleichzeitig hat er sich selbst um die Möglichkeit gebracht, die behauptete Unfähigkeit seines Anwalts bei Berufungsverhandlungen wirkungsvoll geltend zu machen. Da er selbst die Strategie festgelegt hat, haben alle folgenden Gerichte diesen Anspruch abgewiesen. Wenn der Angeklagte die Strategie vorgibt, ist es unzulässig Versäumnisse des Anwalts als Begründung für seine unzureichende Arbeit anzuführen.[10] Tatsächlich gab es während der Verhandlung Situationen, in denen Anwalt Jackson nicht einmal wußte welche Zeugen aussagen werden.[11] Es sollte niemanden verwundern, daß diese mangelhafte Zusammenarbeit zu Fehlern führte. Deshalb kann ich die vergessene Vorladung für Gary Wakshul nicht allein Anthony Jackson anlasten. Daran ändert auch Jacksons selbstkritische Vorstellung von 1995 nichts. Mumia Abu-Jamal hat einen gewichtigen Teil dazu beigetragen.


[1] PCRA-Anhörung vom 27.7.1995, Seite 73
Anthony Jackson beschreibt Mumia Abu-Jamals Arbeit als Anwalt in eigener Sache:
“During the time the trial began, Mr. Jamal was conducting the voir dire, and I believe he had conducted maybe one or two other pre-trial matters, he was questioning the witnesses, conducting the voir dire in my mind as effectively as any other attorney.”
Der Begriff „voir dire“ bezeichnet die Befragung der zukünftige Geschworenen betreffend ihrer Eignung für diese Aufgabe.
[2] Geschworenenauswahl vom 9.6.1982, Seite 3.2ff
[3] Siehe auch die Bemerkung des Staatsanwalts im Abschnitt Die ausgeschlossene Geschworene.
[4] Geschworenenauswahl vom 9.6.1982, Seite 3.21
Anthony Jackson gibt eine Erklärung ab, nachdem er sich mit Mumia Abu-Jamal beraten hat:
“I have been instructed by Mr. Jamal not to participate.”
[5] Verhandlungsmitschrift vom 17.6.1982, Seite 126
Mumia Abu-Jamal kommentiert die Rolle Anthony Jacksons, nachdem ihm das Recht entzogen wurde, sich selbst zu verteidigen:
“Judge, I don't want Mr. Jackson to do anything on my defense. I don't want him to participate in this trial.”
[6] John Africa war der Anführer von MOVE und hat sich zuvor bereits erfolgreich selbst verteidigt.
[7] Unter anderem zitieren sie auf Seite 36f ihrer Petition den Fall McKenzie gegen McKenzie [1971] aus Großbritannien. Nachdem dieser Fall in die Berufung ging, wurden Laien generell am Tisch der Verteidigung akzeptiert und im Volksmund als „McKenzie's friends“ bezeichnet.
[8] Verhandlungsmitschrift vom 17.6.1982, Seite 75
Mumia Abu-Jamal diskutiert mit Richter Sabo über die Möglichkeiten John Africas:
THE DEFENDANT: That may be a response but it is not true. This man has gone to law school, right, but he cannot guarantee me my freedom; he cannot guarantee me victory.
THE COURT: Nobody can do that.
THE DEFENDANT: Well, how do you know?
THE COURT: Well, how do you know?
THE DEFENDANT: I do know. I do know. John Africa can do that.
[9] Verhandlungsmitschrift vom 18.6.1982, Seiten 2.03 - 2.04
Staatsanwalt McGill und Anwalt Jackson erklären Richter Sabo das Ergebnis des Gesprächs mit dem Obersten Gericht Pennsylvanias vom Vortag:
MR. McGILL: ... All the petitions were denied. ... So in effect the Court has said that Mr. Jackson must represent this defendant whether the defendant likes it or not because Mr. Jackson serves as an appointed lawyer from the Court and not appointed from the defendant. Also that Mr. John Africa cannot appear at the table in conjunction with the Court's order in the course exercised of maintaining what the Court believes to be an orderly administration of the proceedings. And although there was considerable argument as to whether or not John Africa could be counsel -- I just said that -- that there was considerable, not considerable, but there was a clear statement by Justice McDermott that no one can represent a defendant who is not an attorney of the law. That's about it, isn't it?
MR. JACKSON: Yes. I just want, just as far as I'm concerned, clarification. Within the petition and as well oral argument I never requested that John Africa act as counsel, but to assist Mr. Jamal and that also was specifically denied as well. I just wanted to clarify that I at no time requested that John Africa act as counsel.
[10] Opinion of the Pennsylvania Supreme Court, 29.10.1998, Seite 46
Das Gericht begründet die Abweisung des Anspruchs, der Beistand durch Anwalt Anthony Jackson wäre unzureichend gewesen, damit, daß Mumia Abu-Jamal die Strategie selbst bestimmt hat:
“Appellant's current claim lacks merit since his decision to pursue his own trial strategy renders any claim of ineffective assistance of counsel a nullity.”
[11] Verhandlungsmitschrift vom 30.6.1982, Seite 16
Bei einer Diskussion im Richterzimmer wird die Frage gestellt, wie viele Leumundszeugen aussagen werden. Zunächst wußte Anthony Jackson nur von 3 Zeugen, hatte aber keine Ahnung, wie viele Zeugen Mumia Abu-Jamal zusätzlich aufrufen möchte:
MR. McGILL: Let's go on with these three. Let's move on. You have three now?
MR. JACKSON: There maybe some more. I don't know.


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