INITIAL - streitschrift für autonome und kommunistische politik / online
Ausgabe 02
I N H A L T

FÜR DEN KOMMUNISMUS!   Aktuelles FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!
 
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LLL2000
Autonomer Block
auf der LLL-Demo
           erinnerte an ermordete GenossInnen



Aufruf zur Liebknecht-Luxemburg-

Lenin-Demonstration 2002

                      
           
Seit 1996 ist die alljährliche Demonstration auch ein Anlass für parteiunabhängige Linksradikale, Antifas und (Ex-)Autonome, sich organisiert in einem Block zusammenzufinden. Auch dieses Mal wird es wieder einen Block für unabhängige Gruppen und Einzelpersonen geben. Für Menschen, die weder bei der PDS und ihrer Systemanbiederung und Regierungsheuchelei noch den diversen „Klassiker-Verehrern“ oder „-Sekten“ eine Heimat finden. Diesen Linken wollen wir versuchen im Bündnis einen angemessenen Rahmen zu bieten, an der Demontrtio sowie am Gedenken teilzunehmen. Wir wollen die Möglichkeit nutzen  und auf der größten regelmäßigen linken Manifestation Deutschlands eigene Inhalt vertreten.
Der revolutionäre Antikriegsblock
Dieses Jahr wird dieser Block der unabhängigen Linken Revolutionärer Antikriegsblock genannt. Antikriegsblock, weil wir mit der kriegerischen, menschenrechtsverachtenden und verlogenen Außenpolitik der BRD, der USA und der anderen Nato-Staaten natürlich nicht einverstanden sind. Revolutionär, weil es uns wichtig ist, diese Option der Gesellschaftsveränderung offen zu halten. Klar bleibt, dass die Waffe der Kritik die Kritik der Waffen nicht völlig ersetzen können wird.
Die kurze Geschichte des Blocks
Die Geschichte dieses Blocks ist gekennzeichnet von der Entwicklung der parteiunabhängigen radikalen Linken der BRD seit 1996. Zunächst ins Leben gerufen, um das Konzept des (proletarisch-)revolutionären Antifaschismus zu proklamieren, wurde er nach den schweren Angriffen der Polizei 1996 (sh. Broschüre „Die Polizei erwog bereits zu schießen“) ab 1997 zum Anziehungs- und Sammelpunkt. Im selben Jahr wurde die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation Teil des Blocks und ein wesentlicher Mobilisierungsfaktor. Durch die insbesondere durch die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) in die Vorbereitungen hineingetragene inhaltliche Einengung auf das Thema Antifa verflachte die inhaltliche Ausrichtung von Jahr zu Jahr.
Was kontinuierlich blieb, waren die ständigen Polizeiangriffe, während die Anziehungskraft im In- und Ausland anstieg. Der Repressionsdruck nahm stetig zu, so zum Beispiel führte das Kleben von Plakaten im Dezember 1997 zu einer Reihe von Hausdurchsuchungen.
All die Jahre gab es im Rahmen der Vorbereitung immer Gruppen, die Antifa allein nicht als Motivation für diese Block verstanden. So wurde die aggressive Außenpolitik der BRD, die Isolationshaft in den deutschen und türkischen Knästen thematisiert und auch die prinzipielle Rechtmäßigkeit der kurdischen Befreiungsbewegung vertreten, was auch das Tragen ihrer Symbole beinhaltete. Auf Grund von Mehrheitsverhältnissen nannten wir diesen Block Revolutionären Antifablock. Die PDS forderte in vorauseilendem Gehorsam, die Fahne des kurdischen Widerstandes (ERNK) nicht auf der Demonstration mitzuführen, des Weiteren diffamierte sie DemonstrantInnen, die sich gegen Polizeiübergriffe zur Wehr setzten, als „Chaoten“.
Nach dem Verbot der Demo 2000 wegen eines angeblich befürchteten Attentats wurden die Widersprüche in der bis dato gemeinsamen Blockvorbereitung zu groß. Eine von der Polizei verbotene bundesweite Demo mit circa6000 TeilnehmerInnen und eine, von der AAB nicht mal unterstützte, durchgesetzte, legale Demo eine Woche später mit circa 1500 Leuten waren die tragikomische Folge. Das Ergebnis dieser faktischen Spaltung war im Jahr 2001 ein Antifablock mit typischem Tieflader-Pop-Antifa-Konzept und ein Unabhängiger Block unter dem Motto: „Es gibt viele Arten, einen Menschen zu töten, aber die wenigsten sind in diesem Staat verboten“. Für uns imBündnis war es eine große Bestätigung für unser Konzept.Es zeigte sich, dass es sehr wohl möglich ist, einen klassischen Blockmit politischer Ausrichtung und inhaltlichem Schwerpunkt sowie klarem militant-revolutionärem parteiunabhängigem Standpunkt durchzuführen, ohne zu „langweilen“. Viele TeilnehmerInnen gesellten sich im Laufe der Demo zu uns, darunter auch aus dem Antifablock. Das Angebot wurde angenommen, und unser Konzept ging auf. Die Ursprungsidee für diesen Block hatte schlagartig wieder Bedeutung erlangt.
Wir wollen die radikale Linke zusammenbringen, ihr eine Stimme geben. Esist schwer genug, sich an diesem tag untr all den Gruppen und Organisationenund Parteien Gehör zu verschaffen. In den letzten Jahren ist es (malbesser, mal schlechter) gelungen. Der Block war als Faktor in der Linkenerkennbar. Dies war natürlich zu einem beachtlichen Teil auf die massivePresseresonanz auf die legitime Abwehr der Polizeiübergriffe zurückzuführen.
Heute noch mehr als gestern
Als 1991 die Initiative zur Rettung des Lenin-Denkmals auf dem Leninplatz (heute: Platz der Vereinten Nationen) die Demo als zusätzliche Veranstaltung zum klassischen Gedenken ins Leben rief, konnte sie nicht ahnen, dass sie innerhalb weniger Jahre so an Bedeutung gewinnen würde. Mit regelmäßig um die 15 000 TeilnehmerInnen ist sie zum wichtigen traditionellen und zugleich lebendigen Bestandteil des Gedenkens an Rosa und Karl geworden. Auf der Demonstration wurden im Gegensatz zum Gedenken am Friedhof immer tagespolitische Themen aufgegriffen.
Als 1996 der erste Revolutionäre Block mit dem Motto: "Kampf dem deutschen Imperialismus - aggressiv nach außen, repressiv nach innen" auftrat, konnten die AktivistInnen die rasanten Entwicklungen in der deutschen Außen- und Innenpolitik bis heute nur ahnen. 1996 konnte noch niemand wissen, dass zur Durchsetzung der drastischen Verschlechterungen im "sozialen Netz", in den Gesetzen zur inneren Sicherheit, in der mörderischen Abschiebepraxis und Grenzsicherung und zur Durchsetzung einer endgültig militarisierten Außenpolitik der BRD sich eine so genannte linke Bundesregierung als viel zweckmäßiger für die Herrschenden erweisen würde. Zweckmäßiger, weil integrativ auf die Gewerkschaften, auf dieSozialverbände, auf die Friedens- und Antiatombewegung usw. einwirkend.Das Tempo, das Rot-Grün beim gesamtpolitischen Rechtsruck vorgelegthat, wäre so unter einerso genannten rechten Regierung unter CDU/CSU/FDPgar nicht denkbar gewesen.Derartig weit reichende Maßnahmen wärenhöchstwahrscheinlicham Widerstand der genannten Verbände gescheitert.
Aber von breitem Widerstand keine Spur. Das System funktioniert, so oderso.
Auch der 11. September hat nur unwesentlich zur Entwicklung beigetragen.Alle Vorschläge zu Gesetzesverschärfungen sind in Fachkreisen schonlange in der Diskussion und wurden nun lediglich auf den Tisch gepackt. Schilyerweist sich als willfähriger Vollstrecker und Vorantreiber einer repressiven Innenpolitik ohne Beispiel in der BRD. Entwicklungen, gegen die er selbst einst kämpfte. Die Ziele dieser Innenpolitik sind bekannt: SozialerWiderstand, Eingriffe in den Produktionsablauf und in den Straßenverkehr- alles, was an denkbaren Szenarien für künftige Proteste gegenRegierung, Staat oder Gesellschaft, ob pazifistisch oder militant, möglichist,soll kriminalisiert werden können.
Gleichzeitig etabliert sich die BRD als "europäische Mittelmacht" mit wachsender militärischer Kompetenz. Noch sind Deutschland und die EU auf die Nato und die USA angewiesen. Die Entwicklungen deuten darauf hin, dass die EU selbstständig handlungsfähig werden will, und die europäische Kernmacht BRD spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Die Debatte organisieren
Dass die radikale Linke neue Konzepte braucht, ist eine Binsenweisheit. Wir unterstützen dieses Anliegen und wollen unseren Beitrag dazu leisten. Ohne eine starke radikale Linke wird es keinen Widerstand geben, der sich nicht stromlinienförmig in die Posten und Sessel hineingleiten lässt und der die Schlagworte "Klassenbewusstsein" und "revolutionäre Utopie" mit Leben füllen könnte. Deshalb haben wir uns aus verschiedenen autonomen und kommunistischen radikalen linken Initiativen sowie mit einzelnen GenossInnen zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Wir nennen uns Rote Aktion Berlin.
Es gibt bereits eine Reihe von Ansätzen, diese notwendige Debatte zu führen, was wir begrüßen. ABER wir bezweifeln, dass eine abgehobene Diskussion, die grundlegende Fragen kompromisslos bis zur reinen Erkenntnis klären will, zweckmäßig ist, um eine theoretisch sehr mangelhaft entwickelte, aktionistisch orientierte Linke möglichst breit mit einzubeziehen. Wir bezweifeln weiterhin, dass die Neigung der deutschen Linken, bei der Betrachtung der eigenen Geschichte im Nachhinein alles infrage zu stellen und als falsch abzustempeln, dazu geeignet ist, dem breiten Spektrum an Ansichten unter den verbliebenen AktivistInnen Rechnung zu tragen, die ja größtenteils eine Geschichte ebenso wie die KritikerInnen in dieser ach so furchtbaren Linken haben.
Sicherlich ist es nötig, die Geschichte der Linken auch kritisch zubetrachten und nicht immer nur mit dem Finger auf die Gegenseite zu zeigen.Mensch sollte aber darauf Acht geben, nicht immer gleich das Kind mit demBade auszuschütten. Denn "nur" weil auf Seiten der Linken einiges indie falsche Richtung lief, weil Konkurrenz- und Machtallüren in dereigentlich solidarisch und gemeinschaftlich zu seienden Linken ebenso vorhandenwaren und auch noch sind wie bei dem Rest dieser Gesellschaft, ist die Kritikan einer auf Ausplünderung und Erniedrigung des Gegenüber aufbauendenGesellschaft noch lange nicht verfehlt. Vielmehr muss sich der verbliebeneRest der Linken fragen, ob nicht eher das eigene Herangehen der politischenAktion, die Schwerpunktsetzung der Inhalte wieauch deren Umsetzung, zu derIsolierung führten, die heute mehr als sichtbar ist.
Wir meinen, dass gerade die Abschiebung der sozialen Frage in den Bereich des Nebensächlichen bei einer gleichzeitigen Überbewertung desSubjektivismus in der radikalen Linken mit dazu beigetragen hat, dass dieradikale Linkeheute kaum noch über Anknüpfungspunkte an eben dieseGesellschaftverfügt und deswegen auch kaum auf sie einwirken kann.Außerdemglauben wir, dass der Subjektivismus mit dazu geführthat, dass die radikaleLinke heute kaum noch in der Lage ist, theoretischeGrundlagen zu schaffen,die uns befähigen, eine weit reichende Politikzu etablieren. Sicherwar und ist die Kritik an den bestehenden Traditionsliniengrade der kommunistischenLinken berechtigt und heute nach wie vor notwendig,ihr Umschlag in Subjektivismus und inhaltlicher wie theoretischer Amnesiejedoch führte zu dem Zustand, den wir heute erleben: Die Fähigkeitzu einer Analyse der jetzigen Situation und einem daraus abzuleitenden theoretischenHandlungsrahmen liegen am Boden. Spaß und die permanente Suche nachdem nächsten Event kennzeichnen nicht nur die Gesellschaft, sonderngrade auch die Linke, deren Funktion eigentlich auch im Anschieben von Prozessenzur Überwindung dieser Verhältnisse besteht. Das inhaltliche Vakuum,das regelmäßig - nicht nur am1. Mai - zu sehen ist, ist die logischeFolge dieses Zustands.
Wir halten es für unerlässlich, die Traditionslinien der kommunistischen und sozialistischen Linken wieder aufzugreifen, in denen sich die Linke als Teil dieser Gesellschaft begreift und gleichzeitig versucht, sie zu ändern. Hierfür ist es notwendig, die auch in der Linken mittlerweile verschüttete Herangehensweise der marxistischen Analyse, also die materialistische Sicht auf die Dinge unter historischen und dialektischen Vorzeichen, wieder zuetablieren. Es gibt auch eine Geschichte links von Stalin, die es lohnt,wieder zu beleben. Wir hoffen, dass wir durch unsere Praxis und unsere theoretischenÜberlegungen andere Gruppen und viele weitere dazu bewegen können,mit uns zusammen diese Schritte zu gehen, damit endlich eine bundesweiteDiskussion möglich wird als erste Stufe einer Vernetzung der radikalenLinken, die mehr ist als eine Ein-Punkt-Bewegung oder auf die scheinbar Erfolgversprechende Antiglobalisierungsbewegung aufspringt. Erst eine breitereDebatte mit anschließender Vernetzung ermöglicht, die vorherrschendeUnklarheit in vielen Punkten zu beseitigen. Sie kann auch einen Organisierungsprozesseinleiten, ohne den eine stärkere Gegenöffentlichkeit und damitdie Wahrnehmbarkeit der radikalen Linken nicht möglich ist.
Das Wochenende zu LLL wollen wir nutzen, um mit Euch ins Gespräch zu kommen und ein Kennenlernen zu ermöglichen.
Kampf dem kapitalistischen Terror nach innen und außen!
Den Widerstand organisieren in Kiezen, Schulen und Betrieben!
Gegen Imperialismus und Nationalismus!



Rote Aktion Berlin
Dezember 2001














                                                                                                                                                                                                                                     


























































































          
                                                    
                                                                                                                                                                                                                                                                                    

                             
Mut zur Wahrheit

                             
In Bonn fand eine ungewöhnliche Konferenz statt
                             
Wer ehrlich ist, erkennt, dass die "szeneübliche" Reaktion auf eineVergewaltigung nicht ausreichend ist. Und nicht, weil das so genannte Definitionsrechtder Frau für Missbrauch offen stehe, sondern weil die Frau, die denMut fasst, einen solchen Vorwurf öffentlich zu machen, nicht seltendiejenige ist, die nach einiger Zeit aus der linken Szene verschwindet, ausFrust, Enttäuschung und Machtlosigkeit. Sinn der Sache sollte aber sein,vergewaltigte Frauenwieder zu ermächtigen, dem Gefühl des Kontrollverlustesentgegenzuwirken und ihnen die Weiterarbeit in der Linken zu ermöglichen.
Die Antifa Bonn/Rhein-Sieg lud im Oktober zu einer Konferenz zum Thema Umgang mit Sexualität, Sexismus und Vergewaltigung ein. Nachdem die AA/BO unter anderem auf Grund fehlender Diskussionen zu diesem Thema auseinander brach, war es an der Zeit für einige, vorwiegend antifaschistisch agierende Gruppen, die Diskussion nachzuholen. Und zwar ohne den Druck eines aktuellen Vergewaltigungsvorwurfs im Nacken, wie sonst immer üblich bei einemThema, das häufig im linken Alltag unter den Tisch fällt. Theseder Veranstalter: Der bisherige Umgang mit Vergewaltigung in der "Szene"erfüllt nichtden Zweck, der vergewaltigten Frau zurück zur Kontrolleüber dieSituation zu verhelfen, sondern führt dazu, dass die Frauimmer wenigerKontrolle behält.
Die Bonner beschreiben das bisherige "offizielle" Vorgehen bei sexuellenÜbergriffen - eine Frau macht den Übergriff bekkannt, der Typ wirdrausgeschmissen, basta - als Dogma, das so nie funktioniert beziehungsweisenie zum oben genannten wichtigsten Ziel, die Frau zu schützen, geführthat. Man könnte hinzufügen: "Und wenn sie nicht gestorben sind,dann leben sie noch heute", denn dieses Vorgehen ist ein linkes Märchen,das nie in dieser Form ablief. Immer wurden Zweifel laut oder hinter vorgehaltenerHand ausgedrückt, es wurde in der Szene getratscht, und die Frau, dieüber die Veröffentlichung des Vorwurfs die Kontrolle überihr Leben zurückgewinnen wollte, sah sich und ihre Intimspäre nichtselten als Thema Nummer eins in linken Kneipen und WGs. Das Resultat: VergewaltigteFrauen ziehen sich oft aus der linken Szene zurück, mitnichten behaltensie die Kontrolle überdas Geschehen, auch wenn der Vergewaltiger tatsächlichaus allen linkenStrukturen ausgeschlossen wurde. Als Folge trauen sich immerweniger Frauen,Vergewaltigungen oder sexuelle Grenzüberschreitungenin der linken Szeneöffentlich zu machen. In einer Zeit, in der sogardie Polizei Vergewaltigungsopfernmit zunehmendem Respekt begegnet, ist dasein falsches Signal.
In einem detaillierten Vortrag wurde sowohl auf die Geschichte der Frauen in der Westlinken seit 1968, ihre Geschichte des Umgangs mit Sex auf dereinen Seite und dem Umgang mit Vergewaltigung in der Linken auf der anderenSeite und den problematischen Aspekten der bisherigen Vorgehensweise mitVergewaltigungsvorwürfen, wie auch auf den Umgang in der gesamten Gesellschafteingegangen. Mit einer sehr ehrlichen, fundierten Herangehensweise machtensie klar, dass die Linke durchaus Fortschritte auf diesem Gebiet gemachthat, aber da dass sie irgendwann hinter einem Teil einer "aufgeklärten"Restgesellschaft stehen geblieben ist. Unternehmen mit Frauenförderungsprogrammen,Gender Studies an den Unis, Frauenquote bei der CDU, aber die radikale Linkeführt bei jedem Vergewaltigungsvorwurf dieselbe Diskussion von vorne. . .
Es wurde für eine Rückbesinnung auf die Losung "Das Private ist politisch" plädiert. Sexualität soll wieder Thema bei Antifa- und anderen Gruppen sein, aber nicht nur im Kontext einer Vergewaltigungsdiskussion. Sexualität als Kommunikationsform lässt sowohl Harmonie oder Missverständnisse wie auch Grenzüberschreitungen zu. Auch die Sexualität wird von den herrschenden Verhältnissen beeinflusst, trotz spätabendlicher Fernsehbeschallung, die uns weismachen will, wie sexuell emanzipiert wiralle seien. Nur ein offener Umgang mit der Sexualität kann als Prävention sexueller Grenzüberschreitungen dienen. Diese an sich elementare Erkenntnis scheint innerhalb der Linken in Vergessenheit geraten zu sein.
Ohne am Definitionsrecht der Frau zu rütteln, muss man anerkennen, dass, besonders bei jungen oder unerfahrenen Leuten, die als Mitglieder einer von einem Vergewaltigungsvorwurf betroffenen Gruppe das erste Mal mit der Thematik an sich konfrontiert sind, Fragen aufkommen. Nicht zuletzt: Wie konnte er dazu fähig sein? Wie konnte es dazu kommen? Wie sieht unsere Verantwortung dazu aus, was haben wir versäumt, falsch gemacht, et cetera.? Gerade mit letzteren Fragen wird sich so gut wie nie auseinander gesetzt, es ist eben einfacher, die Wahrnehmung der Frau zu bezweifeln oder aber jegliche Verantwortung abzulehnen.
Aber wie sind diese, auf einem menschlichen Niveau verständlichen Fragen mit dem Schutz und der Anerkennung der Wahrnehmung der betroffenen Frau zu vereinbaren? Der Vorschlag: geschützte Räume schaffen, in denen sich einerseits die betroffene Frau aussprechen kann, wie auch Räume, selbstverständlich getrennt, in denen ohne “Denkverbote" über Vergewaltigung und den Umgang damit gesprochen werden kann, um Spekulationen und Getratsche in der Szene zu verhindern. Die Zusammenarbeit mit Beratungsstellen sollte helfen, die Interessen der Frau wieder in den Vordergrund zu rücken. Um sie vor den eventuellen Effekten einer völligen Publikmachung zuschützen, schlagen die Bonner eine Art Zwischeninstanz vor: bestimmteFrauen oder Männer, die als BeraterInnen in solchen Fällen dienen,mit der Frau ihre Optionen durchgehen und notfalls in der Rolle einer AnwaltInihre Forderungen an die Gruppe oder Szene stellen. So könne die Fraudie Kontrolle besser behalten, wenn gewünscht, ihre Anonymitätbewahren und die Szene oder Gruppe offener mit dem Vorwurf umgehen.
Letztendlich konnte die Konferenz nur einen Anfang darstellen. Übersexistisches Verhalten und dessen Minimierung zum Beispiel muss noch vielgeredet werden. Die verbleibende radikale Linke muss eine funktionierendeUmgangsweise mit Vergewaltigung erarbeiten, die dem Schutz der Frau Vorranggibt. Diese beiden Diskussionen müssen aber ehrlich geführt werden.Ehrlich, was die Leistungsfähigkeit der jetzigen Linken angeht, undauch, was die realen Verhältnisse angeht. Denn es reicht nicht zu sagen:So war es doch immer, wir haben eine Regelung. Die Wahrheit ist: Diese Regelungfunktioniert nicht.

2 Teilnehmerinnen



















































































































































































































































































Betrug bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen?
Spektakuläre Ergebnisse bei den letzten Berliner Wahlen - Einschätzung der Initiative Wählt ungültig

Von der Initiative Wählt ungültig

Nachdem nun das offizielle Endergebnis der Berliner Abgeordnetenhauswahlen vom 21. Oktober 2001 bekannt gegeben wurde, lässt sich auf den ersten Blick nicht wesentlich Neues zum Wahlausgang sagen: Die SPD hat knapp sieben Prozent hinzugewonnen und nun ihren schon damals nicht berauschenden Stand von Beginn der neunziger Jahre wiedererlangt. Die CDU hingegen bekam dieQuittung für den Bankenskandal und verlor in einem Ausmaß, dassihr Ergebnis mit denen der fünfziger und sechziger Jahre verglichenwerden kann. Äußerst prekär für die CDU ist, dass sienur knapp vor der PDS liegt, die einen wohl kaum für möglich gehaltenenTriumph einfuhr, in Ost wie in West. Die FDP hat es nach sechs Jahren wiedermal geschafft, ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, und erzielte ein ihr durchauszuzutrauendes Ergebnis. Die Grünen aber verloren nur unwesentlich Stimmen,obwohl ihre Standbeine auf ihren zentralen Politikfeldern weich wie Buttergeworden sind. Alle anderen Parteien verpassten den Einzug, die Reps verlorenzudem rund die Hälfte ihrer Wähler.
Bermerkenswert an dem Ergebnis ist jedoch nicht so sehr das Abschneiden vor allem der großen Parteien, sondern vielmehr das stark variierende Ergebnis der Wahlbeteiligung und der ungültigen Stimmen. Dies war schon am Wahlabend selbst zu bemerken. So wurde vom Landeswahlleiter um 18 Uhr die Wahlbeteiligung mit 70,5 Prozent angegeben, 5,0 Prozent mehr als bei den vorangegangenenWahlen. Dieser Trend ließ sich schon am Wahltag selbst ablesen, alsdie Zwischenstände der Wahlbeteiligung von 12 Uhr und 16 Uhr bekanntgegeben wurden. Beide Male lag die Wahlbeteiligung deutlich höher, um12 Uhr bei 24,1 Prozent (plus 1,8 Prozent), um 16 Uhr bei 55,3 Prozent (plus3,6). Obwohl die Wahlbeteiligung ständig mitgezählt wird und daherrecht schnell ermittelt werden kann, ließ der Landeswahlleiter in einerVeröffentlichung um 20.09 Uhr eine um zwei Prozentpunkte niedrigereWahlbeteiligung bekannt geben, eine Stunde zuvor galt jedoch noch die alteMarke. Wie innerhalb einer Stunde die Wahlbeteiligung derart stark sinkenkann - immerhin handelt es sich hierbei um über 47 000 Stimmen, diezuvor als abgegeben galten und nun nichtzählten -, wurde vom Landeswahlleiternicht erkl&ärt. Ebenso wenigerklärte er, wieso die Wahlbeteiligungüberhaupt derart schwankt,variiert sie doch auf Grund von Übertragungsfehlernund allgemeiner Hektikam Wahlabend normalerweise vielleicht um 0,2 Prozent.Doch es kam noch schlimmer.Die Veröffentlichung von 20.09 Uhr gründeteauf einen Auszählungsstandvon 87,4 Prozent aller Stimmen, mithin einschon recht sicheres Ergebnis.Im vorläufigen amtlichen Ergebnis von23.10 Uhr wurden jedoch wiederumknappe 7000 Stimmen weniger Wahlbeteiligunggezählt, so dass diese umweitere 0,3 Prozent auf 68,2 Prozent absank.Das amtliche Ergebnis vom 7.November sah dann noch einmal knappe 4000 Stimmenweniger am Wahlgang beteiligt,was die Beteiligung auf nur noch 68,1 Prozentabsenkte. Interessant an dieserVeröffentlichung ist außerdem,dass jetzt sogar noch die Zahl derWahlberechtigten, wenn auch nur gering,um 16 Personen schwankt, was nun garnicht passieren kann.
Bei der Anzahl der ungültigen Stimmen verlief der Prozess parallel zum Absinken der Wahlbeteiligung. Waren um 18.35 Uhr bei dem ersten Auszählungsstand von fast 15 Prozent 4,5 Prozent ungültige Stimmen (circa 10 750 Stimmen) registriert worden - was DPA in einer Pressemitteilung um 19.01 Uhr veröffentlichte und im Internet um 19.34 Uhr wiederholte -, so stieg diese absolute Zahlbis 19.30 Uhr bei einem Auszählungsstand von über 50 Prozent aufüber 37 000 Stimmen, was wiederum 4,5 Prozent aller ausgezähltenStimmen ausmachte. In beiden Fällen gab der Landeswahlleiter die Wahlbeteiligungnoch mit 70,5 Prozent an. Nach 19.30 Uhr jedoch wird es auf einmal obskur.Wie oben schon erwähnt, senkt der Landeswahlleiter in seiner Mitteilungvon 20.09 Uhr die Wahlbeteiligung um zwei Prozent, gleichzeitig wird nundie Anzahlder ungültigen Stimmen mit 30 180 angegeben, was einem Prozentsatzvon1,8 entspricht. Das sind 7000 ungültige Stimmen weniger. Das um23.10Uhr veröffentlichte vorläufige amtliche Ergebnis wiederumenthält eine Wahlbeteiligung von 68,2 Prozent, die ungültigen Stimmenwerdennun nur noch mit 27 924 oder 1,7 Prozent angegeben.
Parallel zum Absinken der Wahlbeteiligung ist nun die Gesamtzahl der Wähler auf 1 649 456 gesunken, als der Auszählungsstand noch 87,4 Prozent betrug, lag sie bei 1 656 362, also um 6906 Wähler höher als bei einemAuszählungsstand von annähernd 100 Prozent. Die Reduzierung derWähler lässt sich auch nicht mit der geringeren Wahlbeteiligungerklären, da bei der Veröffentlichung um 20.09 alle bisher ausgezähltenStimmen, d.h. 87,4 Prozent aller abgegebenen Stimmen, zu berücksichtigenwaren unddie Summe der auf die verschiedenen Parteien abgegebenen Stimmenund die ungültigen die oben genannte Zahl ergeben. Wie aber zwölfProzent mehr ausgezählte Stimmen (also über 195 000 Stimmen zusätzlich)insgesamt fast 7000 Stimmen weniger ergeben können, bleibt bisher einGeheimnis der Landeswahlleitung.
Ähnlich obskur ist die um 23.10 Uhr angegebene Zahl der ungültigen Stimmen, die um 10 000 Stimmen unter dem Ergebnis von einem Auszählungsstand von über 50 Prozent liegt und damit über ein Viertel an Stimmen verloren hat. Eine weitere Eigentümlichkeit des vorläufigen amtlichen Ergebnisses ist der Unterschied von 4294 Stimmen zwischen Erst- und Zweitstimmen, der auf Grund des Wahlvorgangs gar nicht möglich ist und folglich auch im endgültigen Ergebnis vom 7. November nicht mehr auftaucht. Hier ist nun beide Male ein Stand von 1 645 673 Wählern registriert, der wiederum nur um gerade einmal 511 Stimmen über dem Erststimmenergebnis liegt, das im vorläufigen amtlichen Ergebnis veröffentlicht wurde.
Im endgültigen Ergebnis wurden jedoch wiederum die Wahlbeteiligung und die Zahl der ungültigen Stimmen gesenkt, diesmal auf 21 359 Stimmenoder 1,3 Prozent, also um fast 6600 Stimmen. Berücksichtigen wir denbei den ersten beiden Auszählungsständen konstanten Prozentsatzvon 4,5Prozent ungültigen Stimmen, so ergibt sich nun ein Fehlbetragvon etwa52 700 ungültigen Stimmen, die im endgültigen Ergebnisnicht mehrauftauchen. Gleichzeitig bedeutet der Rückgang der Wahlbeteiligunguminsgesamt 2,4 Prozent eine Verringerung von etwa 58 700 Wählern.Vorallem in den beiden Bezirken, die im vorläufigen Ergebnis noch einenhohen Anteil ungültiger Stimmen aufweisen, in Spandau (2,4) und Treptow-Köpenick(3,8), ist der Unterschied zwischen vorläufigem amtlichen und endgültigemErgebnis extrem hoch. So liegt Spandau nun bei 1,8 Prozent, was 1960 unddamit714 ungültige Stimmen weniger bedeutet. In Treptow-Köpenickgingder Anteil auf ganze 1,0 Prozent, von 4917 auf 1248 Stimmen zurück.DieWahlbeteiligung sank hier ähnlich stark um 3055 von 130 610 (69,7)auf127 555 Wähler (68,1).
Einschätzung der Kampagne
Da die vom Landeswahlleiter vorgelegten Zahlen mehr Unklarheiten hinterlassen, als dass sie aufklären, berücksichtigen wir für eine nähere Betrachtung unserer Kampagne daher im Moment nur das für uns schon recht schlechte vorläufige amtliche Ergebnis. Trotzdem aber lässt sich auch mit diesem Ergebnis einiges ablesen, was uns bei der Einschätzung unserer Kampagne behilflich ist. So ist sicher, dass der Anteil der ungültigen Stimmen auf jeden Fall höher ist als bei den vorangegangenen Wahlen. So lag der Anteil der ungültigen Stimmen diesmal bei 1,7 Prozent, während er die vorherigen Wahlen durchweg bei etwa einem Prozent (1999: 1,1) lag. Dieser Anstieg kann aber sicherlich nicht unserer Kampagne, sondern eherder allgemeinen politischen Grundstimmung zugeschrieben werden, zumal wirmitder Kampagne nur etwa drei Wochen Wahlkampf und auch nur in wenigen Bezirkendurchführten, der Anteil zudem aber in allen Bezirken, wenn auch unterschiedlich,anstieg. Außerdem sind mit Treptow-Köpenick und Spandau zwei BezirkeSpitzenreiter geworden, in denen wir nur äußerst peripher aktivwaren.
Wichtig für eine Bewertung unserer Kampagne ist daher weniger das berlinweite Ergebnis als vielmehr das unserer Schwerpunkte, die ausnahmslos in Neukölln und Kreuzberg liegen, dort vor allem in den Wahlkreisen Kreuzberg 3 und Neukölln 2. Beide Wahlkreise zeichnen sich dadurch aus, dass hier überdurchschnittlich viele ungültig gewählt haben, in Kreuzberg 3 2,5 Prozent und in Neukölln 2 2,3 Prozent, was jedoch auch schon bei den letzten Wahlen 1999 der fall war (Kreuzberg 3: 1,6; Neukölln 2: 1,6). Allerdings ist in beiden Wahlkreisen der Anstieg der ungültigen Stimmen höherals in den Nachbarwahlkreisen dieser Bezirke (gesamt Friedrichshain-Kreuzberg: 1,6; 1999:1,2 - gesamt Neukölln: 1,8; 1999: 1,5). Kann mit diesen Zahlen schon ein gewisser Erfolg unserer Kampagne abgelesen werden, so wird dieser eindeutig belegt mit einem Blick auf das Ergebnis der sechs Stimmbezirke, in denen wir massiv Wahlkampf machten. Dies sind die Stimmbezirke 217, 222 und 223 rund um die Weisestraße in Neukölln und 020, 028 und 199 in Kreuzberg rund um die Oranien- und Manteuffelstraße. In allen sechs Stimmbezirken liegt der Anteil der ungültigen Stimmen nicht nur weit über dem Berliner Durchschnitt, sondern auch über dem des Bezirks und des Wahlkreises (020: 5,0; 028: 4,3; 199: 5,1; 217: 5,0; 222: 4,3 und 223: 4,1). Ein Blick auf die Nachbarstimmbezirke, in denen wir nicht aktiv waren, die aber dieselbe Sozialstruktur aufweisen wie 024 in Kreuzberg und 206 in Neukölln bestätigen diesen Trend. Im Stimmbezirk 024 stimmten nur 2,7 Prozent ungültig, in 206 sogar nur 1,9 Prozent. Dieses Bildwird abgerundet durch die Steigerung gegenüber der Vorwahl (020: 1,8;028: 2,3; 199: 4,0; 217: 1,2; 222: 2,4 und 223: 1,9). In dem recht großen Stimmbezirk 199, in dem wir vor allem den Teil der Manteuffel, kaum aberden der Waldemar- und Naunynstraße abdeckten, ist der Zuwachs relativnormal gegenüber dem Durchschnitt, der Stimmbezirk 217 jedoch überholt nicht nur das Niveau des gesamten Bezirks, sondern setzt sich auf einen der ersten Plätze auf bezirklicher Ebene.
Es kann also behauptet werden, dass die Kampagne in den Bezirken, in denen wir unter anderem mit Flugblättern in Briefkästen sehr aktiv waren, einen Erfolg brachte, berücksichtigen wir zudem unseren schwachen Wahlkampf, kann durchaus von einem großen Erfolg gesprochen werden. Nicht auszudenken ist, wie die Ergebnisse gewesen wären, wenn wir nicht nur die sehr kurze Zeit von drei Wochen Wahlkampf gemacht hätten, sondern zudem in vielen weiteren Stimmbezirken aktiv geworden wären. Doch auch mit unserer schwachen Kampagne hätte ein Ergebnis wie das der FDP in Hamburg dazu geführt, dass diese Partei bei dieser Anzahl ungültiger Stimmen nicht ins Abgeordnetenhaus eingezogen wäre. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass der Anteil ungültiger Stimmen die herrschenden anscheinend eher schmerzt als eine geringe Wahlbeteiligung, da beide gesenkt wurden. Auf Grund des Wahlgesetzes können wir zwar nur klagen, wenn wir nachweisen könnten, dass mit einer Manipulation die Sitzverteilung verändert wurde, trotzdem eröffnen sich mit einer Veröffentlichung der Manipulation weitere Aktionsfelder, da dadurch die Glaubwürdigkeit des politischen Systems infrage gestellt wird. Da bei den anstehenden Bundestagswahlen im September 2002 die Möglichkeit besteht, dass einige Parteien knapp an der Fünfprozenthürde zustehen kommen, sollten die Ergebnisse der Kampagne alle darüber nachdenkenlassen, bei diesen Wahlen eine weitere Ungültig-wählen-Kampagne,diesmal bundesweit, durchzuführen, um damit die Positionen der radikalenLinken stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. So war schon beider Berliner Wahl positiv, dass mehrere Zeitungen über die hohe Zahlungültiger Stimmen berichteten, der "Tagesspiegel" zudem mit einem kurzenArtikel am23. Oktober die Gründe für Linke benannte, ungültigzu wählen. Dieser bundesweite Wahlkampf sollte jedoch besser vorbereitetund vor allem früher begonnen werden.


                                                 

                             
Strahlenschäden durch Urangeschosse und Radaranlagen                           
Die Bundeswehr produziert nicht nur in Kriegszeiten Tote und Verletzte - Nun klagen auch Ex-NVA-Soldaten
                             
Von Oscar Wild

Anhand der Schadenersatzforderungen an die Bundeswehr und einen Bericht über Urangeschosse soll dieser Artikel ein wenig beitragen zur Aufklärung über die Machenschaften des Militärs. Denn Armeen hinterlassennicht nur im Krieg Leichenberge und eine Spur der Verwüstung. Schonin Friedenszeiten fordern sie ihren Tribut an Geld und, vor allem, an Menschenleben- im übergeordneten Interesse einer florierenden Wirtschaft. Sie haben,seit fast zehn Jahrenauch die Bundeswehr, die Aufgabe, den freien Zugangzu Märkten und Rohstoffen zu gewährleisten. Aber oft wird der Öffentlichkeitdie militärische Präsenz an den unterschiedlichsten Krisenherdenals humanitäre Hilfe verkauft, beispielsweise um ein zweites Auschwitzzu verhindern (Fischer zum Kosovo-Einsatz der Bundeswehr).
Die Bundeswehr hat nun, da die Bundesrepublik ihre volle Souveränität zurückerhalten hat, wie andere Armeen auch ein starkes Interesse daran, bei jedem Konflikt zu einer scheinbaren Lösung beizutragen. Die verteidigungspolitischen Richtlinien wurden daher auch zu Anfang der neunziger Jahre dahingehend geändert, dass die Aufgaben der Bundeswehr nun erweitert wurden von einer reinen Landesverteidigung hin zu einer weltweiten Einsatzbereitschaft. Sie sollen der BRD den freien Zugang zu Rohstoffen und Märkten sichern beziehungsweise ermöglichen. Daher wurden auch die Krisenreaktionskräfte (KRK) und das Kommando Spezialkräfte (KSK) aufgestellt. Ähnlich wie ihre US-Vorbilder (Navy Seals, GreenBarets) wird das KSK dazu eingesetzt, um beispielsweise Botschaftsangehörige in Krisengebieten zu evakuieren, Sabotage hinter den feindlichen Linien zu verüben und den Feind so im Voraus zu schwächen.
Eigentlich ist das bei anderen Armeen schon immer gang und gäbe gewesen, aber die historische Brisanz einer deutschen Armee im Ausland sollte schon etwas genauer betrachtet werden. Die Bundeswehr hat gerade ihren Mazedonien-Einsatz verlängert bekommen. Sie sichert somit weiter in einigen Ländern auf dem Balkan die Machtinteressen der Bundesregierung. Nicht zuletzt durch die Einführung der D-Mark als offizielle Haupt- beziehungsweise Nebenwährung werden diese Länder (Bosnien, Mazedonien, Kosovo beziehungsweise Serbien und Kroatien) wirtschaftlich an die BRD gebunden.
Uns allen wird gern vom Staat und einigen Medien vorgegaukelt, dass es sich bei den Angehörigen der Bundeswehr um Bürger in Uniform handelt. Das stimmt so jedoch nicht. Soldaten haben immer die Aufgabe, die Politik ihrer Regierung mit allen Mitteln zu vertreten, daher leisten sie ja auch einen Treueid auf die BRD, ihr Gelöbnis.
Wenn es Opfer gibt, sei es unter den eigenen Soldaten, der eigenen Zivilbevölkerung oder der Bevölkerung des okkupierten Landes, so werden diese von der Regierung als so genannte Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Da sollte es einen nicht verwundern, wenn man krank wird als Einwohner eines Dorfes, welches in unmittelbarer Nähe einer Radarstellung liegt, wenn bei Manövern der Bundeswehr das eigene Feld von Panzern verwüstet wird oder wenn ehemalige Asylbewerber aus dem Kosovo in ihrer Heimat vonBlindgängern der abgeworfenen Bomben ihrer Nato-Schutztruppen zu Krüppelngemachtwerden. Krieg fordert eben Opfer, und auch in Friedenszeiten sorgenArmeendafür, das es welche gibt.
Sicherlich wird versucht, durch finanzielle Hilfe den Opfern ihr Schicksal erträglicher zu machen, aber nicht alle Wunden kann man mit Geld heilen, und das wenige Geld, das die Opfer bekommen, ist im Verhältnis zu den Schäden lächerlich. Der Gewinn aber, der von Staat und Wirtschaft am Krieg gemacht wird, fließt sowieso nicht an die Opfer weiter, er ermutigt sie eher dazu, weitere Soldaten in immer mehr Kriegs- und Krisengebiete zu entsenden, um immer mehr Geld am schmutzigen Geschäft zu machen.
Ein Aspekt von Strahlenschäden erregt die Öffentlichkeit: der Einsatz von Urangeschossen im Balkankrieg. Zwar ist laut einer 128 Seiten umfassenden Studie ("Die Bundeswehr und ihr Umgang mit Gefährdungen und Gefahrstoffen - Uranmunition, Radar, Asbest"), die einne Kommission der Bundeswehr unter Leitung des früheren Herausgebers der Wochenzeitung "Die Zeit", Theo Sommer, erarbeitet hat, keine Gefahr für die Angehörigen der Streitkräfte und auch der Zivilbevölkerung gegeben, aber dem kann anhand der Erfahrungen des Golfkrieges widersprochen werden.
Eine im Juni 2000 veröffentlichte Studie in der Medizinerzeitschrift "Lancet" belegte eine erhöhte Kindersterblichkeitsrate im Zentral- und Südirak im Zeitraum von 1995 bis 1999. Sie stieg um das Doppelte imVergleich zum Zeitraum von 1985 bis 1989. Im kurdischen Nordirak blieb dieKindersterblickeit konstant, hier wurde auch keine Uranmunition eingesetzt.Zudem erkranktenmehr als 100 000 Soldaten der US- und Britischen Armee inder Heimat am sogenannten Golfkriegssyndrom. Viele dieser Armeeangehörigenhaben außerdem behinderte Kinder, da ihr Erbgut geschädigt ist.
Aber auch Zivilisten sind gefährdet, und dass weit ab von "Krisenregionen". So klagten beispielsweise 1988 nach dem Absturz eines A-10-Kampfbombers in einer Wohnsiedlung in Remscheid viele Bewohner über gesundheitlicheBeschwerden. Ihr Krankenbild war identisch mit dem Golfkriegssyndrom. Wiesich herausstellte, hatte das Flugzeug Uranmunition geladen. Auf deutschenTruppenübungsplätzen wird seit 1978 Uranmunition verschossen.
1992 gab es einen Flugzeugabsturz eines israelischen Transportflugzeugesin einem Amsterdamer Wohnviertel. Radioaktives Material sowie Uranmunitionsollen sich an Bord der aus den USA kommenden Maschine befunden haben. Inder folgenden Zeit kam es in der näheren Umgebung der Absturzstellevermehrt zu Hauterkrankungen, Durchfällen, Leukämie bei Kindernund zu Missbildungen von Neugeborenen.
In Bosnien wurden 1994/95 etwa 10 800 Uranprojektile, und in der relativkurzen Zeit des Kosovo-Krieges 1999 wurden in 78 Tagen circa 31 000 Uranprojektile verschossen. Allein im Kosovo lagern somit zehn Tonnen abgereichertes Uran im Boden ("Spiegel" 3/2001). Seitdem häufen sich die unübersehbaren Krankheitsfälle der dortigen Nato-Soldaten (Italiener, Portugiesen und Finnen). Da das abgereicherte Uran in den Geschossen wasserlöslich ist, wird es über Jahrtausende hinweg das Grundwasser und somit auch dieBucht von Montenegro vergiften, und damit auch Mensch und Tier.
Ohne näher auf die einzelnen Aspekte des Golfkriegssyndroms eingehen zu wollen, lässt sich dennoch ein Fazit ziehen, die Verwendung von Uranmunition widerspricht immens der Genfer Konvention von 1949. Aber es entbehrt sowieso jeglicher Logik, einen Krieg unter humanen Bedingungen führen zu wollen, denn kann Krieg überhaupt menschlich sein?
In der 1949er-Konvention steht geschrieben, dass unbeteiligte Zivilistenaus Kriegshandlungen herauszuhalten sind. Alle Konflikte der letzten Jahrezeigen, dass weder Nato-, US- oder deutsche Truppen sich an die Genfer Konvention halten, da der Einsatz von Uranmunition das flächendeckende Abwerfen von Clusterbomben (Streubomben) und auch der Einsatz von Radaranlagen die Zivilbevölkerung selbst in Friedenszeiten gefährden.
Aber es gibt noch andere Betroffene von Strahlenschäden, deshalb kommen wir nun zum letzten Skandal der Bundesregierung zum Thema Strahlenopfer.Der Berliner Anwalt Reiner Geulen überreichte VerteidigungsministerScharping Ende Juni dieses Jahres eine Sammelklage von über 130 ehemaligenBundeswehrradartechnikern. Viele seiner Mandanten sind von den Folgen jahrelangerSchlamperei und Versäumnisse der Bundeswehr von Krebs oder anderen durchStrahlung verursachten Krankheiten betroffen. Geulen sagte bei einem Interviewim "Focus" vom 22. Juni 2001,dass die Bundeswehr ihre Radartechniker inden sechziger, siebziger und Anfangder achtziger Jahre wissentlich "verheizt"habe. Die Strahlenbelastung derBetroffenen habe den höchstzulässigenGrenzwert für die Bevölkerung pro Jahr um das 5000- bis 20 000facheüberschritten. Dem Anwalt liegen Dokumente vor, die belegen, dass dieBundeswehr seit Ende der fünfziger Jahre über die Risiken informiertgewesen sei, dennoch die Radargeräte nicht mit den nötigen Schutzvorrichtungenausgerüstet und ihre Mitarbeiter nicht gewarnt habe.
Ein ehemaliger Zivilangestellter der Bundeswehr, der von 1971 bis 1977 als Elektrotechniker in der Marineradarwerkstatt in Wilhelmshaven gearbeitethatte, erinnerte sich anhand seiner eigenen Krankengeschichte an sieben Toteundacht schwer kranke Mitarbeiter an seinem ehemaligen Arbeitsplatz. Derheute52-Jährige sei 1991 zunächst wegen Nierenkrebs und des Verdachtsauf Leber- und Lungenkarzinome zwei Mal operiert worden. In den folgendenzwei Jahren sei er fünf Mal an Herzbeutelentzündung erkrankt. Seineigenes Schicksal vor Augen sowie das seiner Kollegen, erinnerte er sichanMessungen, die er selbst 1975 und 1976 an seinem Arbeitsplatz von derWehrbereichsverwaltung veranlassen ließ. Das Bundesamt für Wehrtechnikund Beschaffung räumte laut Bericht ein, dass gemäß ärztlicherBeurteilung ein Gesundheitsschaden durch hohe Strahlung festgestellt wordensei.
Aber nicht nur Zivilangestellte, selbstverständlich auch Soldaten der Bundeswehr sind von den großen Versäumnissen bei der Aufklärung über die Gefahren von Radaranlagen betroffen. Einer dieser SoldatenPeter Rasch. Rasch war lange Zeit Ausbilder von Radartechnikern in Kaufbeuren.Er sagte wörtlich: "Bei uns sind nie Schutzmaßnahmen angeführt worden, wir sind nie belehrt worden, wir haben nie Strahlendosimeter getragen." Peter Rasch litt schon in Kaufbeuren an Sehstörungen und Nervenlähmungen. 1994 dann die Diagnose: Krebs. Seine Ansprüche auf Entschädigung hat er bis heute nicht endgültig durchsetzen können.
Ulrich Häntschel war Radartechniker beim Luftabwehrsystem Hawk. Er wurde unter anderem bei Reparaturarbeiten an einem Radargerät von einem Beleuchtungsradar angestrahlt. Der zuständige Offizier, der das Gerät steuerte, lehnte den Protest jedoch ab mit der Begründung: "Ich kann keine Rücksicht nehmen, ich bin am Kämpfen, wir haben Krieg. Ende." Häntschelsdirekter Vorgesetzter, Winfried Hermann, wurde Zeuge dieses Manövervorfalls.Trotz eingeleitetem Wehrdisziplinarverfahren passierte dem verantwortlichemOffizier nichts. Häntschel erkrankte an Hodenkrebs und stellte Antragauf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung, der jedoch abgelehnt wurde.Seiner folgenden Klage gegen die Bundesrepublik gab das Sozialgericht München1999 Recht. Aber der Bund ging in Berufung, so dass Häntschel bis heutekeine Anerkennung erhielt.
Ähnlich erging es Götz Jost. Jost starb mit 41 Jahren an einerbesonders aggressiven Art von Unterleibskrebs. Der Antrag auf Wehrdienstbeschädigung ist von der Bundeswehr bisher abgelehnt worden. Josts Witwe und seine drei Kinder werden weiter hingehalten. Es sieht so aus, als wenn die Bundeswehr direkt auf die biologische Lösung des Problems setzt und abwartet, bis die Betroffenen versterben, so vermutet es zumindest die Witwe.
Aber ganz unabhängig von der Tätigkeit bei der Bundeswehr gibtes auch noch weitere Probleme, die durch Strahlenbelastung von Radaranlagenverursacht worden sind. Neben Hoden-, Nieren- und Hirntumoren sowie Leukämieerkrankungen gibt es noch ganz andere Schäden, die erst seit kurzem bekannt sind. Demnach gibt es einen erschreckend hohen Zusammenhang von Missbildungen und Fehlgeburten bei Kindern, deren Väter Radarstrahlung bei der Bundeswehr ausgesetzt waren ("Jeversches Wochenblatt" Februar 2001). Der 40-jährige Dieter Neumann ist einer von fünf Mandanten, die als Kinder von Radartechnikern der Bundeswehr mit Behinderungen auf die Welt kamen und sich auch von Geulen vertreten lassen. Bei seiner Entbindung 1961 stellten die Ärzte im Krankenhaus ähnliche Behinderungen fest wie bei zwei vorherigen Totgeburten, deren Väter eine Gemeinsamkeit hatten: Radartechniker bei der Bundeswehr ("Berliner Zeitung" 31. August 2001).
Nun ist die Klage gegen die Bundeswehr nicht mehr nur auf direkt betroffene Ex-Soldaten beschränkt, sondern auch auf deren Kinder. Schmerzensgeldforderungen zwischen 250 000 bis 600 000 Mark pro Geschädigtem wird eine weitere Klage in den USA folgen, da die Radaranlagen aus den USA stammen. An dieser Sammelklage beteiligen sich weitere Nato-Soldaten aus anderen Ländern. Jedoch wird das Geld die mittlerweile über 150 Toten der Bundeswehrnicht wieder lebendig machen können.
Das Problem bleibt aber nicht nur auf Soldaten und deren Angehörigebeschränkt, sondern erreicht weitere Brisanz; nicht nur durch die Angehörigender NVA, die ähnlich fahrlässig verstrahlt worden sind und diesichan der Klage gegen die Bundesrepublik, als Rechtsnachfolgerin der DDR,beteiligen. Denn auch im Realsozialismus wurde mehr auf Wirkung statt aufSchutzmaßnahmen beim Betreiben von Radaranlagen gesetzt.
Laut dem "Jeverschen Wochenblatt" vom Februar 2001 hat ein Arzt in Hiddingen im Landkreis Rotenburg/Wümme eine auffällig hohe Anzahl von Krebserkrankungen festgestellt. In Hiddingen seien drei Mal so viele Menschen an bösartigen Tumoren erkrankt wie in den Nachbardörfern, bestätigte der Allgemeinmediziner Johannes Baron eine Meldung der Soltauer "Böhme Zeitung". Dies bestätigt eine interne Statistik. Ob die etwa drei Kilometer östlich von Hiddingen gelegene und Jahrzente alte Radarstation der Bundeswehr dafür verantwortlich ist, wird geprüft. Hiddingens Bürgermeister Erich Cohrs (CDU) gab den Auftrag an das Gesundheitsamt des Landkreises weiter. Die zuständige Kreisverwaltung als auch die Bundeswehr gaben dazu noch keine Stellungnahme ab. Aber irgendetwas kann ja nicht stimmen, wenn es in fast jedem Haus der 540 Einwohner einen Krebsverdacht gibt. Der Mediziner Baron rät seinen Patienten dennoch, aus Hiddingen wegzuziehen.
Als Forderung kann der Schritt, vor Gericht auf Schadenersatz zu klagen,nur bedingt lindern, was Militär weltweit anrichtet, um Macht und wirtschaftliche Einflusssphären zu sichern und auszuweiten. Es bleibt unsere Aufgabe, nicht nur die Folgen von Militäreinsätzen, sondern Militarismus, gerade unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe, zu bekämpfen.