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Todesfasten in der Türkei
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Verhaf-
tungswelle in Euskadi
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Wiederholter
Angriff auf das Stadtviertel Armutlu Kücük in Istanbul
Militär und Polizei greifen Widerstandshäuser und
Bewohner an und töten dabei vier Menschen
Am 5. November stürmten Spezialeinheiten der türkischen Polizei
und Armee das Armenviertel Armutlu Kücük in Istanbul gegen 6.30
Uhr morgens. Die Operation richtete sich nicht, wie schon so oft davor, "nur"
gegen die Hungerstreikenden und die Widerstandshäuser, sondern auch
gegen die Anwohner. Bei der Militäraktion wurden schwere Waffen, Gasbomben
und Panzer eingesetzt und rund 1000 Soldaten und Polizisten. Vier Menschen
wurden getötet und es gab Dutzende schwer Verletzte mit Brand- und schweren
Kopfverletzungen. Vier der in den Widerstandshäusern Hungerstreikenden
wurden vom Militär verschleppt und werden nun zwangsernährt.
Die Polizei betonte, die vier Getöteten seien ihren Verbrennungen erlegen,
nachdem sie selbst das Feuer gelegt hätten. Von Anwälten der Opfer
wird dies bezweifelt. Auch liberale Tageszeitungen bezweifeln diese Version
und schreiben, dass die Öffentlichkeit mit gezielter Propaganda auf
diesen Polizeieinsatz vorbereitet wurde.
Einen Tag später versuchten Polizei- und Militäreinheiten das zweite
Widerstandshaus zu stürmen. Die Bewohner setzten sich mit Knüppeln
und Steinen zur Wehr. Das Stadtviertel Armutlu und die dort gelegenen Widerstandshäuser
sind aber schon seit längerer Zeit ein ständiges Ziel von massiven
Angriffen der Polizei und des türkischen Militärs. Seit Juli wird
das Viertel faktisch vom Militär belagert, und jeder Besucher wird kontrolliert.
Im August wurde eine Todesfastende aus diesem Viertel verschleppt.
Auch Mitte September wurde das Viertel von schwer bewaffneten Spezialeinheiten
der Polizei und des Militärs belagert und angegriffen. Das Militär
traf auf heftigen Widerstand. Nach Angaben des IKM (Komitee gegen Isolationhaft)
und des Tayad-Solidaritätskomitees sind bei diesem Angriff mehrere Bewohner
durch Gewehrkugeln und Gasbomben schwer verletzt und bei der Barrikadenräumung
von Panzern überfahren worden. Kurz zuvor wurden 150 Menschen festgenommen,
die an der Beerdigung von Umus Sahingöz, der kurz davor im Todesfasten
gestorben war, teilnehmen wollten. Ebenfalls im August und September und
wurden eine Rechtsanwaltsdelegation und zwei Dolmetscher verhaftet, einige
Tayad-Büros wurden gestürmt, durchsucht und verwüstet. Die
Verhaftung von Vertretern von Menschenrechtsorganisationen steht ebenso auf
der Tagesordnung wie die Verhaftung von Journalisten, die sich für die
Gefangenen einsetzen. In den Widerstandshäusern führen wegen Haftunfähigkeit
entlassene Gefangene ihr Todesfasten fort, an dem sich Mitglieder von Tayad
(Angehörige der Gefangenen) solidarisch beteiligen. Die Fortsetzung
des Todesfasten dieser auf Grund ihrer Besorgnis erregenden gesundheitlichen
Situation entlassenen Gefangenen widerlegt die Aussage des türkischen
Staates, dass die Gefangenen von Parteien und Organisationen von außerhalb
gezwungen werden, sich zu Tode zu hungern. Nach Angaben des Menschenrechtsvereins
(IHD) wird der Hungerstreik und das Todesfasten, die nun schon über
ein Jahr andauern, noch von 171 Häftlingen und Angehörigen fortgesetzt.
Seit dem 20. Oktober des letzten Jahres sind nun schon 41 Gefangenen während
des Todesfasten gestorben. Hinzu kommen die Gefangenen, die während
der Erstürmung von mehreren Gefängnissen im Dezember 2000 getötet
wurden, damals kamen 30 Häftlinge um. Oder aber Gefangene, die unter
"mysteriösen" Umständen in Gefängnissen ums Leben kommen wie
zum Beispiel der Gefangene Yunus Güzel, der am 16. Oktober 2001 festgenommen
wurde und sich dann angeblich in der Zelle erhängt haben soll. Der türkische
Menschenrechtsverein IHD Istanbul bezweifelt dies und hat Anzeige gegen den
Leiter und die Beamten der örtlichen Antiterrorabteilung des Polizeipräsidenten
erstattet.
Nach Polizeiangaben soll Güzel sich in der Untersuchungshaft an seinem
Bettgestell aufgehängt haben. Angehörige von Yunus Güzel hingegen
gehen von einem Mord in der Polizeihaft aus. Eren Keskin, IHD-Anwältin,
bezweifelt ebenfalls die offizielle Darstellung. Die Betten in den Zellen
seien in der Erde verankert, so die Anwältin, es ist also mehr als unwahrscheinlich,
dass Yunus Güzel dieses Bettgestell allein aus der Verankerung gerissen
haben soll. Außerdem werden die Zellen der Gefangenen rund um die Uhr
videoüberwacht.
Das Europäische Parlament in Straßburg verabschiedete Ende Oktober
einen Bericht über die Menschenrechtssituation in der Türkei, worin
es der Türkei "unbestreitbare Fortschritte" auf dem Weg zu demokratischen
Reformen bescheinigt. Auch wenn der Bericht am Rande "anhaltende Folter und
erniedrigende Behandlung von Gefangenen" erwähnt, kann man diesen Bericht
wohl als puren Zynismus (oder aber als politisch opportun, denn die Türkei
ist ja ein wichtiger Nato-Verbündeter im Kampf der zivilisierten Welt)
bezeichnen, denn die türkische Regierung versuchte von Anfang an, den
Widerstand Hunderter Gefangener und ihrer UnterstützerInnen zu brechen,
und das mit allen Mitteln, und verweigert weiterhin jegliche Gesprächs-
oder Verhandlungsbereitschaft. Die Gefangenen werden zum Teil zwangsernährt,
womit ihnen irreversible gesundheitliche Schäden zugefügt werden,
sie werden gegen ihren Willen in die F-Typ-Gefängnisse verlegt und sind
dort den Angriffen und Drohungen ihrer Bewacher ausgesetzt.
Die Gefangenen erklärten jedoch schon Anfang August, dass sie trotz
der Verluste zahlreicher GenossInnen, die während des Todesfasten gestorben
sind, ihren Kampf nicht aufgeben werden: "Entweder wir verlassen die F-Typ-Zellen
lebend, oder man wird unsere Leichen hinaustragen. Der Justizminister befindet
sich gegenüber unserem Widerstand in einem Dilemma. Er rechnet sich
aus, dass das Todesfasten von selbst endet. Dies ist eine ins Leere laufende
Erwartung. Ohne architektonische Veränderungen, die Schließung
der Einer- und Dreierzellen und die Gewährleistung, dass wir als Gefangene
bedingungslos zusammenleben können, ist die Isolation nicht aufgehoben.
Die Isolation muss aufgehoben werden!"
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Weitere Infos:
www.basque-red.net www.gestorak.org
www.senideak.org
www.gara.net
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Auf Grund der Verhaftungen von Angehörigen und Freunden der baskischen
politischen Gefangenen hat sich ein Solidaritätskreis gebildet, dessen
Aufruf wir gebeten worden sind zu veröffentlichen. Dieser Bitte kommen
wir an dieser Stelle nach.
Verhaftungswelle im Baskenland
Vom Solidaritätskreis Gestoras Pro Amnistia
Am 31. Oktober 2001 erfolgte eine groß angelegte Aktion der spanischen
Justiz gegen die baskischen Gefangenenhilfsorganisationen Gestoras Pro Amnistia
(Amnestiekomitee), und Senideak (Gemeinschaft der Angehörigen der baskischen
Gefangenen). Bei mehrstündigen Großrazzien, an denen über
200 spanische Polizisten beteiligt waren, wurden mindestens 16 führende
Genossinnen und Genossen in mehreren Städten des südlichen Baskenlandes
verhaftet, unter anderem in den Provinzen Alava, Gipuzkoa, Bizkaya, Navarra.
Angeordnet wurden die Verhaftungen durch den spanischen Richter Baltasar
Garzon, bekannt durch den "Haftbefehl" gegen Pinochet.
Allen gefangenen Genossinnen und Genossen wird Zugehörigkeit zu einer
terroristischen Organisation vorgeworfen (Eta/Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland
und Freiheit). Des Weiteren heißt es, dass die Verhafteten Eta-Mitglieder
im Untergrund unterstützten sowie als Kuriere zwischen der untergetauchten
Eta-Führung und inhaftierten Eta-Mitgliedern gedient haben. Zudem ereiferte
sich der spanische Innenminister Mariano Rajoy darin zu behaupten, die Gefangenenhilfsorganisationen
seien integraler Bestandteil der Struktur der Eta und übten neben der
juristischen Kontrolle und finanziellen Betreuung eine strenge Kontrolle
über die Gefangenen aus, indem die Gefangenenhilfsorganisationen Versuche
der Gefangenen, sich vom Terror loszusagen, unterbinden würden. Außerdem
würden die Gestoras Pro Amnistia und Senideak angeblich die Namen "unbeliebter"
Institutionen und Personen veröffentlichen, die dann zum potenziellen
Ziel von terroristischen Angriffen würden. Angeblich seien die Gefangenenhilfsorganisationen
auch maßgeblich an der Organisierung militanter Straßenproteste
von jugendlichen Eta-Anhängern beteiligt.
Bei den Großrazzien wurden mehrere Büros, Kulturhäuser und
Privatwohnungen durchsucht, in deren Folge Computer, Disketten, Bargeld sowie
umfangreiches Material zur Situation der baskischen politischen Gefangenen
beschlagnahmt wurden. Auf Anordnung des Innenministers Rajoy wurden sämtliche
Konten der Gefangenenhilfsorganisationen "eingefroren", was ja im Zuge des
so genannten internationalen Kampfes gegen den Terrorismus seit dem 11. September
2001 sehr leicht möglich ist. Koordiniert wurde die Verhaftungsaktion
vom Generaldirektor der spanischen Polizei, Juan Cotino.
Von mehreren Seiten gab es Proteste gegen die Verhaftungsaktionen, so protestierte
zum Beispiel die Vizepräsidentin der baskischen Regionalregierung, Idoia
Zenarruzabeitia, und betonte, dass die Verhafteten unschuldig sind, bis das
Gegenteil bewiesen ist. Die LAB-Fraktion (gewerkschaftliche Organisation
innnerhalb des MLNV - Moviemento Liberación Naciónal Vasco)
aus Passaia protestierte ebenso und forderte die Freilassung der Festgenommnen.
In vielen Städten fanden Großdemonstrationen zur Freilassung der
Gefangenen statt.
Dem Sprecher der Gestoras Pro Amnestia, Juan Mari Olano, (gegen den ein Haftbefehl
besteht) gelang die Flucht. Am 1. November 2001 erklärte er in der baskischen
Tageszeitung "Gara", dass die Verhaftungen ein Versuch der spanischen Regierung
seien, von den Folterungen von politischen Gefangenen und den ständigen
eklatanten Menschenrechtsverletzungen abzulenken und diese zu vertuschen.
Juan Mari Olano trat mehrmals an die Öffentlichkeit, vor kurzem in Baiona/Ipparalde
(Nordbaskenland), und wies die Vorwürfe gegen die Gefangenenhilfsorganisationen
zurück und rief zur Solidarität mit den Gestoras und Senideak auf.
Bis zum heutigen Tage hat sich an der Situation nichts verändert. Weder
sind die Gefangenen wieder frei, noch sind die beschlagnahmten Gegenstände,
Gelder und Unterlagen zurückgegeben worden. Stattdessen finden wieder
und wieder willkürliche Übergriffe der Guardia Civil auf Mitglieder
der Gefangenenhilfsorganisationen oder Menschen, die mit ihnen oder anderen
politischen Gruppen in Verbindung gebracht werden, statt, die in Verschleppung
und Folter enden. Der spanische Staat ist nicht einmal gezwungen, sein Vorgehen
zu begründen, denn im Zuge des "Anti-Terror-Kampfes" ist anscheinend
alles erlaubt.
So ist man in allen Teilen der Welt dabei, sich gegen jeglichen Widerstand
und Protest abzusichern. Mit dem neuen Sicherheitspaket I, mit dem der Paragraph
129b in der BRD eingeführt wurde, ist es hier zu Lande nun auch möglich,
Gefangenenhilfsorganisationen, Antirepressions- und Internationalismusgruppen
wegen angeblicher Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen
zu kriminalisieren.
Die Regierung versucht den Bürgern und Bürgerinnen zu suggerieren,
dass die Verschärfung der Sicherheitsgesetze und die damit verbundene
Einschränkung von Grundrechten notwendig ist, um sie vor der terroristischen
Bedrohung zu schützen, wo auch immer oder wer auch immer diese sei.
Die Einführung solcher Gesetze findet aber nicht nur in der BRD statt.
Auch der US-amerikanische Kongress hat in Windeseile seine Gesetze zur inneren
Sicherheit verschärft und fordert ganz nebenbei die Auslieferung kolumbianischer
Farc-Kämpfer an die USA. Auch die Europäische Union nutzt die Gunst
der Stunde, erweitert den so genannten Terrorismusbegriff und will den europäischen
Haftbefehl einführen. Großbritannien hat schon vor einiger Zeit
präventiv 21 Organisationen als terroristisch verboten. Keiner will
hinten anstehen. Es sollte aber klar sein, dass diese Maßnahmen nicht
vorrangig dazu dienen, ausländischer Terroristen habhaft zu werden,
sondern dass sie eindeutig auf die revolutionäre Linke abzielen, wie
in vielen Teilen der Welt zu beobachten ist.
Die Kriminalisierung von Gestoras Pro Amnistia und Senideak betrifft uns
alle!
Für die sofortige Freilassung der inhaftierten Genossinnen und Genossen:
Juan Antonia Madariaga, Alex Belasko, Maite Diaz de Heredia, Iker Zubia,
Gaizka Larrinaga, Julen Larrinaga, Jagoba Terrones (Bürgermeister von
Gretxo), Josu Beaumont, Julen Zelarain, Aratz Estonba, Ainhoa Irastorza,
Antxo Gorka Zulaika, Jon Beaskoa, Iñaki Zarraou, sowie die Aufhebung
des Haftbefehls gegen Juan Mari Olano.
Freiheit für die baskischen politischen Gefangenen
- Freiheit für alle linken politisschen Gefangenen weltweit!
Euskal presoak - Euskal Herrira
Baskische Gefangene ins Baskenland
Solidarität ist eine Waffe
Die Gestoras Pro Amnistia entstanden 1976/77 als praktischer Ausdruck der
Forderung nach der Freilassung aller politischen Gefangenen, die auch die
Diskussionen zu den ersten Parlamentswahlen nach Ende der Franco-Diktatur
beherrschte. Die Gestoras kümmern sich heute um circa 600 baskische
Gefangene. Sie unterstützen sie in juristischen Fragen und lassen ihnen
direkte und materielle Hilfe zukommen. Einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit
ist der Kampf gegen die "Verstreuungspolitik" des spanischen Staates. Dieser
reißt Kollektive der Gefangenen (soweit diese überhaupt vorhanden
sein können) auseinander und versucht die politischen Gefangenen so
weit wie möglich vom Baskenland weg zu inhaftieren, um ihnen so die
Solidarität und Hilfe ihrer Familien, Freunde und UnterstützerInnen
zu entziehen, dass heißt, unter anderem Besuche und Kommunikation nach
draußen zu verhindern. Vollzieht man den Weg der Verlegung einiger
Gefangenen von Knast zu Knast nach, indem man auf einer Karte des spanischen
Staates jeden Knast mit einer Nadel kennzeichnet und diese Nadeln mit Fäden
verbindet, so entsteht nicht selten ein riesiges Spinnennetz. So ist die
bekannte Parole "Baskische Gefangene ins Baskenland" überall in den
Dörfern und Städten an Wänden, Balkonen und Fenstern im Baskenland
zu finden. Ein weiteres Feld der Arbeit der Gestoras ist die Situation der
circa 2000 baskischen Flüchtlinge in Europa und Lateinamerika und deren
ständig drohende Auslieferung an den spanischen Staat, der sich seit
Jahrzehnten in den Berichten von etablierten Menschenrechtsorganisationen
(Amnesty International, Human Rights Watch) wegen seiner Folterpraktiken
wiederfindet. Unter Amnestie verstehen die Gestoras nicht nur die Freilassung
der politischen Gefangenen, sondern auch die Beseitigung der zu ihrer Verhaftung
geführten Bedingungen. Ein Teil ihrer Arbeit umfasst eine breite Informationsvermittlung,
um die Bevölkerung für die unmenschlichen Zustände, denen
die Gefangenen in den spanischen Knästen ausgesetzt sind, zu sensibilisieren,
ein anderer Teil besteht aus der Organisation von öffentlichen Aktionen
und Kundgebungen.
Auch Senideak organisiert regelmäßige Kundgebungen, um auf die
Situation der Gefangenen aufmerksam zu machen. In den Städten ist es
üblich, sich jede Woche auf öffentlichen Plätzen zu treffen
und immer wieder Solidarität einzufordern.
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