Verdun
steht für einen grausamen Stellungs- und
Grabenkrieg,
der seit dem Frühjahr 1916 tausenden von deutschen und
französischen Soldaten das Leben kostete!
Das Scheitern des Schlieffenplans
und die Ratlosigkeit der Armeeführer führten Anfang des
Krieges im Westen zur Festsetzung des deutschen Angriffs und zum
Ende des Bewegungskrieges. Der einsetzende Stellungskrieg an der
fast siebenhundertfünfzig Kilometer langen Frontlinie
erforderte auf beiden Seiten die Anlegung eines tiefgestaffelten
Grabensystems. Dieser Stellungskrieg war letztlich eine direkte
Folge der Stärkung der Defensivwaffen. Der Infanterie
überließ man es allein, die gegnerische Frontlinie über das oftmals schmale Niemandsland
hinweg mehr oder weniger schutzlos zu stürmen.
General Erich
von Falkenhayn, Leiter der
militärischen Operationen des deutschen Feldheers und Chef des
Generalstabes, bestand auf eine stark ausgebaute
Frontlinie, die unbedingt gehalten werden mußte. Erst Anfang
Mai 1915 erlaubte die Oberste Heeresleitung (OHL) den Bau einer
rückwärtigen zweiten Linie. Bis dahin hatte man den
Stellungskrieg nur als vorübergehendes Übel und Provisorium
bewertet.
Der
Stellungskrieg veränderte das traditionelle Bild vom
Krieg: Entmenschlichung des Individuums zu Masse und
Material und Spekulation auf Ausblutung des Gegners.
Das wesentlichste Element des
Stellungskrieges wurde der Schützengraben! Es war der Ort des
Bangens und Wartens unzähliger französischer und
deutscher Soldaten!
Unter der Einwirkung des ständigen Artilleriefeuers
verwandelte sich das Schlachtfeld vor Verdun in eine
unwirkliche Trichter- und Mondlandschaft. Der
Schützengraben symbolisierte Stagnation: die feindlichen
Truppen standen sich nur noch gegenüber, ohne einen
entscheidenden militärischen Vorteil für sich verbuchen
zu können.
Ich
liege auf dem Schlachtfeld mit Bauchschuß. Ich
glaube, ich muß
sterben.
Deutscher
Soldat
bei Verdun in einem letzten Brief an seine Eltern. |
Die Taktik des Stellungskrieges war
überwiegend von Artilleriefeuer und Infanterievorstößen
geprägt; sein Schema bestand aus langen Ruhepausen
und mörderischen Angriffsphasen. Dabei wechselten sich tagelanges
Artilleriefeuer und
Infanteriesturmangriffe ab. War
die erste gegnerische Verteidigungslinie durch Artilleriefeuer zerschlagen und
von der Infanterie erfolgreich gestürmt, mußte erst einmal die eigene Artillerie
nachgezogen werden. Währenddessen hatte der Gegner genügend
Zeit, die eigenen Kräfte neu zu gruppieren.
Das tief und
dicht gegliederte Stellungssystem vor Verdun bestand aus
mehreren, durch Stacheldraht gesicherten Schützengräben, einer
Hauptkampflinie (HKL), unzähligen Auffangstellungen, Deckungs-,
Unterstützungs-, Stich- und Verbindungsgräben. Versehen mit
scheinbar bombensicheren
Erdlöchern, kümmerlichen
und behelfsmäßigen Unterständen, verfaulten,
verlausten und feuchten
Liegestellen, in denen die Soldaten mehr oder weniger hausten.
Nicht selten standen sie dabei bis zum Stiefelrand im
Wasser.
Die
Gegebenheiten des Frontgeländes bestimmten die
Möglichkeiten des Labyrinths von Kampf-,
Lauf-,
Quer-, Bereitstellungs- und Verbindungsgräben. Für die Befestigung der Gräben
hatte man
ganze Wälder abgeholzt und in schnell
errichteten Sägewerken zu Brettern verarbeitet.
Die Gräben
des Stellungssystems waren so tief, daß sie einem einzelnen
Soldaten ein wenig Schutz boten; aber so schmal; daß feindliches
Artilleriefeuer, Granatsplitter und
Schrapnellen möglichst nur geringen
Schaden anrichten konnten. Die Brustwehren waren hoch und mit
Sandsäcken ausgebaut; die Sohlen mit Holzbohlen und
Lattenrosten ausgelegt. Pausenlos schleppten Pioniere das
Baumaterial wie
Eisenbahnschienen, Stollenbretter und
Stacheldrahtrollen
sowie Werkzeuge wie
Spaten und Drahtscheren
nach vorne: genormte Bretter, die man aus vier Bohlen von fast
fünf Zentimetern zusammensetzte: Decken-, Seiten- und
Bodenbretter. Die Drahtverhaue, an
Pflöcken befestigt, waren im ersten Kriegsjahr noch sehr schmal. Schilder
wiesen dem Unkundigen den Weg. Am Ausbau der Gräben wurde
kontinuierlich gearbeitet.
Waffen
für den Grabenkrieg (Auswahl) |
|
Standartwaffe
der deutschen Infanterie: das Gewehr
98 mit dem Kaliber von 7,9 mm |
|
|
|
|
Dt.
Seitengewehr 98 |
Dt. Stielhandgranate |
Dt. Eierhandgranate |
Dt. Grabendolch |
|
|
|
|
Dt. Luger-Pistole |
Dt.
Wurfgranate 16 |
Frz.
Kugelgranate |
Frz.
Eierhandgranate |
|
|
|
Leichtes
deutsches Maschinengewehr
08/15 |
Leichter
deutscher Minenwerfer
neuer Art 1916 |
In den oft zehn Meter tiefen Unterständen,
zwanzig Stufen sollten vor schwerer Artillerie schützen (!),
installierte man anfangs noch elektrisches Licht, Stühle, Tische,
Öfen, Holzbettgestelle, Fußböden und Teppiche. Das
Leben in den Unterständen mit
seinen schlechten hygienischen Bedingungen prägte den
Frontalltag der
Soldaten.
Um sich herum sahen die jungen Männer nur das leere Schlachtfeld: eine
Landschaft des Grauens und der Trostlosigkeit.
Die einst
prächtigen Wälder bestanden nur noch aus mannshohen Stümpfen.
Mit dem möglichen Tod als ständigem Begleiter waren viele
Soldaten den psychischen und physischen Belastungen des
Grabenkrieges bald nicht mehr gewachsen. Die endlosen Tage mit den immer gleichen
Tätigkeiten. Müdigkeit und Erschöpfung prägten den
Alltag. Das Niemands- land zwischen dem
eigenen und dem feindlichen Grabensystem war
vor Verdun machmal
nur fünfundzwanzig Meter tief. Den französischen Fliegern
blieben die überwiegend nächtlichen Schanzarbeiten natürlich
nicht unbekannt: auf Grund der Kreideerde leuchtete der blütenweiße Grabenaushub kilometerweit. Über lange Gräben
waren die an den vordersten Linien eingesetzten
Truppen mit den Nachschubstellen und Feldlazaretten
verbunden. Hinter den Gräben befanden sich die einbetonierten MG-Stellungen.
Bei der geringen Distanz der eigenen und
feindlichen Gräben dauerte ein Angriff nicht länger als fünf Minuten! Die meisten Angriffe erfolgten in der
Morgendäm- merung;
nächtliche Kämpfe gab es nur wenige.
Die
Unsichtbarkeit des Gegners, die große Reichweite der feindlichen nicht
einsehbaren Schweren Artillerie, der Einsatz der Flugzeuge und die Gasangriffe, ließen die Soldaten den Grabenkrieg als
industriellen Krieg erfahren.
Der Schützengraben bot keinen sicheren Schutz mehr.
Quellen
und Literatur:
-
Brocks,
Christine/Ziemann, Benjamin: Vom
Soldatenleben hätte ich gerade genug. Der
Erste Weltkrieg in der Feldpost von
Soldaten, in: Die letzten Tage der
Menschheit. Bilder des Ersten Weltkrieges,
hg. v. Rainer Rother, Berlin 1994.
-
Flemming,
Thomas u.a.: Grüße aus dem Schützengraben, Berlin
2004.
- Hirschfeld, Gerhard u.a.
(Hg.): "Keiner fühlt sich mehr als Mensch".
Erlebnisse und Wirkungen des Ersten Weltkriegs, Ffm. 1996.
- Hirschfeld, Gerhard/ Krumeich,
Gerd/ Langenwiesche, Dieter/ Ullmann, Hans-Peter (Hg.):
Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte
des Ersten Weltkrieges, Essen 1997.
- Knoch, Peter (Hg.):
Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltags als
Aufgabe der historischen Forschung und Friedenserziehung,
Stuttgart 1989.
- Nitschke,
August: Fünf Brüder im Ersten Weltkrieg,
in: Krisen und Geschichtsbewußtsein.
Mentalitätsgeschichtliche und didaktische
Beiträge. Peter Knoch zum Gedenken, hg. v.
Dieter Brötel und Hans H. Pöschko,
Weinheim 1996.
- Rommel, Erwin: Infanterie
greift an. Erlebnis und Erfahrung, Potsdam 1937.
- Seeßelberg, Friedrich: Der
Stellungskrieg 1914-1918, Berlin 1926.
-
Ulrich,
Bernd: Die
Augenzeugen.
Deutsche
Feldpostbriefe
in Kriegs- und
Nachkriegszeit
1914-1933,
Essen 1997.
- Ulrich,
Bernd/Ziemann, Benjamin (Hg.): Frontalltag
im Ersten Weltkrieg-Wahn und Wirklichkeit.
Quellen und Dokumente, Frankfurt/M. 1994.
- Vondung, Klaus (Hg.):
Kriegserlebnis. Der Erste Weltkrieg in der literarischen
Gestaltung und symbolischen Darstellung der Nationen, Göttingen
1980.
- Werth, German: Verdun. Die
Schlacht und der Mythos, Bergisch Gladbach 1979.
Abbildungen:
|
|
weiter
mit Frontalltag:
Bereitschaft
& Ruhestellung
1/3
der Soldaten kämpfte
eine Woche direkt
im Frontbereich,
1/3 befand sich
eine Woche lang
hinter der Front
in Bereitschaft
und 1/3 lag eine
Woche in der
Ruhestellung weit
hinter der Front,
außerhalb der
gegnerischen
Artillerie.
So
lagen z.B. in der
Brûle-Schlucht am
Südhang in Erdlöchern
und schwach
ausgebauten
Stollen die
deutschen
Bereitschaftsbataillone
und
Regimentsgefechtsstände.
|
Copyright
©
2002-2007 by ERICH
KASSING - all right
reserved
|
|
|