INITIAL - streitschrift für autonome und kommunistische politik / online
Ausgabe 01
I N H A L T

         FÜR DEN KOMMUNISMUS! Kapital FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!

Kapital
Schlagt die Spekulanten
Argentinien im Schul-
denstrudel



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An dieser Stelle folgt nun ein Text, der Teil unseres ersten Schwerpunktes war, dem zu Kapital und Globalisierung. Da wir die Kritik des Textes unterstützen können, haben wir uns entschlossen, ihn in dieser Ausgabe zu veröffentlichen. Bedanken wollen wir uns bei dem Menschen, der uns diesen Text zugesandt hat. Der Autor selbst stammt aus Wien.

                                                                             JAGT DIE SPEKULANTEN!
SCHLAGT SIE TOT!
Redundantes über die aktuellen Entgleisungen einer Sorte Antikapitalismus


Von Franz Schandl                                                                                                                      
Helmut Schmidt war es, der diesen Beitrag veranlasste. Der Leitartikel des ehemaligen deutschen Kanzlers in der Zeit vom 3. September mit dem Titel "Der globale Irrsinn" (1) erscheint uns nämlich als äußerst symptomatisch für die sich abzeichnende Pseudokritik eines sich in der Mitte etablierenden Antikapitalismus.
Die globale Finanzkrise wird dort zu einem nationalen Problem degradiert. Weder die USA, noch China, noch Japan, noch Deutschland brauchen Hilfe von außen, es kommt "in allererste Linie auf die Weichenstellung im eigenen Haus" an. Schließlich verlange das alles nach einer "großen nationalen Willensanstrengung und deshalb nach Führung". Was ansteht, ist die Etablierung eines nationalen Willens, der durch die Anstrengung von Volk und Führung den "globalen Irrsinn" der "heißen Spekulanten", kurzum den "Raubtierkapitalismus" überwindet. Ja, was soll man wirklich denken, wenn es da gegen die "exzessive Freiheit einiger Zehntausend habgieriger Dealer und Manager, die auf denkurzfristigen Finanzmärkten herumtoben", geht. In solchen Fällenkocht doch dieVolksseele und schreit nach den Großwildjägern.Obwohl Schmidt dasnun nicht geschrieben und wohl auch nicht gemeint hat,kann es so gelesen werden: Jagt die Spekulanten! Schlagt sie tot!
Spekulation als Kalkulation 
Spekulation ist. Sie gehört zu den tagtäglichen Erledigungen aller Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft. Ausnahmslos jedes Geschäft kennt ein spekulatives Moment. Jeder Preisvergleich, jede Werteinschätzung eines Produkts oder einer Leistung ist Spekulation. Jeder Kauf und jederVerkauf muss und will kalkuliert sein. Die Spekulation hat sich also derguten (aber scheinbar hilflosen) Marktwirtschaft nicht von außen bemächtigt, sondern gehört zu ihr, ist von ihr untrennbar.
Der junge Engels schreibt: "In diesem fortwährenden Auf und Ab muß jeder suchen, den günstigsten Augenblick zum Kauf und Verkauf zu treffen, jeder muß Spekulant werden, d.h. ernten, wo er nicht gesäet hat, durch den Verlust andrer sich bereichern, auf das Unglück andrer kalkulieren oder den Zufall für sich gewinnen zu lassen. (...) Und möge sich der ehrliche Kaufmann nicht pharisäisch über das Börsenspiel erheben. (...) Er ist so schlimm wie die Fondsspekulanten, er spekuliert ebenso sehrwie sie, er muß es, die Konkurrenz zwingt ihn dazu, undsein Handelimpliziertalso dieselbe Unsittlichkeit wie der ihrige." (2) Die gleiche Unsittlichkeitist freilich nichts anderes als die gemeine Sittlichkeit des Kapitals. Allesind ihr unterworfen, schon der weise Adam Smith erkannte zu Recht, dassjeder "in einem gewissen Sinn ein Kaufmann" (3) geworden ist.
Freilich ist die jeweilige Position des Marktteilnehmers zu berücksichtigen. Während die einen sich die permanente Spekulation leisten können und sich mit ihr identifizieren, müssen die anderen sich ihr täglich ausliefern, worauf deren Aversion aufbaut. Es ist für die jeweils Betroffenen ein großer Unterschied, ob auf dem Finanzmarkt, auf dem Immobilienmarkt, auf dem Gemüsemarkt oder auf dem Arbeitsmarkt spekuliert wird. Diese Differenz ist nicht auszublenden, sie ist aber auch nicht zu einer essenziellen Differenz aufzubauschen, die meint, das eine hätte mit dem anderen aber auch schon gar nichts zu tun.
Obgleich bei Hegel bezogen auf das Denken, stimmt seine Aussage auch für unseren Fall des Handelns: "Die Spekulation versteht deswegen den gesunden Menschenverstand wohl, aber der gesunde Menschenverstand nicht das Tun der Spekulation." (4) Das Verkürzte erkennt sich nicht im Verlängerten, während das Verlängerte sehr genau weiß, woher es kommt.         
Je weiter sich das Kapital von seinem Ursprung, der Produktion, also derWertschaffungsebene wegbewegt, desto suspekter wird es dem Alltagsverstand.Bleibt das Warenkapital weit gehend unbehelligt, so gilt das kaufmännischeKapital als zumindest verdächtig, während dem Geldkapital bereitsHass entgegengebracht wird. Die Verhältnisse bleiben in solcher Darstellungunbegriffen, jawerden geradezu gegen missliebige Exponenten derselben verteidigt.Nähe oder Ferne zur Produktion, aber spricht weder für jemandennoch gegen jemanden.           
Die Tragik der heutigen Zeit ist, dass die berechtigten Empörungen gegen das Kapital so derartig von dessen eigenen Ressentiments geprägt und geschädigt sind, dass dieses Aufbegehren eher Beiträge zur gesellschaftlichen Barbarisierung liefert, denn einen emanzipatorischen Schritt darstellt. Insofern steht vor allem der soziale Kampf, der natürlich nicht aufgegeben werden darf, vor einem immensen Dilemma. Immer läuft er Gefahr, die falschen Ansätze zu bedienen. Jenseits vom Mitmachen oder bloßem Dagegensein scheint es heute keine Alternativen zu geben. Gerade die wären abernötig.            
Schaffende gegen Raffende 
Die fundamentale Unterscheidung in Börsenkapital und Kapital wird immer geläufiger. Aber sie trägt nicht. Sie ist ein populistischer Selbstläufer. Sie dividiert Unteilbares, vertraut letztlich auf das produktive gegen das spekulative Kapital, setzt einmal mehr auf das Schaffende gegen das Raffende.
Die abfällige Einschätzung des Spekulanten führt also in die Irre. Sie ist nicht Aufbruch einer neuen Kapitalismuskritik, sie ist deren Verunglückung. Vor allem auch, wenn man noch zusätzlich bedenkt, dass man auf unterer Ebene alle zu kleinen Kuponschneidern (Pensionsfonds, Aktienbesitz...) umrüsten will. "Andererseits darf man nicht vergessen, daß in Aktiengesellschaften nicht die Individuen vereinigt sind, sondern die Kapitalien. Durch diese Manipulation sind Eigentümer in Aktionäre, d.h. in Spekulanten verwandelt worden." (5)
Spekulant ist kein Schimpfwort. Tritt es als solches auf, dann schleppt es - ob es will oder nicht - einen antisemiitischen Subtext mit sich herum. Es ist also mit aller Vorsicht und Deutlichkeit zu benützen, immer mitbedenkend, was da mitgehört, mitgelesen und mitvollzogen werden kann, unabhängig von der ursprünglichen Absicht. Wo diese Klarheit nicht erzielt werden kann, ist ob der Gefahr auf den Gebrauch dieses Terminus zu verzichten. Wir plädieren daher für eine partielle Quarantäne. Was aber nicht umgekehrt meint, dass Begriff und Rolle nun positiv affirmiert werden. Es geht aber auch schon gar nicht darum, nun die Partei des Finanzkapitals und der Börse zu ergreifen.
Spekulation und Spekulantentum soll aus der Kritik nicht ausgenommen werden, sondern vielmehr einbezogen werden in einer gesamtgesellschaftliche Sozialkritik, deren Antikapitalismus sich nicht an bloßen Aspekten abarbeitet und dadurch unrichtig wird. Bei der Kritik der Spekulation ist immer wieder die inhaltliche Rückbezüglichkeit zur kapitalistischen Totalität herzustellen. Wird die Spekulation sachlich isoliert und aus diesem Kontext entlassen, wird sie unweigerlich unerwünschte Resultate tätigen. Gerade nach der nationalsozialistischen Barbarei ist jener Forderung in dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Wer die Spekulation zerstören will, ohne den Kapitalismus abschaffen zu wollen, handelt zumindest fahrlässig. Spekulation ist nie schlimmer als der Markt, dem sie dient. Sie ist nicht seine Ursache, sondern eine seiner Folgen. Die Spekulation ist keine Erfindung der Spekulanten, sie bedientsich ihrer lediglich.
In einer strategischen Orientierung ist das große Kapital nicht gegen das kleine, wie das kleine Kapital nicht gegen das große, das Geldkapital nicht gegen Warenkapital und das Warenkapital nicht gegen das Geldkapital zu verteidigen. Auch wenn es auf taktischer Ebene aktuelle Nuancierungengebenmuss: Das Kapital ist anzugreifen, wo immer es ist. Dort, wo die Kritikdesheißen Geldes zu keiner des Geldes überhaupt wird, dort, wodieKritik von Zins und Dividende zu keiner Kritik des Profits aufsteigt undletztlich zu einer des Werts führen kann, wird sie allerdings regressiv.Das Gemeinewird im wahrsten Sinne des Wortes gemeingefährlich.
Jede linke Freude, dass es jetzt - nach den vielen Jahren ungeschminkterVorherrschaft neoliberaler Ideologie - doch endlich zumindest gegen die Spekulantengeht, ist völlig fehl am Platze. Letzlich verwerflich, weil sie der billigsten, borniertesten und falschesten Sorte des Antikapitalismus aufsitzt.      
Hier steht man noch immer in unseliger Tradition. Schon die SPD beschloss auf ihrem Parteitag 1893 folgende "grandiose" Resolution: "Die Sozialdemokratie bekämpft den Antisemitismus als eine gegen die natürliche Entwicklung der Gesellschaft (sic!, F.S.) gerichtete Bewegung, die jedoch trotz ihres reaktionären Charakters und wider ihren Willen schließlich revolutionär wirkt, weil die von dem Antisemitismus gegen die jüdischen Kapitalisten aufgehetzten kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Schichtenzu der Erkenntniß kommen müssen, daß nicht blos der jüdische Kapitalist, sondern die Kapitalistenklasse überhaupt ihr Feind ist und daß nur die Verwirklichung des Sozialismus sie aus ihrem Elende befreien kann." (6)
Der Antismetismus wurde von der Sozialdemokratie als obligate Kraft unter vielen gesehen, die auch ihre positiven Seiten hätte. In Bebels Worten: "Die widerspruchsvolle Natur des Antisemitismus kommt in den widerspruchsvollen, theils ultrareaktionären und konservativen, theils demokratischen und manchen mit unserem Programm übereinstimmenden Forderungen ihres Programms zum Ausdruck." (7) Der Standpunkt "Lasst die dummen Kerle nur machen, sie werden schon noch draufkommen" ist - vor allem nach den eindeutigen und eliminatorischen Konsequenzen durch den Nazifaschismus - völlig inakzeptabel.
Rationalisten der Irrationalität            
Jede Marktkalkulation ist eine Spekulation. Bei der Börsenspekulation ist das nur am meisten einsichtig, weil dort die Verwertung in ihrer abstraktesten Form (G-G') auftritt, scheinbar jeder stofflichen Verunreinigung enthoben. Geld hat den Ballast des Warenkapitals abgeworfen, arbeitet hier angeblich selbsttätig. Die Perversion des Kapitals zeigt sich beim reinen Geldgeschäft am deutlichsten. Im Spekulanten erfährt dann dieses seinen professionellen Sonderstatus. Aber das ist es auch schon. Alles Weitere ist Verdunkelung. Der aktuelle Kampf gegen die Spekulation ist ein antikapitalistischer Kampf für das Kapital.
Die Börsianer sind nur die überhitzten Rationalisten der großen Irrationalität des Kapitals. Nicht umgekehrt! Die Börse ist nicht die inszenierte Böswilligkeit, die ein an sich gutes marktwirtschaftliches Dasein überwuchert, eine Art Fremdkörper oder Geschwür, das man einfach abschneiden oder entfernen könnte, und alles wäre wieder im Lot. Gerade das suggeriert aber eine Kritik, wie sie heute vom Linkskeynesianismus bis zum Rechtsextremismus am Neoliberalismus geleistet wird. Das Gefährliche der verkehrten Argumentation liegt gerade darin, dass sie billige Feindbilder bedient und einfache Rezepte verspricht. Der Kapitalismus wird gegen dieKritik immunisiert, indem man bestimmte Kapitalisten zum Abschuss freigibt.          
Verfehlt ist es daher, den Börsenspekulanten absichtliches Vernichten ganzer Volkswirtschaften und anderes vorzuwerfen, so als hätten sieSpaßam Untergang bestimmter Staaten oder Branchen. Mitnichten. Ansoetwas denken die nicht einmal, und wenn, dann so wie George Soros, eigentlich dasGegenteil, von dem, was man ihnen unterstellt. Kostprobe: "Für eine funktionierende Gesellschaft ist daher nicht nur der freie Markt wichtig,sondern auch Institutionen, die soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte schützen. Solche Institutionen gibt es in verschiedenen Ländern, nicht aber inder globalen Gesellschaft. Die Entwicklung einer Weltgesellschaft hinkt hinter der Weltwirtschaft her. Solange dieser Rückstandbesteht, hat das weltweite kapitalistische System keine Überlebenschance."(8) Und: "Im Laufe der Zeit wird man die Mängel immer deutlicher spüren, bis der Boomschließlich in den Crash mündet. Wir könnenden Zusammenbruchaber verhindern, indem wir rechtzeitig handeln." (9) Wüsste man nicht,dass er das sagt, würde man es partout jemandem anderen zuschreiben.Soros ist eine börsianische Mischung von Popper und Keynes. Er fürchtetden Crash und bittet um staatliche Sicherheiten für alle, damit er ohnegröbere Belastungen seinen Geschäften nachgehen kann. Ob das heute nichtauch schon immanent gedacht daneben ist, wäre die nächste spannendeFrage.
Wohlgemerkt: Der Spekulant ist nur verteidigungsbedürftig auf Grunddes spezifischen Angriffes, der auf ihn gestartet wird. Ansonsten ist eralsCharaktermaske des realen oder fiktiven Geldkapitals nicht aus der antikapitalistischenKritik zu entlassen. Nur diese darf sich keine Isolierung einzelner Momenteerlauben, will sie emanzipatorisch werden. Der sachliche Einwand gegen denSpekulanten ist kein (auch nicht: kein zu kurzer!) Schritt in die richtigeRichtung, sondern einer in die falsche. "Der Zusammenhang, überwältigendgeworden, wird unsichtbar" (10), schreibt Adorno zu Recht. Und doch ist es Aufgabeder Gesellschaftskritik, diesen unentwegt herzustellen.
Schuldkomplexe
Der sozial-nationale Mythos der bösen Börsenbuben ist hingegenkontraproduktiv. Zweifellos, die entsprechen als Kreaturen des Kapitals oberflächlich allen Vorurteilen. Und es steht auch nicht an, die zuckenden Handy-Automaten sympathisch zu finden oder gar prinzipiell in ihrem Tun zu rechtfertigen. Es geht aber sehr wohl darum, sie nicht als Sündenböcke zuzulassen, denen man die kapitalistischen Verwüstungen anzulasten hätte. Jede Kritik, die sich auf eine bloße Äußerungsform des Kapitalismus ablenken und verkürzen lässt, droht letztlich selbst in reaktionäres Fahrwasser zu kommen. Antikapitalismus ist - will er nicht nach hinten losgehen - ein ganzer Inhalt und keine halbe Sachhe.
Der Wahn des "selbstbestimmten" bürgerlichen Subjekts drückt sich aus in der Bestimmung der jeweils Schuldigen. "Wer ist schuld?", wird gefragt, nicht "Warum ist es so?" Dass etwas sein könnte, ohne dass jemand daran schuld sei, wo kämen wir denn da hin. Auch Helmut Schmidt findet seine Schuldigen. Mitschuldig an den Einbrüchen der Börsen seien die amerikanischen,europäischen und japanischen Börsianer und auch der IWF. Doch woransind sie schuldig? Dass sie sich als Geldkapitalistenwie Geldkapitalistenaufführen? Das sollte doch als selbstverständlich angenommen werden.Schmidt und andere möchten schon einmal sagen, wie sich jene eigentlichhätten verhalten sollen, und auch beantworten, warum sie meinen, dasssie sich anders hätten verhalten können.         
Die Begriffe Schuld, Schulden und Schuldige sind letztlich christlichen Ursprungs. In den bürgerlichen Geschäften und Gesetzen treiben sie nun schon Jahrhunderte ihr Verwesen. Das Böse wird immer personifiziert, es hat zu opfern oder geopfert zu werden. Das abendländische Ritual, irgendwelche Opfer suchen zu müssen und ausfindig zu machen, vereinigt rechts und links in einem seltsamen Taumel. Je mehr Schuldige man habhaft wurde, je mehrverurteilt werden konnten, desto schlimmer ist es übrigens zugegangen.            
Emanzipatorische Praxis hätte hingegen den Inhalt zu radikalisiereren, nicht die Verhältnisse zu rabiatisieren und Personengruppen zu stigmatisieren. Aus dem Elend der Charaktermasken ist nicht auf die Elendiglichkeit ihrer individuellen Träger zu schließen. Egal gegen wen sie sich richtet, wir brauchen alles andere als eine Pogromstimmung.
           
       
Fußnoten:                          
1. Helmut Schmidt, Der globale Irrsinn, in: Die Zeit,vom
3. September1998, S. 1. Zwei Wochen später titeltedas Blatt, so als hätte das eine absolut nichts mit dem anderen zu tun:"Rechts wird chic".
2. Friedrich Engels, Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie (1844), MEW, Bd. 1, S. 515-516.
3. Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und Ursachen (1775/76), München 1978, S. 23.
4. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen System der Philosophie (1801), Werke 2, Frankfurt am Main 1986, S. 31.
5. Karl Marx, Der französische Crédit mobilier (1856), MEW, Bd. 12,S.33.
6. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten zu Köln a. Rh. v. 22. bis 28. Oktober 1893; hier zit. nach: Iring Fetscher (Hg.), Marxisten gegen Antismemitismus, Hamburg 1974, S. 58-59.
7. Ebenda, S. 73.
8. George Soros, "Selbstregulierung des Marktes" ist ein gefährlicher Mythos, in: Der Standard 24. Dezember 1997, S. 31.
9. George Soros, Prinzip der permanenten Veränderung, in: Der  Standard,27. Dezember 1998, S. 29.
10. Theodor W. Adorno, Gesellschaftstheorie und Kulturkritik, Frankfurt am Main 1975, S. 151.

   
                     




              






                   





             

                     
                                       
                                                          

Argentinien im Schuldenstrudel

Millionen Arbeitslose demonstrieren für Arbeitslosengeld - Streiks im ganzen Land

Buenos Aires - Sicher wird mancher denken, die Anschläge von New York und Washington haben andere, nicht unwichtige Nachrichten verdrängt. Dies könnte auch bei Argentinien angenommen werden, nur: Die Krise in Argentinien dauert nun schon über ein halbes Jahr an und hat Ausmaße angenommen, die sogar wichtigste staatliche Funktionen infrage stellen. Trotzdem wurde nur sehr zögerlich in der bürgerlichen Presse berichtet.
Nun aber im Einzelnen. Als der jetzige Staatspräsident Fernando De la Rúa im Dezember 1999 die Amtsgeschäfte übernahm, hofften noch viele in Argentinien, der neue Präsident könne die grassierende Staatsverschuldung stoppen und gar verringern. In der Tat ist Argentinien seit Jahrzehnten ein chronisch verschuldetes Land. Die Staatsverschuldung betrug 1993 29 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 1999 jedoch schon 45 Prozent. Viele sahen vor allem in dem ehemaligen Präsidenten Carlos Menem den Hauptschuldigen der Krise, weshalb große Teile der Bevölkerung über die vorübergehende Verhaftung Menems in Freudentaumel ausbrachen. Allerdings wich diese Freude bald der Wut, als die Anklagepunkte bekanntwurden: illegaler Waffenhandel und Korruption. Menem und seiner Familie wird vorgeworfen, sich beim Verkauf von Staatsbetrieben um mehrere Milliarden Dollar bereichert zu haben, und dies bei einer Verschuldung von 120 Milliarden Dollar.
Um diese Verschuldung wenigstens einzugrenzen, flog der argentinische Finanzstaatssekretär Daniel Marx am 9. August nach Washington, um Gespräche mit dem IWF über eine Erweiterung der bereits bestehenden Verschuldungsprogramme in Höhe von 40 Milliarden Dollar aufzunehmen. Die Gespräche gestalteten sich zunächst relativ schwierig, da die Krise mittlerweile zu extrem radikalen Protesten der Bevölkerung führte, die es der Regierung erschweren, die IWF-Richtlinien für die Kredite umzusetzen. So werden die Renten nur noch zu 87 Prozent ausbezahlt, ebenso werden die Gehälter der Staatsbediensteten nur noch in Teilen ausbezahlt. Nach über zwei Wochen, am 21.August,einigten sich die Herrschaften allerdings auf ein neues Kreditvolumen in Höhe von acht Milliarden Dollar. Das Land steht nun mit 128 Milliarden Dollar inder Kreide.
In Argentinien selbst wurde diese Nachricht kaum noch positiv aufgenommen. Was hilft auch eine weitere Verschuldung, wenn das Land schon an dem alten Verschuldungsstand fast erstickt? Gleichzeitig die Herrschenden aber die Leistungender Bevölkerung, die Betriebe, zu Schleuderpreisen verramscht hat? DerZorn auf die Regierung wurde im argentinischen Wintermonat August jeden Tagdeutlicher. In allen Landstrichen schlossen die Betriebe, Massenwurden voneinem Tag zum anderen auf die Straße geworfen, die Arbeitslosigkeit schnellte offiziell auf 17 Prozent hoch, der Mittelstand existiert nichtmehr. Im ganzen Land organisieren die Arbeitslosen Demonstrationen gegenden sogenannten freien Markt und fordern die Einführung von Arbeitslosengeld.Doch selbst die, die noch arbeiten, bekommen oft Lohn oder Gehalt nicht ausgezahlt.Es kommt daher zu Streiks und Straßenblockaden. Selbst die Profi-Fußballspieler, die wie kaum eine andere Schicht wie Ikonen verehrt und deshalb relativ verhätschelt wurden, streikten, um die Auszahlung ihrer Löhne zu erzwingen. Bis August wurden mindestens drei Menschen bei Demonstrationen von der Polizei erschossen.              
Diese neue Bewegung ist aber kaum aufzuhalten. Meinungsumfragen besagen, dass80 Prozent der argentinischen Bevölkerung die Forderung richtigfinden, anstatt im sozialen Bereich zu sparen, lieber bei den primären Staatsausgaben zu kürzen. So musste die Regierung teilweise einlenken und ließ zum Beispiel die Kasernen der Armee für drei Tage dieWoche schließen. Die Forderung nach einem starken Abbau der extremkorruptionsanfälligen, zugleich aber unproduktiven Beamtenschaft konnte damit aber auch nicht gedämpft werden. Ebenso findet der Gedanke einerweiteren Privatisierung von Staatsbetrieben keine Mehrheit mehr. Der Glaubeam Sinn des kapitalistischen Gesellschaftsmodells ist in weiten Teilen zusammengebrochen.             
Die Senatswahlen vom 14. Oktober brachten der Regierung schließlich eine erste Quittung. Sie stürzte nach ersten vorliegenden Ergebnissen um über zehn Prozent ab. Auf Grund des dem britischen Modell nachempfundenen Wahlsystems konnte die Peronistische Partei in 17 der 24 Distrikte die Wahlen gewinnen und wird aller Wahrscheinlichkeit nach den nächsten Präsidenten stellen. Ob jedoch der Parteinachfolger von Carlos Menem die Krise bewältigen kann, bleibt dahingestellt. Auch die Auswirkungen auf den gesamten südamerikanischen Markt sind noch lange nicht abzuschätzen. Ein erfreuliches Ergebnisbrachten die Wahlen aber dennoch. Die Anzahl ungültiger Stimmen stiegin einigen Distrikten auf 27 Prozent, es wird damit gerechnet, dass der Durchschnitt bei etwa 20 Prozent liegt.