INITIAL - streitschrift für autonome und kommunistische politik / online
Ausgabe 05
I N H A L T

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Privatisierung im Gesundheitswesen - Medizin und Pflege im Zeichen des Profits

Abfertigung im Akkord, Sparzwang und Privatisierung: Die Leidtragenden sind die Patienten und das Personal

Von Peter Müller      

Vor nun knapp zwei Jahren im Januar 2001 wurden die ehemals landeseigene Krankenhäuser  aus öffentlicher Hand in private Hand überführt. Die angeblich leeren Kassen Berlins konnten  eine Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems und somit eine adäquate Patientenversorgung nicht mehr sicherstellen. Nach marktwirtschaftlicher Logik kam die Antwort: Es wurde privatisiert und verscherbelt. Aus der vom Berliner Senat gegründeten Net-GE entstand das Großunternehmen Vivantes-Netzwerk für Gesundheit GmbH. Vivantes ist mit mehr als 6300 stationären Betten, 2500 Plätzen in der Altenpflege und rund 15 000 Mitarbeitern das größte Krankenhausunternehmen in der BRD. In der Berliner Krankenhauslandschaft nimmt das Unternehmen einen zentralen Stellenwert ein. Zehn Häuser stehen in Berlin derzeit für die Krankenversorgung zur Verfügung.
„Mit Vivantes hat die Qualität der medizinischen und pflegerischen Betreuung noch mehr Gewicht bekommen“, behauptet Wolfgang Schäfer in einem Interview im „Viva Journal“, der linientreuen Hofberichtspostille der GmbH. Doch trotz hartnäckiger Einschwörung auf die „Wir sind eine Familie“-Ideologie der Vivantes-Veröffentlichung und der unkritischen Haltung eines Großteils der Medien sieht die Realität der Beschäftigten sowie der Patienten anders aus.
Was wir als Beschäftigte miterleben, sind mittlerweile unhaltbare Zustände auf den Stationen der Vivantes-Häuser. Abgehetztes und völlig überlastetes pflegerisches und medizinisches Personal ist der Alltag. Auf einigen Stationen findet sogar eine Überbelegung durch so genannte Überbetten statt. Es ist kein schlechter Witz, dass ein völlig immobiler Patient sein Stuhlgang im Bett auf dem Gang verrichten muss oder die sterbende Patientin kurzerhand ins Spritzenzimmer verfrachtet wird, weil ihr Zimmer für einen neuen Patienten benötigt wird. Im Mittelpunkt der Arbeit auf den Stationen steht nicht der Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen, sondern die Abfertigung im Akkord, was die Entwicklung der durchschnittlichen Liegezeiten verdeutlicht. (siehe Tabelle des Statistischen Landesamtes Berlin).
Doch auch die anderen Beschäftigtengruppen im Krankenhaus sind durch Mehrbelastung und Lohndumping betroffen. So wurde ein Großteil der patientenfernen Bereiche ausgegliedert. Ein Beispiel ist das Reinigungspersonal, das zum großen Teil bei einer Privatfirma beschäftigt ist und aus zumeist ausländischen KollegInnen besteht, die rund 40 Prozent mehr Arbeitsbelastung haben als zuvor und für mieseste Löhne ackern müssen.
Die beschriebenen Zustände sind nicht etwa eine kurze Übergangsphase der Umstrukturierung, sondern die dauerhafte Folge der Privatisierung. Medizin und Pflege werden zu einer x-beliebigen Ware degradiert und sollen profitabel gestaltet werden. Diesem Kriterium muss sich der pflegerische- und medizinische Bereich unterordnen. Die Folgen tragen die Beschäftigten und die Patienten.
Die Politik der Privatisierung
In der politischen Diskussion wird der Gesundheitsbereich immer wieder mit dem Schlagwort der „Kostenexplosion“ bei den Krankenkassen versehen. Das soll im Klartext heißen, die Ausgaben zur medizinischen Versorgung und Prävention steigen in einem Maße, welches nicht mehr zu finanzieren ist.
Dies ist komplett falsch, denn der Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen am Bruttoinlandsprodukt ist in den letzten 20 Jahren nur geringfügig gewachsen. Das bisherige Gesundheitssystem leidet weniger an steigenden Ausgaben, sondern an den sinkenden Einnahmen der Krankenkassen und dem Einsparwillen des Staates. Demnach ist der Rückgang der Einnahmen der Krankenkassen eben nicht durch die angebliche Kostenexplosion entstanden, sondern durch die Massenarbeitslosigkeit und die sinkenden Reallöhne. Dabei sollte der Profitdurst der Pharmaindustrie in Bezug auf teure Markennamen von Medikamenten oder Medizintechnik nicht vergessen werden, der durch die Kassen und das Geld der Patienten durch Zahlungen gestillt werden muss.
Insgesamt besteht der Trend, dass der Staat sich gänzlich aus seiner Verantwortung der Gesundheitsversorgung zurückzieht. So sollen in Zukunft ein Großteil durch private Träger oder wie erwähnt die Stationen/Bereiche selbst durch die so genannten Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups - DRG´s) finanziert werden. Ein System, in dem eine bestimmte Erkrankung feste Leistungen erfordert und eines festen Budgets bedarf. Die logische marktwirtschaftliche Folge ist die Abfertigung am Fließband, um die Station und eine Patientenversorgung weiter finanzieren zu können.
Laut Privatisierungsplänen ist das Personal der Faktor , an dem am meisten gespart werden muss. So wurden diverse Bereiche bereits geschlossen ( bsp. Reduzierung der Bettenzahl im Klinikum Am Urban auf die Hälfte), und viele Zeitverträge liefen aus und wurden nicht verlängert. Weniger ÄrztInnen, weniger Pflegepersonal, geringer qualifiziertes Personal und offenes Lohndumping (bsp. Auslagerung nichtmedizinischer Bereiche, Überlegung der Green-Card in der Hauskrankenpflege), werden die Situation zusätzlich verschlechtern.
Im „Viva-Journal 1/02“ hört sich das so an: „Die Arbeit der Medical Boardes wird im Medizin- und Pflegebereich durch Verbesserung der Arbeitsabläufe unter Berücksichtigung leitlinienorientierter Qualitätsstandards eine Produktivitätssteigerung um 20 Prozent bewirken.“
Sicher wird es für die, die es sich leisten können, eine High-Tech-Medizin und eine gute Pflege geben. Für den Durchschnittspatienten wird dies jedoch eine Abfertigung zweiten oder dritten Grades nach kürzester Liegezeit und des geringsten Aufwandes bedeuten, außer er/sie besorgt sich eine teure Zusatzversicherung. Als Beispiel für dieses System können die USA dienen , deren Grundlage der Patientenversorgung schon lange auf einer Zwei-Klassen-Medizin beruht. Statistisch gesehen kann sich dort jeder Bürger nur einen Arztbesuch pro Jahr leisten. Die USA haben trotz des weitgehenden Ausschlusses von derzeit knapp 100 Millionen Menschen, die nicht versichert oder stark unterversichert sind, die höchsten Ausgaben im Gesundheitssystem.
DRG´s: Das neue Zauberwort der Einsparung im Gesundheitswesen nicht nur bei Vivantes
Flächendeckend soll jetzt in Deutschland auf die so genannten DRG´s umgestellt werden. Diese DRG´s sind Fallpauschalen, nach denen ein Patient nach festem Schema in Zukunft behandelt werden soll, und dienen der Ökonomisierung der Krankenhäuser. Individuelle Bedürfnisse haben in Zeiten der Rationalisierung nichts mehr zu suchen. Die Einführung der DRG´s wird schwerwiegende Folgen auf die Patientenversorgung haben.
Mitte der neunziger Jahre sollte diesbezüglich eine wissenschaftliche Untersuchung stattfinden. Das Projekt musste noch vor Beendigung der dreijährigen Laufzeit beendet werden, weil das Bundesministerium für Gesundheit die Finanzierung schließlich ablehnte. Die Ergebnisse ergaben wohl eine verheerende und nicht zu veröffentliche Tendenz. Vor diesem Hintergrund führte die Arbeitsgruppe Public Health am Wissenschaftszentrum Berlin ein Forschungsprojekt durch, ob Veränderungen der Patientenversorgung im Gefolge der geänderten Krankenhausfinanzierung eingetreten sind. In einem Zeitraum von zwei Jahren wurden rund 70 Interviews mit leitenden Angestellten, Pflegekräften und ÄrztInnen geführt. Die Ergebnisse bewiesen eine verheerende Tendenz und sind hier in Kurzform dargestellt:
- die Verweigerung oder Verschiebung von Behandlungen aus wirtschaftlichen Gründen,
- die Einbestellung von Patienten nicht nach medizinischer Notwendigkeit, sondern nach Art der zu erzielenden Vergütung,
- der Einsatz unter den Standards liegender Verfahren und Materialien,
- die Weiterverlegung von Patienten, wenn absehbar ist, dass ihre Versorgung sehr hohe Kosten Verursachen wird,
- der Einsatz von Computerprogrammen auf Intensivstationen, die errechnen, wie hoch die Überlebenschance des Patienten ist, um eine wirtschaftliche Behandlung im Vorfeld zu sichern,
- die vorzeitige Entlassung von Patienten, um Behandlungskosten zu sparen,
- die Verlegung von Fallpauschal-Patienten in noch nicht rehabilitationsfähigem Zustand in eine Rehabilitationseinrichtung, um Behandlungskosten auszulagern und Überschüsse zu erzielen.
(nach „WZB-Mitteilungen Nr.93“, Sept.01; „Krankenhaus Info Nr.1“/Feb. 2002)
Die Aussagen der Untersuchung sprechen für sich. Zwar sind die DRG´s in den Vivantes-Häusern noch nicht im Einsatz, jedoch in dieser oder leicht abgeänderter Form bereits Realität in vielen Krankenhäusern in der BRD. Zusätzlich kommt zu den genannten Punkten eine weitere Bürokratisierung der Pflege und der Medizin. In ausgeklügelten Dokumentationssystemen wie den DRG´s wird die Zeit für Medizin- bzw. pflegefremde Tätigkeiten erhöht, somit sind wir Beschäftigten ein Großteil der Zeit damit beschäftigt, Bürokratie zu erledigen. Diese Zeit wird dem Patienten geklaut. Durch den Zwang der detailgenauen Tätigkeitsnachweise soll nicht etwa die Arbeitsbelastung dokumentiert werden, sondern nach Betriebsinteressen der gläserne Patient und der gläserne Mitarbeiter geschaffen werden, um weitere Rationalisierungen durchzudrücken.
Die Umstrukturierung nach den Kriterien des Marktes ist dadurch als deutliche Qualitätseinbuße der Patientenversorgung zu verstehen und dient lediglich der Krankenhausgesellschaft und nicht den Beschäftigten und dem Patienten.
Ausbildung unter dem Hammer
Die Ausbildungssituation hat sich in den Vivantes-Häusern nach der Privatisierung stark zum negativen gewandelt. So wird die Zahl der Auszubildenden von knapp 1200 auf 450 gekürzt. Die örtlichen Krankenpflegeschulen wurden zum Großteil geschlossen und zentral im Krankenhaus Neukölln zusammengeführt. Die Chance auf Übernahme nach der Ausbildung liegt derzeit bei null. Das ist seit 2001 die Realität. Nur zum 01. April 2002 sollten einmalig rund 110 Auszubildende übernommen werden, davon 70 in der Altenpflege. Ein fauler Kompromiss, meinten die Auszubildenden auf einer Versammlung im Theater des Westens im Frühjahr dieses Jahres. Denn wer einmal in der Altenpflege abgestellt wurde, hat auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen, wieder in den Akutbereich der Krankenhäuser zu kommen. Außerdem ist die Ausbildung zur Altenpflege ein anderer Ausbildungsgang und bedarf einer geringeren Qualifizierung. Ernst Otto Kock, zuständig für die Personalpolitik bei Vivantes, drückte bei der Veranstaltung auf die Tränendrüse. „Die armen, alten Menschen müssen doch auch versorgt werden, dass ist eine große Herausforderung“, so Kock.
Zusätzlich zu der klassischen Ausbildung zur Krankenpflege wurden diverse neue Kurse eröffnet. Vivantes bietet nun wieder den Ausbildungsgang zum Krankenpflegehelfer (KPH) und erstmalig die Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten(OTA) an. Zur OTA-Ausbildung heißt es im „Viva-Journal 05/02“: „Der Vorteil gegenüber dem traditionellen Weg ist die wesentlich kürzere Qualifikationsphase und die damit verbundene höhere Wirtschaftlichkeit.“
Insgesamt soll diese neue Ausbildung zwei Jahre dauern und ist für den Arbeitgeber deutlich wirtschaftlicher als eine Krankenpflegeausbildung mit anschließender Spezialisierung. Ebenso wird die Ausbildung zur KPH in einem einjährigen Lehrgang durchgepeitscht. Es geht darum, möglichst schnell und möglichst wenig Kosten zu verursachen, um schließlich das Personal funktionieren zu lassen. Die Qualität und die fachliche Kompetenz bleiben dabei schon jetzt auf vielen Stationen merklich auf der Strecke. Waren es zum Beispiel in einem Bereich mit 40 Betten noch vor einigen Jahre fünf Krankenpflegekräfte im Frühdienst, so sind es heute eine examinierte Krankenpflegekraft, eine KPH und zwei Auszubildende, die die Patientenversorgung im Frühdienst übernehmen. Auf einigen Stationen ist das die Realität. Darunter leiden müssen die Patienten und wir als Beschäftigte.
Die Spezialisierung der Ausbildungsgänge wird auch zusätzlich die Hierarchisierung auf den Stationen vorantreiben. Diese ohnehin schon sehr starken Tendenzen in vielen Krankenhäusern lähmen zum großen Teil eine Auseinandersetzung mit Problemen. Durch Verweis auf die Zuständigkeiten werden kreative Ansätze schon im Keim erstickt. Das Nach-unten-Treten und Nach-oben-Buckeln ist traurige Realität des Stationsalltags und wird durch die Ängste um die eigene Arbeitsplatzsituation noch geschürt.
Kritik im Keim ersticken oder der Umgang von Vivantes mit uns Beschäftigten
Die Angriffe auf die Beschäftigten von Seiten der Geschäftsführung gehen weiter. So soll der privatisierungskritische Betriebsrat des KH Neukölln, Volker Gernhardt, durch juristische Mittel zum Schweigen gebracht werden. Grund der erneuten Eskalation: das öffentliche Anprangern von Missständen im Krankenhaus und ein offener Brief der „Aktionsgruppe am Klinikum Neukölln“. In diesem Brief wird die Aussage von Vivantes-Manager Wolfgang Schäfer auf einer Personalversammlung zitiert, dass die Qualität der Patientenversorgung im Krankenhauswesen weder abhängig von der Zahl noch von dem Ausbildungsgrad der Beschäftigten sei. Das zitieren von Wolfgang Schäfer brachte dem Betriebsrat schließlich eine einstweilige Verfügung sowie zwei Abmahnungen ein. Die einstweilige Verfügung besagt, dass er seine Aussagen über so genannte Betriebsgeheimnisse nicht mehr kundtun darf.
Zusätzlich sollten mehrere Auszubildendenvertreter nicht übernommen werden, obwohl diese bereits in Dienstplänen aufgeführt wurden und ihnen die Übernahme laut Betriebsverfassungsgesetz zusteht. Auf die eingereichten Klagen hagelte es von Seiten der Geschäftsführung Gegenklagen gegen die Auszubildendenvertreter. Doch dem nicht genug wurden die Betriebsräte sowie die gesamten JAV’en (Jugend- und Auszubildendenvertretung) gleich mitverklagt, die sich für die Übernahme einsetzten. Letztendlich war die Geschäftsführung durch Protest und Rechtsgrundlage gezwungen, die Klagen zurückzuziehen. Insgesamt zeigen die Vorgänge, auf welche Art und Weise gegen „missliebige“ KollegInnen oder gegen angeblich zu viel Personal vorgegangen wird.
Widerstand, dafür sind die Gewerkschaften zuständig?
Insgesamt gesehen sind die Gewerkschaftsfunktionäre und somit die Gewerkschaften selbst nie gegen die Privatisierungspläne des Berliner Senats vorgegangen, sondern haben sich aktiv an der Erarbeitung und Umsetzung beteiligt, was inhaltlich die ausgehandelten Tarifverträge zeigen. Für einige hat es sich sogar gelohnt. Man denke an den Personaldirektor Ernst Otto Kock , den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der ÖTV Berlin. Auffällig ist ein verbalradikales Auftreten beispielsweise der Verdi-Funktionärin Heike Spiess. Doch wenn es darum geht, konkrete Aktionen durchzuführen, wird der Rückzug angetreten. Beispielsweise wurde eine Aktion zur Übernahme von Auszubildenden, die ursprünglich unangemeldet vor den Toren der Geschäftsführung stattfinden sollte, von der Gewerkschaft bei der Polizei und der Geschäftsführung angemeldet und in eine brave und peinliche „Alle reden miteinander“-Protestaktion umgewandelt. „Auf der Grundlage fairer Vereinbarungen mit den Betriebsräten verläuft der Personalum- und -abbau in ruhiger, sachlicher Bahn und kann deshalb als sehr erfolgreich bewertet werden“, stellt der Geschäftsführer für Personal und Soziales, Ernst Otto Kock, fest. Besser könnte die Rolle der Gewerkschaften nicht dargestellt werden.
Die herrschende Politik der deutschen Gewerkschaften dient dazu, entstehenden Protest zu kanalisieren und diesen systemkonform zu integrieren. Das vermeintliche verbalradikale Auftreten der Gewerkschaftsfunktionäre ist wohl dabei eher als Identifikationsinstrument zu verstehen und dient damit zur Stabilisierung des Systems der Marktwirtschaft und der bürgerlichen Demokratie. Sie ist ein Teil des großen Demokratiespektakels, das uns ebenso bei den Wahlen vorgegaukelt wird. Ob grün, gelb , rot oder schwarz - siegen wird das Kapital.
Viel zu lange haben die Beschäftigten und die Patienten den Kürzungen zugesehen und auf die vermeintlichen Interessenvertretungen vertraut. Es geht darum, aufzustehen und für die eigenen Interessen zu kämpfen. Nicht im Rahmen der Gewerkschaften, die mit ihrer Stellvertreterpolitik nicht nur im Gesundheitssystem ihren Beitrag zur Verschlechterung der Arbeitssituation geleistet haben. Einzig und allein ein Bruch mit der herrschenden Logik der Marktwirtschaft und der Gewerkschaften wird einen produktiven Prozess des Protestes und der Veränderung mit sich bringen. Wir Beschäftigten müssen auf die eigene Kraft gemeinsam mit allen anderen Betroffenen setzen und uns selbst organisieren. Nur daraus kann eine Bewegung entstehen, die nicht nur im Stadium des Protestes stecken bleibt, sondern produktive Verbesserungen erarbeitet und schließlich erkämpft. Wir wollen eine Gesellschaft, die nicht auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht, sondern auf Mitmenschlichkeit und Vernunft. Das muss auch seinen Ausdruck im Gesundheitsbereich finden.
In der bestehenden Gesellschaft ist es die Realität, dass mit der Einschulung auf das Arbeitsleben vorbereitet wird, um nach der Ausbildung bis kurz vorm Sargnagel zu ackern. Schließlich kaputt gearbeitet, werden die Menschen in ein Altenheim verfrachtet, um bei einer Satt-und-sauber-Pflege dahinzuvegetieren und schließlich zu krepieren. Das ist die Realität für einen großen Teil der arbeitenden und unterprivilegierten Klassen in diesem Land. Eine qualitativ hochwertige Medizin muss dem Menschen dienen und nicht nur Instrument sein, um die Menschen wieder arbeits-/funktionsfähig zu machen. Der Umgang mit den Menschen ist immer ein Spiegelbild der herrschenden Gesellschaft. Aus diesem Grund ist es wichtig, den Bruch zu machen und revolutionäre Strukturen zu stärken.

Schluss mit der Privatisierung im Gesundheitssystem!
Verbesserung des Personalschlüssels!
Abbau der Hierarchien in den Kliniken!
Wehrt die Angriffe gegen die Beschäftigten und die Patienten ab!
Medizin und Pflege müssen der Allgemeinheit dienen. Keine Zwei-Klassen-Medizin!
Weniger Arbeit, mehr Leben, mehr Kohle!
Schließen wir uns zusammen, um der marktwirtschaftlichen Unmenschlichkeit zu widerstehen!
Für ein Gesundheitssystem im Interesse des Menschen, das den Begriff gesund verdient!



















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Thesen zur Diskussion im
Anti-Hartz-Bündnis


                            
Vom Gegeninformationsbüro


Mit der Umsetzung der Konzeption der Hartz-Kommission beginnt der einschneidenste arbeitsmarkt- und sozialpolitische Angriff von Oben in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschich-
te.
Der innenpolitische Systemwechsel beinhaltet, daß die klassische Sozialdemokratie und mit ihr das System des bürgerlichen Sozialstaats die Bühne des Zeitgeschehens verlassen.
In seiner Regierungsrede am 29.10.02 erklärt Bundeskanzler Schröder: der Wohlfahrtsstaat steht zur Disposition. Wörtlich sagte er: "Zur Reform und Erneuerung gehört auch, manche Ansprüche, Regelungen und Zuwendungen des deutschen Wohlfahrtsstaates zur Disposition zu stellen. Manches, was auf die Anfänge des Sozialstaates in der Bismarck-Zeit zurückgeht und vielleicht noch vor 30, 40 oder 50 Jahren selbstverständlich und berechtigt gewesen sein mag, hat heute seine Dringlichkeit und damit seine Berechtigung verloren."
Dieser Angriff beinhaltet:

1. Die Zerschlagung des bisherigen - in über hundert Jahren erkämpften - sozialen Sicherungssystem. Die ersten Schritte waren der Beginn der stufenweisen Privatisierung der Kranken- und der Rentenvorsorge. Nun beginnt die schrittweise Abschaffung der sozialen Grundsicherung.
Mittel dazu sind:
- Sozialgeld nur noch für Arbeitsunfähige

Alle Arbeitsfähigen, die bisher Sozialhilfe bezogen haben, werden in Höhe der bisherigen Sozialhilfe in das neue Arbeitslosengeld II eingestuft.
- Senkung des Arbeitslosenhilfeniveaus
Die neuen Kriterien der Mitwirkungspflicht werden so hoch geschraubt, dass dadurch die stufenweise Absenkung nicht vermittelbarer Arbeitsloser auf Sozialgeldniveau erreicht werden kann. Wer aufgrund von Verletzung der Mitwirkungspflicht ganz aus dem ALGII rausfliegt, hat keinen Anspruch auf Sozialgeld.
- Neuregelung der Anrechnungskriterien bei Arbeitslosen- und Sozialhilfe
Die Neuregelungen der Anrechnungen des Einkommens und Vermögens von Lebenspartnern sowie der Absenkung der Freibeträge sollen nach einer Berechnung der Arbeitnehmerkammer Bremen - je nachdem welches Modell durchkommt - allein dadurch 27,1 bis 39,7%, also 460.000 bis 630.000 Arbeitslose aus dem Bezug von Arbeitslosenhilfe rausfallen.
- Anreize zum freiwilligen Verlassen der Sozialkassen mittels "Ich-AG"
Das, was bisher als Scheinselbständigkeit deklariert und gesetzlich verboten war, soll nun staatlich gefördert werden. Das bedeutet nicht nur, dass die neuen "Selbständigen" nach einer Übergangszeit von drei Jahren keine Ansprüche mehr aus der Arbeitslosenversicherung geltend machen können, es heißt auch, dass sie sich privat kranken- und rentenversichern müssen - was zur Folge hat, dass die öffentlichen Versicherer weitere Einnahmeausfälle haben werden und ihre Leistungen noch mehr einschränken müssen.
- Senkung des Rentenniveaus durch Abdrängen Älterer in Billig-Jobs oder in mit Taschengeld entlohnte "gemeinnützige Arbeiten"
Laut Daniel Kreutz, Referenz für Sozialpolitik in NRW werden angehende Rentner durch das sogenannte Bridge-System 18-%-ige Rentenabschläge hinnehmen müssen. Die vorübergehende Bezuschussung über 50-jähriger als Anreiz zur Annahme von Billig-Jobs und das Abschieben in "gemeinnützige soziale Tätigkeiten" endet für die Betroffenen mit einer noch viel weitergehenderen Senkung der Rentenhöhe.

2. Aushebelung des Koalitions- und Tarifrechts und partielles Unterlaufen des Betriebsverfassungsgesetzes in kleineren und mittleren Betrieben.
Mittel dazu sind:
- Der Zwang unter Tarif zu arbeiten

Die neuen Zumutbarkeitskriterien fordern von vornherein die Annahme von Stellenangeboten, die unter Tarif bezahlt werden. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass zukünftig kein Unternehmer mehr tarifliche Entlohnung überhaupt nur anbieten wird. Bereits seit ein paar Jahren hören viele Arbeitsuchende den Spruch: "Wer zahlt denn heute noch Tarif?" Das soll von nun an mit staatlichem Zwang flächendeckend durchgesetzt werden.
- Die Aufhebung des Kündigungsschutzes
Bereits in den letzten Jahren haben die Lockerungen der gesetzlichen Beschrän-kungen für Zeitarbeitsverträge dazu geführt, dass viele nur noch befristete Arbeitsverträge bekommen. Ein weiterer Punkt ist, dass mittlerweile Probezeiten bis zu einem Jahr zugelassen sind. Die weitere Aufhebung von Beschränkungen wird dazu führen, dass sich kein Unternehmen mehr mit Kündigungsschutzbestimmungen mehr auseinandersetzen muß.
- Der Zwang zu Leiharbeit
Der Austausch von weiten Teilen der Belegschaften in den Betrieben mit bis zu 50 % Ich-AG-ArbeiterInnen sowie Leiharbeitern wird dazu führen, dass viele mittlere und kleinere Betriebe die Stammbelegschaften so zusammenschrumpfen können, dass sie keine Betriebsräte mehr zulassen müssen. Außerdem gelten für Leiharbeiter - übrigens entgegen den vielzitierten Regelungen in Frankreich und den Niederlanden - nicht die Tarifbestimmungen des Entleihbetriebes. Für die Scheinselbständigen der sogenannten Ich-AG's gelten eh' keinerlei Auflagen.

3. Forcierung der seit 10 Jahren andauernden Umverteilung von Unten nach Oben.
Mittel dazu sind:
- Einstieg in den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungskosten

Unternehmen, die eine positive Beschäftigungsbilanz aufweisen, d.h. keine Leute entlassen, bekommen von den Sozialversicherungskassen einen "Bonus" auf die Arbeitslosenversicherung. Des weiteren sind Abschläge auf die Sozialabgaben älterer Arbeitnehmer geplant.
- Umverteilung der Einsparungen der Sozialkassen in die weitere Bezuschussung der Unternehmen u. a. durch den Job-Floater
Die Einsparungen über die Senkung der Sozialleistungen sollen über Maßnahmen wie den Job-Floater als indirekte Subventionshilfe an die Unternehmen weitergegeben werden.

4. Aufhebung der Persönlichkeitsrechte
Totale Erfassung durch sogenanntes Profiling und zentrale Datenbank

Durch Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, die nicht mehr nur arbeitsmark-trelevante Daten sondern auch "private" Verhältnisse erfassen sollen und über zentrale Datenbanken den Unternehmen direkt zur Verfügung gestellt werden sollen, wird der Datenschutz faktisch abgeschafft.
- Soziale Entwurzelung durch Mobilitätsanforderungen
Durch den Zwang, sich bundesweit vermitteln zu lassen - übrigens auch bei befristeten Arbeitsangeboten ab 6 Monaten - werden soziale Bindungen zerstört.
- Abdrängen von Frauen in Billig-Jobs oder an "Heim und Herd"
Die Neuregelungen der Anrechnung des Einkommens und Vermögens von Lebenspartnern werden verstärkt Frauen vom "Familienlohn" des Mannes abhängig machen.

5. Recht auf Bildung nur noch für Reiche
- Last but not least wird der Ausstieg aus dem dualen Bildungssystem durch das "Ausbildungszeit-Wertpapier" angegangen. Neben zahlreichen anderen Maßnahmen wie dem Anheben der Studiengebühren wird dies verschärft zu einer Zwei-Klassen-Bildung beitragen.
- Die Einführung der Mini-Ausbildung (sog. Arbeitsmarktfähige Ausbildungsberufe) und des damit verbundenen Modulsystems (die sog. Qualifizierungsbausteine) in der Berufsausbildung wird ebenso wie das AZWP all jenen die nicht genug Geld in den Taschen haben der Zugang zu Bildung versperrt. Aus(Bildung) wird verstärkt zur kaufbaren und damit auch zur verkaufbaren Ware!
Ende Oktober gab Bundeskanzler Schröder die Einsetzung eines Steuerungskreises bekannt.
Am 13. November diesen Jahres wird einen bundesweite Unterstützerkampagne - von Wolfsburg aus - gestartet. Diese Werbekampagne für die Vorschläge der Hartz-Kommission hat das Ziel, eine positive Zustimmung und Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung zu erreichen. Trotz aller zu erwartenden Nebelkerzen werden weitere Etappen drastischer Einschnitte bis zur endgültigen 1:1-Umsetzung folgen.
Sie sind Vorboten einer darüber hinaus gehenden Veränderung. Denn die Vorschläge der Hartz-Kommission laufen - im Sinne einer Weichenstellung - auf eine Veränderung hinaus, die in letzter Konsequenz die totale Privatisierung der Vermittlung ebenso wie die private Arbeitslosenversicherung im Visier haben. Nach der Privatisierung der staatlichen Betriebe, dem Einstieg in die Privatisierung der Gesundheits- und Rentenversorgung folgt nun die Privatisierung des Arbeitsamtes und der dazugehörigen marktinteressanten Bereiche wie Vermittlung, Versicherung und Verwaltung.
Die aktuellen innenpolitischen Entwicklungen: Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform, Rentenreform - ebenso wie die Normalisierung des Kriegszustands als Friedensmission des modernen Kolonialismus - forcieren einen innenpolitischen Systemwechsel, der der Logik der außenpolitischen Veränderungen entspricht.
Dieser Wandel des Staates von der vermittelnden Instanz zwischen "Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen" hin zum Modernisierer des Wirtschaftstandorts Deutschland führt in letzter Konsequenz zum Ende jeder Sozialpartnerschaft. Und das alles geschieht unter Zustimmung der Gewerkschaftsspitze: Das heißt: Der Vorstand der Gewerkschaft zerschlägt die Gewerkschaft!
Der forcierte Systemwechsel wird verschärfte kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, zunehmende Konkurrenz und soziale Ungleichheit, sowie eine gesellschaftliche Formierung - in der jede/r an seinen Platz verwiesen wird - hervorbringen und grundlegende gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen. Dies geschieht unter Einbindung der bereits vorhandenen rassistischen, sexistischen und ausbeuterischen Strukturen. Die Dimension des einschneidendsten arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Angriffs von Oben muss Teil der einschätzenden Debatte sein, auf deren Grundlage wir unsere Ansätze und Perspektiven für einen Widerstand von unten ableiten.








die Rote Aktion
Berlin ist zu erreichen unter:

rote-aktion-berlin
@gmx.de








Die Aufteilung in soziale und Antikriegskämpfe überwinden

Von der Roten Aktion Berlin

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September und dem daraufhin ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ sieht sich die Welt einer militaristischen Politik der hoch entwickelten Industriestaaten zur Durchsetzung ihrer neuen Weltordnung gegenüber. Seitdem wird versucht, mithilfe einer Antikriegsbewegung dieser neuerlichen Aufteilung der Welt entgegenzutreten. In den vergangenen Mobilisierungen zeigte sich innerhalb der BRD jedoch, dass die Antikriegsbewegung über entscheidende Schwächen verfügt, weshalb es kaum möglich erscheint, dass diese Bewegung es schaffen könnte, erfolgreich gegen diesen Krieg zu mobilisieren.
Die Zahl der Demonstrierenden ist hierbei eindeutig: Kein einziges Mal erreichte die neue Antikriegsbewegung auch nur annähernd die Zahl von Teilnehmenden, die sie Anfang bis Mitte der 80er Jahre gegen den sog. Nato-Doppelbeschluss auf die Straßen bekam. Und obwohl dies allein schon die derzeitige Schwäche deutlich macht, kopieren die meist aus dem traditionellen kommunistischen Spektrum kommenden Vorbereitungskreise ihre Taktik der 80er Jahre. Dabei gibt es entscheidende Unterschiede, die es angeraten lassen, heute eine neue Taktik zu entwickeln. So richtete sich der Protest in den 80ern vor allem gegen die von der CDU getragene Regierungspolitik, der massiv unterstützt wurde von den aufkommenden Grünen, aber auch von der eigentlich für den Doppelbeschluss politisch verantwortlichen SPD. Heute jedoch sind diese Parteien diejenigen, die die politische Entscheidung für die Kriegseinsätze treffen. Folgerichtig sind die schon damals fragwürdigen Appelle an die sog. liberale Öffentlichkeit heute mehr als absurd, denn sie stabilisieren das Regierungslager, das sich als kleineres Übel, als nicht ganz so reaktionär darstellen kann. Dies zeigte sich zuletzt bei den Bundestagswahlen. Außerdem wird in den jetzigen Mobilisierungen nicht berücksichtigt, dass die geopolitische Grundlage zwischen 1989 und 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion weggebrochen ist.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Antikriegsbewegung auf einem niedrigen Stand vor sich hindümpelt. Hier bietet sich jedoch eine Chance für die revolutionäre Linke, wenn diese beginnt, ihre eigentliche Aufgabe wahrzunehmen. So ist es notwendig, eine grundsätzliche Kritik dieser Gesellschaft zu entwickeln, die aufzeigt, dass der Krieg eine Notwendigkeit dieser Gesellschaft ist. Bisher jedoch mobilisiert auch die revolutionäre Linke fast ausschließlich mit einer moralischen Verurteilung des Krieges als eines Verbrechens. Um diese Begrenzung aufzubrechen, muss aufgezeigt werden, inwieweit die gesellschaftlichen Missstände zusammenhängen. Dass dies möglich ist, wollen wir anhand weniger argumentativer Schritte aufzeigen.
1.) Als im November 1989 die Mauer in Berlin fiel, bekam der Kapitalismus nicht nur die Möglichkeit, sich in Gebieten festzusetzen, die ihm Jahrzehnte lang versagt blieben. Vielmehr war nun die Chance gegeben, eine Kontrolle über die gesamte Welt auszuüben, ohne dabei durch die Sowjetunion als Systemkonkurrenten Grenzen gesetzt zu bekommen. Denn obwohl die Sowjetunion schon lange kein wirklich progressiver Gegenpart zum Kapitalismus war, bot allein schon ihre Existenz anderen Ländern die Möglichkeit einer vom westlichen imperialistischen Block unabhängigen oder mindestens nicht vollständig abhängigen Entwicklung. Von Globalisierung war nun die Rede – ein Begriff, der fälschlich als etwas Neues aufgenommen wurde, in Wirklichkeit aber nur ein Zurück formulierte zu dem Zustand der weltweiten kapitalistischen Verwertung, wie sie schon vor 1917 existierte, wenngleich sie noch nicht so umfassend war.
2.) Folglich kam es mit dem Ende der Sowjetunion 1991 auch zu einem Ende der vom Westen gerne so genannten Stellvertreterkriege wie im Libanon, in Guatemala und El Salvador, die jedoch der Versuch der Bevölkerungen vor Ort waren, sich mithilfe der Sowjetunion vom kapitalistischen Einfluss zu befreien. Gleiches geschah in Afrika, wo Befreiungsbewegungen wie in Ruanda oder Regierungen wie in Mosambik auf den Westen einschwenkten und schließlich die Macht übernahmen bzw. prowestliche Guerillaorganisationen den Kampf aufgaben und ein Friedensabkommen mit den einst sozialistischen Regierungen schlossen. Auch wurde die Apartheid im Juni 1991 abgeschafft.
In dieser Zeit sprachen viele von einer beginnenden Epoche des Friedens. Dass dies nicht stimmen konnte, wurde schon beim zweiten Golfkrieg deutlich, der einzig geführt wurde, um den vom Westen aufgebauten Irak so weit zu schwächen, dass er keine unabhängige Entwicklung einschlagen konnte. Mit diesem Krieg wurde zum ersten Mal deutlich, dass der Sieger des Kalten Krieges sich nun anschickte, sein Diktat weltweit umzusetzen. Gebiete, in denen die Regierungen sich diesem Diktat nicht beugen wollten, wurden mit von innen geschürten Kriegen überzogen, so zuerst in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien, dann in Afghanistan, wo schon 1992 die sozialistische Regierung gestürzt wurde und ab 1994 die von den USA gestützten Taliban auftraten. Aber erst die Anschläge vom 11. September boten die Möglichkeit, die Ziele offen zu formulieren, von nun an hieß es: „Entweder mit uns oder gegen uns.“
3.) Sprach Kohl 1990 noch vom „Rad der Geschichte“, das „zurückgedreht“ werden sollte, wird nun gern von Reformen gesprochen. Die erste Reform war die Bundeswehrreform unter Stoltenberg 1992. Nicht mehr ein riesiges, von der Wehrpflicht abhängiges Heer zur Landesverteidigung gegen Angriffe aus dem Osten stand nun auf dem Programm, sondern spezialisierte Verbände, die schnell an jedem Punkt der Welt zuschlagen konnten. Schnelle Einsatzgruppen und Spezialkräfte waren geboren. Danach kamen Reformen des Asylrechts und neue Sicherheitsgesetze, die eine umfassende Kontrolle garantieren.
Nun sehen wir uns Versuchen gegenüber, den Arbeitsmarkt umzugestalten. Zwölf Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR wird nun in allen sozialen Bereichen zum Generalangriff geblasen, um Rechte abzuschaffen, die teilweise schon vor über 100 Jahren erkämpft wurden. So sprach Schröder in seiner Regierungserklärung 2002 von Rechten, die vor 50 Jahren oder unter Bismarck noch ihre Berechtigung hatten, nun aber nicht mehr zeitgemäß seien. Er meinte dabei die als Hartz-Konzept eingereichten Gesetzesvorlagen. Da es keinen Systemkonkurrenten mehr gibt, braucht es auch keine Löhne in der gewohnten Höhe mehr geben. Gleiches gilt für die Gesundheitsversorgung, die nach den derzeit diskutierten Vorschlägen vorwiegend selbst bezahlt werden soll, und den Bildungssektor, wo das sog. Ausbildungswertpapier nur noch Bildung gemäß dem Geldbeutel vorsieht. Das neue Motto lautet: Wer arm ist, soll schlecht gebildet sein und auch nicht allzu lang leben. Zur Disposition stehen nun das Tarifrecht und damit jegliche gewerkschaftliche Organisierung einschließlich Kündigungsschutz und freie Arbeitswahl. Die Verstärkung des Militärischen in der Außenpolitik findet ihre Entsprechung nach innen in Form einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse bei einer gleichzeitigen Militarisierung der Gesellschaft durch die gesteigerte Zulassung privater Sicherheitssysteme und verschärfter Bespitzelung. Margaret Thatcher dient hierbei als Vorbild der Umgestaltung.
4.) Gleichzeitig sind Bestrebungen im Gange, den Staatsapparat von lästigen Begrenzungen zu befreien. So wurde in Italien ein Mehrheitswahlrecht eingeführt, das eine parlamentarische Opposition kaum noch zulässt. Außerdem hat die Berlusconi-Regierung mit dem neuen Justizgesetz faktisch die Aufhebung der sog. Gewaltenteilung erreicht. Auch der Kündigungsschutz wurde unter Berlusconi aufgehoben, allerdings nicht ohne erhebliche Proteste, die immer noch anhalten. In der BRD wird diskutiert, ebenfalls das Mehrheitswahlrecht einzuführen und den Föderalismus einschneidend zu begrenzen.
Ein Karl Liebknecht, der im Parlament Nein sagt, wird damit unmöglich. Da jede außerparlamentarische Opposition mit den nach dem 11. September erlassenen Sicherheitsgesetzen zudem schnell als terroristisch verboten werden kann, nimmt die sog. parlamentarische Demokratie immer offensichtlicher totalitäre Züge an. Es bleibt schließlich nur noch die Wahl zwischen einer militaristischen Politik mit der UNO oder ohne sie.
Um diesem Generalangriff Widerstand entgegensetzen zu können, ist es unerlässlich, ein Netzwerk zu schaffen, das die Zersplitterung in unterschiedlichste Kleinstgruppen überwindet und zu einer gemeinsamen strategischen Debatte befähigt. Hierbei ist es notwendig, die Aufteilung in eine Antikriegsbewegung auf der einen Seite und einer sozialen Bewegung auf der anderen zu überwinden. Außerdem bietet ein Netzwerk die Möglichkeit, bundesweite Kampagnen zu verschiedenen Themen zu führen, die durch ihre Ausweitung stärkeres Gewicht bekommen können.
Auf der diesjährigen LLL-Demo wird wieder zu einem Revolutionären Antikriegsblock mobilisiert. Dabei bietet sich die Gelegenheit, als revolutionäre Linke zum ersten Mal so aufzutreten, dass die verschiedenen Teilbereichskämpfe nicht nur formal verbunden, sondern auch inhaltlich aufeinander bezogen werden. Dies ist unerlässlich, um zum einen die Antikriegsbewegung aus ihrer derzeitigen Defensive zu bringen und um zum anderen als Motor einer Entwicklung wahrgenommen zu werden, die die Radikalisierung und Verbreiterung der bestehenden Bewegungen zum Inhalt hat. Als gemeinsame Losung schlagen wir das Motto „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ vor, weil mit ihm sowohl die nach innen gerichteten sozialen Angriffe als auch die international sich häufenden militärischen Interventionen aufgreifen können. Außerdem halten wir es für notwendig, für die inhaltliche Bestimmung des entstehenden Netzwerks eine Plattform zu entwickeln, die die inhaltliche Zusammenführung der Teilbereichskämpfe verkörpert. In ihr sollten folgende Punkte enthalten sein:

1. Mit der Wende 89 kann der Kapitalismus ohne Einschränkungen durch ein anderes System existieren, kann eine globale Herrschaft antreten.
2. Der Schritt zur globalen Herrschaft beinhaltet die Absage an alle erkämpften Rechte des bisherigen politischen Standards, sowohl nach innen wie nach außen.
3. Nach innen ist dies die Abschaffung des sog. Sozialstaats mit allen dazugehörigen Elementen wie extreme Lohnsenkung, stärkere ungarantierte Arbeit, Zwangsarbeit, Abschaffung der freien Wohn- und Arbeitsplatzwahl, rudimentäre Gesundheitsversorgung, ungesicherte Renten und minimale Ausbildung.
4. Nach außen ist dies der Griff der hoch entwickelten Staaten nach sämtlichen Ressourcen, die Eindämmung bis Vernichtung potenzieller Gegner.
5. Der Griff nach der globalen Herrschaft beinhaltet auch eine totalitäre staatliche Herrschaft, verbunden mit einer verstärkten Repression gegen jegliche systemkritische Opposition.
6. Eine Zusammenführung der verschiedenen Teilbereiche kann die revolutionäre Linke wie die Antikriegsbewegung insgesamt aus ihrer derzeitigen Defensive führen.
7. Ein Netzwerk der verschiedenen Kleinstgruppen ermöglicht hierbei die Entwicklung einer breiteren strategischen Debatte.

Widerstand entwickeln gegen den Krieg nach außen und innen!
Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Für den Kommunismus!