Die alte polnische Regierung wurde nach ihrer Flucht nach Rumänien [1] interniert und so an der Ausübung ihrer Ämter gehindert. Deshalb ernannte Ignacy Mościcki, bisher polnischer Staatspräsident, den bisherigen Vorsitzenden des Weltverbandes der Exilpolen, Władysław Raczkiewicz, am 30. September 1939 zu seinem Nachfolger. Dieser bildete eine Regierung mit Gen. Władysław Sikorski, der auch Oberbefehlshaber der polnischen Exiltruppen wurde, an der Spitze.
Am nächsten Tag nahm die Exilregierung in Paris ihren Betrieb auf, musste aber bald nach London flüchten, weil die Wehrmacht Frankreich angriff. Sie schloss Verträge mit Großbritannien (5. August 1940) und Frankreich (4. Januar 1940) und verkündete am 18. Dezember 1940 ihr Programm:
"Die Regierung stellt fest: Polen wird ein Staat sein, der auf dem Grund seiner Kultur und christlicher Grundsätze stehen wird. Polen wird ein demokratischer Staat sein.
[...]
[Wir werden] durch hervorragende Beteiligung Polens und seines Militärs am Krieg das Territorium der Republik [Polen; J.R.] aus der feindlichen Besatzung befreien.
[...]
Polen nimmt am Krieg teil als Verbündeter Frankreichs und Großbritanniens auf Grundlage der vollen staatlichen Souveränität..." [2]
In der Regierung kam es aber fallweise zu Konflikten: So hatte Sikorski Probleme mit Raczkiewicz, weil dieser ein Verfechter der alten Diktatur und der "Sanierung" war. [3] Als Hitler die Sowjetunion überfiel, schloss die Exilregierung gemeinsam mit den Westmächten einen Pakt mit der Sowjetunion, der aber in weiterer Folge von Stalin überhaupt nicht respektiert wurde. Da Sikorski jedoch kein Abkommen über die künftige Ostgrenze Polens in den Vertrag aufgenommen hatte, [4] kam es innerhalb der Regierung zu heftigen Protesten und sogar zu Rücktritten.
Versuche, einen Pakt mit den USA anzubahnen, blieben erfolglos. Als deutsche Soldaten bei Katyń ein Massengrab polnischer Offiziere aushoben, brach Stalin sämtliche Kontakte zur Exilregierung ab. Eine Wiederaufnahme des polnisch-sowjetischen Dialogs wurde von Stalin von harten Bedingungen (z.B. Anerkennung der Curzonlinie als polnische Ostgrenze) [5] abhängig gemacht.
Am 4. Juli 1943 kam Sikorski bei einem Flugzeugabsturz vor Gibraltar ums Leben; sein Nachfolger als Oberbefehlshaber der polnischen Truppen wurde Kazimierz Sosnkowski, neuer Premierminister wurde Stanisław Mikołajczyk. Dieser versuchte erneut, Kontakt mit den Sowjets aufzunehmen. Zur Konferenz von Jalta im Februar 1945, bei der Stalin, der britische Premierminister Sir Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt als Präsident der USA über das weitere Schicksal Europas entschieden, wurde kein Vertreter der polnischen Exilregierung eingeladen. [6] Als Mikołajczyk von den dortigen Entscheidungen hörte, trat er sofort zurück. Der ihm nachfolgende Tomasz Arciszewski stand bereits vor einer völlig machtlosen Regierung. Nun begann Mikołajczyk im Juni 1945 mit Verhandlungen mit Stalin und den polnischen Kommunisten und erwirkte seine Aufnahme in die neue polnische Regierung, wurde aber bald aus ihr heraus gedrängt. [7] Die polnische Exilregierung blieb jedoch bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Polen im Jahre 1989 bestehen.
Zum polnischen Exilstaat gehörte auch ein Parlament unter Ignacy J. Paderewski, in dem fast alle polnischen Parteien der Zwischenkriegszeit vertreten waren. Diese existierten gleichzeitig im polnischen Untergrund, [8] so dass ein dauerhafter Kontakt der Exilregierung mit der Widerstandsbewegung sicher gestellt war. Dazu kam noch, dass der Oberkommandant der Exiltruppen einen Einfluss auf das Oberkommando der AK [9] ausübte.
Die Exilregierung war zwar vertraglich mit den Westmächten und mit den Exilregierungen einiger anderer von Hitlerdeutschland besetzter Länder verbündet, konnte aber Entscheidungen weitgehend frei fällen. Doch die Westmächte qualifizierten den polnischen Exilstaat zu einem "Alliierten zweiter Klasse" ab, und Stalin ignorierte überhaupt dessen Aktivitäten.
1) siehe auch Abschnitt 3.3.3 [¶]
2) zit. in: Terlecki, Władysław Sikorski 1881-1981, S. 23. [¶]
3) siehe auch Abschnitt 1.1.1 [¶]
4) siehe auch Abschnitte 8.2.2 und 8.2.4 [¶]
5) siehe Abschnitt 8.2.4 [¶]
6) siehe Abschnitt 8.2.2 [¶]
7) siehe Abschnitt 8.2.3 [¶]
8) siehe Abschnitt 6.2.5 [¶]
9) siehe auch Abschnitt 6.1.2 [¶]
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