Deportation
Class –
Abschiebepraxis bei der Lufthansa
Von Oskar Wild
Nachdem sich europaweit immer wieder Todesfälle bei
Abschiebungen ereignet haben, gründedeten sich mehrere Kampagnen, die
etwas dagegen tun wollen. Die Aktivistinnen und Aktivisten von Kein-Mensch-ist-illegal
bliesen unter dem Motto "Stop Deportation Class" anlässlich des Todes
des Sudanesen Amir Agib im Jahre 1999 zum Kampf gegen die Lufthansa.
Der 30-jährige Amir verstarb an Bord einer Lufthansa-Maschine am 28.
Mai 1999 mit Zielpunkt Kairo. Die begleitenden Beamten des Bundesgrenzschutzes
hatten ihn stark misshandelt. Nicht nur, dass seine Hände und Füße
gefesselt waren, sie hatten ihm noch einen Motorradhelm aufgesetzt und beim
Start der Maschine den Kopf auf seine Knie gedrückt, so dass er erstickte.
Ageeb war nicht das erste und wird sicherlich auch nicht das letzte Opfer
dieser brutalen Abschiebepraxis sein. Im August 1994 verstarb der herzkranke
Nigerianer Kola Bankole an einer Sonderbehandlung, die ihn ruhig stellen
sollte, an Bord einer Lufthansa-Linienmaschine. Ihm wurde vor dem Flug von
einem Arzt eine Beruhigungsspritze verabreicht, und zusätzlich wurde
er von BGS-Beamten mit einem Strumpf geknebelt.
Doch diese Brutalität bei Abschiebungen ist nicht nur in Deutschland
an der Tagesordnung. In Belgien löste der Tod der von Polizisten mittels
eines Kissens erstickten Nigerianerin Semira Adamus einen großen Sturm
der Entrüstung aus, welcher zum Rücktritt des damaligen Innenministers
führte. Auch Österreichs Innenminister geriet unter Beschuss durch
den unter Leukoplaststreifen erstickten Nigerianer Marcus Omofuma, der am
1. Mai 1999 auf dem Weg von Wien nach Sofia starb. Auch bei den Schweizer
Eidgenossen kam es zum Tod durch Abschiebung. Der Palästinenser Khaled
Abuzarifeh erstickte nach seiner Ruhigstellung auf dem Flugplatz in Kloten.
Erste Erfolge im Kampf gegen Abschiebung zeichnen sich langsam ab. Das Flugpersonal
der Swissair (heute Swiss) weigert sich seit dem Tod Abuzarifehs 1999, Abschiebehäftlinge
an Bord zu nehmen, die von der Kantonspolizei gefesselt, geknebelt oder mit
Betäubungsmitteln vollgepumpt sind. Kampagnen in Belgien und den Niederlanden
haben bereits zu einer großen Verunsicherung der Fluggesellschaften
geführt. Die niederländische Martin Air gab gezwungenermaßen
das schmutzige Geschäft mit den Abschiebungen auf, so auch die mittlerweile
Bankrott gegangene belgische Airline Sabena nach dem bereits erwähnten
Tod von Semira im August 1998. Andere Fluglinien wie etwa die KLM der Niederlande
oder die Air France fürchten sich vor einem Imageschaden und sind massivem
Druck ausgesetzt.
Eben diesen Druck will die Kampagne "Stop Deportation Class" in Deutschland
auf die Lufthansa ausüben. Das Ziel der Kampagne ist zunächst,
Bewusstsein für die Problematik der bundesdeutschen Abschiebepraxis
bei Fluggästen, aber auch bei den Aktionären der Lufthansa zu schaffen.
Dabei setzen die Aktivistinnen und Aktivisten auf unterschiedliche Möglichkeiten,
wie etwa das Verteilen von Infomaterial, aber auch auf so genanntes unsichtbares
Theater oder andere möglichst medienwirksame Aktionen. Das Ziel, welches
am Ende dieser Kampagne steht, ist, die Airline zum Einlenken zu bewegen:
Keine Abschiebungen mehr mit der Lufthansa!
Obwohl bereits mehrere erfolgreiche Störaktionen, unter anderem bei
der Kleinaktionärsversammlung oder bei öffentlichen Pressekonferenzen,
stattgefunden haben, lenkt der Lufthansa-Konzern nicht ein, sondern
verweist auf den staatlichen Auftrag, dem nachgegangen werden muss. Bei einer
Aktionärsversammlung konnten sich einige Aktive einschleichen, da sie
im Vorfeld einfach einige Aktien des Konzerns erworben haben. Da jeder hier
fragen stellen durfte, wurde diese Möglichkeit natürlich genutzt,
um auf die Abschiebungen aufmerksam zu machen. Die anwesende Presse hatte
so natürlich ihre Schlagzeilen, die diesmal nicht wie üblich nur
die Spalten der Wirtschaftsseiten füllten, sondern wegen der Fragen
und dem unterstützenden Protest vor der Tür auch in den Politik-Ressorts
ihren Niederschlag fanden.
Bei Pressekonferenzen und anderen Auftritten der Lufthansa wie zum Beispiel
auf der ITB (Internationale Tourismusbörse) in Berlin kommt es immer
wieder vor, dass scheinbares Lufthansa-Personal Broschüren und Ähnliches
verteilt, welches jedoch darauf abzielt, die Deportation Class des Konzerns
der breiten Öffentlichkeit näher zubringen, und deren Ende fordert.
Auch das Internet wurde schon genutzt, um den Imageschaden der Lufthansa
zu vergrößern. Zeitgleich wurde vieltausendfach die Internet-Seite
aufgerufen, so dass der Server der Airline erst einmal einige Stunden lahmgelegt
war. Die Lufthansa reagierte bisher nur mit Klagen gegen einige Aktionsformen,
lenkt aber noch nicht ein, die Abschiebungen abzulehnen.
Da die meisten Abschiebungen mit normalen Linienmaschinen durchgeführt
werden, hier noch einige Fakten zur Verantwortung von BGS, Flugpersonal und
Fluggästen. Die Fluggesellschaften als Arbeitgeber der Piloten haften,
laut Tokioter Abkommen von 1963, für zivilrechtliche und strafrechtliche
Ansprüche bei Verletzung oder Tötung von Abschiebehäftlingen
an Bord. Die Bordgewalt obliegt dem Piloten, Sicherheitspersonal oder Beamte
des Grenzschutzes agieren also im rechtsfreien Raum, wenn sie Gewalt anwenden.
Die Hoheitsgewalt der einzelnen Staaten gibt es an Bord nicht mehr, wie bereits
die Gewerkschaft der Polizei bemerkte, um ihre Beamten vor Klagen zu schützen,
die letztendlich mit ihrem gesamten Vermögen für eventuelle
Schadenersatzansprüche zur Rechenschaft gezogen werden können,
wenn sie nicht ausdrücklich vom Kapitän des Flugzeuges autorisiert
werden. Also kann bereits die Verweigerung des einzelnen Piloten dafür
sorgen, dass nicht abgeschoben werden kann. Auch das Begleitpersonal sollte
ebenso wie die Fluggäste dafür sorgen, dass es nicht zu Transporten
gegen den erklärten Willen der Flüchtlinge kommt. Sie sind sogar
dazu verpflichtet, einzugreifen und Hilfe zu leisten, sollte eine unmittelbare
Gefahr für Leben oder körperliche Unversehrtheit bestehen. Selbst
das Vorgehen gegen Vollstreckungsbeamte ist legitim, denn Wegschauen erfüllt
den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung und kann gemäß
Paragraf 323 c StGB geahndet werden. Einfachstes Mittel, die Deportation
unmöglich zu machen, ist bereits die Weigerung eines Fluggastes, sich
beim Start hinzusetzen. Diesen Couragierten droht allerdings eine Anzeige
wegen Eingriffs in den Luftverkehr, die aber meist aufgrund der Nothilfesituation
kein Gerichtsverfahren nach sich zieht.
Aber noch besser ist es, die Fluggesellschaften würden diese Flüge
einfach nicht mehr durchführen, was sicherlich noch ein weiter Weg ist.
Die Lufthansa argumentiert gern mit Paragrafen des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG)
und verweist darauf, dass sie gezetzlich verpflichtet sei, diese Flüge
auch gegen den Willen des Abschiebehäftlings durchzuführen. Dies
stimmt jedoch nur bedingt, da der Konzern sich von dieser Verpflichtung gemäß
Paragraf 21 Absatz 3 LuftVG befreien lassen kann, wenn die Durchführung
dieser Flüge für das Unternehmen aus ethischen oder wirtschaftlichen
Gründen unzumutbar ist. Bereits beim Transport von Ziervögeln aus
den Tropen hat die Lufthansa dies getan, nur das Geschäft mit der Deportation
Class scheint ihr zu lukrativ, und der Imageschaden beim Zwangstransport
von Tieren wiegt wohl mehr.
Eine letzte Meldung noch zum Schluss. Am Montag, dem 24. März, hat ein
Fluggast auf dem Flughafen Tegel erfolgreich eine Abschiebung mit der ungarischen
Malev Air verhindert. Er weigerte sich, seinen Platz einzunehmen, und blieb
im Gang stehen. Der Pilot flog erst los, als Gast und Abschiebehäftling
von Bord gebracht wurden. Der BGS droht dem Fluggast mit einer Klage wegen
der verhinderten Abschiebung. Widerstand ist also erfolgreich und weiterhin
notwendig.
Unterstützt Aktionen gegen Abschiebungen!
Stoppt die Deportation Class der Lufthansa!