|
Antideut-
sche und
der Krieg |
|
Essay von
A. Sivan-
andan
|
|
Nach den teilweise schon recht eskalierten Auseinandersetzungen
der letzten beiden Jahre scheint sich mittlerweile zumindest ein Teil der
so genannten Antideutschen auf linke Positionen zurückzubesinnen. Als
ein Beleg dieses Umdenkungsprozesses veröffentlichen wir hier einen
Beitrag, den wir im März auf Indymedia gefunden haben. Der Text wurde
von uns leicht redigiert.
Die radikale
Linke und der Irakkrieg
Von Autonomen Antideutschen
Präambel
Kriege werden generell und auch in der Linken verhältnismäßig
wenig thematisiert, außer sie finden in unmittelbarer Nähe (das
heißt auf demselben Kontinent) oder unter Beteiligung von Nato-Mitgliedsstaaten
statt. Das ist nicht weiter verwunderlich, einmal wegen des durchaus auch
für Interesse und Protest notwendigen Bezugs und außerdem auch
ob der Vielzahl der Problemlagen unserer maroden Gesellschaft, gegen die
es anzuarbeiten geht. Dass auf der Welt also zurzeit circa 50 Kriege geführt
werden, wissen die wenigsten, weshalb ein Protest auch nur schwierig stattfinden
kann.
Friedensbewegung
Bei den Golfkriegen I bis III ist das öffentliche Interesse stets groß,
die Proteste traditionell daher ebenfalls. Die radikale Linke hat jedoch
zunehmend Schwierigkeiten, sich zum aktuellen Kriegsgeschehen politisch zu
positionieren. Die größte Schwierigkeit liegt in der Breite der
neuen "Friedensbewegung", die von rechts bis links das gesamte politische
Spektrum umfasst. Umfragen zufolge sympathisieren 84 Prozent der BRD-Bevölkerung,
dementsprechend schwer tut mensch sich als radikaleR LinkeR mit der zu Recht
tief verwurzelten Skepsis gegenüber Querfronten. Jedoch lediglich –
wie es einige selbst ernannte linke Gruppierungen tun – mit der traditionellen
"Anti-Haltung" nun die bürgerliche Friedensbewegung als antisemitisch
zu geißeln und den Krieg der USA zu unterstützen, wäre augenscheinlich
naiv und nicht weniger opportun, als kritikfrei Teil der Friedensbewegung
zu werden. Völlig außer Acht gelassen dürfen doch bei der
Beurteilung der Situation nicht die Gründe werden, die bereits zum Beispiel
beim Jugoslawienkrieg ausschlaggebend für eine konsensuelle Ablehnung
desselbigen waren. Zählen diese plötzlich nicht mehr, nur weil
die bundesdoitsche Regierung einen Krieg offiziell ablehnt und auch Nazis
gegen den Krieg protestieren; werden diese zur Makulatur, der Protest auch
gegen den damaligen Krieg irrelevant, weil lediglich auf einer infantilen
Anti-Haltung basierend?
Golfkrieg III
Grundsätzlich sollte doch allen Linken der Kampf gegen Unmenschlichkeit
gemein sein, Unmenschlichkeit, die sich jeden Tag breit macht und gegen die
es also täglich anzukämpfen gilt. Dabei werden natürlich verschiedene
Prioritäten gesetzt, was auch vollkommen akzeptabel ist. Die Spaltungstendenzen,
die nun wieder ob des breiten Konsensus des politischen Spektrums zu Tage
treten, sind jedoch auf solchem prinzipiellen Aus-der-Reihe-Treten gefußt.
Niemand kann doch allen Ernstes behaupten, linke Politik zu vertreten und
im selben Atemzug den Krieg gegen den Irak als Befreiung von einem Diktator
für "gerecht" zu erklären. Sicherlich ist eine Besserung der Lage
für die Bevölkerung als durchaus positive Nebenwirkung des Krieges
möglich, als Ursache jedoch ausgeschlossen. Wesentlich naiver als die
Behauptung, der Krieg gehe nur ums Öl, ist die Positionierung einiger
linker Gruppierungen, die Tatsache der immensen Ölreserven im Irak vollkommen
auszublenden beziehungsweise als irrelevant zu erklären. Dass der Nahe
Osten im Zentrum des aktuellen Interesses liegt, ist schließlich kein
Zufall, sondern beruht doch selbstverständlich auf der geostrategischen
Bedeutung dieses Areals. Dies zu verkennen und jede Kritik an der Aggression
seitens der USA als Antiamerikanismus oder gar antisemitisch zu verurteilen
ist nicht nur wenig korrekt, solch ein Vorgehen relativiert auch das Gewicht
der Vorwürfe Antiamerikanismus und Antisemitismus.
Umgangsweise mit der Friedensbewegung
Als radikale Linke, die den Krieg wie auch natürlich die platten "Argumente"
der Rechten in der Antikriegsbewegung ablehnt, kann somit die Positionierung
darin einen Ausdruck finden, indem die Friedensbewegung auf ihre eigene Verlogenheit
aufmerksam gemacht wird. Aufzuzeigen, dass ihr Interesse am Irakkrieg nicht
von innen kommt, dass sie, um nicht heuchlerisch zu bleiben, auch dann gegen
Kriege demonstrieren muss, wenn diese im doitschnationalen Interesse liegen.
Dadurch würde die Konservative bis radikale Rechte Abschied vom Frieden
nehmen, die vermeintlich kläglichen Reste der Friedensbewegung aber
gegebenenfalls offener für kritische Ansichtsweisen gegenüber der
herrschenden Meinung.
Querfront
Die Tatsache, dass radikalrechte "Kameradschaften" im Fahrwasser der Friedensbewegung
auf Zulauf hoffen und zunehmend alte linke Parolen und Ansichten übernehmen,
muss naturgemäß zu einer ordentlichen Portion Skepsis führen,
zur steten Reflexion über die geäußerten Positionen. Dass
in der Friedensbewegung antisemitische Äußerungen mehr Normalität
denn tabu sind, muss konsequent thematisiert werden – aber so, dass im Endeffekt
die AntisemitInnen abtreten und nicht die KritikträgerInnen. Dass antisemitische
und nationale Parolen gegen den Krieg zu hören sind und versucht wird,
in der Friedensbewegung Fuß zu fassen, kann und darf jedoch kein Grund
sein, deswegen eine gegensätzliche Position zu fassen – wie einige SchnellstarterInnen
es wohl für richtig empfunden haben und sich plötzlich in einer
extrem traurigen Reflexhandlung für den Krieg engagieren –, sondern
zwingt stattdessen ganz im Gegenteil, mit erhöhter Vehemenz die Position
beizubehalten und Nazis und Antisemiten zu demaskieren, aus der Antikriegsbewegung
heraushalten.
Antiamerikanismus versus Nationalismus
(Eine kurze Randbemerkung zum Antiamerikanismusdiskurs, dem ja innewohnt,
dass selbige Bezeichnung extrem heikel ist, verkennt sie doch den Unterscheid
zwischen einem riesigen Kontinent und einer eigentlich zu benennenden Nation.)
Wenn auch die meisten "antiamerikanischen" Äußerungen aus der
BRD-Friedensbewegung nationalistisch im Sinne von Doitschnationalismus sind
(siehe Querfront), so ist selbst die daraufhin häufig genannte radikal
linke Kritik im Geiste nationalistisch. Dass vor allem die USA die Welt von
Doitschland (zumindest in wichtigen Teilen erfolgreich) befreit haben, ist
als Argument für eine latent antisemitische Unterfütterung des
Antiamerikanismus allgegenwärtig. Dies verkennt jedoch, dass dem Argument
selbst ein zutiefst nationalistisches Bild innewohnt, die Gleichsetzung einer
Nation mit einer moralischen Motivation – der USA mit dem Gestus der Befreiung.
Dass diese Fiktion auf nationalistische Wertbilder fatalistisch sein kann
und der aktuellen Politik keine Aufmerksamkeit widmet, obwohl diese sich
doch diametral von derjenigen derselben Nation von vor einem halben Jahrhundert
unterscheiden kann (und dies in diesem Beispiel auch tut), wird geflissentlich
ignoriert – obwohl doch die Politikinhalte der relevante Ankerpunkt zum Kritisieren
derselben sein müssen.
Schluss
Die Breite der Friedensbewegung macht es für die radikale Linke nicht
leicht, in derselbigen Fuß fassen zu wollen. Eine kritische Betrachtung
des Krieges unabhängig von der Positionierung der bürgerlichen
Mitte ist jedoch unausweichlich notwendig. Eine weiterhin herablassende Ausklammerung
der Friedensbewegung als "Spinner, Deppen und Antisemiten" ist ganz offensichtlich
weder für die sich dabei marginalisierende radikale Linke noch für
eine notwendige Durchsetzung von linken Leitmotiven im Kriegsdiskurs förderlich.
Fundierte linke Kritik an der Kriegspolitik Deutschlands und der USA muss
in die Friedensbewegung eingebracht, Themen müssen wieder links besetzt
statt von selbst ernannten Wahrheitsbesitzenden innerlinks tabuisiert zu
werden.
Krieg dem Kriege! Und Friede auf Erden!
Schalom
|
Das Forum für
Diskussion findet
sich unter:
www.discussion.
uni.cc/
|
Dieser Beitrag wurde uns schon im Januar mit
der Bitte um Veröffentlichung zugesandt. Auch wenn die Invasion des
Irak nun schon durchgeführt wurde, halten wir die Aussagen dieses Textes
doch für wichtig für die weitere Diskussion über die Kriegspolitik,
egal welches Land sie nun trifft.
Im Westen nichts Neues . . .
Ein Beitrag zur Opernballmobilisierung 2003
Vom Forum für Diskussion
Fast auf den Tag genau zwölf Jahre ist es her, seit die USA mit der
"Operation Desert Storm" und dem darauffolgenden UN-Embargo den Irak zu attackieren
begannen. Spätestens seit den Veröffentlichungen eines ehemaligen
Justizministers in der US-Administration, Ramsey Clark ("Der Wüstensturm",
Göttingen, 1995), wissen wir, dass der Angriff der "einzigen Supermacht"
keineswegs eine Reaktion auf die Annexion Kuwaits durch die irakischen Streitkräfte
war.
Supermächte reagieren nicht – sie handeln, und sie handeln strategisch.
Nirgends sonst wird dieses Grundprinzip internationaler imperialistischer
Politik so deutlich wie in der Aggression gegen den Irak. Während Nordkoreas
Ankündigung, den Atomwaffensperrvertrag aufzukündigen, von den
USA mit dem Angebot von Nahrungsmitteln und Treibstofflieferungen beantwortet
wird, gibt es auf die bislang durch nichts widerlegbare Aussage der irakischen
Administration, keine ABC-Waffen im geschwächten Arsenal zu haben, nur
eine Antwort: Ihr seid Lügner, eure Zeit läuft ab.
Ein wesentlicher Verbündeter der US-Administration in ihrem Vorgehen
ist dabei das mangelnde historische Bewusstsein, das die Wahrnehmung der
Vorgänge in den Metropolen charakterisiert. Wer erinnert sich schon
daran, dass die USA es waren, die den Irak im Krieg gegen die zu diesem Zeitpunkt
als eigentliche Bedrohung empfundene Islamische Republik Iran hochgerüstet
hatten? Wer erinnert sich daran, dass Scharfmacher Donald Rumsfeld damals
mit Saddam Hussein freundliche Gespräche führte und ihm persönlich
die Unterstützung der USA im Golfkrieg zusicherte? Oder dass die US-Botschafterin
im Irak nach Rücksprache mit ihrem obersten Feldherrn, Mr. Bush sen.,
der irakischen Administration die passive Duldung einer Annexion Kuwaits
signalisierte?
1. Die strategischen Interessen der USA in der Golfregion sind
der Schlüssel zum Verständnis der Aggression gegen den Irak in
ihrer historischen Dimension
Dass die Ressourcenkontrolle die entscheidende Triebfeder hinter dem US-Engagement
ist, gehört spätestens seit dem eindringlichen "No Blood for Oil"-Slogan
aus dem Jahr 1991 zu den politischen Binsenweisheiten. Selbst dem "Spiegel",
dem medialen Rückrat der gegen die US-Hegemonie gerichteten europäischen
Bestrebungen, war dieser Aspekt jüngst eine bemerkenswert offene Titelstory
wert.
Durch ihre allgemeine Verbreitung scheint diese Wahrheit mittlerweile so
abgelutscht, dass Teile sich "linksradikal" und "emanzipatorisch" gebender
Kräfte aufmachen, ihren elitären Bestrebungen in der simplen Negation
eines diffusen Common Sense freien Lauf zu lassen. Prompt fangen sie an,
den "Antiamerikanismus" zu beklagen, das unaussprechliche Böse des "Tyrannen
von Bagdad" hervorzukehren und ihre Wertegemeinschaft mit der imperialistischen
Führungsnation neu zu entdecken – ganz so, als wären sie selbst
im Pentagon für die Marketingstrategie des Krieges verantwortlich.
Andererseits sehen viele angesichts der sich nun zu wiederholen scheinenden
Geschichte eines imperialistischen Krieges keine Notwendigkeit mehr, eine
gewissenhafte Analyse der heutigen Situation vorzunehmen. Ganz so, als wäre
die heutige Situation mit der im Jahre 1991 identisch.
Die harten Fakten sprechen eine eindeutige Sprache: die letzten drei militärischen
und geheimdienstlichen Interventionen der USA auf globaler Ebene geschahen
in Regionen, die für die globale Ressourcenkontrolle entscheidende Bedeutung
haben.
– Afghanistan
Die Rolle Afghanistans im globalen Wettlauf um die strategischen Ressourcen
liegt nicht auf Explorationsebene – die Rohölvorkommen vor Ort sind
faktisch irrelevant. Relevant hingegen ist Afghanistan als potenzielles Transitland
für Rohöl und Naturgas aus der Region des Kaspischen Meeres, einer
Region, die wegen ihrer Unabhängigkeit gegenüber der Opec und vermuteter
riesiger Öl- und Gas-Reserven für die USA zunehmende Bedeutung
erlangt.
Zentrales Ziel der Intervention war dabei die Schwächung des Iran, der
selbst aufgrund vorhandener Pipelines, Verladehäfen und Raffinerieanlagen
zum Zentrum des Rohstofftransits zu werden in der Lage ist.
Allerdings: Der Iran ist Opec-Mitglied und gilt zudem als politisch unzuverlässig,
das heißt, es ist für die USA nicht auszuschließen, dass
die Islamische Republik ihre im Falle einer Ausnutzung des bestehenden Transportnetzes
mächtige Rolle nicht aus politischen Überlegungen zum Nachteil
der USA gebrauchen könnte. Also braucht es Alternativen – eine davon
ist die jetzt im Bau befindliche Pipeline von Baku zum türkischen Mittelmeerhafen
Ceyhan, die andere eine Pipeline quer durch Afghanistan nach Pakistan und
eventuell weiter nach China.
Beides Alternativen, die die fünf Global Player der Ölbranche alles
andere als favorisieren – aus taktischen Profitüberlegungen bevorzugen
sie die klassischen Routen und würden auch eine Rückkehr des Iran
zu den "Guten" befürworten. Die US-Administration denkt anders – sie
ist die treibende Kraft hinter der Baku-Ceyhan-Pipeline, einer entscheidenden
Ursache dafür, dass der Unabhängigkeitskampf Kurdistans mit maßgeblicher
US-Unterstürzung im Blut ertränkt wurde. Sie will die Pipeline
durch Afghanistan, um die sie mit der relativ unbedeuteten Ölgesellschaft
Unocal schon mit den Taliban verhandelte. Verhandlungen, die scheiterten
– einer der hauptsächlichen Ursachen für die Intervention und die
Beseitigung des Taliban-Regimes.
– Venezuela
Jenseits aller erbrachten Nachweise, dass die CIA eine der treibenden Kräfte
hinter den seit Monaten andauernden Putschbemühungen gegen den venezolanischen
Präsidenten Hugo Chávez ist, reicht ein Blick auf die Frage,
wer von einem möglichen Machtwechsel profitieren würde. In Venezuela
lagern die bei weitem größten Rohölreserven in ganz Lateinamerika,
einer Region, die die USA strategisch als ihren Hinterhof definieren. Venezuela
ist Mitglied der Opec, betreibt also, anders als Mexiko, seine Preispolitik
nicht vollständig unter US-amerikanischer Ägide. Und innerhalb
der Opec ist Venezuela ein bedeutender Exporteur von Ölprodukten in
die USA. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszurechnen, warum die
USA diesen Staat als treuen Verbündeten benötigen – dazu braucht
es eine Regierung, die man selbst einsetzt und kontrolliert, nicht irgendeinen
vom Volk demokratisch gewählten "Linkspopulisten", der Kontakte mit
Erzfeinden wie Fidel Castro pflegt.
Henry Kissinger bringt es auf den Punkt: "Nur der Anstieg des Ölpreises,
Venezuelas Hauptexportartikel, hat es Chávez ermöglicht, die
Folgen seines Flirts mit Fidel Castro und seiner antiamerikanischen und in
gewisser Weise antikapitalistischen Parolen der Art, die durch die Umwälzung
der achtziger Jahre überwunden schienen, zu vermeiden." ("Die Herausforderungen
Amerikas", S. 116f.) Also ein typischer Fall für "civil unrest", eine
beliebte Form der geheimdienstlichen Intervention, wenn eine direkte Militärintervention
aufgrund der regionalen Situation nicht angemessen erscheint (dazu würden
selbst die USA eine offizielle Einladung des Mercosur oder eines der Nachbarstaaten
benötigen, um gröbere Probleme zu vermeiden – etwas, was bei einer
weiteren Eskalation der Situation jedoch nicht ausgeschlossen erscheint).
– Irak
Jede/r kann sich seine eigenen Überlegungen zur "Lockerung" des Embargos
und dem UN-Programm "Oil for Food" machen, wenn er/sie bedenkt, dass der
Irak heute bereits wieder rund drei Prozent der US-amerikanischen Ölimporte
bestreitet. Nach aktuellen Opec-Daten liegen im Irak die zweitgrößten
Rohölreserven weltweit (hinter Saudi-Arabien), Öl in einer Qualität,
die die Vorkommen im Kaspischen Meer weit in den Schatten stellt. Gerade
in der aktuellen Situation einer sich angesichts der globalen Ereignisse
und beginnender militärischer Angriffe auf die USA selbst zunehmend
verunsichernden Situation in Saudi-Arabien benötigt das Pentagon die
absolute Kontrolle über eine Region, von der sie letztendlich auf Ressourcenebene
vollständig abhängig ist.
Denn auch wenn der Opec-Export in die USA nur einen verhältnismäßig
kleinen Teil des in den USA konsumierten Öls ausmacht – entscheidend
bleibt der Einfluss auf die Preisgestaltung. Und da gilt es, die Großen
(mit Ausnahme des Iran Saudi-Arabien, der Irak, Kuwait, die Vereinigten Arabischen
Emirate und Venezuela) unter Kontrolle zu halten. So lassen sich also die
strategischen Interessen der USA in drei hauptsächlichen Prioritäten
zusammenfassen:
a. die unmittelbare Kontrolle des Zuganges zu strategischen Ressourcen,
die sich vor allem entlang der strategischen Kontrolle von Nicht-Opec-dominierten
Pipelinerouten ausdrückt, auch wenn die USA dabei mitunter den Profitinteressen
der Ölmultis diametral entgegengesetzte Lösungen anstreben;
b. die unmittelbare Kontrolle der Preisgestaltung der strategischen
Ressourcen,
die sich entlang einer möglichst weitgehenden Kontrolle innerhalb der
Opec (die angeführten Beispiele Saudi-Arabien, Venezuela, Irak zeigen
es deutlich) einerseits sowie einem Aufbau von Alternativen (Region des Kaspischen
Meeres, weitgehende Liefervereinbarungen mit Russland im diplomatischen Gegengeschäft
für ein Stillhalten gegenüber dem Krieg in Tschetschenien) andererseits
entwickelt; sowie
c. die langfristige Kontrolle der dafür notwendigen Regionen:
Arabischer Raum (das aktuell renitente Saudi-Arabien, zukünftig eventuell
der Irak sowie Israel als hauptsächliche Stützpunkte), Zentralasien
(Afghanistan, enge Anbindung von Aserbaidschan, Turkmenistan, Armenien und
Georgien sowie Interessensbündelung mit Russland) und Lateinamerika
(nach der unglücklich verlaufenen Wahl in Brasilien und der Verabschiedung
des getreuen Vasallen Cardoso, der wackligen Situation in Venezuela und in
Kolumbien wird sich hier die Aktivität der USA zweifellos innerhalb
kurzer Zeit verstärken).
2. Die Tendenz zum Krieg ist notwendiger Ausdruck des aktuellen
Entwicklungsgrades im imperialistischen Weltsystems
Diese strategischen US-Interessen sind die treibenden Ursachen hinter den
Kriegsbestrebungen der USA, sie erklären jedoch noch nicht, warum der
Krieg jetzt – zwölf Jahre nach der ersten Invasion – wieder auf die
Tagesordnung gesetzt wird.
Bei dieser Frage darf man sich nicht von Oberflächlichkeiten leiten
lassen; sicher, der genaue Angriffszeitpunkt wird von militärischen
Überlegungen geprägt sein, dass die Zuspitzung hier – fast identisch
zu den Angriffsplänen von 1991 – im Frühjahr gesucht wird, ist
so zu erklären. Dennoch können derartige Überlegungen den
Zeitpunkt auf allgemeiner Ebene nicht bestimmen. Ebenso wenig wie die Situation
im Irak selbst, die ja für die USA den zentralen Punkt ihrer Kriegspropaganda
ausmacht. Zweifellos verfügt der Irak nach wie vor nicht über die
militärische Kampfkraft wie zu Zeiten der US-Unterstützung während
des ersten Golfkrieges, seine Kampfkraft reicht regional an Staaten wie Israel,
den Iran oder wahrscheinlich sogar Syrien nicht heran. Die aufs Tapet gebrachten
"Massenvernichtungswaffen", deren einstige Existenz der Irak hauptsächlich
US-amerikanischer und bundesdeutscher Unterstützung zu verdanken hatte,
sind – anders als die entsprechenden Vorräte des US-Verbündeten
Israel, der sein Atomwaffenprogramm mit Hochdruck verfolgt – heute allem
Anschein nach irrelevant.
Und die Situation des Baath-Regimes und der "bösen Persönlichkeit"
eines Saddam Hussein dient offenbar mehr als "deus ex machina", wenn gerade
ein Kriegsgrund gebraucht wird – Veränderungen hat es hier während
der letzten Jahre nicht gegeben (wenn auch die Popularität Husseins
angesichts des Embargos und seiner – im Unterschied zu den meisten anderen
korrumpierten Herrschercliquen der Region – ehrlichen Aussagen zum 11. September
in der Region signifikant gestiegen sein dürfte). Bedroht fühlt
sich – abgesehen von Israel – allem Anschein nach kein Nachbarstaat, nicht
einmal die aus geopolitischen oder historischen Gründen vorbelasteten
Staaten wie Iran, Kuwait oder Saudi-Arabien.
Allein schon die Bedingungen des seit zwölf Jahren wütenden Embargos
lassen eine vom Irak ausgehende Aggression unmöglich erscheinen. Eine
ganze Generation ist unter den Embargobedingungen mehr oder minder einem
täglichen Kampf ums Überleben ausgesetzt – wenngleich ihre Entschlossenheit
zur Verteidigung gegen einen Feind, den sie konsequenterweise für das
Embargo verantwortlich machen, zweifellos gegeben ist, würde es bei
einem Feldzug gegen ein Nachbarland ganz andere Voraussetzungen geben.
Wie eingangs festgestellt wurde: Imperialistische Hegemonialmächte sind
in der globalen Situation keine reagierenden Kräfte, sie agieren. Die
USA legen also den Zeitpunkt des Krieges, unabhängig von jeder Entwicklung
innerhalb der Region oder von irgendwelchen Funden von als Kriegsrechtfertigungsgrund
entsandten IAEO-Inspektoren selbst fest. Also können die Kriegsursachen
auch nur innerhalb der USA gesucht werden.
Der Angriff vom 11. September traf die US-Ökonomie zum ungünstigst
möglichen Zeitpunkt. Er bildete einen Multiplikator für die nach
dem Platzen der Seifenblase der New Economy ohnehin notwendig eintretenden
Rezessionsphase und zerstörte alle Bemühungen, diese Phase durch
erweiterte Kapitalspritzen in erträglichem Ausmaß zu halten, im
Keim. Er traf die Führungsmacht des imperialistischen Weltsystems –
und damit das System als Ganzes – in der allgemeinen Phase seiner strukturellen
Krise, einer Krise, aus der es kein Entkommen gibt.
Der kurzfristige und schwindelerregende Boom der New Economy ist an sich
integraler Teil dieses krisenhaften Prozesses. Was schon an seinen Erscheinungen,
der unfassbaren Dekadenz des Handelns, der Präpotenz der Ideen und Konzepte,
ablesbar ist, bestätigt sich auf materieller Ebene bei der Analyse
seiner Entstehungsbedingungen. Dieser Boom konnte nur in einer Phase der
kapitalistischen Entwicklung entstehen, in der die Tendenz der fallenden
Profitrate in den traditionellen Sektoren der Binnenökonomie aufgrund
der historisch rasanten und letztendlich qualitativen Anhebung der Produktion
von absolutem und relativem Mehrwert in den letzten Jahrzehnten keine nennenswerten
Profite mehr möglich machen konnte. Das grundlegende Paradox der imperialistischen
Ökonomie kam zum Tragen: Mit jeder zusätzlichen Investition sank
die Profitrate, da der immer stärker werdende Anteil an konstantem Kapital
die Mehrwertrate, die als einzige ursächlich für den Profit verantwortlich
ist, weiter sinken ließ.
Doch Kapital steht nicht still – es will weiter investiert werden, und wenn
Kapitalexport im großen Stil aufgrund der allgemeinen Kapitalüberproduktion
wieder nur auf Kosten der mitkonkurrenzierenden Konglomerate gehen kann,
sucht es sich neue Spielwiesen: etwa die New Economy. So wurden Milliarden
von Dollar in Ideen und diffuse Dienstleistungen investiert, von denen die
meisten für die Weiterentwicklung der imperialistischen Ökonomie
ohne jeglichen Belang waren – sie mussten also sterben. Das Pyramidenspiel
der Börsen drehte sich immer schneller – je mehr investiert wurde, desto
stärker stiegen die eigenen Investments, doch bleibt der reale Output
aus, kommt der unvermeidliche Krach – und er kam.
Letztendlich ist die gesamte Boomphase der New Economy also nur Ausdruck
der strukturellen Krise der absoluten Kapitalüberproduktion, von dem
das System seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt ist.
Eine historisch bewährte, besser, die einzig historisch bewährte
Form der tendenziellen Lösung einer derartigen strukturellen Krise liegt
in der Kapitalvernichtung. Und zwar einer realen Kapitalvernichtung, die
durch daraufauffolgende Investitionsreize gekennzeichnet, also nicht mit
einem Börsencrash, der eigentlich nur einer gigantischen Umverteilung
ähnelt, vergleichbar ist: dem Krieg.
Für die US-Administration stellt sich der Widerspruch subjektiv auf
anderer Ebene dar: Das Zusammenspiel ihrer strategischen (die Vormachtstellung
im innerimperialistischen Hegemonialkampf) mit ihren taktischen Interessen
(die Wiederwahl) nötigen eine relativ stabile ökonomische Situation,
oder – als mögliche Alternative – außenpolitische Erfolge. Es
besteht also Zwang zum Handeln, ein Zwang, der mit oder ohne 11. September
in einem Aggressionskrieg im Arabischen Raum gemündet wäre.
Es reicht ein oberflächlicher Blick auf die binnenökonomischen
Rahmenbedingungen der USA, um die kriegstreibenden Aspekte darin zu erkennen:
Das Augenscheinlichste dabei ist der riesige militärisch-industrielle
Komplex, der seine regelmäßigen Kriege braucht, um die gigantischen
Summen, die für Forschung und Produktion von Waffensystemen aufgewendet
werden, zu rechtfertigen. Die USA arbeiten seit mehr als 50 Jahren als Kriegsindustrie,
eine Dialektik, die sich – aus der Notwendigkeit der Rüstung zum Angriff
geboren – mittlerweile umgekehrt hat und selbst den Angriff als Notwendigkeit
fördert und forciert.
Zudem gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Entwicklung der
US-Binnenökonomie und der Höhe des Ölpreises (vgl. dazu "Spiegel",
3/2003). Zwar ist der Ölpreis bei allen Rezessionsentwicklungen der
letzten drei Jahrzehnte nach dem vorher Gesagten nur eine nachrangige Bedingung,
allerdings bietet eine signifikante Senkung (einhergehend mit einer eventuell
zu erreichenden Preiskontrolle) eine wesentliche Voraussetzung für einen
kommenden Konjunkturzyklus, da das so frei werdende Kapital wieder in Investitionen
fließen kann (so abgerissen dieser Zyklus aufgrund der allgemeinen
Bedingungen auch sein wird).
Der bevorstehende Angriff auf den Irak ist nun nach der Afghanistan-Invasion
bereits der zweite offizielle Waffengang der US-Administration. Das in Washington
beheimatete Center of Strategic and International Studies (CSIS) hat in einer
Paneldiskussion mit zahlreichen Experten aus Politik, Wirtschaft und Hochfinanz
die ökonomischen Auswirkungen eines Krieges beraten. Ihre Schlussfolgerungen
sind eindeutig: "Die ökonomische Performance ist im Falle eines günstigen
Kriegsverlaufes besser als ohne Krieg, da ein schneller und entscheidender
Sieg Unsicherheiten eliminiert, ohne zu widrigen Nebeneffekten zu führen."
Dennoch bleiben demnach Risiken, auf die sich die US-Kriegsmaschinerie ernsthaft
vorzubereiten hat: Ein länger andauernder Krieg könnte, ebenso
wie eine Zerstörung der für den Ölexport wesentlichen Förder-
und Raffinerieanlangen, zu negativen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft
führen (ein Ausblick, der auch zeigt, dass das irakische Regime sehr
wohl rational handelte, als es die Ölförderanlagen bei der US-Invasion
vor zwölf Jahren in Brand steckte). Es dürfen also keine Fehler
passieren, und die Risiken müssen kalkulierbar bleiben – mit ein Grund
für die sehr langwierigen logistischen und propagandistischen Vorbereitungen,
die getroffen werden.
Die Fakten sprechen also eine deutliche Sprache: Angesichts der globalen
und regionalen Situation (wesentlicher Faktor ist hier auch der signifikante
Einflussverlust der USA in Saudi-Arabien), der Notwendigkeit zur progressiven
Verwaltung der ökonomischen Krise und dem Drang zur strategischen Sicherung
der Vorherrschaft in der innerimperialistischen Auseinandersetzung ist dieser
Krieg für die USA eine Notwendigkeit – genau darum wird er auch stattfinden.
Wesentlich dabei ist aber auch die sich aus den Fakten ergebende Erkenntnis,
dass die Notwendigkeit zum Krieg unabhängig vom persönlichen Willen
der relevanten politischen Entscheidungsträger besteht. Es ist also
nicht eine "böse" Administration oder der "texanische Eroberungswille"
und "Rache für den Vater"-Gedanken (den der irakische Geheimdienst angeblich,
so wurde lanciert, liquidieren wollte) eines George W. Bush – keine US-Administration
(und schon recht keine Regierung aus dem schwächeren Konkurrenzblock
EU) wäre angesichts der gegebenen objektiven Bedingungen in der Lage,
die objektive Tendenz zum Krieg umzukehren.
Die entscheidende Kriegsursache liegt in der inneren Dynamik des imperialistischen
Weltsystems, und letztendlich bietet nur seine Aufhebung im Rahmen einer
kommunistischen Perspektive die Möglichkeit, diese kriegerische Entwicklung
zu brechen.
3. Ein in neuer Qualität zu entwickelnder proletarischer
Internationalismus ist die einzige Antwort, die das imperialistische Weltsystem
in seinen Schwachpunkten treffen kann
Ziel jeder kommunistischen Politik hat es zu sein, diese Systemaufhebung,
die aufgrund der destruktiven Dynamik der strukturellen Krise des imperialistischen
Weltsystems eine objektive Notwendigkeit ist, voranzutreiben. Diese Zielsetzung
besteht unabhängig von der aktuellen taktischen Lage in den Regierungszentralen,
unabhängig irgendwelcher "demokratischen" Präferenzen. Es geht
auch nicht um einen moralinsauren Kampf zwischen "Gut" und "Böse", wie
es uns die US-Administration unter umgekehrten Vorzeichen erklären will
– solche Moralinjektionen überlassen wir gerne dem Feind und besinnen
uns auf eine der wesentlichen revolutionären Tugenden: Nüchternheit.
"Aufgabe der Kommunist/innen ist es nicht, die Proletarier daran zu erinnern,
wie destruktiv das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft ist und auf
wie vielen Massakern der Reichtum des ,big business' beruht, denn das wissen
sie selbst. Die wichtigste Aufgabe ist es, Verantwortung zu übernehmen
und zu sagen, wie gesiegt werden kann, wie kleine oder große Veränderungen
im gegenwärtigen historischen Kontext erzielt werden können." (Wotta
Sitta, "Für eine revolutionäre Perspektive in Europa", 1993)
Der Prozess der Systemaufhebung ist kein abstrakter – materialisiert er sich
nicht in einer auf die Machtübernahme orientierten proletarischen Politik,
ist er inexistent. Umso abstruser sind politische Vorhaltungen eines "Antiamerikanismus",
ganz so, als ob man ohne die Identifikation eines konkreten Feindes den internationalen
Klassenkampf führen könnte. Oder mit Marx: "Wenn du das letzte
Kapitel meines ,Achtzehnten Brumaire' nachsiehst, wirst du finden, dass ich
als nächsten Versuch der französischen Revolution ausspreche, nicht
mehr wie bisher die bürokratisch-militärische Maschinerie aus einer
Hand in die andere zu übertragen, sondern sie zu zerbrechen, und dies
ist die Vorbedingung für jede wirkliche Volksrevolution auf dem Kontinent."
(Marx an Kugelmann, 1871)
Denn es ist wahr: Unabhängig vom konkreten Willen der tragenden Subjekte
in der US-Administration, unabhängig vom Willen der amerikanischen Bevölkerung,
sind die USA als politischer Komplex zum derzeitigen Zeitpunkt als Hegemonialmacht
der Knotenpunkt in der Stabilisation des imperialistischen Weltsystems. Jede
Politik mit kommunistischer Perspektive hat sich im Widerspruch zu der in
diesem Komplex und seinen "besonderen Formationen bewaffneter Menschen" (Engels)
materialisierten Konterrevolution zu entwickeln. Die Macht dieses Komplexes
zu brechen bedeutet auch, die Macht des Gesamtsystems samt seiner weiteren
integralen Bestandteile, der nebensächlichen Imperialismen (von Europa
bis Südostasien) zu brechen, getreu dem dialektischen Prinzip, das Hauptsächliche
anzugreifen, um das Nebensächliche zu lösen.
Die dabei notwendige Konsequenz in der eigenen politisch-strategischen Ausrichtung
ist der vollständige Verzicht auf nationalistische Konzepte und nationale
Orientierungen – gilt es doch, auf eine kollektive Bedrohung kollektiv zu
antworten.
"Heute werden Fortschritte in erster Linie auf supranationaler Ebene gemessen.
Dies geschieht nicht, weil die supranationale Ebene eine Nivellierung und
ein Verlust der ,Besonderheiten' bedeutet, sondern weil diese Ebene ein ,allgemeines
Erfordernis' ist und daher ein Element darstellt, das für jeglichen
Fortschritt entscheidend ist, für das Proletariat in gleichem Maße
wie für die Bourgeoisie." (Wotta Sitta, "Für eine revolutionäre
Perspektive in Europa", 1993)
Dieser qualitativ neue proletarische Internationalismus reflektiert die globalen
Veränderungen der letzten fünf Jahrzehnte, die uns in der Entwicklung
des imperialistischen Weltsystems auch mit einer qualitativ neuwertigen Ausgangssituation
konfrontiert hat: Der Hauptfeind steht nicht mehr im eigenen Land, er hat
vielmehr globale Dimensionen angenommen. Diese Tatsache bedeutet nicht nur
eine Vervielfachung der Verantwortung der kommunistischen Kräfte, die
sich nicht mehr hinter der jahrzehntelang gepflegten bequemen Parole des
"Kampfes gegen die eigene Bourgeoisie" als Beitrag zur Weltrevolution verschanzen
können.
Der proletarische Internationalismus hat heute auf der Höhe des globalen
Hauptwiderspruches zu agieren, was bedeuten muss, herkömmliche Konzepte
über Bord zu werfen und sich neuartigen Wegen zu öffnen. Eine der
zentralen Herausforderungen wird es dabei sein, sich Bündnissen zu öffnen,
die sich nicht länger ideologisch, sondern politisch-strategisch – also
ausgerichtet auf den gemeinsamen Feind – definieren. Denn der Kampf gegen
unseren Feind wird schon geführt – auf politischer, militärischer
und kultureller Ebene: von islamischen Kräften.
Dies bringt, gerade angesichts der großen bestehen bleibenden Differenzen
und der Tatsache, dass die proletarischen Kräfte in einem derartigen
Bündnis im Moment aufgrund der internationalen Klassenkonstellation
nicht die führende Rolle einnehmen können (was für jede kommunistische
Entwicklung in weiterer Folge unabdingbare Voraussetzung ist), viele Schwierigkeiten
mit sich. Dennoch sehen wir darin aktuell den einzig gangbaren Weg zu einer
Wiedererstarkung revolutionärer Politik, die nicht in den regionalen
Schlupflöchern dahinvegetiert, sondern wieder zu einer globalen Perspektive
wird.
Bis dahin hat die Verbindung jeder konkreten proletarischen Aktion mit dem
globalen Kampf gegen das imperialistische Weltsystem oberste Priorität.
Diese Verbindung öffnet den progressiven Teilen der Klasse in den Metropolen
die Möglichkeit, unter Führung einer klassenbewussten Avantgarde
in die globale Systemauseinandersetzung einzugreifen, und darin durch ihre
konkrete Aktion die kommunistische Perspektive zu festigen und zu verbreiten.
Das Forum für Diskussion ist zu erreichen über:
www.discussion.uni.cc/
|
|
Der imperialistische Krieg des Globalismus.
Von A. Sivanandan
Der Krieg gegen den Irak ist die Eröffnungssalve in einem Krieg, der
die Welt nach den Bedürfnissen der amerikanischen Wirtschaft umstrukturieren
soll.
Die Pläne für den Krieg existierten schon lange vor dem 11. September,
zum Beispiel im Bericht des Project for the New American Century (PNAC) vom
September 2000, in dem eine Strategie für "weltweite amerikanische Führung"
bis in die ferne Zukunft ausgearbeitet wird. Unter den Gründungsmitgliedern
dieses Projekts sind Dick Cheney, Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz, alle
inzwischen zentrale Figuren der US-Verwaltung: ein Zeichen seiner Ernsthaftigkeit.
Seine Implementierung benötigte einen von der Wirtschaftsmaschine "gewählten"
Präsidenten und keinen demokratisch legitimierten: ein Zeichen seiner
Lebensfähigkeit. Und der 11. September stellte den Anlass, das "katastrophale
und katalysierende Ereignis – wie ein neues Pearl Harbor", das laut Andeutungen
im Bericht die Unbeliebtheit des Krieges mildern könnte. Der Anstoß
für den Krieg führt auf das Imperativ des globalen Kapitals zurück,
sich von den geopolitischen Ketten zu befreien, die es daran hindern, sich
über die Welt auszubreiten.
Die Geschichte der letzten 30 Jahren ist die Geschichte der "Kämpfe"
des globalen Kapitals, die drei Haupthindernisse einer solchen Herrschaft
zu überwinden. In der ersten Phase – etwa zwischen 1970 und 1980 – stand
es einer sich wieder aufbäumenden Arbeiterbewegung sowohl in den USA
wie auch in Europa gegenüber. Die Ölkrise (1973) und die Niederlage
in Vietnam, daraufhin die öffentliche Anklage von Nixon bereiteten dem
amerikanischen Kapital noch mehr Sorgen. In Großbritannien stürzten
die Bergarbeiter eine konservative Regierung, und Angestellte des öffentlichen
Dienstes brachten im so genannten Winter of Discontent eine Labour-Regierung
in Verlegenheit, die vor dem IWF kroch. Der Kapitalismus erlebte auf jeden
Fall eine Krise.
Aber eine technologische Revolution hielt sich abseits bereit – der Mikroprozessor
wurde um 1970 bis 1973 erfunden – die versprach, das Kapital vor der Arbeit
zu retten, indem sie die Grundlage der Produktion von der Arbeitskraft auf
die Elektronik und den Computer umstellte. Die einzige Bedingung für
den Start war die Niederlage der organisierten Arbeiterbewegung. Thatcher
war das Instrument dieser Niederschlagung in Großbritannien, Reagan
in den USA.
In den zehn Jahren (1980 bis 1990), die benötigt wurden, um die Gewerkschaftsbewegung
zu unterlaufen und die Arbeiterklasse auseinander zu bringen, nahmen die
mikroelektronischen Entwicklungen an Geschwindigkeit zu, was nicht nur die
Industrie, sondern die ganze Gesellschaft grundlegend veränderte. Das
Kapital hatte jetzt die Freiheit, den ganzen Globus zu umfassen – auf der
Suche nach Arbeitskraft, Märkten und Ressourcen – unterstützt durch
eine monetaristische Politik, Deregulierung und Privatisierung. Diese Entwicklung
wiederum verschob den Schwerpunkt des Regierens von sozialer Verantwortung
auf soziale Kontrolle. Und die internationalen Organisationen wie IWF und
Weltbank banden verschuldete Drittweltländer an Strukturanpassungsprogramme
und verwob sie so mit dem globalen Projekt.
Die Opposition des kommunistischen Blocks war allerdings noch zu überwinden,
gesteigert durch die Befreiungskriege in Mosambik, Guinea-Bissau und Angola
und der Aufstieg linker Regimes in Chile, Nicaragua und Grenada. Aber mit
dem Umsturz dieser Regierungen durch die CIA, den Contras und anderen amerikanischen
Agenten (Regimewechsel war damals weniger direkt), dem Fall der Berliner
Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das nächste große
Hindernis für das globale Kapital aus den Weg geräumt.
Firmen hatten nun die ganze Welt zum Operieren und die von Großbritannien
und den USA in den Achtzigern initiierte Wirtschaftspolitik – freie Märkte,
Strukturanpassung und Privatisierung – wurde auf der ganzen Welt nachgemacht.
Neue internationale Organisationen und Abkommen wie die WTO, Nafta und TRIPs
versiegelten Handels- und Patentrechte zu Gunsten der Multinationalen. Der
Staat selbst wurde Diener nicht seines Volkes, sondern seiner Konzerne.
Heute existiert kein Land, das nicht vom Unternehmenskapital durchdrungen
wird, kein gesellschaftliches Gebiet, das nicht von ihm kontrolliert wird,
kein Aspekt des Lebens, der nicht von ihm beeinflusst wird. Multinationale
Lebensmittelkonzerne bestimmen, was wir essen, Pharmakonzerne regieren unsere
Gesundheit, Medienmagnaten manipulieren unser Denken.
Aber das globale Kapital ist noch nicht fertig mit dem Ausplündern und
ist noch nicht satt. Es gibt noch den Urtrieb, die geopolitische Welt nach
seinem absoluten Willen zu schaffen. Und wo könnte man besser dieses
Projekt anfangen, als im ölreichen Nahen Osten, dem Dreh- und Angelpunkt
der globalen Veränderung?
Jedoch ist die Rechtfertigung einer solchen Strategie – in der Bush-Doktrin
der Verteidigungsschläge, Regimewechsel und umfassenden Herrschaft verkörpert,
alles im Namen der Demokratie und von oben aufgesetzt – so offensichtlich
falsch und unmoralisch, dass die öffentliche Meinung den Köder
nicht schluckt. Der Aufmarsch der Millionen am 15. Februar in der ganzen
Welt bezeugt ihren Unglauben. Das war der einzige gemeinsame Nenner: die
Verweigerung, die Missinformation der Informationsgesellschaft zu glauben.
Und der Moment des Unglaubens ist der Anfang der Rebellion.
Die Antwort auf die Dunkelheit des 11.Septembers ist die Aufklärung
des 15. Februars.
A. Sivanandan ist politischer Aktivist, Schriftsteller,
Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Race and Class" und Direktor
des Institute of Race Relations
|