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Kein Mahnmal für Nazi-BrandanschlagStadtrat lehnt Sturm-Vorschlag mit 16:13 Stimmen ab / SPD kritisiert "Verdrängung"Von unserem Redakteur Hubert HeinzI SCHWANDORF. In Schwandorf wird kein öffentliches Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des Habermeier-Anschlags vor zehn Jahren errichtet. Diese Entscheidung fällte der Stadtrat gestern mit den Stimmen von CSU und UW-Stadtrat Dr. Hans Zilch und verwarf damit einen Antrag der parteilosen Abgeordneten Irene Maria Sturm. Die SPD, die geschlossen für das Mahnmal votierte, warf der Stadtratsmehrheit "Verdrängung" vor. Beim Brandanschlag auf das Habermeier-Haus am Schlesierplatz waren am 17. Dezember 1988 vier Menschen gestorben - die dreiköpfige türkische Familie Osman, Mehmeth und Fatma Can sowie der deutsche Staatsbürger Jürgen Hübener. Der Täter Josef Saller, ein bekennender Schwandorfer Neonazi, wurde wegen besonders schwerer Brandstiftung zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt; er sitzt die Reststrafe in der Justizvollzugsanstalt Straubing ab. Wie die MZ berichtete, wurde im vergangenen Jahr die Forderung immer lauter, die Stadt solle zehn Jahre nach dem Brandanschlag zum Gedenken ein Mahnmal auf öffentlichern Grund errichten. Einen entsprechenden Antrag der parteilosen Stadträtin Irene-Maria Sturm vom Oktober lehnte jedoch der Hauptausschuß Anfang Dezember ab. Auch bei der Stadtratssitzung am 15. Dezember, also unmittelbar vor dem zehnten Jahrestag des Anschlags, wurde das Thema nicht behandelt. Die ablehnende Haltung der Stadt machte bundesweit Schlagzeilen. An einer Kundgebung am Jahrestag selbst beteiligten sich nicht nur rund 450 Demonstranten; die Presseleute kamen bis aus Frankfurt angereist. "Bündnis" stand SpalierAuch die gestrige Stadtratssitzung ging nicht ohne Kundgebung über die Bühne. Eine Handvoll Mitglieder des "Bündnisses gegen Rechts" stand vor der Feuerwache Spalier, äußerte auf Schildern Forderungen wie "Das Mahnmal wartet darauf, am Schlesierplatz errichtet zu werden, dort wo es hingehört". Im Sitzungssaal selbst: mehr Medienvertreter als üblich, auch ein Kamerateam von RTL, das aber nur Außenaufnahmen machen durfte. In der rund einstündigen Debatte gab es allerdings nur wenig Neues: Oberbürgermeister Hans Kraus begründete seine ablehnende Haltung noch einmal mit den Worten, man wolle mit einem Mahnmal keine "Wallfahrtsstätte für radikale Gruppen" schaffen. Er stellte in Abrede, daß der Bevölkerung das Thema auf den Nägeln brenne. Bei der Demonstration am 19. Dezember des vergangenen Jahres sei nur "eine Handvoll übriggeblieben aus der Schwandorfer Ecke, die für das Mahnmal ist". Auch Fraktionsvorsitzender Uwe Kass unterstrich die bisherige Argumentation der CSU und sprach sich gegen eine "Klassifizierung von Gewaltverbrechen" aus. Der Fraktionsvorsitzende räumte ein, daß es sich beim Brandanschlag um "eine politisch motivierte Tat, ein grausames Gewaltverbrechen" gehandelt habe, wandte sich jedoch gegen einen "Mißbrauch des Mahnmals zu Propagandazwecken". Seine Anregung: Die Initiatoren sollten in Eigenregie und in Absprache mit dem Besitzer eine Gedenktafel am ehemaligen Habermeier-Haus anbringen. Irene Maria Sturm appellierte "eindringlich an die CSU", ihre Haltung noch einmal zu überdenken. Zugleich richtete sie massive Vorwürfe an die Adresse der stärksten Fraktion im Stadtrat. Diese, so Sturm, "leugne den politischen Hintergrund der Tat und "spiele damit dem Rechtsradikalismus in die Hände". Die vorgetragenen Argumente, so die parteilose Stadträtin, seien "schlichtweg absurd", das Mahnmal solle "nicht den Tätern ein Denkmal setzen, sondern den Opfern". In Städten wie Moelln oder Solingen gebe es schon längst Mahnmale. Nach zehn Jahren sei es "an der Zeit, daß sich die Stadt Schwandorf besinnt", zumal man keine Gelder, sondern "lediglich einen Quadratmeter öffentlichen Grund" am Schlesierplatz zur Verfügung stellen müsse. Warnung vor der "Blamage"Auch SPD-Landtagsabgeordneter Franz Schindler sparte nicht mit massiven Attacken gegen die CSU. Mit ihren Äußerungen, die "in rechtsradikalen Blättern gelobt" würden, mache sie sich "zum Gehilfen" und bestärke die Täter, so sein Vorwurf. "Sie wollen offensichtlich verdrängen, nicht wahrhaben, daß in unserer schönen Stadt so etwas passiert ist", kritisierte er und forderte die CSU dazu auf, ihre Haltung noch einmal zu überdenken. "Es ist noch nicht zu spät, eine Blamage rückgängig zu machen", so Schindler in diesem Sinne. Zuvor hatte sich auch SPD-Fraktionsvorsitzender Helmut Hey in einem kurzen Statement für die Errichtung des Mahnmals ausgesprochen. Jeder, der demokratisch gesinnt sei, solle sich gegen derartige Taten wenden, seinen Abscheu ausdrücken, forderte er. "Man muß den Anfängen wehren, und dazu gehört dieses Mahnmal", so Hey. Auch ÖDP-Stadtrat Martin Brock sprach sich für ein öffentliches Erinnern aus. Für die CSU wies Dr. Felix Hierstetter noch einmal die Vorwürfe von SPD und Sturm als "oberlehrerhaft und zum Teil auch beleidigend" zurück. Er wandte sich gegen "Alibi-Symbole"; die Trauer müsse "in den Köpfen weiterleben", so seine Forderung. Hierstetter erinnerte daran, daß es kurz nach dem Anschlag in Schwandorf zu einer Welle der Hilfsbereitschaft gekommen sei. "Ich fand es gut, daß in der Stunde der Not Leute da waren, die geholfen haben", so der CSU-Stadtrat, der an Sturm die Frage richtete: "Wo waren Sie in der Brandnacht?" "Nicht an erster Stelle"Da 3. Bürgermeister Otto Kuhn und Altlandrat Hans Schuierer entschuldigt waren, spielte bei der Abstimmung UW-Stadtrat Dr. Hans Zilch schließlich das Zünglein an der Waage. Er lehnte das Mahnmal ab - als "Pilgerstätte" für Linksradikale und mit der Begründung, auf dem Granitstein zum Gedenken an die Opfer stehe "der Deutsche nicht an erster Stelle". [Foto: Der bereits fertiggestellte Gedenkstein aus Granit soll nicht auf öffentlichem Grund errichtet werden. Foto: Archiv] Mittelbayerische Zeitung Schwandorf, 03.03.1999 |