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Das Weihnachtsfest rückte mit Riesen Schritten näher. Überall in der Stadt sah man hastende Menschen,
die wegen des kalten Nordwindes, der seit einigen Tagen blies, die Kragen hochgeschlagen und die Schals noch fester um den Hals
geschlungen, durch die Stadt eilten, um noch die letzten Geschenke einzukaufen. Hippe, das kleine Kaufhaus von Waldburg, hatte
dieses Jahr extra einen Weihnachtsmann engagiert, der die vorbeieilenden mit "Ho, Ho" und "klingeling" zum kaufen einlud. Manchmal
gab er dem einen oder anderen Kind einen Lutscher, Lebkuchen oder bunten Luftballon. Als Lukas den dick vermummten
Christbaumverkäufer hinter dem Kaufhaus sah, kam er auf die Idee, sich dieses Jahr auch einen Christbaum zu kaufen. So zur Feier,
auf die neue Arbeit, die Wohnung und Tom. Eigentlich hatten sich für ihn in diesem Jahr schon alle Weihnachtswünsche erfüllt.
Lukas sah sich zwischen den vielen Bäumen um. Inzwischen hatte es wieder angefangen zu schneien und der Wind trieb ihm die Flocken
ins Gesicht. Für die Feiertage selbst, hatten die Meteorologen allerdings Tauwetter angekündigt. Die meisten Bäume waren ziemlich
groß und breit, für seine relativ kleine Wohnung hätten sie nicht gepasst. Ziemlich weit hinten, in einer Ecke, fand er schließlich,
was er suchte. Ein kleines Bäumchen, es hatte zwar eine krumme Spitze, aber das machte nichts, sonst war es schön gleichmäßig gewachsen.
Lukas nahm es mit zum Verkäufer, um es anspitzen und verpacken zu lassen und zu bezahlen. Der Christbaumverkäufer schaute sich die krumme
Spitze an und ließ Lukas deswegen sogar noch etwas am Preis nach. Mit dem Baum unterm Arm machte der sich auf den Weg. Auf dem kleinen
Weihnachtsmarkt erstand er noch einen Christbaumständer, Strohsterne, eine Beleuchtung aus lauter kleinen Laternen und schönes rotes
Schleifenband, außerdem Engelshaar. Damit wollte Lukas das Bäumchen schmücken. Inzwischen dämmerte es. So langsam gingen die Lichter an,
aus den weihnachtlich geschmückten Fenstern strahlte anheimelndes Licht. In den Straßen lag der süße Duft der Weihnacht, nach Tannenzweigen, Mandeln, Vanille und Zimt. Diesen Duft hatte er als Kind schon geliebt.
Auf dem Dorf konnte man ihn draußen weniger bemerken, die Bauernhöfe lagen zu weit auseinander, aber Mutters Küche und das
Wohnzimmer dufteten vor Weihnachten unbeschreiblich gut. Nach Lebkuchen und gebratenen Äpfeln, die die Mutter am Abend in der Röhre
hatte. Und die große Plätzchendose hatte eine riesige Anziehungskraft. Aber keiner, nicht mal Vater traute sich daran, Mutters
Kochlöffel war unendlich schnell auf den Fingern. Eine kleine Kostprobe brachte immer der Nikolaus, Lukas putzte deswegen seine
Stiefel besonders blank, nicht dass der Nikolaus wegen schmutziger Schuhe weitergeht oder etwa nur Kohlen hinein tut.
Als Lukas heimkam, machte er sich als erstes einen heißen Tee. Er nannte sich Adventstee und enthielt ebenfalls Apfelstücke, Zimt
und Vanille. Danach packte er die gekauften Sachen aus, stellte das Bäumchen in den Ständer und fing an, es zu schmücken. Zuerst
die Laternen, danach die Strohsterne und die roten Schleifen. Die Spitze bekam eine besonders große und schöne. Danach war gar
nicht mehr zu sehen, dass sie krumm war. Zum Schluss verzierte Lukas die Äste noch mit Engelshaar. Als er den Stecker der
Beleuchtung in die Steckdose steckte, erstrahlte die kleine Tanne im schönsten Lichterglanz. Zufrieden setzte sich Lukas in den
Sessel, nahm sich noch eine Tasse Tee und betrachtete sein Werk. In ihm stieg weihnachtliche Vorfreude, ein innerer Frieden und
doch eine unbestimmte Unruhe auf. Er würde später Mama anrufen, dass sie am Heiligabend zu ihm kommen sollten. Sie könnten
vielleicht zum Krippenspiel in der nahen Kirche gehen Aber vorher wollte er noch mit Tom sprechen. Er griff zum Telefon und
rief ihn an. Die vertraute Stimme von Tom meldete sich: "Ja hallo…" und klang hoch erfreut, als er hörte, dass es Lukas ist.
"Hallo Lukas mein Schatz, sind die Bilder etwa schon fertig?" "Ja die habe ich auch schon entwickelt, sind geil geworden…zeige
ich dir, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Du musst mir nur sagen, was du dann davon haben willst. Aber eigentlich wollte ich
über etwas anderes mit dir reden…". "Na, das hört sich ja nach was ernstem an, schieß los" kam von Tom. Die zwei unterhielten
sich sehr lange, wer Lukas dabei zusah, konnte sehen, wie er mit den "Händen gestikulierte", die Stirn runzelte, dann wieder
ganz entspannt und glücklich aussah, damit im nächsten Moment wieder Sorgenfalten sein Gesicht zerfurchen konnten. Nach einer
guten Stunde sagte Lukas zu Tom: "ja gut, dann sehen wir uns am heiligen Abend". Ich freu mich schon und auch wieder nicht,
eigentlich möchte ich, dass dieser Abend schon vorbei wäre". Er schnaufte tief. "Ach, wird schon gut gehen und wenn nicht,
habe ich dich schon früher für mich und kann Weihnachtsmann spielen und dich mit meiner Rute trösten". Wenn sie ein Bildtelefon gehabt hätten, hätte Lukas
sehen können, wie auf Tom`s bis dahin ernstem Gesicht, ein breites Grinsen erschien. Lukas antwortete:" Sehr beruhigend, wie
du mich aufbaust".
"Ich bring uns eine gute Flasche Wein mit, Kopf hoch, wird schon, ich bin ja auch noch da!" kam von Tom. Lukas war allerdings
schon wieder am überlegen, ob Weihnachten dafür überhaupt der richtige Zeitpunkt wäre, aber sein Innerstes rebellierte zu sehr.
Also sagte er zu Tom: "dein Wort in Gottes oder wessen Ohr auch immer und ich geb mir ganz große Mühe mit dem Kartoffelsalat,
hoffe, der Metzger tut es mit den Würstchen auch. Also, bis zum 24. und du bist sicher, dass du nicht mit zum Krippenspiel
kommen willst?" "Ja , bin ich, ich spiel schon einmal Christkind, während ihr in der Kirche seid…also, bis bald und mach
dich nicht verrückt. Ich liebe dich, denk daran." "Ja, ich liebe dich auch, tschüß bis bald." Ein Klicken ertönte in der
Leitung, Tom hatte aufgelegt, nachdenklich legte Lukas auch auf.
Er kramte aus der hintersten Ecke des Küchenschrankes eine Schachtel Zigaretten raus, gedacht für Gäste und für Notfälle.
Und dies schien ihm einer zu sein. Er brühte sich noch eine große Tasse Tee, allerdings befürchtete er schon fast, dass er
deswegen in der nächsten Nacht wohl Pampers brauchen würde. Dann setzte er sich wieder in den Sessel und blies den Rauch in
kleinen, gekringelten Wölkchen an die Decke. Als er aufgeraucht hatte, griff er zum Telefon und rief seine Eltern an. Es war
höchste Zeit, sie gingen relativ früh ins Bett. "Hallo Mama…" "Hallo mein Junge, schön, dass du mal anrufst, wie geht es dir?"
"Danke Mama, gut, ich wollte euch gerne am Heiligen Abend zu mir einladen. Schließlich habt ihr die neue Wohnung auch noch nicht
gesehen. Ich hoffe, dir und Papa geht es so halbwegs… Ich würde euch mit dem Auto abholen und wieder heimbringen. Und die Kirche
ist hier gleich um die Ecke, da könnten wir hingehen. Was meinst du?" "Ich hoffe, für Papa ist das nicht zu anstrengend…wart mal,
ich frag ihn gleich." Im Hintergrund hörte man sie mit seinem Vater sprechen...ein Satzfetzen drang an Lukas Ohr "ja wenn du denkst,
dass du es schaffst, ich würde gern fahren, das weißt du ja." Es knackte im Hörer. Lukas Mutter war wieder dran, "Lukas hörst du?"
"Ja Mama" "Also Papa meint das geht, also kommen wir gern…" Okay., dann hole ich euch gegen 17.00 Uhr ab. 18.00 Uhr ist das
Krippenspiel". "Gut, das ist uns recht, sollen wir etwas zu essen mitbringen?" "Ich mach Kartoffelsalat und Würstchen, hoffe,
das ist euch recht". Lukas Mutter antwortete, "na klar", aber Lukas wusste jetzt schon, dass sie sich es nicht nehmen lassen
würde, auch etwas mitzubringen. "Also bis Heilig Abend, ach übrigens, später kommt noch ein Freund von mir, hoffe, es stört euch nicht."
"Nein, nein, stört uns nicht, warum, lad ihn nur ein. Also dann schlaf gut mein Junge, bis übermorgen." "Ja Mama, schlaft ihr auch gut
und drück den Papa von mir. Gute Nacht." "Gute Nacht Lukas."
Danach wählte Lukas noch Stefanies Nummer und machte mit ihr aus, dass sie sich in seiner Mittagspause im Café Mohren auf einen Kaffee
trafen. Er wollte ihr doch die Weihnachtsgeschenke für sie und die Kinder geben. Was er ihr allerdings nicht sagte. Als er aufgelegt hatte,
holte er Geschenkpapier und band, um die Geschenke zu verpacken. Dies machte er gern selbst, gab den Geschenken eine persönliche Note.
An jedes hängte er ein Kärtchen, "Schöne Weihnachten wünscht dir…Lukas"
Morgen musste er nach dem einkaufen, noch das Album für Tom fertig machen. Würde zwar nicht mehr allzu lange dauern, aber trotzdem.
Als alles eingepackt war, legte er sie in eine Tüte, damit konnte sie Stefanie auch gleich nach Hause transportieren, ohne dass die Kinder
es auch gleich mitbekommen.
Um sich etwas abzulenken, sah Lukas noch eine Weile fern , dann zog er sich aus und ging ins Bett.
Am nächsten Morgen hatte der Wind gedreht, er kam jetzt von Westen. Die Wetterfrösche schienen recht zu behalten. Aus den schönen
Schneeflocken waren kleine Griesel geworden, manchmal waren es auch schon fast Regentropfen. Die Wolken hingen grau und tief über
der Stadt. Am Mittag traf er sich wie abgemacht mit Stefanie. Das Café Mohren lag direkt am Markt. Durch seine großen Fenster
konnte man die vorbeigehenden Leute beobachten und "Studien" über die verschiedenen "Typen machen. Oft saßen auch Maler da, denn
genau gegenüber war das sehr schön restaurierte Rathaus, das mit dem Giebel zum Markt schaute. Es hatte sehr schöne Malereien an
den Wänden und eine Außentreppe, die von beiden Seiten, also von links und rechts nach oben führte. Sie ruhte auf Holzstützen und
ihr Bogen und das Geländer waren mit geschnitzten Ornamenten aus Holz verziert. Ein Motiv, welches Fotografen und Maler reizte.
Lukas und Stefanie trafen fast zur gleichen Zeit ein und setzten sich an einen runden Zweiertisch ans Fenster. Als die Bedienung kam,
bestellte sich Stefanie einen Milchkaffee, Lukas nahm einen Cappuccino. Er gab ihr die Tasche mit den Geschenken. Sie freute sich sehr,
errötete aber leicht, als Lukas sie ihr gab. "Das sollst du doch nicht machen, ganz lieben Dank. Ich habe aber nun leider nichts für dich,
das hätte ich nicht erwartet. Aber ich revanchiere mich mal. Versprochen!" "Schon gut, ich mache euch gern eine Freude, ihr seid so eine
nette kleine Familie." "Du und Tom aber auch!" kam von Stefanie. "Was macht ihr Weihnachten?" Lukas erzählte, dass Heiligabend seine Eltern
kommen und sie ins Krippenspiel gehen wollten. Und dass nachher Tom noch zu ihnen kommt." "Wissen deine Eltern von Tom?" "Nein, noch nicht"
Stefanie tröstete Lukas, "sei nicht traurig, irgendwann wirst du es schaffen, es ihnen zu sagen und wenn deine Eltern dich lieben, bist du
auch weiterhin ihr Sohn, der du immer gewesen bist. Und wenn nicht, was ich aber nicht glaube, bleibt dir immer noch Tom." "Danke, du hast
recht und irgendwann kann ich mich sicher dazu durchringen…" Mehr konnte und wollte Lukas zu dem Zeitpunkt ihr nicht sagen. "Und ihr? Was macht ihr, kommt Peter?" "Ja, die Kinder
wollen auch ins Krippenspiel, vielleicht sehen wir uns ja. Peter kommt nicht, er ist doch auch frisch verliebt und sein Freund wohnt etwa
100 km weg in Bergheim, da fährt er hin. Also nicht mehr so viel mit Babysitter, beanspruche ihn nur noch ganz selten, er hat ja mit seiner
Arbeit auch zu tun und da die Liebe groß ist, ist die natürlich wichtiger. Aber die Nachbarin nimmt mir die Kinder auch schon mal ". "He, na
so was, aber ich glaube, ich weiß wer. Haben ihn schon einmal im Tom`s gesehen. Deswegen war von Peter die letzte Zeit nichts zu sehen und
hören. Daniel, der Kellner dort, wusste nämlich auch nichts. Dann grüße mal ganz lieb und ihm auch ganz schöne Weihnachten." "Ja danke,
mach ich, wird er sich sicher freuen. So langsam muss ich aber wieder los…ich wünsche euch allen ein frohes Weihnachtsfest und habt eine
schöne Zeit miteinander. Ich hoffe, mir begegnet auch irgendwann mal das Glück, dass unsere kleine Familie wieder vollständig ist" setzte
Stefanie ein wenig wehmütig hinzu. "Ich wünsche euch allen auch ein recht schönes Weihnachten, vielleicht sehen wir uns ja und das Glück
kommt sicher bald auch bei dir vorbei, bei so einer netten Frau muss es das unbedingt!" Lukas lächelte und drückte Stefanie kurz. "Lieben Dank, tschüß,
danke nochmals…bis dann…" Stefanie zahlte ihren Kaffee und den von Lukas, das ließ sie sich nicht nehmen. Dann nahm sie ihren Mantel von
dem großen, runden, schmiedeeisernen Kleiderständer, hatte ihn an, ehe Lukas bei ihr war und helfen konnte. Sie lächelte ihn an, "danke,
geht schon" und band sich dabei ihr blaues Seidentuch um den Hals. Indem sie sich nochmals umdrehte und winkte, verließ sie das Café durch
die Glastür, auf der Ornamente eingraviert waren. Etwa in Augenhöhe hing ein Schild mit den Öffnungszeiten, das einige schön
geschwungene Linien der Gravur leider verdeckte.
Jetzt zog sich Lukas auch an und ging zurück in den Laden.
Am Nachmittag, nach der Arbeit erledigte er die Lebensmitteleinkäufe,
die er noch machen musste. Im Markt war der Teufel los und Lukas war froh, als er alles bezahlt und eingepackt hatte. Dann fuhr er nach Hause,
inzwischen regnete es richtig und der Schnee fing an zusammenzufallen und machte Toms Geschenk fertig. Das Ganze zog sich dann doch noch hin,
weil es natürlich perfekt sein sollte. Morgen, am Heiligabend früh, musste er noch mal bis 12.00 Uhr arbeiten, Herr Lutz hatte seit heute viel
Besuch und da zählte selbstverständlich jede Stunde. Aber das machte Lukas nichts aus, der Tannenbaum war schon geschmückt und den Kartoffelsalat
kriegte er noch dreimal fertig. Dann konnte er noch in Ruhe duschen und sich schick machen. Gegen 16.30 Uhr, wollte er dann zu seinen Eltern fahren.
Herr Lutz war sonst auch sehr entgegenkommend. Lukas gönnte ihm die Zeit...
Fortsetzung folgt

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