Inhalt
• Einleitung
• Ziele •
Psychologie
• Entwurf •
Style Guide
• Prototyp
• Ausblick
• Literatur
• Anhänge
1 Ziele der Softwareergonomie
Das Ziel eines Softwaresystems ist die optimale
Unterstützung des Benutzers bei der Aufgabenerfüllung. Die
Benutzungsschnittstelle, als Bestandteil der Software muss eine effiziente
und effektive Kommunikation zwischen Anwender und dem funktionalem Kern
des Anwendungssystem gewährleisten. Die Effizienz gibt den im
Verhältnis zur Genauigkeit und Vollständigkeit eingesetzten Aufwand an,
mit dem Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen (vgl. [ISO9241-11] S. 4).
Die Effektivität gibt die Genauigkeit und Vollständigkeit an, mit
der Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen.
Shneiderman nennt fünf zentrale Kriterien für den
Entwurf von Benutzungsschnittstellen: Erlernbarkeit, Geschwindigkeit der
Aufgabenerledigung, Fehlerrate, Erinnerungsrate und subjektive
Zufriedenheit des Benutzers (vgl. [Shne98] S. 15). Nielsen tauscht in
seiner Aufzählung lediglich die Geschwindigkeit der Aufgabenerledigung mit
dem Begriff Effizienz, meint aber prinzipiell das Gleiche
(vgl. [Niel93] S. 26ff). Die einzelnen Kriterien beeinflussen sich
gegenseitig, so dass für ihre Ausprägung immer ein Kompromiss gefunden
werden muss. Die genannten Aspekte werden unter dem Begriff Usability
(deutsch: Benutzbarkeit) zusammengefasst und können zur Evaluation von
Software verwendet werden.
Die Nutzung der Schnittstelle darf nicht selbst zur
Aufgabe bzw. zu einem Problem werden, sondern sollte so transparent wie
möglich ablaufen. Damit kann ergonomische Software in einem Unternehmen zu
erheblichen Kostensenkungen führen. In diesem Bereich wurden umfangreiche
Studien durchgeführt. Das Hauptproblem bei diesen ist die Messung und
Zuordnung der genauen Kostensenkungen oder -erhöhungen. Nielsen beschreibt
in seinen Buch einige Beispiele (vgl. [Niel93] S. 2ff). So sparte ein
australisches Versicherungsunternehmen ca. A$500.000 durch das Neudesign
der Bildschirmformulare in einer Anwendung. Die Kosten des Projekts
betrugen A$100.000. Durch das neue Design wurde die Fehlerrate deutlich
gesenkt und damit Kosten eingespart. In vielen dieser Beispiele, die
Nielsen in seinem Buch beschreibt, werden Kosten durch Zeiteinsparung
gesenkt. Ein Benutzer kann an vielen verschiedenen Stellen im
Anwendungssystem Zeit sparen. So können bereits mit sinnvollen Vorgaben in
Eingabefeldern erhebliche Steigerungen der Arbeitsgeschwindigkeit erzielt
werden. Da viel Zeit bei der Korrektur von Fehlern verloren geht, sollten
Fehlerquellen durch entsprechendes Design vermieden werden. So wurde in
einem anderen Versicherungsunternehmen das eingesetzte System durch die
Anwender bewertet und 130 Benutzungsprobleme festgestellt. Es ist
offensichtlich, dass der Entwicklungsprozess nicht unter Mithilfe der
Benutzer vonstatten ging bzw. die Evaluation schlecht durchgeführt wurde.
Viele der genannten Probleme hätten sich einfach vermeiden lassen, wären
sie bekannt gewesen.
Diese Studie ist kein Einzelfall. Nach einer
Einschätzung des TÜV Rheinland sind 60 Prozent der Anwender mit ihrem
Computerprogramm unzufrieden. Durch Handhabungsprobleme gehen 20 Prozent
der Terminal-Arbeitszeit verloren (vgl. Burm+00] S. 54), was einen enormen
wirtschaftlichen Verlust darstellt. Diese Benutzungsprobleme führen nicht
nur zu einem schleichenden Imageverlust und hohen Kosten der Hotline des
Herstellers, es treten auch andere Schwierigkeiten auf. So ist vor allem
bei der Einführung eines neuen Systems mit erheblichen Widerstand der
betroffenen Personen zu rechnen. Wird dieser durch das Auftreten
ergonomischer Schwächen verstärkt, kann das ein Scheitern des gesamten
Projektes zur Folge haben. Das Ergebnis ist ein Anwendungssystem, dass
niemand nutzt. Die Akzeptanz von Systemen steigt automatisch mit dem Grad
Ihrer Ergonomie.
Während man in der Vergangenheit ca. 20 Prozent der
Entwicklungszeit eines Softwaresystem für die Benutzerschnittstelle
zuordnete, muss man heute mit einer inversen Verteilung rechnen
(vgl. [ReMo95] S. xi). D.h., dass bis zu 80 Prozent der Entwicklungszeit
für die Gestaltung der grafischen Benutzungsschnittstelle (BS) benötigt
werden. Es gibt eine Vielzahl von Gründen für diese Entwicklung
(vgl. [Prei99] S. 1f). Zum einen ist aufgrund der technischen Entwicklung
eine grafische Oberfläche für fast jedes System realisierbar. Zum anderen
haben sich die Aufgabenbereiche und damit die Benutzer geändert. Wurden
früher Computersysteme ausschließlich von Experten genutzt, stehen sie
heute einem breiten Benutzerkreis zur Verfügung. Die neuen
Aufgabenbereiche erfordern größtenteils die im Gegensatz zur asynchronen (Batch-)Arbeitsweise
stehende interaktive Kommunikation mit dem Anwendungssystem. Um am Markt
bestehen zu können, muss das Softwaresystem mit einer angemessenen
grafischen BS ausgestattet sein. Im Ergebnis daraus werden diese immer
umfangreicher und komfortabler. Das bedeutet gleichzeitig, dass ein großer
Anteil der Projektkosten in diesem Bereich der Softwareentwicklung
eingesetzt werden muss. Beschleunigt man die Entwicklung der grafischen BS
so sinken die Gesamtkosten des Projektes. Eine Beschleunigung kann durch
verschiedenste Maßnahmen erreicht werden. Einer der wichtigsten Punkte
besteht darin, nachträgliche Korrekturen zu minimieren. Wird von Anfang an
auf ergonomische Aspekte geachtet, so müssen diese nicht nachträglich
eingebracht werden.
Akzeptanz beim Kunden und Entwicklungskosten der
Software haben entscheidenden Einfluss auf den Markterfolg eines
Anwendungssystems. Es ist der Trend zu beobachten, dass Kunden vermehrt
auf eine ergonomische Benutzungsschnittstelle achten. Dies liegt auch an
der seit 1.1.2000 gültigen Bildschirmarbeitsverordnung, die in ihrem
Anhang (Nr. 20-22) Grundsätze der Softwareergonomie darlegt
(vgl. [GEAE97]). Mit Einführung europäischer Normen wie beispielsweise der
ISO 9241 wurden dem Kunden auch entsprechende Werkzeuge für die Bewertung
von Software zur Verfügung gestellt. In Zeiten des Outsourcing und der
Profitcenter, wo kaum noch Softwareprojekte unabhängig vom Wettbewerb
entwickelt werden können, gewinnen diese Aspekte immer mehr an Bedeutung.
© yves köth |
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