Themenbereich: Software Ergonomie
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2 Psychologische Aspekte der MCI

2.1 Informationsaufnahme des Menschen

Eine notwendige Grundlage für Oberflächenentwickler ist das Verständnis für die kognitiven Fähigkeiten des Benutzers (vgl. [Shne98] S. 20). Diese sind die Voraussetzung des Anwenders, um die vom Anwendungssystem angebotenen Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.

2.1.1 Informationsverarbeitung

Seit den sechziger Jahren wird in der Psychologie versucht, Verhalten und Erleben des Menschen als Informationsverarbeitung zu betrachten (vgl. [Glas94] S. 7ff). Dies wird durch die Nutzung der Computermetapher ermöglicht. Die Hardware findet ihre Analogie im physischen Organismus, dem Untersuchungsgebiet der Biologie und Physiologie, die Software entspricht dem geistigen Geschehen im Menschen, dem Gebiet der Psychologie. Die psychologische Grundlagenforschung geschieht heute überwiegend im Rahmen dieses Informationsverarbeitungsansatzes.

Auf dieser Basis wurde das Modell der Architektur der menschlichen Kognition entwickelt (vgl. Abbildung 1). In diesem steht das Individuum der Umwelt gegenüber. Die informationellen Einwirkungen der Umwelt auf den Menschen werden unter dem Begriff Wahrnehmung subsumiert. Sie stellen den Input für den Benutzer, d.h. gleichzeitig den Output eines Softwaresystems dar. Dieser Bereich ist vor allem für die Gestaltung der Benutzungsschnittstelle von Bedeutung (vgl. Abschnitt 2.1.2). Die Verarbeitung der Informationen im Exekutivsystem wird mit Hilfe des Gedächtnissystems realisiert. Dieses arbeitet unter Nutzung von mentalen Modellen. Sie sind für die Struktur einer Benutzungsschnittstelle von entscheidender Bedeutung (vgl. Abschnitt 2.2). Das Gedächtnissystem greift auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis zurück. In verschiedenen Arbeiten wurde versucht, dass Gedächtnissystem zu quantifizieren, um direkte Aussagen über die Fähigkeiten von Benutzern treffen zu können. Damit lässt sich für verschiedene Aufgaben berechnen, wie lange der Benutzer für Ihre Erfüllung braucht und in welchem Maße das Gedächtnissystem belastet wird. Auf eine intensivere Behandlung dieses Themas wird an dieser Stelle verzichtet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Kurzzeitgedächtnis äußerst begrenzt ist. Müssen Informationen länger gemerkt werden, muss das Gedächtnissystem dies aktiv unterstützen. Diese aktive Unterstützung, die mittels des Exekutivsystems realisiert wird, ist jedoch so aufwendig, dass anderweitige Aufgaben nur sehr begrenzt erfüllt werden können.

Abbildung 1 Architektur der menschlichen Kognition (vgl. [Glas94] S. 10)

 

Für die Softwareergonomie bedeutet das, möglichst immer alle relevanten Informationen bereit zustellen, so dass der Benutzer sein Kurzzeitgedächtnis wenig belasten muss.

 

2.1.2 Die psychologischen Gestaltgesetze

Der Bildschirm ist zur Zeit die wichtigste Informationsquelle bei der MCI. Das bedeutet, dass die meisten Informationen für den Benutzer visuell wahrgenommen werden. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt vor allem auf die Gestaltgesetze eingegangen, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Wahrnehmungstheorie darstellen.

Die Gestaltgesetze sind Phänomene der visuellen Wahrnehmung, die in umfangreichen Untersuchungen herausgearbeitet wurden. Sie basieren auf der Tatsache, dass der Mensch bei der Aufnahme von visuellen Informationen das Wahrnehmungsfeld in Figur und Grund zerlegt. Alles was als Figur identifiziert wird, entspricht einem wahrgenommenen Objekt, der Grund bleibt unbeachtet. Die Frage, was als eine Figur erkannt wird sollen die Gestaltgesetze beantworten (vgl. [Glas94] S. 25ff).

Das Gesetz der Nähe als eines der bekanntesten Gestaltgesetze besagt, dass Elemente mit enger räumlicher Nähe als zusammengehörend wahrgenommen und damit als ein Objekt bzw. eine Figur erkannt werden. Ordnet man eine zweidimensionale Matrix von Punkten so an, dass der Abstand in der horizontalen Richtung größer ist als in der vertikalen, so entsteht ein Bild von mehreren Spalten. Das Gesetz der Gleichheit bzw. Ähnlichkeit besagt, dass ähnliche oder gleich aussehende Elemente schneller zum Zusammenschluss anregen als unterschiedliche Elemente. Wählt man im vorigen Beispiel gleiche Abstände zwischen den Elementen und ändert die Farbe in vertikaler Richtung, so entsteht bei der Wahrnehmung der Eindruck von Zeilen. Das Gesetz der guten Fortsetzung besagt, dass sich schneidende Konturen so interpretiert werden, dass beteiligte Linien wenn möglich nicht als geknickt erscheinen. Bei dem Gesetz der Schließung bzw. Geschlossenheit wird ausgesagt, dass nahezu geschlossene Konturen als eine Figur wahrgenommen werden, wobei das Innere die Figur und das Äußere der Grund wird. Dabei werden nicht existierende Teile einer Figur hinzugefügt. Dies gilt für alle Objektgruppen, die räumlich getrennt sind und bei denen der Betrachter eine kohärente Figur zu erkennen versucht (vgl. [ISO9241-12] S. 10). Die folgende Abbildung illustriert die beschriebenen Gesetze.

 

Abbildung 2 Die wichtigsten Gestaltgesetze

 

Die Gestaltgesetze werden oft in Kombination angewandt. Dabei folgt der Mensch dem Minimalprinzip, indem für die analytisch-geometrische Beschreibung des Wahrnehmungsfeldes so wenig wie möglich Informationen benötigt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Mensch außergewöhnliche Fähigkeiten im Bereich der Wahrnehmung besitzt. Er kann beispielsweise Oberflächen bereits mit kleinsten Hinweisen wahrnehmen. Im Beispiel in Abbildung 3 glaubt man, ein Dreieck über drei Kreisen zu sehen. Sogar die Seiten des Dreiecks über dem weißen Papier scheinen sichtbar.

 

Abbildung 3 Beispiel für subjektive Konturen

 

Diese Fähigkeit hilft auch bei der Wahrnehmung dreidimensionaler Elemente. Auf den Gestaltgesetzen lässt sich keine geschlossene Theorie aufbauen, die den Aufbau des Bildschirminhalts beschreibt. Einige Hinweise lassen sich dennoch ableiten. So sollten Objekte auch als solche auf dem Bildschirm dargestellt werden. Dazu werden umschließende Linien und geschlossene Farbflächen genutzt. Gliedernde Elemente wie Trennlinien sollten selbst keine Figuren, sondern Grund sein. Die Bildschirmelemente können durch Abstände in logisch getrennte Bereiche gegliedert werden. Da Oberflächen und ganze Objekte auch aus Andeutungen erkannt werden, kann eine dreidimensionale Darstellung auf dem Bildschirm genutzt werden. Wichtige Objekte im Vordergrund werden vollständig dargestellt, während im Moment nicht benötigte überdeckt im Hintergrund angezeigt werden.

Der Ansatz der Gestaltgesetze gibt Aufschluss darüber, wie Objekte dargestellt werden sollen. Er gibt keine Auskunft darüber, welche Objekte wann und wo angezeigt werden sollen. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich deshalb mit einem anderen Bereich der Psychologie, der bei diesen Fragen helfen kann.

 

2.2 Mentale Modelle

"Die allgemeinste begriffliche Kennzeichnung der Inhalte des Langzeitgedächtnisses besagt, daß diese mentale Modelle der Außenwelt in allgemeiner, semantischer (‚Häuser haben Dächer‘) oder spezieller, episodischer Form (‚Mein Haus hat zwölf Fenster‘) darstellen." ([Glas94] S. 43) Mit ihrer Hilfe versucht der Mensch reale Vorgänge zu erklären und steuernd darauf einzuwirken. Die kognitive Psychologie definiert mentale Modelle als Modellierung von Prozessen (vgl. [Alle97] S. 49). Dabei fasst der Mensch mehrere Schritte eines Prozesses zusammen und sieht diese als Einheit mit bestimmten In- und Output. Der Output wird durch die mentalen Modelle "berechnet" und entspricht bei einem realen Prozess dem vorhergesagten Ergebnis. Die einzelnen Schritte sind nicht Inhalt des mentalen Modells, sondern vielmehr unbekannt. Mentale Modelle können nur indirekt beeinflusst werden.

Ein Benutzer besitzt für die von ihm zu erledigenden Aufgaben mentale Modelle. Diese sind je nach Vertrautheit mit dem Aufgabenbereich unterschiedlich stark ausgeprägt. Um ein Anwendungssystem nutzen zu können, muss der Benutzer sich von diesem ein mentales Modell bilden. Dieses Modell ist anfangs nur sehr vage und unvollständig. Der Benutzer versucht nun, dieses unvollständige Modell ständig zu erweitern und damit das Anwendungssystem zu erfassen und zu verstehen. Für ein schnelles Einarbeiten und effizientes Arbeiten ist es günstig, wenn mentales Modell und Anwendungssystem in möglichst vielen Punkten übereinstimmen. Das heißt, dass der vorhergesagte Output des mentalen Modells des Benutzers dem tatsächlichen Output des Softwaresystems entspricht. Ist der Benutzer mit dem Aufgabenbereich nicht vertraut, kann er sich bei Bildung seines mentalen Modells am Anwendungssystem orientieren. Soll das Computersystem jedoch bereits existierende Geschäftsprozesse unterstützen, so besitzt der Benutzer für diese bereits mentale Modelle. Wird ein Anwendungssystem entwickelt, das diesen entgegensteht, kann es sehr lange dauern, bis sich der Benutzer angepasst hat. In diesem Fall ist es günstiger, das Modell des Anwendungssystem dem mentalen Modell des Benutzers anzupassen. Allerdings ist zu beachten, dass der Einsatz von Software oftmals auch als Ansatz genutzt wird, bisherige Prozesse zu analysieren und optimieren.

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass mentales Modell und Anwendungssystem nie ganz deckungsgleich sind. Aus diesem Grund müssen Mechanismen bereitgestellt werden, die den Anwender bestmöglich beim Erlernen des Modells unterstützen. Hilfreich sind dabei Hilfesysteme und Nutzung von Gleichnissen, auch Metaphern genannt.

       

2.3 Metaphern

Metaphern stellen einen wichtigen Aspekt im Softwaredesign dar. Metaphern sind die Überführung von bekanntem Wissen eines Gebietes auf ein anderes artfremdes Gebiet (vgl. [NeCa97] S. 441). Das Ziel beim Einsatz einer Metapher besteht darin, das Anwendungssystem an ein bekanntes Referenzsystem anzulehnen. Benutzer können damit bereits bekanntes Wissen nutzen und in einem neuen Kontext anwenden. Da ein Benutzer lediglich Analogien zwischen Quell- und Zielsystem ziehen muss, wird der Lernprozess erheblich beschleunigt. Die Quelle von Metaphern stellen bekannte Prozesse, Aufgaben und Situationen dar. Eine der bekanntesten Metaphern ist die Schreibtischmetapher. Sie beschreibt den Bildschirmaufbau des Betriebssystems als Schreibtisch. Dabei werden Objekte wie Dokumente oder Ordner so dargestellt, dass der Anwender sie sofort als solche erkennt. Auch die Funktionalität kann mittels einer Metapher ausgedrückt werden. So kann ein Benutzer ein Dokument mit der Maus direkt über den Papierkorb "ziehen" und "loslassen" (engl.: Drag and Drop) und damit löschen. Er hat jedoch auch die Möglichkeit, das Dokument wieder aus dem Papierkorb zurückzuholen und auf dem Schreibtisch wieder herzustellen. Metaphern werden jedoch nicht nur eingesetzt, um die Lernprozess zu beschleunigen. Durch die Nutzung von Gleichnissen ist auch eine einfachere, weil verständlichere Bedienung erreichbar.

Die Entwicklung zahlreicher Metaphern führte dazu, Klassifizierungen einzuführen. Hutchins unterscheidet drei Klassen (vgl. [NeCa97] S. 444f). Metaphern die an den Zielen des Benutzers ausgerichtet sind, zählt er zu den aktivitätsorientierten Metaphern. Die zweite Klasse beschreibt die grundlegende Interaktion zwischen Benutzer und Computer. Die aufgabenorientierten Metaphern beschreiben dagegen, wie eine Aufgabe strukturiert ist. Marcus unterscheidet lediglich zwischen den organisierenden und vorgangsbeschreibenden Metaphern. Unter Organisation versteht er Strukturen, Klassen, Objekte und Attribute. Zu beschreibenden Vorgänge sind Prozesse, Aktionen und Algorithmen. Es wurden weitere Klassifizierungen entwickelt, die den Oberflächenentwickler bei der Auswahl der passenden Metapher unterstützen sollen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund hilfreich, dass Metaphern selten einzeln, sondern meist in Kombination genutzt werden (vgl. [Prei99] S. 177).

Der Einsatz von Metaphern birgt jedoch auch Gefahren. Aus diesem Grund muss bei ihrem Einsatz auf Konsistenz geachtet werden. Unterscheiden sich die Annahmen und Erwartungen des Benutzers von der in der Software bereitgestellten Funktionalität entstehen Probleme. Die Metapher ist in diesem Fall irreführend und beeinträchtigt die Effizienz der Aufgabenerledigung. Es lassen sich drei verschiedene Konfliktbereiche identifizieren (vgl. [Prei99] S. 167). Das erste Problem kann darin liegen, dass das Anwendungssystem Funktionalität bereitstellt, die in der Analogie nicht möglich ist und somit nicht erfasst wird. Wählt man für ein Textverarbeitungsprogramm die Metapher der Schreibmaschine, so ist dem Benutzer die Funktion des automatischen Inhaltsverzeichnisses unbekannt. Die Metapher unterstützt den Anwender auch nicht, diese Funktionalität zu erforschen. Solche Aspekte müssen damit durch zusätzliche Mechanismen, wie beispielsweise Hilfesysteme dem Benutzer zugänglich gemacht werden. Der zweite Problembereich kann umgekehrt darin liegen, dass der Anwendung im Vergleich zur Analogie Funktionalität fehlt. Das hat zur Folge, dass der Benutzer vergeblich versuchen wird, die gewünschte Funktion auszuführen. Die dritte Klasse von Problemen tritt auf, wenn eine bestimmte Funktion zwar im Anwendungssystem und in der Analogie existiert, jedoch unterschiedlich reagiert. Das Ergebnis ist damit für den Benutzer nicht voraussagbar. Die dadurch bei der Anwendung auftretenden Fehler müssen anschließend durch den Benutzer im Rahmen des Fehlermanagement beseitigt werden. Weiterhin ist bei einem internationalem Einsatz der Software zu beachten, dass die verwendete Metapher in verschiedenen Kulturbereichen nicht immer die gleiche Aussage besitzen muss.

Auf Grund der zuvor aufgezeigten Probleme müssen die im Softwaresystem eingesetzten Metaphern bereits frühzeitig evaluiert werden. Damit kann vermieden werden, dass einerseits Funktionalität unerkannt und ungenutzt bleibt und das andererseits die Anwendung nicht überschätzt wird.

 

 © yves köth

 
zuletzt aktualisiert: 23.01.2004