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Vorwort
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Nachtrag

 



Altes Gartenhaus (Käsekammer) in Großhartmannsdorf
gez. Von Frau M. v. Carlowitz
 

2.  Carl Adolf von Carlowitz, seine Herkunft, Jugend und Entwicklung (1771—1806)

er Vater der drei Brüder von Carlowitz, Hans Carl August (geb. 3. Juni 1727), war der Sohn eines in Lommatzsch in Garnison stehenden wenig begüterten Leutnants.  Seine Jugend war schlicht und karg, mit 13 Jahren kam er auf die Fürstenschule zu Meißen, mußte sie aber, weil er die sitzende Lebensweise wegen eines Beinleidens nicht vertrug, schon 1742 wieder verlassen.  Er wurde nun Gemeiner in des Vaters Regiment, nach 3 Jahren Fähnrich, 1753 Unterleutnant.  Als er einst beurlaubt die Tante auf Großhartmannsdorf besuchte, traf er sie bei der Arbeit in der Käsekammer (s. Abb.).  Kurz entschlossen zog er die Uniform aus und half der Tante.  Dieser Trieb zur Arbeit und seine Sparsamkeit sollen seine beiden kinderlosen Oheime veranlaßt haben, ihm das zum Majorat gemachte Gut Großhartmannsdorf und ihre gesamten Kapitalien zu vermachen.  Das Majorat wurde 1774 durch Ankauf der Herrschaft Liebstadt (Stadt, Schloß und die Dörfer Wingendorf, Herbergen, Göppersdorf, Döbra und Berthelsdorf) beträchtlich erweitert.

Das Schloß Liebstadt, neuerdings mit einem wiederbelebten älteren Namen Kuckuckstein genannt, ist wohl das bemerkenswerteste der dem Geschlechte von Carlowitz bis in die neueste Zeit verbliebenen Schlösser.  Es liegt auf einem steilen Gneisfelsen da, wo die Täler des Molchgrundbaches, des Ziegenrücken= oder Hennersbaches und des Döbraer Wassers sich vereinigend einen Kessel bilden, aus dem die Seidewitz mittels der Gottleuba zur Elbe strömt.  Die Burg ist samt dem zu ihren Füßen liegenden Städtchen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von den Burggrafen zu Dohna gegründet, als sie in enger Verbindung mit der Krone Böhmen der steigenden Macht der Meißner Markgrafen entgegenarbeiteten.  Stadt und Burg dienten zur Sicherung eines bescheidenen Handels= und Heerweges, der aus der Mitte des Bündels von Pässen aus dem milden Elbtale der Pirnaer Pflege über den rauhen Kamm des Erzgebirges hinüber in den Teplitzer Kessel führt.  Als die Macht der Donins und mit ihr auch die Burg Kuckuckstein in Trümmer gesunken war (1402), wurde einer der siegreichen Meißnischen Feldhauptleute, Günther von Bünau, mit Liebstadt belehnt.  Die Bünaus bauten die Burg um die Mitte des 15. Jahrhunderts unter Benutzung der alten Keller und Grundmauern im Stile des genialen Arnold v. Westfalen wieder auf und besaßen sie bis 1651.  Ihnen folgten als Besitzer Oberstleutnant von Wedelbusch und die von Birkholz bis 1741, dann einige bürgerliche Besitzer, bis die Burg an die Carlowitz kam.  Sie hat sich trotz des öfteren Besitzwechsels und zahlreicher.  Umbauten sowohl von außen wie im Innern viel vom Wessen einer mittelalterlichen Burg bewahrt, z. B. die Tonnengewölbe und die gotische Pforte des Wasserhauses und die Wehrgänge von 1453.  Und gerade in der Ungleichmäßigkeit ihrer Teile und in dem überraschenden Nebeneinander von Bauformen der verschiedensten Zeitalter beruht der Reiz ihrer geheimnisvollen Erscheinung, die durch die Eigenart der natürlichen Beschaffenheit des Ortes noch mehr hervorgehoben wird.  Den ähnlich wie in Weesenstein ragen auch in Kuckuckstein die Zacken und Klüfte des Felsens, auf dem er gegründet ist, bis in s Innere der Höfe und Treppen hinein.  (Vgl. Meinen Aufsatz „Schloß Kuckuckstein” im 21. Band der Mitt. Des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz.)

Außer  Liebstadt kaufte Hans Carl August 1784 noch Oberschöna mit Oberreichenbach und Kirchbach (bei Freiberg/Sa.) von dem Kammerherrn Friedrich Alexander von Schönberg auf Börnchen und Wegefarth und brachte auch das mütterliche Gut Steina bei Waldheim in seine Hand.  Als er 1760 aus dem Heeresdienste ausgeschieden war, hatte er das Amt des Kreiskommissars übernommen und war seit 1766 im Landtage Direktor der Erzgebirgischen Ritterschaft.  Aber er blieb trotz seines wachsenden Wohlstandes der sparsame Haushalter und nüchterne Rechner.

Als Vierzigjähriger hatte er am 13. September 1767 die 14½jährige Johanna Agnes Friederike von der Schulenburg aus Leipnitz bei Grimma heimgeführt, die ihm am 11. Dezember 1769 Zwillingstöchter und darnach noch 8 Kinder bescherte, dann aber am 18. September 1785, erst 32 Jahre alt, starb.  So teilte sie das Schicksal zahlloser Gattinnen jener Zeit, die von der Schwelle der knospenden Jugend bis zu ihrem frühen Tode in fortgesetzter Mutterschaft und Mutterpflicht den letzten Blutstropfen opferten, ohne je sich selbst zu leben und ohne je ihr Frauenrecht zu betonen.  Aber sie hebt sich aus der Menge durch die reichen Kräfte des Körpers, des Geistes und des Gemütes hervor, die sie auf ihre ungewöhnlich begabten Söhne vererbte.

Knapp nach Ablauf des Trauerjahres heiratete der 59jährige Witwer die 26jährige Christiane Adolfine von Carlowitz, die jüngste Tochter des Kapitäns Adolf Gottlob von Carlowitz auf Röhrsdorf bei Dohna.  Diese zweite Heirat war wohl mit die Veranlassung, daß er die beiden heranwachsenden Söhne erster Ehe aus dem hause gab.  Der älteste, Carl Adolf, wurde zunächst einem in Freiberg stehenden Artillerie=offizier zur Vorbereitung für den Militärdienst übergeben und trat 1786 als Kornett in das Regiment „Kurfürst=Kürassiere” ein — seit 1822 Gardereiter=Regiment genannt —, das damals in Marienberg lag, wurde am 20. 2. 1787 Sousleutnant bei den Gardes du Corps, 23. 3. 1791 Premierleutnant, und zog 1793 in den Krieg gegen Frankreich, nahm aber nach dem Tode des Vaters (28. Juli 1793) als Rittmeister seinen Abschied (26. 11. 1794).

Es war für Carl Adolf und seinen Bruder Hans Georg (S. 22 f.) nicht leicht, durch alle Formalitäten des Rechtsganges hindurch zum wirklichen Besitz ihrer Güter zu gelangen (s. Carlowitzbuch S. 58, Anm. 17).  Aber sie kamen glücklich zum Ziel.  Als es erreicht war verlebte Hans Georg einige Tage bei Carl Adolf in Großhartmannsdorf, wobei ihm dieser ein Pferd und eine ansehnliche Geldsumme schenkte.  Hans Georg beschloß, mit diesem Gelde, wie er am 20. Juli 1795 an Carl Adolf schreibt, „das Haus auf dem Geiersberge bauen zu lassen und über dessen Türe durch eine lateinische oder deutsche Aufschrift Deine Güte zu verewigen … Für mich würde das Haus, ein Denkmal unseres Sieges, doppelt viel wert sein, wenn mich nicht der Gedanke beunruhigte, daß es Dir mehr kostet als ich je einzubringen imstande sein werde.”  Sollte Hans Georg damit eine Wiederherstellung des geborstenen Turmes auf dem Geiersberge östlich vom Mückentürmchen gemeint haben, einem Punkte, zu dem einer der von Liebstadt ausgehenden Paßwege emporführt, so wäre das ein echt romantischer Plan gewesen.  Aber hier ist wohl an ein Gartenhaus auf dem „Geiersberge”, einer Anhöhe in der Nähe des Schlosses Oberschöna, zu denken. —

Mit Carl Adolf zog ein neues frisch pulsierendes Leben auch in Schloß Kuckuckstein ein.  Der strenge und karge Vater hatte ihm Männlichkeit und Kraft, die früh verstorbene Mutter Güte, Liebe und Anmut der Rede vererbt.  Ihrem Andenken erbaute er in der Nähe des Roten Vorwerks ein Gartenhaus „die Schulenburg”, das später im Freiheitskriege zerstört wurde.  Am 23. November 1797 vermählte er sich mit der Gräfin Maria Josefa von Pötting und Persing, der Tochter des K. K. Wirklichen Geheimrats und Kämmerers.  Damals machte er die Räume des Schlosses wohnlicher und Schmückte einige im Geschmacke der Romantik mit Bildern.  Sein Bruder Hans Georg half ihm dabei.  Die Eichenblätter an den Gewölberippen des „Saales” (seines Arbeitszimmers), die Ansichten aus der Sächsisch=böhmischen Schweiz und die freimaurerischen Symbole Sonne, Mond und Sterne an der Decke dieses Raumes sind Reste dieser Bemühungen.  Das Schloß wurde der Sitz einer angeregten Geselligkeit.  So war z. B. im April 1798 Novalis sein Gast (S. 32).

Mehr als die Bewirtschaftung seiner Güter lag dem Schloßherrn das Studium der Wissenschaften am Herzen.  Er erweiterte die kleine Bibliothek zu einer der umfangreichsten Büchereien, die es damals in Sachsen gab.  Er sammelte Stiche und Bilder.  Die alten Glasgemälde, die bis vor kurzem auf einem Vorsaale des Schlosses zu sehen waren: Maria mit dem Kinde, Anna Selbdritt, Petrus und Paulus, die Heiligen Antonius und Sebastian u. a. waren von ihm vermutlich in Süddeutschland gekauft worden.  Auf dem Kirchhofe vor dem Hauptportale des Gotteshauses standen noch 1830 (Schumanns Postlerikon 17, S. 902) zwei auffallende Bildwerke:  „der große Christoph” (St. Christophorus) und der Menschen suchende „Diogenes mit der Laterne”, der eine als Symbol helfender Nächstenliebe, der andere ein Vorwurf gegen die Torheit und Unbildung der meisten Menschen.  Wer sollte wohl diese Bildwerke an diese auffallende Stelle gesetzt haben als der Kirchenpatron, der sie den Kirchgängern als Erwecker vor Augen stellen wollte?  Denn trotz aller Genialität hatte er auch einen Zug zum Schulmeisterlichen: so trat er manchmal in anonymen Zeitungsartikeln gegen die „Dunkelmänner” auf und bemühte sich im Verein mit Gustav Dinter, dem sächsischen Pestalozzi, um die Verbesserung des Lehr= und Erziehungswesens.

Seine Menschlichkeit befähigte ihn, dem ärmsten und elendesten seiner Gutsuntertanen hilfreich zur Seite zu treten.  So befreite er den ehemaligen Seilermeister Benjamin Geißler aus Liebstadt, der den Versuch, durch eine Bauerndemonstration den Kurfürsten zur Erleichterung der Jagdlasten zu bewegen „mit lebenslänglichem Zuchthaus” zu büßen hatte, aus seiner qualvollen Lage (s. m. Aufsatz „Kuckuckstein” in den Mitt. D. L. S. Heimatschutz 1932, Heft 4/6); aber auch einem Fürsten im Reiche des Geistes, dem viel verkannten Dichter Heinrich v. Kleist, widmete er eine liebevolle Fürsorge.  Er unterstützte ihn während seines dreijährigen Aufenthaltes in Dresden mit Kapital und gab ihm für die Zeitschrift „Phöbus” ein Verlagsprivilegium in Liebstadt, vermöge dessen Kleist in Dresden eine Verkaufsniederlage des „Phöbus” errichten konnte.  Kleist schreibt am 25. Oktober 1807 aus Dresden an seine Schwester Ulrike:  „Inzwischen hat dieser Aufschub doch auch sein Gutes gehabt.  Denn statt des Privilegii, das nun verkauft ist, hat uns der H. v. Carlowitz, einer der reichsten Partikuliers des Landes, ein unentgeltliches Privilegium in seiner Immediatstadt Liebstadt angeboten; ein ganz vortrefflicher Umstand, da wir dadurch das Recht bekommen, hier in Dresden ein Warenlager zu halten, und somit aller Vorteile eines städtischen Privilegii teilhaftig werden.” Und am 21. Dezember 1807 an den Verleger Johann Friedrich Cotta in Stuttgart:  „Ew. Wohlgeboren habe ich das Vergnügen zu melden, daß H. Adam Müller und ich durch den Kapitalvorschuß eines Kunstfreundes in den Stand gesetzt worden sind, ein Kunstjournal unter dem Titel ‚Phöbus‘, monatsweise, nach dem erweiterten Plane der Horen, zu redigieren und zu verlegen.”  (Minde=Pouet, H. v. Kleist Briefe, S. 353, 363, 477.)

Auch zur bildenden Kunst trat Carl Adolf in Verbindung.  Am 16 März 1806, wenige Monate bevor Napoleon die alten Staatsund Gesellschaftsformen Mitteldeutschlands mit rauher Hand zertrümmerte, schreibt der jüngere Bruder Hans Georg an den älteren:  „Die Kunstausstellung ist vortrefflich, und ich sollte doch raten, daß Du sie Sähest.  Ich bin täglich da und arbeite dafür des Abends eine Stunde länger.  Dein Bild macht große Sensationen, und es verdient es auch, es ist wirklich con amore gemalt.  Über Dir hängt der alte Graff von sich selbst gemalt.  Er sieht aus wie ein alter Gewürzkrämer[1] … D. Gall von Grassi ist ein herrliches Blatt und — Schiller von Tischbein!  Der Abend von Johann Christian Klengel ist wahrhaft einzig.  Sage mir, was Graff für ein Bild wie das Deinige nimmt.  Vielleicht lasse ich mich für meine Frau malen, die mich erstaunend plagt, seit sie Dich gesehen hat.”  Und wenige Tage später:  „Nun macht bald Anstalt hereinzukommen, um die Ausstellung zu sehen.  Gestern war ich in Gesellschaft unserer vorzüglichen Kunstkenner oben, und sie waren einstimmig der Meinung, daß in artistischer Hinsicht Dein Bild das vorzüglichste unter allen ausgestellten sei.  Haxthausen von Pochmann ist völlig mißraten und eine wahre Karikatur.  Ich bin zehnmal vorübergegangen in der Meinung, daß das Bild einen Kandidaten vorstelle, der einen Jungen angepackt hat, bis man mir sagte, daß es Haxthausens Umarmung seines ältesten Sohnes vorstelle.”  Diese Briefe zeigen, daß Carl Adolf von Kuckuckstein aus eher den Weg zu dem bedeutenden Porträtmaler Anton Graff gefunden hatte, als sein in Dresden wohnender Bruder.

Der Schrecken, den Napoleons Sieg bei Austerlitz (2. Dez. 1805) auch über Norddeutschland brachte, und das furchtbare Ungewitter der Jahre 1806 und 1807 mußte den Tatendrang des 35jähringen Rittmeisters a. D. von neuem wecken.  Aber bei der Stellungnahme, zu der das neue Königreich Sachsen damals von Napoleon im Frieden von Posen (11. Dez. 1806) gezwungen wurde, gab es seine Möglichkeit, in sächsischen Kriegsdiensten für die Befreiung des zertrümmerten und geknechteten Deutschlands etwas wirken zu können.  Auf welcher Seite Carl Adolf innerlich stand, zeigt seine Verbindung mit Kleist.  Daß auch sein Bruder Hans Georg durchaus deutsch empfand, zeigen seine Briefe an den älteren Bruder.  Diese Briefe führen uns mitten hinein in die nach der Dreikaiserschlacht von Austerlitz aufs Höchste gespannte politische und militärische Lage.  Denn Napoleon war, trotz seines Sieges, fern von seinen Hilfsquellen und durch die von Süden, Osten und Norden herandrängenden Verbündeten in großer Gefahr, aus der ihn nicht ein neuer Sieg, sondern die Uneinigkeit zwischen der Österreichern und Russen und die zwiespältige und Schwächliche Politik Preußens errettete und zum fast unumschränkten Gebieter Europas erhob.  Die Carlowitzischen Briefe zeigen die Lage natürlich vom Standpunkt Sachsens aus, das als Bundesgenosse Preußens auch der Koalition beigetreten war.  Hans Georg schreibt an Carl Adolf:

Dresden, 15. 12. 1805.  „Diese Schlacht, von der man übrigens immer noch keine ganz speziellen Nachrichten hat, ist so mörderisch gewesen, daß beide Teile zum Waffenstillstand gezwungen Waren und die Alliierten, die allerdings nicht ganz so viel wie die Franzosen verloren haben, außer Stande sind, von der momentanen Schwäche ihrer Gegner den mindesten Vorteil zu ziehen.  Wozu der Waffenstillstand führen wird, weiß man nicht; führt er nicht zum Frieden, so dient er dem Feinde dazu, sich zu erholen.  Die Armeen stehen noch in der Gegend, wo sie sich schlugen … Die Franzosen sollen durch Kälte, und weil sie sehr abgemattet von Märschen und abgerissen in Kleidern sind, außerordentlich leiden.  Besonders herrscht die Ruhr unter ihnen.  Ihre Hauptlazarette sind in und um Augsburg, und nach den neuesten von dorther erhaltenen Nachrichten rechnet man die Zahl der Kranken und Verwundeten an 30 000.  Das von der Mark kommende Preußische Korps steht immer noch hinter Leipzig, und man hört seit einigen Tagen nicht das mindeste vom Vorrücken desselben.  Vor der Hand wird es, wie man glaubt, zwischen Leipzig und Weißenfels stehen bleiben.  Der König [von Preußen] wird es selbst kommandieren.  Vor einigen Tagen zeigte uns das Oberpostamt zu Leipzig an, daß für den König, auf den Stationen bis Leipzig 40 Postpferde gestellt worden wären, man weiß aber heute noch nicht, daß er abgereist wäre.  Ein starkes Korps unter dem wieder auferstandenen Möllendorf geht über die Elbe und vor der Hand an die Grenze der Lausitzen.  Auch in hiesige Gegend kommt ein preußisches Korps, man weiß aber nicht, ob es gerade das Hauptkorps sein werde.  Welchen Zweck die preußischen Märsche haben, weiß mit Bestimmtheit niemand, selbst die Minister und der Kurfürst scheint es nicht zu wissen.  Der Erfolg läßt sich vorher sehen.  Wenigstens der nächste, der daß uns die Preußen auffressen werden.  Die ganze Operation sieht so aus, als ob [sie] der König, bei jetziger Teuerung in seinem Lande, auf fremde Kosten wohlfeil ausfüttern wollte.  Haugwitz ist an Talleyrand nach Wien geschickt worden.  Dies Ereignis allein könnte dem Könige über sein Verhältohnmöglich sei, das Sachs.  Korps in der Gegend von Hof auf länger als 12 Tage zu verproviantieren, und [hat] schon allen Hafer aus den Ämtern in Requisition gesetzt.  Zezschwitz erhielt Order, das Hauptquartier nach Chemnitz zurückzuziehen und nachher wieder, es nach Gera zu verlegen.  Wo er nun eigentlich ist, weiß man hier nicht.  Das Feld=Kriegs=Kommissariat ist in Plauen.

Die zweite Hälfte der Armee wird vor der Hand nur zum Teile in Bewegung gesetzt und in hiesige Gegend gezogen, doch nicht als mobil, sondern bloß in Kantonierung.  Die Husaren kommen gegen Pirna, die Karabiniers gegen Plauen und an die Weißeritz hin, Clemens=Dragoner gegen Kesselsdorf und Albrecht gegen Radenberg hin zu stehen.  Die Furcht für die Zukunft unterliegt in diesem Augenblicke der Begierde, sein Geld zu behalten, man ist daher recht zufrieden, daß die Franzosen seit 14 Tagen nicht weiter gekommen sind und rüstet sich indes auf die langsamste und wohlfeilste Weise.”

Dresden, 1. 2. 1806.  „Gestern war ich bei Gersdorf zum Tee, wo ich Leysern [Register] gesehen und seine Frau gesprochen habe.  Mit dem alten General Einsiedel spielte ich eine Partie Whist, und ohngeachtet er eben nicht von Humor war, habe ich doch nicht aufhören können, über seine witzigen Einfälle zu lachen.  Der Mann ist wirklich sehr interessant, ebenso originell als klug.  Warum man nun gerade unter der aktiven Menschenklasse keine solchen Leute findet?  Entweder das Aktivsein schadet dem Verstande oder Verständige hüten sich aktiv zu sein.  Neues weiß man hier ganz und gar nicht, was nicht als Nachhall der traurigen früheren Nachrichten in allen Zeitungen stünde.  Die Würzburger Gelehrten werden bei dem Preßburger Frieden (27. 12. 1805) übel wegkommen.  Auch Hardenberg, der ein Kloster bei Würzburg gekauft hat, kommt nun unter die Hoheit des vormaligen Kurfürsten zu Salzburg, und — wenn dem nur nicht gar einfällt, die Geistlichen zu restituieren!  Man glaubt denn doch, daß Preußen Hannover bekommen werde, wenigstens geht das Korps des Herzogs von Braunschweig dahin.  Die Hohenloheschen und Wartenslebenschen Korps gehen vom 4ten an nach Hause.  Man hätte gern auch die Sachsen rappelliert, wenn man nur hier gewußt hätte, wo sie alle stünden.  Gestern ist Egidy als Kourier hier angekommen, um hierüber die nötigen Auskünste zu geben, und vom 8ten an wird der Rückmarsch erfolgen.”

Dresden, 16. 3. 1806.  „. . . Was ich Dir vor 8 Tagen über politische Dinge schrieb, ist noch jetzt das Neueste und Interessanteste.  Wesel ist übergeben und bekommt nächstens — österreichische Besatzung!  Der jämmerliche Held des Nordens [Fried. Wilh. III.] macht indes eine Spazierfahrt nach Stettin, um die durch ihn verratenen Russen nach Hause marschieren zu sehen.  Schulenburg soll wieder in Hannover eingetroffen sein und der in Berlin verabscheute Lucchesini hat nur neue Subsidien geholt, die Machthaber in Paris bei guter Laune zu erhalten.  Der König ist nicht allein dem Kaiser — sondern der Dienerschaft des Kaisers zinsbar geworden.  Allerdings soll der Zwist, wenn man es anders bei so ungleichem Genie und so ungleicher Macht Zwist nennen kann, ausgeglichen sein, aber wozu kann das führen?  Die Ehre war die Stütze Friedrichs des Großen, sein Nachfolger hat sie verloren, und mit ihr sinkt der Ruhm und das Vertrauen der Nation.  Man spricht hier laut von Vertauschung der Lausitz gegen Bayreuth.  Die Sache ist nicht unwahrscheinlich, wenn man vom Benehmen Preußens gegen Rußland einen Schluß auf seine Gesinnung gegen unseren Kurfürsten, den rechtlichen Mann und treuen Bundesgenossen, machen kann.  Und dabei die Unhaltbarkeit von Bayreuth in militärischer Hinsicht mit in Anschlag bringt.

… Heute ist die Braut von Messina, und es ist Deine Schuld, daß Du nicht mit mir den Genuß teilen kannst, sie zu sehen.  Ich sehe sie zum zweiten Male, und weil sie eben ihrer höheren Tendenz wegen hier nicht gefällt, so wird sie auch nicht wieder gegeben werden . .”


 


[1] Dresdener Gemäldegalerie Nr. 2168.