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Vorwort
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Nachtrag

 


Hans Carl Augusts Frau geb. v. d. Schulenburg mit ihrem Sohn Carl Adolph
 

3.  Hans Georg von Carlowitz.  Seine Jugend und seine ersten Universitätsjahre (1772-1791)

ans Georg, das vierte Kind seiner Eltern, der zweite Sohn, wurde am 11. Dezember 1772 in Großhartmannsdorf geboren.  Seine Erziehung war auf einen etwas scharfen und harten Ton gestimmt.  Der Vater verlange Ehrfurcht, ja Unterwürfigketi und stellte seine Person sehr in den Vordergrund.  Andererseits bot das breitgelagerte Herrenhaus zu Großhartmannsdorf in seinen langen Gängen und schlichten, nur mäßig hohen, aber sehr behaglich ausgestatteten Zimmern und die von großen Teichen belebte, wald= und wiesenreiche Umgebung des Rittergutes herrliche Gelegenheit zu spielen und sich im Freien zu tummeln.  Als Dietrich von Miltitz am 28. August 1813 nach der Dresdner Schlacht nach Großhartmannsdorf kam, gedachte er der Schönen Jungendtage, die er als Gast hier verlebt hatte.  „Dieses Haus, sonst der Sitz der Heiterkeit und des Wohlbefindens, heute öde und von allem Kriegsdrangsal bedroht.”

Hans Georg liebte seinen um ein Jahr älteren Bruder Carl Adolf schwärmerisch und sah in ihm fast ein höheres Wesen.  Diese Liebe wird ihm auch schon die Kindheit vergoldet haben (S. 221).  Die beiden Brüder genossen zusammen einen genügenden Elementarunterricht bei einem Magister Hunger, und es ist erstaunlich, wie gewandt Hans Georg, wenn auch unter der Aufsicht des Lehrers, schon in seinem 10. Jahre die Feder handhabte.  Im Februar 1781 schreibt er an den nach Dresden gereisten Vater:  „Liebster, gnädiger Papa!  Kaum sind acht Tage verflossen, daß ich an Sie geschrieben habe, so setze ich mich schon wieder, ergreife meine Feder und schreibe ein Briefchen an Sie.  Und was werde ich Ihnen nun heute gleich Schreiben?  Daß wir uns alle gesund und wohl befinden, wird Ihnen wohl am angenehmsten zu hören sein, und daß wir recht sehnlich auf ein Briefchen von Ihnen gehofft, werden Sie wohl vermutet habe, da Sie unsere, Sie gewiß recht kindlich liebenden Herzen kennen.  Schreiben Sie uns ja recht bald ein Briefchen, Sie werden uns gewiß eine große Freude damit machen, besonders wenn wir daraus sehen werden, daß Sie gesund sind und daß Ihr böser Husten Sie verlassen hat.  Sie kommen doch noch einmal zu uns, ehe Sie nach Berlin reisen.  Leben Sie recht wohl.  Ihr gehorsamer Sohn Hans George von Carlowitz.”

Darauf der gestrenge Herr Vater:  „Mein lieber Hans Michel!  Dein Brief freut mich, weil Du um meinen Husten besorgt bist, es ist wieder besser.  Schreibe mir fleißig und nimm Dich in acht!  Mache dem Magister Hunger mein Kompliment und lebe wohl.  Dresden, den 14. Febr. [17]81 de Carlowitz.”

Mit der steigenden Kinderzahl ließen die Kräfte der jungen Mutter nach, und das leben in Großhartmannsdorf wurde stiller und trüber, bis sie am 18. September 1785 ihre müden Augen für immer schloß (S. 15).  Nicht viel später kamen die beiden ältesten Söhne aus dem Hause und wurden voneinander getrennt: der ältere trat, wie wir früher sahen (S. 15), schon 1786 als Kornett in Marienberg in ein Reiterregiment ein, der jüngere kam ins Haus der Großeltern nach Leipnitz bei Grimma.  Da aber hier für seine Weiterbildung nicht genügend gesorgt war, entschloß sich der Vater im Vertrauen auf die ausgezeichnete Begabung des Knaben, den kaum 15jährigen unter der Leitung eines Magisters Frisch, der später Hofprediger in Dresden war, nach Leipzig auf die Universität zu senden.  Die Kosten wurden für den sparsamen Vater dadurch verringert, daß Hans Georg Anspruch auf die von der Gräfin Bestuscheff, einer gebornen von Carlowitz, im Jahre 1755 gegründeten Familienstiftung hatte (Kurs. Streifz. VII, 4).  Aber die Kenntnisse des jugendlichen Studenten im Latein waren noch zu kümmerlich, als daß er damit eine Immatrikulation hätte erreichen können.  So mußte er erst durch 1½jährigen Unterricht in dem Institut des Herrn Böttcher die fehlende gymnasiale Bildung nachholen, ehe er im Herbst 1788 die Einschreibung als Student erreichte.  Er war dabei in seinen Ausgaben und in seiner Lebensführung auch unter die Leitung des Obersteuereinnehmers Christian Felix Weiße gestellt, des bekannten Lustspieldichters und Jugendschriftstellers, der ihn auf Spaziergängen in die Umgebung der Universitätsstadt einführte.

Ein Sittenstück eigener Art bildet die Geschichte seiner Immatrikulation und die merkwürdige Rolle, die seine Magnifizenz dabei spielte.  Hans Georg erzählt davon in zwei Briefen an den Vater.

Leipzig, 3. 8. 1788.  „Ihres Befehles zufolge machte ich am Bußtage meine Aufwartung beim Rektor Magnifikus Herrn Professor Eck, der mich sehr freundlich empfing und mir den Antrag machte, mich sobald als möglich unter seinem Rektorate noch inskribieren zu Lassen; weil Sie mir nun in Leipnitz sagten, daß ich die Inskription annehmen möchte, wenn er sie mir anbieten sollte, so nahm ich seinen Antrag an und versprach, mich ehestens inskribieren zu Lassen.  Er redete viel von den Verdiensten der Carlowitzischen Familie um die Universität Leipzig und freute sich nicht wenig, da er hörte, daß sie noch ziemlich zahlreich sei.  Unser Gespräch währte eine halbe Stunde und würde gewiß noch weit länger gewähret haben, wenn ich nicht vom Herrn Kreissteuereinnehmer Weiße aufs Land wäre eingeladen worden, was mich also nötigte, mich mit dem Versprechen zu beurlauben, daß ich bald wieder kommen wolle, er trug mir den Gebrauch seiner ganzen Bibliothek nochmals an und versprach mir, einige Bücher, die ich zu lesen wünschte, in mein Haus zu schicken, hierinnen aber kam ich ihm zuvor und ließ sie, sobald ich nach Hause gekommen war, selbst abholen.

Da ich nun so bekannt mit ihm geworden bin, möchte wohl ein Louis d’or für die Inskription nicht hinreichend sein, ich bitte daher untertänigst, mir zu bestimmen, wieviel ich geben soll.  Ich und Herr Frisch empfehlen uns zu fernerer Gnade.”

 

Leipzig, 28. 9. 1788.  „. . . Am Sonntage machte ich Ihres Befehles zufolge dem Herrn Rektor Magnifikus Professor Eck meine zweite Aufwartung, um mich inskribieren zu lassen.  Dieser nahm mich sehr höflich auf, unterredete sich mit mir von der neuesten deutschen Literatur eine halbe Stunde lang, und lieh mir auch, ohne daß ich ihn gebeten hatte, ein Buch.  Da ich ihn von der Absicht meiner Anwesenheit hatte unterrichten lassen, so gab er mir auch sogleich die Inskription und ließ mich sechs, in lateinischer Sprache abgefaßte Artikel lesen, worauf ich ihm den Handschlag gab.  Ich konnte bei Vorlesung dieser Artikel kaum das Lachen zurückhalten, weil einige derselben so äußerst sonderbar sind.  Für die Inskription gab ich zwei Louis d’or, da man sonst gewöhnlich nur einen gibt.  Ich hoffe, daß Ew. Hochwohlgeboren hiermit zufrieden sein werden, da es bei meiner Bekanntschaft mit dem Rektor unschicklich gewesen wäre, weniger zu geben, und da es doch so viel war, daß er damit zufrieden sein konnte.  — Da ich Abschied nahm, begleitete er mich bis an die Mitte der Treppe und bat mich, Ihnen in meinem ersten Briefe an Sie einen ganz gehorsamsten Empfehl von ihm abzustatten . . .”

Andere Briefe Hans Georgs entrollen uns ein Bild der engen Verhältnisse, in die er sich damals eingezwängt sah, und zeigen das ebenso kluge wie bescheidene Ringen des Sohnes gegen die Kargheit des Vaters.  Dieser schreibt an Hans Georg:

Großhartmannsdorf, 6. 12. 1789.  „Mein lieber Hans!  Daß ich Deinen Brief vom 28. November a. c. wegen eines Kleides noch nicht beantwortet habe, ist die Schuld, weil die Mama morgen 4 Wochen an einem Faulfieber tödlich krank gelegen hat und noch nicht auf kann, so daß der Ausgang ungewiß ist.  Hat denn der Herr E. F. Weiße schon lange einen Rehbock von Leipnitz mit einem Expressen erhalten und Du aber mit dieser Gelegenheit Dein Büchergeld, des schreibest keines von beiden; Waurich, welcher abwesend gewesen, wird Dir Geld schicken oder schon getan haben mit dieser Post, laß Dir einen Rock machen, und wenn die Herren sich über Dich aufhalten, so sage, daß der Vater mehr Kinder hat und sich auch zu versorgen.  Indessen sollst Du reinlich gehen, aber nicht wie andere Narren, welche mehr als Du zu vertun haben . . . Lebe wohl, vor Herrn D. Kapp sollen auch die verlangten drei Sp. Duc. Erfolgen.  Nimm Dich vor die Leipziger Schneider in acht, sie sind pfiffig.”

Hans Georg an seinen Vater.  Leipzig, 6. 3. 1791.  „Gnädiger Vater!  Sie können sich keinen Begriff von dem Erstaunen machen, welches mich überfiel, als Fiedler in mein Zimmer trat und mir die Absicht seiner Sendung entdeckte.  — — — Wie sehr müssen Sie bei der übertriebenen Angabe meiner Schulden erstaunt sein, wie gerecht wäre Ihr Mißfallen über mich, wenn alles so wahr wäre, als man es Ihnen vielleicht vorgestellt hat!

Ich will Ihnen hier die Sache auseinandersetzen und bin überzeugt, daß Sie mich bald vom Vorwurfe eines Verschwenders Iossprechen werden.  Beiliegende Zettel sind meine einzigen Schulden, die ich leicht hätte bezahlen können, wenn mich nicht eine Menge höchstnötiger Nebenausgaben zu bald erschöpft hätten.

Wie ökonomisch ich bei Anschaffung der Kleider gewesen bin, wird Ihnen die Rechnung selbst am besten beweisen.  — Ich habe mir noch überdies schöne silberne Schnallen gekauft, die mir 16 Tlr. Kosten.  Und dennoch hätte ich alle diese Ausgaben bestreiten können, wenn nicht der rüde Ton in der Universität eingerissen wäre, welcher zu unzähligen Händeln Anlaß gab und mich nötigte, für 40 Taler sieben Monate Unterricht im Fechten zu nehmen.

Sie sehen selbst ein, daß soviele Ausgaben fast zu einer Zeit die Kräfte meiner kleinen Ökonomie übersteigen mußten.  Es blieb mir nun nichts übrig, als durch die äußerste Einschränkung einigermaßen das zu ersetzen, was mir jetzt abging.  Ich bezahlte alles, nur diese zwei Zettel konnte ich nicht erschwingen und legte sie in der Hoffnung beiseite, Sie einmal zu ihrer Bezahlung zu bewegen.  Es gelang mir 16 Tlr. Für den Mantel ersetzt zu bekommen, die ich auch, nach Aussage der Rechnung, abgezahlt habe.

Ihre Gnade läßt mich hoffen, daß Sie jetzt zum ersten und letzten Male etwas Außerordentliches für mich tun werden.

Und nun noch eine einzige untertänige Bitte, von deren Erfüllung allein meine künftige Zufriedenheit abhängt; lassen Sie mich Ihre Unzufriedenheit nicht in dem Grade empfinden, in dem ich sie vielleicht in Ihren Augen verdiene.  Seinen Sie versichert, daß mir dieses Bekenntnis meiner Lage unendlich Schmerzen und Überwindung gekostet hat.

Eben ist Doktor gestorben, und ich bin im Begriff, mich bei dem jetzigen Senior, dem Ordinarius Bauer, zum Stipendio [Bestuscheff] zu melden.

Ich empfehle mich Ihnen und der gnädigen Mutter zu Gnaden und bin

                                    Ihr ganz untertänigst gehorsamster Sohn

                                                  Hanns Georg von Carlowitz.”

 

Hans Carl August v. C. an seinen Sohn Hans Georg.

Großhartmannsdorf, 15. 11. 1791.  „Mein lieber Sohn!  Ich bin Dir eine Antwort auf Deinen letzten Brief Schuldig.  Jedermann wird einsehen, wie unbillig, und die Kabale bei gegenwärtigen Legatssystem (S. 23).  Es mag gut sein.  Tue, als ob es Dich nicht verdrieße.  Komme ich über den Hund, so komme ich über den Schwanz — nur bis fleißig und versäume dieserwegen keine Kollegia, um Wirtschaft zu machen.  Mir ist ein Buch aufgefallen.  Die Beilage zeigt den Namen.  Nimm es in den Buchladen aus und lasse es teilweise, weil es sonst zu stark werden möchte, in Leipzig binden, ich will Dir das Geld wiedergeben.  Es wird vermutlich in Leipzig nicht so teuer sein wie in Freiberg.  Deine Wäschordnung vergiß nicht und mache es nicht so weitläuftig.  Wie Du in Leipnitz zufrieden bist, kann durch einen Zettel gelegentlich avertiert werden.  Lebe wohl!”

[Zusatz von Hans Georgs Hand: Es war Knigge, Über den Umgang mit Menschen.]

Aus dem Briefwechsel zwischen Vater und Sohn erfahren wir auch, daß Hans Georg wegen eines Ehrenhandels und Zweikampfs im Sommer 1790 „durch das Konzilium verurteilt und in das Kriminal=Karzer gesetzt worden”.

Leider enthalten diese Briefe fast nichts über seine Studien auf den Gebieten des Rechts, der Staatswissenschaften und der schönen Literatur.  Daß er aber auf diesen Gebieten tüchtig gearbeitet hat, geht aus dem hohen Maße der allgemeinen Bildung hervor, die seine späteren Briefe offenbaren.  Als seinen juristischen Repetitor nennt er in einem Briefe (12. 11. 1816) den M. Reichel, dem auch der Präsident Moritz v. Schönberg und der Minister Graf Senfft „alles danken, was wir vom jus begriffen haben.”