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Vorwort
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Nachtrag

 

17.  Hans Georg und die Sächsische Verfassung vom 4. September 1831.  Prinz Friedrich August, Mitregent von Sachsen.  Hans Georg Minister ohne Portefeuille, dann Minister des Innern.  Carl  Adolfs Tod (20. Jan. 1837).  Sein Gesamtbild

enn man die Zustände, die in Sachsen zwischen 1815 und 1830 herrschten, in einer kurzen Formel kennzeichnen will, so sagt man gern:  der altständische Staat bestand ungestört weiter.  Dieser träumerische Stillstand hing mit den eigenartigen Verhältnissen des Landes und mit dem Wesen der beiden nacheinander regierenden königlichen Brüder zusammen.  Aber wunschlos waren das sächsische Bürgertum und die Bauernschaft keineswegs, nicht einmal die Ritterschaft; die Wünsche nach einer durchgreifenden Veränderung der Staatsverfassung waren, wie wir früher festgestellt haben (S. 79 ff.), schon vor der Epoche der Napoleonischen Knechtschaft vorhanden gewesen; nach der Befreiung waren sie nur zurückgedämmt durch die Achtung vor dem alten König und nach dessen Tode durch die Hoffnung, daß sein fast gleichaltriger Nachfolger, König Anton, nur kurze Zeit regieren werde.  Als aber Jahre vergingen, ohne daß ein Thronwechsel dem Prinzen Friedrich August die Königskrone aufs Haupt setzte, wurden die Wünsche auch laut; und es war ein Carlowitz (wohl Maximilian Carl v. C. auf Colmnitz, s. Carlowitzbuch S. 171 f.), der sie in einer vielbeachteten „Adresse des Sächsischen Volkes an den König” in der Zeitung „Biene” des Zwickauer Theologen Richter wieder aufs Tapet brachte.  Alle die hier und in anderen Schriften ausgesprochenen Hoffnungen kamen in Fluß, als am 6. Januar 1830 wiederum der Landtag eröffnet wurde und am 17. März die Ritterschaft und die Städte, die schon früher ausgesprochene Bitte um Mitteilung eines Staatshaushaltplanes erneuerten und zugleich auch eine Reform der Landtagsverfassung verlangten.  Die Regierung lehnte diese Bitte ab, aber die Stände erneuerten sie nochmals am 19. Juni 1830.  Die Aufregung wurde vermehrt, als die städtischen Behörden von Dresden und Leipzig sich bei der 300=Jahr=feier der Augsburger Konfession (25. Juli 1830) nach der Ansicht des Volkes zu flau und lässig zeigten.  Sie loderte in hellen Flammen empor, als durch die Julirevolution in Paris binnen 12 Tagen (27. Juli bis 7. August) das reaktionäre Königtum der Bourbonen weggefegt und durch ein liberales des „Bürgerkönigs” Louis Philipp ersetzt worden war.  Es war wie ein Echo dieser Bewegung, daß, nachdem in Leipzig vom 2.—5. September, in Dresden am 9. September und den folgenden Tagen an sich unbedeutende Unruhen stattgefunden hatten, die „altersschwache und völlig entgeisterte Regierung haltlos” zusammenbrach.  König Anton selbst veranlaßte den Kabinettsminister Grafen Einsiedel am 13. September, sein Abschiedsgesuch einzureichen, und als wenige Stunden später die Mitglieder des Geheimen Rats:  von Nostitz, von Zezschwitz, von Lindenau und von Könneritz — Carlowitz war als Kommissar in Leipzig — beim König in Pillnitz erschienen waren, ernannte dieser auf den Vorschlag des Ministers Nostitz den Prinzen Friedrich August zum Mitregenten.  Schon vorher hatte er den Geheimen Rat von Lindenau nach eigener Entschließung an Einsiedels Stelle zum Kabinettsminister ernannt.  Prinz Johann trat dem Bruder als Rechtskundiger zur Seite und übernahm den Oberbefehl über die in allen größeren Orten errichteten Kommunalgarden.  Ganz Dresden schwamm über diesen schnellen Erfolg in Jubel und Wonne.

Der neue Mitregent Friedrich August, der älteste Sohn des Prinzen Maximilian und der Karoline von Parma, war nach Treitschkes treffender Charakteristik „seit langher der liebenswürdigste Fürst des Albertinischen Hauses, vielseitig gebildet, gütig, leutselig und von einer treuherzigen Aufrichtigkeit, welche die Hofleute zuweilen erschreckte.  Er nannte sich selber einen Gemütsmenschen und war in der Tat durch Anlage und Neigung mehr für die gelehrte Muße, als für die Welt des Handelns bestimmt”.  Der Prinzregent selbst sagt von sich in dem Bruchstück einer Selbstbiographie (W. Lippert, Festschrift z. 100jähr. Jub. D. Sächs.  Altertumsvereins, Dresden 1924, S. 80 ff.), der Hauptfehler seines Charakters sei Mangel an Entschlossenheit, der zum Teil einer gewissen Eitelkeit, zum Teil dem fehlenden Selbstvertrauen entspringe.  Der erste Fehler lasse ihn den Wert des Urteils anderer über sich zu hoch anschlagen.  Scheu vor Tadel habe oft seinen Entschluß gelähmt und anderseits sein Urteil paralysiert, so daß es ihm unmöglich gewesen sei, mit Ruhe und Klarheit das Rechte zu erfassen.  Der zweite Fehler habe seine Wurzel in einer eigentümlichen skeptischen Richtung seines Verstandes.  Mit größer Schnelligkeit drängten sich bei ihm neben den Entscheidungsgründen die Zweifelsgründe auf.

Danach versteht man, daß Friedrich August in allen für den Staat wichtigen Entscheidungen Anlehnung an einen Mann suchte, der die Entschlußkraft in höherem Maße besaß, als er selbst, und diesen Mann glaubte er in Hans Georg von Carlowitz gefunden zu haben, und zwar schon lange, bevor er Mitregent wurde.  Schon am 16. April 1828 schreibt Hans Georg an seinen Bruder Carl Adolf, daß Prinz Friedrich auf 4 Monate nach Italien gegangen sei und ihn beauftragt habe, ihm Nachricht von den wichtigsten Dienstangelegenheiten zu geben, und daß eben an diesem Tage ein Brief von 3 Bogen an ihn nach Florenz abgegangen sei.  Die Dokumente dieses Verkehrs liegen im Geschlechtsarchiv zu Heyda „Briefwechsel [Hans Georg v. Carlowitz] mit dem Prinzen Friedrich von Sachsen”.  In diesem Aktenstück finden sich die Konzepte der Berichte, die damals H. G. nach Italien schickte und andere Aufsätze H. G.’s über die Grenzakzise im Schönburgischen, über den mitteldeutschen Handelsverein, über Grundstücksberechtigungen der Juden, über das Grundsteuersystem u. a. Beigelegt sind ein eigenhändiger Brief des Prinzen aus dem Schloß Poggio Imperiale bei Florenz vom 1. Juli 1828 und das Dankschreiben vom 28. Nov. 1831, s. S. 262 f.  Die enge Verbindung zwischen dem Mitregenten und späteren König Friedrich August und Carlowitz erlosch erst mit dem Tode des letzteren; denn in Hans Georgs Nachlaß finden sich eine ganze Reihe von eigenhändigen Briefen Friedrich Augusts auf kleinen Bogen in einer sehr zierlichen, und doch gut durchgebildeten Schrift, die durch ihren Inhalt das Fortbestehen dieses Vertrauensverhältnisses beweisen.

Auch der offizielle Auftrag, den Entwurf der neuen Verfassung auszuarbeiten, wurde unserem Hans Georg von Carlowitz zuteil.  Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß diese Wahl des Bearbeiters vom Prinzregenten Friedrich August ausging.  Gleichzeitig hat auch der Geheim Rat durch ein Dekret vom 21. September 1830 den Auftrag erhalten, sich mit der Fertigung eines Entwurfs zu einer Umgestaltung der landständischen Verfassung zu beschäftigen.  Dieser sollte spätestens am 1. März 1831 den wieder zu berufenden Ständen zur Beratung vorgelegt werden.  Unter diesen drängenden Umständen hat Carlowitz mit seiner beispiellosen Arbeitskraft in der kurzen Zeit von etwa 2 Monaten den sehr ausführlichen Entwurf der Verfassung  geschaffen und hat ihn schon am 7. Januar dem Geheimen Rat in der Reinschrift übergeben.  Flathe hat im 3. Bande seiner Geschichte Sachsens bei der Darstellung des Werdegangs der sächsischen Verfassung (S. 430 ff.) die grundlegende Arbeit Carlowitzens gänzlich übersehen, und auch Treitschke hat, obwohl die Schrift Witzlebens „die Entstehung der konstitutionellen Verfassung des Königreichs Sachsen, Leipzig 1881”, acht Jahre vor dem Erscheinen der 2. Auflage seines 4. Bandes veröffentlicht worden war, nur Lindenau als den „leitenden Kopf der Reform” bezeichnet (IV, S. 147).  In erster Linie ist aber Carlowitz als Urheber der sächsischen Verfassung zu nennen, Lindenau in zweiter; denn Carlowitzens Entwurf ist nicht nur umfassender und relativ selbständiger, sondern auch dadurch als der eigentlich amtliche gekennzeichnet, daß er unter dem Namen seines Urhebers im Geheimen Rate eingereicht wurde, während der Lindenaus, nur anonym, eine Art Beilage dazu bildete.  Beide Entwürfe sind, und zwar in der angegebenen Reihenfolge, in der Witzlebenschen Schrift gedruckt.  Alexander Schlechte in seiner „Vorgeschichte der sächsischen Verfassung vom 4. September 1831” (Borna=Leipzig 1927, S. 85 ff.) hat eine eingehende Vergleichung und Würdigung der beiden Entwürfe durchgeführt.

Gemeinsam ist beiden Entwürfen eine gewisse Zwiespältigkeit, ein Doppelgesicht:  einmal der Zug, wesentliche Bestandteile der alten Rechtsformen des ständischen Staates in den neuen Staat hinüber zu retten und anderseits der Verfassung das Antlitz einer neumodischen, auf dem süddeutschen Konstitutionalismus beruhenden Staatsordnung zu verleihen.  Der erste Zug ist naturgemäß in dem Entwurfe Carlowitzens etwas stärker ausgeprägt als bei Lindenau, weil Carlowitz als bodenständiger Edelmann des albertinischen Sachsens mit dem altständischen Wesen und seiner Stellung zum Königshause enger verwachsen war, als der aus dem Altenburgischen herbeigeholte Staatsmann.  Der zweite Zug ist nach den Wandlungen, die Carlowitz im Freiheitskriege und in Frankfurt unter Steins Einfluß durchgemacht hatte, bei ihm auch vorhanden, aber nicht in solcher Stärke wie bei Lindenau.  Die Ähnlichkeit der beiden Entwürfe ist durchaus verständlich, da doch beide sich an die vorhandenen süddeutschen Verfassungen anlehnen, Lindenau fast ausschließlich an die Badische vom 22. August 1818, Carlowitz auch an diese, außerdem aber hat er besonders die württembergische Verfassung vom 25. September 1819 stark herangezogen und auch aus der bayrischen vom 26. Mai 1818 und der Großherzoglich=Hessischen vom 17. Dezember 1820 einzelne Bestimmungen übernommen.  Ferner ist zu berücksichtigen, daß beide Männer mitglieder des Geheimen Rates waren und demnach die Gedanken und Pläne in sich aufnahmen, die in den Verhandlungen dieser obersten Staatsbehörde zwischen dem 21. September und dem Jahresschluß 1830 besprochen wurden.  Und endlich haben beide Männer nicht nur in ihrer Laufbahn, sondern auch in ihrer Wesensart viel Gleichartiges aufzuweisen.  Von Lindenau wird immer „der ideale Schwung” seiner Persönlichkeit gerühmt (Schlechte, S. 108), sein Gemüt und Gefühl:  „Ein Hauch von Schwermut lag über seinem Wesen” (Treitschke, IV, 147), ferner, daß er schon 1821 in Altenburg für die Einführung eines neuen Repräsentativsystems eingetreten sei (Schlechte, S. 79), dagegen ist die Entwicklungsskizze des Hans Georg von Carlowitz auch bei Schlechte, S. 84 etwas dürftig, und selbst Hellmut Kretzschmar (Hundert Jahre sächs. Verfassung” in „Amt und Volk”.  1931, S. 139) wird dem innersten Wesen des Mannes nicht gerecht, wenn er ihn unter die „ungenialen” Geschäftsmänner rechnet.  Denn Carlowitz war, so oft er sich auch in einer Art von selbstquälerischer Geringschätzung als einen bloßen Altenmenschen und Pedanten bezeichnete, im Grunde ganz anders geartet.

Die aus neuen Quellen geschöpfte Darstellung seines Werdegangs hat gezeigt, wie tief seine Seele in den Gedankenkreisen der Romantik verankert war und daß er, so sehr er es zu verbergen suchte, doch im Herzen ein Idealist und Schwärmer war.  Hätte ihn sonst Novalis als den künftigen Vollender seiner deutschen Ideen bezeichnet (S. 52)?  Wäre er sonst imstande gewesen, seine kränkelnde Gattin mit einem niemals erlöschendem Feuer der innigsten Liebe und Hingebung zu umweben oder an den lachenden Gestanden des Mains und des Rheins ein unstillbares Heimweh nach seinem Erzgebirgsdorfe und seinen schlichten Jugenderinnerungen in der Brust zu tragen oder sich mit Stein an der Reinheit und Hoheit der ältesten deutschen Geschichtsquellen zu begeistern?  Auch die vertraute Freundschaft, die den Prinzregenten mit ihm verband, spricht dafür, daß die Mächte des Gefühls stark in ihm entwickelt waren, sie befähigten ihn auch, die Notlage der Bauern und der Weber des Erzgebirges warmherzig mitzuempfinden und hatten ihn schon lange vor dem Revolutionsjahre zu tief durchdachten Reformversuchen angeregt (S. 104 f.).  So mußte man in Carlowitz den Mann sehen, der dazu berufen war, bei dem großen Verfassungsumsturz von 1830/31 zuerst um seine Meinung gefragt zu werden.  In der weiteren Behandlung der Verfassungsfrage mußte er natürlich dem vom Könige ernannten Kabinettsminister von Lindenau die Führung überlassen und trat deshalb, wie es seiner ganzen Art entsprach, in der Öffentlichkeit weniger hervor.

Überdies nahm die Herstellung der Verfassung aus den Entwürfen weder einen schnellen noch einen glatten Verlauf.  Zunächst hatten der König und der Mitregent am 7. Januar 1831 „die von euch [und] dem Wirklichen Geheimen Rat von Carlowitz an uns eingereichten Abschnitte eines in dieser Hinsicht ausgearbeiteten Entwurfs einer Verfassungsurkunde nebst den ihnen entsprechenden Paragraphen einer uns von anderer Hand vorgelegten, mit Zugrundelegung der Badischen entworfenen Verfassungsurkunde zur weiteren gemeinschaftlichen Beratung zugehen” lassen.  Der Geheime Rat hatte nunmehr freie Hand, sich einer der beiden Fassungen anzuschließen oder auch neue Fassungen der nicht gebilligten Paragraphen zu beschließen.  Nur bezüglich des Krongutes, des Hausfideikommisses und der Zivilliste des Königs hatte sich das Königshaus von vornherein für die liberalere Lindenausche Fassung entschieden, daß die Domänen und Regalien zwar Patrimonialeigentum des Regenten und seiner Familie bleiben, daß jedoch deren Ertrag in die Staatskasse fließen und die Bezahlung der Zivilliste, Apanagen und königlichen Handgelder auf diese Einnahmen radiziert werden sollten.  Dagegen hatte Carlowitz das Verfügungsrecht des Königs über diese Gelder in viel umfangreicherem Maße beibehalten wollen (Witzleben, S. 181 u. 333 f.).  über diesen Punkt der Verfassung wurde zwar zwischen dem Königshause und dem Geheimen Rat bald eine Einigung erzielt, so daß schon am 22. Februar 1831 der Entwurf in der vom Geheimen Rate vorgeschlagenen Fassung mit einigen Modifikationen auch vom Könige und dem Mitregenten genehmigt wurde, aber als danach am 1. März der Entwurf der Verfassung (Witzleben, S. 370 ff) den wiederversammelten Ständen zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt war, entbrannte über die Frage des Krongutes, des Familienfideikommisses und der Zivilliste ein langwieriger Kampf, in dem sich die Krone veranlaßt sah, auf sehr wichtige bisher behauptete Eigentumsrechte, namentlich auch an den Sammlungen des königlichen Hauses, zu verzichten und anderseits auf die ihr gewährte Zivilliste von jährlich 500 000 Talern sehr bedeutende Lasten zu übernehmen, wie z. B. „die Gehalte aller k. Hofbeamten und Diener, die künftig auszusetzenden Pensionen derselben sowie ihrer Witwen und Kinder …, die Hofkapelle und Hoftheater, die Unterhaltungskosten aller nach § 16 dem Könige zur freien Benutzung bleibenden Schlösser und Paläste, Hofgebäude und Gärten”.

Sehr volksfreundlich und freiheitlich denkende Männer haben damals die zu weitgehende Begehrlichkeit des Landtags und die Nachgiebigkeit der Krone getadelt.  Christian Gottfried Körner, der Vater des Dichters, hat von Berlin aus am 18. März 1831 an seinen alten Freund Dietrich von Miltitz auf Siebeneichen einen sehr beachtenswerten Brief über das sächsische Verfassungswerk gerichtet.  Darin heißt es:  „Den größten Teil Entwürfe habe ich sehr durchdacht und zweckmäßig gefunden, aber bei einem Punkte würde ich meine Beistimmung nicht geben können.  Dieser ist der Verzicht auf die Benützung der Domänen gegen eine Zivilliste.  Nach meiner Überzeugung ist die Würde des Regenten möglichst zu schonen, und hierzu gehört, daß der Regent als der unabhängigste, reichste und wohltätigste Mann im Staate wie ein guter Hausvater in seiner Familie erscheint.  Frau und Kinder pflegen dem Gatten und Vater nicht vorzuschreiben, was er von seiner Einnahme für die Bedürfnisse seiner Familie verwenden soll.  Was er aus Liebe gibt, empfangen sie mit Dank und Vertrauen.  Bei den jetzigen Verhandlungen fände ich es angemessen, wenn der Regent sämtliche Regalien und ein bestimmtes Qantum von dem Ertrage der Domänen den Ständen zu den Bedürfnissen des Staates überließe, die übrige Einnahme der Domänen aber sich vorbehielte und keine Zivilliste verlangte.  Es liegt etwas Herabsetzendes darin, daß jeder, der ein paar Taler Abgaben zu zahlen hat, sich einbilden kann, er besolde den Fürsten.”

Die von Körner befürchtete Entwicklung ist in der Tat eingetreten.  Viele, die im November 1918 auch in Sachsen die Abdankung des Königs bejubelten, hatten den Eindruck, daß ein kostspieliger Ausbeuter endlich von seiner Pfründe vertrieben sei, während doch die von ihm bezogene Zivilliste nur einen kleinen Teil der Einkünste darstellte, die damals der Staat aus den vom Könige abgetretenen Domänen und Forsten bezog; und den größten Teil der Zivilliste hatte doch der König alljährlich für die Erhaltung der Dresdner Staatskapelle und Staatstheater verwendet, die Millionen von Menschen Freude brachten, Tausende von Ausländern nach Dresden führten und Hunderte von Gewerbetreibenden und Arbeitern in Nahrung setzten.

Auch Carlowitz, dessen Staatsideal trotz seiner menschenfreundlichen und freiheitlichen Ideen das patriarchalische blieb, hatte sich dafür eingesetzt, daß der König selbst die Geldsumme bestimme, die er künftig unter dem Namen der Zivilliste erhalten wollte (§ 29 des Carlowitzischen Entwurfes, Witzleben, S. 335:  „Der Betrag der Zivilliste ist nach dem vollen Bedarf des Königs für sich, seine Familie und seinen Hofstaat zu bemessen, daher wird auf selbigen das jährliche reine Einkommen von den von ihm zu benutzenden Patrimonialdomänen in Zurechnung gebracht”).  Aber der König selbst ließ ihn in diesem wichtigen Punkte durch die oben erwähnte Vorentscheidung im Stiche.  Ebenso war Carlowitz dagegen, daß das Vertrauensverhältnis, das bisher zwischen dem Rittergutsbesitzer und seinen Gutsuntertanen bestanden hatte, durch Aufhebung der Patrimonialgerichte und durch die Umwandlung der adeligen Kleinstädte in selbständige Städte zerstört werde.  Aber er unterlag auch in diesem wichtigen Punkte den liberaleren Zeitströmungen.  Infolgedessen war für ihn der Kampf um den Verfassungsentwurf und im Zusammenhange damit die Neuordnung der Städte und Landgemeinden mit den schwersten Aufregungen verbunden.  Die beiden Briefe, die er an den beiden wichtigsten Merkpunkten der Entwicklung an seinen Bruder Carl Adolf nach Breslau schrieb, sind klassische Zeugnisse der tiefen Depression, die sich seiner in dem Maße bemächtigte, in dem der zum Radikalismus neigende Liberalismus sich durchsetzte.  Der eine vom 15. Februar 1831 ist geschrieben, als der Verfassungsentwurf den Geheimen Rat passiert hatte und der Krone erneut zur Genehmigung vorgelegt wurde, der andere vom 2. August 1831, als die Niederlage seiner Grundsätze auch und durch den Verlauf der Kammerdebatten eine vollendete Tatsache war und die Veröffentlichung und Inkraftsetzung der neuen Verfassung bevorstand.  So hat Carlowitz auch das berühmte Fest der Übergabe der Konstitution an die Stände am 4. September 1831 nur unter sehr gemischten Gefühlen mitgemacht.  Er sah darin, obwohl er den größten Teil der Bestimmungen der neuen Verfassung billigte, doch das Ende „unseres Staates”, d. h. des altständischen Staates.  Die folgenden vier Briefe gewähren uns einen tiefen Einblick in seine fast verzweifelte Stimmung.  Der zweite dieser Briefe vom 2. 8. 1831 bietet außerdem eine Aussprache Hans Georgs über den Tod des Reichsfreiherrn vom Stein.

*

Hans Georg an Carl Adolf v. C.

Dresden, 15. 2. 1831.  „… Du dienst einem Staate, wo man noch weiß, was man will, magst also wohl beruhigter sein.  Je mehr das Prinzip Feld gewann, dem ich entgegentrete, desto mehr steigerte ich meine Anstrengungen; aber jetzt nehmen mit meiner Hoffnung progressiv auch meine Kräfte ab, ich bin nicht mehr, was ich war, und nur einige Ruhe könnte mich vielleicht wieder erheben, die ich mir aber jetzt gar nicht geben kann.  Ich will und werde mit der guten Sache politisch untergehen, wenn ich mich auch moralisch noch erhalte.  Was mir besonders unangenehm ist, man weiß überall, daß ich die Verfassungsurkunde geschrieben habe, und wer mich nicht genau kennt, wird vielleicht die irrigen Grundsätze, welche von fremder Hand eingetragen worden sind und doppelt verderben, was ich Gutes erstrebte, auf meine Rechnung setzen.  So verliere ich am nahen Schlusse meines öffentlichen Lebens vielleicht noch unverschuldet das 36 Jahre behauptete Vertrauen der Wohlgesinnten im In= und Auslande.  Was außer jenen Grundsätzen in der Urkunde steht, wird man für gut halten.

Jetzt wirke ich insbesondere noch dafür, daß wenigstens die Vasallenstädte nicht modernisiert, vielmehr wie Dörfer betrachtet werden.  Gelingt dies nicht, so wählst Du in Liebstadt 6 Ratsherren und 9 Stadtverordnete, und unter diesen 15 Regenten 13 unbesoldete; verlierst auch die Polizei, die vom Rate unter dem Amtshauptmanne ausgeübt werden würde.  Dies einzige Beispiel wird Dir ein Bild der Tendenz unserer Verbesserungen und ihres praktischen Wertes geben.  Ich sende Dir die Verfassungsurkunde, das zugehörige Wahlgesetz und die Städteordnung, sowie die Gesetze über Ablösung der Dienste und Servituten, sobald sie gedruckt sein werden.

In 14 Tagen sind die Stände beisammen[1].  Mich wird es innig schmerzen, wenn es zum Streite mit der Regierung kommt, den letztere provoziert, und ebenso sehr, wenn die Ritterschaft ihre 700jährige Wirksamkeit mit einem Akt der Schwäche beschließen sollte.  Nach dem, was ich bisher aus innerem Pflichtgefühle und mit rücksichtsloser Offenheit tat, bin ich auf die Rolle des Cato hingewiesen.

Morgen erwarte ich Anton, der auf 14 Tage hierher kommt, um Finanzangelegenheiten beraten zu helfen, dann aber vorläufig wieder nach Koburg zurückkehrt, weil der Herzog ihn noch nicht entlassen hat.  Ich bin sehr gespannt darauf, was er zur Lage der Verhältnisse sagen werde.  Er hat noch in der Hand, ob er hier in Dienst treten will, denn der Herzog hat noch keinen Nachfolger gefunden, und bis dahin verschiebt er den Abschied.  Damit Anton ermesse, ob noch wesentlich zu helfen sei, und nicht einen sonst angenehmen und nützlichen Wirkungskreis gegen einen äußerst schwierigen und vielleicht nutzlosen vertausche, werde ich ihn ganz genau orientieren, und dann mag er selbst beobachten …”

Dresden, 2. 8. 1831.  „… Dein letzter Brief an mich ist ein neuer unschätzbarer Beweis Deiner mir so teueren Freundschaft und spricht die Teilnahme, welche Du mir in den hiesigen Verhältnissen schenkst, auf eine mir gewiß unvergeßlich bleibende Weise aus.  Empfange dafür meinen herzlichsten Dank.  Was Du mir ratest, ist aus dem Leben gegriffen, vollkommen das Resultat eines Geistes, der großen Verstand, Studium und Welterfahrung mit herzlichem Wohlwollen verbindet; ich werde auch im wesentlichen nach Deiner Ansicht handeln, nur bin ich einige Modifikationen meiner vielleicht seltsamen, aber nun einmal mir eigentümlichen Gewissenhaftigkeit schuldig.  Ich habe dem Lande, wo ich geboren wurde, 36 Jahre mit gutem Willen und Ausdauer gedient und solange das Glück geteilt, welches eine, zwar nicht hochgestellte, aber freundliche und gerechte Regierung unter allen Ständen verbreitete.  Jetzt, wo plötzlich eine künstliche Revolution mit allen Ungerechtigkeiten und Gefahren einer wirklichen über dieses Land einbrach, mußte ich meine Schuld abtragen, den Mut bewähren, dem die vergangene Zeit kein Feld geboten hatte, und mit der äußersten Kraft dem Übel entgegenzuwirken suchen.  Anfangs war ich bei diesem Spiele nicht ohne Hoffnung, denn das Übel stellte sich mancher Seele dar, und das Neue widerstand ihr.  Allein die unendliche Schwäche, welche der Charakter unseres Zeitalters ist, zog einen Verbündeten nach dem anderen von mir ab, und bald hatte ich auch nicht einen Menschen von Einfluß und Tätigkeit mehr auf meiner Seite …

In den nächsten Tagen werden die neuen Ministerien formiert und die neue Verfassung angenommen, und dies ist die Krisis, die ich erwarten wollte.

Leider hat das Feuer, welches man mit der Fackel der Neuerungssucht an allen Orten angesteckt hat, auch meinen letzten Schlupfwinkel ergriffen, denn meine Untertanen, mit deren keinem ich seit meiner 37jährigen Besitzzeit einen Streit gehabt hatte, sind die geschäftigsten in der ganzen Gegend, und ich weiß daher nicht, ob ich werde in Oberschöna ruhig leben können; allein, wo man soviel vor seinen Augen untergehen sieht, wird man gegen persönliche Übel unempfindlich, und so werde ich vielleicht, wenn ich auch dort nicht ruhig sein kann, am Ende in das Ausland gehen.  Fremde Dienste kann ich nicht annehmen, dazu bin ich nun zu alt, auch fühle ich lebhaft, daß meine viele Anstrengung mich etwas erschöpft und die Entbehrung und Ausdauer in der letzten Zeit mir den Schwung genommen hat, ohne welchen man nicht Vorzügliches leisten kann.  Darum werde ich, wenn ich einmal Dresden im Rücken habe, mein öffentliches Leben für beschlossen betrachten und mit ruhigem Gewissen die letzten Jahre wie ein eingezogener Privatmann zubringen.  Es wird eine Zeit kommen, wo man sich meiner beharrlichen Reaktion mit Anerkennung erinnern wird, aber diese gehört dann nicht mehr in die Geschichte meines Lebens.

Der Landtag wird ohngefähr in 14 Tagen endigen.  Albert, der für Deine gute Meinung von seinen Anstrengungen höchst dankbar ist, wird mit dem Schlusse desselben den Abschied nehmen und dann zu Antons Fahnen übertreten.  Ich verliere ihn ungern aus meiner Nähe, sehe aber seinen Entschluß für ehrenhaft und notwendig an.

Der Tod des Ministers Stein (29. Juli 1831), dieses großartigen, vortrefflichen Mannes, wird Dir ebenso schmerzhaft wie mir gewesen sein.  Über die äußeren Umstände seines Todes schrieb mir Josephe aus Bonn, die ihn noch kurz vorher sehr wohl gesehen hatte.  Er hatte mit Freunden, die bei ihm in Kappenberg waren, einen sehr weiten Spaziergang in einen Wald gemacht und war dabei von einem tüchtigen Regen getroffen worden, ohne die Kleider bald wechseln zu können.  Dies zog ihm ein Brustfieber zu, welchem am siebenten Tage der Krankheit ein Lungenschlag folgte.  Wer wie dieser seltene Mann gelebt und gewirkt hat, dessen Andenken ruht in Segen und ist ein Erbteil künftiger Jahrhunderte …”

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   Dresden, Ständehaus, 1. 9. 1831.  „… Nächsten Sonntag ist die Übergabe der Konstitution und der Landtagsabschied, — das Leichenfest unseres Standes.  Die Truppen und Kommunalgarden werden unter den Gewehren sein; man wird viel Schießen und Spektakel machen.  Die Stadt wird beleuchtet, auch wird ein Feuerwerk auf der Stallwiese sein.  Komme doch mit den Deinigen, denen ich mich zu Gnaden und herzlich empfehle, diesen Tag zu mir und bringe ihn hier zu.  …”

 

Dresden, 4. 9. 1831.  „Endlich ist das große Leichenfest überstanden, und ich bin durch stille Empfindungen und das viele Stehen sowie die Zeremonientafel von unendlicher Dauer so erschöpft, daß ich kaum die Feder halten kann. …

Der liebe alte König fragte mich heute mit sichtbarer Teilnahme, warum mein Sohn seinen Dienst verlassen und nach Koburg gehen wolle.  Ich antwortete, was sich hierauf in einer Cour antworten ließ, jedoch die Wahrheit.  Nach der Tafel besuchte Lindenau Alberten und proponierte ihm, ehe er einen Entschluß wegen Eintritt in fremden Dienst fasse, erst die neue Organisation abzuwarten, dieser bleibt jedoch bei seinem Vorsatz, weil er sich durchaus mit dem jetzigen System nicht befreunden könne und nie befreunden werde.  Die Stände schrien bei allen Gelegenheiten, daß man einen so gescheiten und festen Menschen verdränge, und diese Popularität erregt bei den Schwachen einige Verlegenheit und bei den Guten Bedauern.

Wenn ich diesen Abend noch die Verfassungsurkunde nach der neuesten und nunmehr definitiven Redaktion bekommen kann, werde ich sie Dir beilegen.”

 

Unter den auf den vorhergehenden Seiten geschilderten Umständen war Hans Georg im höchsten Grade erstaunt, als er sich, noch bevor die Liste der neuen Staatsminister veröffentlicht war (Dekret vom 1. Dezember 1831), zum Mitglied des Staatsministeriums, und zwar zum Minister ohne Portefeuille ernannt sah, eine hohe Auszeichnung, die nach Lage der Sache nur von seinem Gönner, dem Mitregenten Friedrich August, ausgehen konnte.  Man wird in dieser Ernennung schwerlich bloß den Dank für die beim Verfassungswerke geleistete Arbeit sehen dürfen, sondern auch den Ausdruck der Besorgnis, daß die Zugeständnisse, zu denen die Krone in so reichem Maße gedrängt worden war, von übeln Folgen begleitet sein könnten.  Zu ihrer Bekämpfung glaubte man einen Man von der Erfahrung und Gesinnung Carlowitzens gut brauchen zu können.  Der so unerwartet Ernannte war zunächst anderer Meinung.  Er sah in seiner Ernennung etwas Verfassungswidriges und bat noch am Abend den Prinzregenten in einer persönlichen Unterredung, ihn von diesem Posten wieder zu entheben.  Wir wußten bisher nichts von diesem intimen Vorgang.  Aber er wird offenbar aus dem für Carlowitz überaus ehrenvollen Briefe, den ihm Prinz Friedrich August am folgenden Tage schrieb mit der Unterschrift:  „Ihr treuer Freund Friedrich” (S. 264).  Hans Georgs Bedenken wurden dadurch zerstreut, und er dankte dem Mitregenten durch das tiefempfundene Schreiben vom 28. November 1831 (S. 264 f.).

Zur Beurkundung der mit Hans Georgs Ernennung zusammenhängenden Vorgänge sind die genannten beiden Briefe hier eingeschoben, ihnen voran geht ein etwas früher geschriebener Brief, der beweist, in welch hohem Maße der Prinzregent bei schwierigen Entscheidungen Anlehnung an Hans Georg suchte.

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Mitregent Friedrich August, an den Wirklich Geheimen Rat Hans Georg von Carlowitz.  (A. D. Aufzubewahrende Briefe.)

[Dresden, zwischen 7. und 27. November 1831.]  „Eine der schwierigsten Entscheidungen, die mir bei den vielen wichtigen Stellenbesetzungen vorliegen, ist die des Ministeriums des Äußeren, eine Entscheidung, wo ich die verschiedenartigsten Ansichten gehört habe und daher oft in meiner Meinung schwankend geworden bin und wobei die Schwierigkeit noch durch die von dem Könige über diese Sache gefaßte Ansicht vermehrt wird.  Es wird mir daher sehr erwünscht sein, auch Ihre Ansicht zu vernehmen, und ich bitte Sie, mir selbige offen, wie es Ihre Überzeugung Ihnen eingibt, auszusprechen.

Zwei Kandidaten sind es, die vorzüglich auf diese Stelle hoffen und zwischen denen, so scheint es, auch bloß die Wahl übrig bleiben wird:  Herr Minckwitz und Herr Üchtritz.  Wenn der Charakter des ersteren dem ruhigen Gang, der unserer Politik gebührt, mehr zu entsprechen scheint, so wird ihm auf der anderen Seite eine gewisse Passivität, die aber wohl zum Teil in seinen früheren Verhältnissen liegen möchte, zu wenige Kenntnis der Welt und namentlich auch der französischen Sprache, welche die mündlichen Kommunikationen mit den nichtdeutschen Diplomaten unendlich erschwere, daher er auch bei denselben nicht in der nötigen Achtung stehe, vorgeworfen; Herr Üchtritz dagegen hat unstreitig glänzendere diplomatische Talente, viel Gewandtheit und Kenntnis der französischen Sprache, allein einen allzu lebhaften, etwas unruhigen Geist.  Es ist zu fürchten, daß er sich zuviel in größere politische Pläne verirren und weniger auf der ruhigen Bahn zu erhalten sein würde, die unsere Politik bezeichnen muß.  Nun ist zwar nicht zu leugnen, daß jene mögliche Passivität wohl angespornt, diese Beweglichkeit wohl gezügelt werden kann, indessen wäre doch das eine wie das andere ein wenig zuträgliches Element.  Mir hat es indessen bisher geschienen, als ob dem ersten Übel leichter abzuhelfen sein würde, als dem letzteren, und als ob man daher bei Herrn Minckwitz sicherer fahren würde, als bei Herrn Üchtritz, wenn nicht die andern gegen ersteren angeführten Bedenken überwiegend scheinen möchten.  Daß diese Äußerungen im Vertrauen geschehen sind und daß Sie von dem Inhalte dieses Schreibens niemandem etwas mitteilen werden, versteht sich von selbst.

Dürfte ich bitten, mir Ihre Ansicht über diesen Gegenstand und die beiden Kandidaten bis spätestens morgen früh zukommen zu lassen.

                                Ihr ergebener
                       
                                                     Friedrich August.”

 

[Dresden, 28. 11. 1831] (a. a. O.)  „Ich habe über das, was Sie mir gestern abends vortrugen, reiflich nachgedacht, aber keine Ursache gefunden, von meiner früheren Ansicht zurückzugehen.  Ich kann in der Anstellung eines Ministers ohne Portefeuille durchaus nichts Verfassungswidriges erblicken.  Aber selbst, wenn darüber noch ein Zweifel obwalten könnte, würde ich mich auf keine Weise entschließen, einen Rückschritt in dem Augenblicke zu veranlassen, wo man kaum erst das Gegenteil für unbedenklich und nützlich erkannt hat.  Die Gewissenhaftigkeit und Uneigennützigkeit, welche Sie in dieser Angelegenheit an den Tag gelegt haben, macht Ihnen gewiß alle Ehre; ich kann Ihnen aber auch aus aufrichtigem Herzen versichern, daß ich Ihren Austritt aus der höchsten Landesbehörde als einen wahren Verlust ansehen und unter jedem Verhältnisse nur mit Schmerz gestatten würde.

                                         Ihr treuer Freund
                                                                                          Friedrich.”


Schluß des Briefes des Prinzregenten Friedrich August an Hans Georg vom
28. 11. 1831, photogr. Aufnahme nach dem Original.

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An den Prinz=Mitregenten Königl. Hoheit.

Dresden, 28. 11. 1831. (G. A. H. Briefwechsel.)  „Was Ew. Königl. Hoheit über mich zu beschließen geruht haben, ist in Rücksicht auf mein öffentliches Leben Befehl und in Rücksicht meiner Betrachtungen die vollkommenste Beruhigung, in beider Beziehung eine Fügung des Himmels, die ich mit dankbarer Freude verehre.

Ew. K. H. Gnade, deren erneuerter Ausdruck mich innigst gerührt hat, wird mein ferneres Bestreben leiten und unterstützen, dem Vaterlande nützlich zu sein, und Gott, der durch höchstdero Willen meine Zukunft bestimmte, mir auch die Kräfte und den Segen schenken.  So hoffe ich, wird mir gelingen, jedem Zweifel vorzubeugen, als sei der Nutzen meiner Mitwirkung im Dienste außer Verhältnis mit der durch höchstdero Huld mir angewiesenen Stellung, auch das bisherige Vertrauen so vieler meiner Mitbürger ferner zu erhalten und zu befestigen.

Vor allem aber wird es mein stetes Bestreben sein, Ew. K. H. bei jeder Gelegenheit zu bewiesen, daß das allerhöchste K. Haus keinen treueren, ihm herzlicher ergebenen Diener habe, und wenn ich höchstdero mir geschenkte Gnade nicht ganz verdienen kann, nur das große Maß dieser Gnade und das geringe Maß meiner Kräfte entgegensteht.

Mit dem Gefühle der tiefsten Verehrung und lebhaftesten Dankbarkeit werde ich lebenslang sein

                                            Ew. K. H.
                                                                          pp. Carlowitz.”

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Schon bevor diese wichtige Entscheidung fiel, hatte König Anton und nach ihm der Minister v. Lindenau versucht, den Sohn Hans Georgs, den als Referendar bei der Landesregierung angestellten Albert von Carlowitz, der während der Landtagsverhandlungen im Sinne seines Vaters tätig gewesen war und jetzt seinen Abschied genommen hatte, im sächsischen Dienste zu halten (S. 261).

Überdies fand der neue Minister ohne Portefeuille bald so reichliche Arbeit, daß er über seine Skrupel vollends hinwegkam.  Er wurde zunächst beauftragt, die Partikularverfassung der Oberlausitz mit der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 in Einklang zu bringen.  Der später am 17. November 1834 zustande gebrachte Vertrag mit den Ständen der Oberlausitz war im wesentlichen sein Werk, für das er die besondere Anerkennung der Oberlausitzer Stände erntete.  Dann hat er den Staatsminister von Lindenau wiederholt in der Führung des Ministeriums des Inneren vertreten, und als dieser überhaupt von seinem Ministerium zurücktrat, am 31. Mai 1834 dieses übernommen.

Auch Anton hatte im Jahre 1831 einen besonderen Beweis der Wertschätzung durch den Prinzregenten erfahren:  dieser berief ihn aus dem herzoglich=koburgischen Dienst nach Sachsen zurück, und zwar als Finanzminister, aber Anton lehnte die ehrenvolle Berufung aus Anhänglichkeit an seinen Herzog ab.  Die bei dieser Gelegenheit von Anton selbst verfaßte „Nachricht über die Verhältnisse und Wirksamkeit Antons v. C.” (S. 170 f.) ist ein wertvolles Dokument über die Art und Weise, wie der Minister Detlef Graf v. Einsiedel Talente, die ihm gefährlich werden konnten, niederzuhalten und auszuschalten verstand.

Bald darnach trafen den ältesten Bruder Carl Adolf schwere Trauerfälle.  Am 13. Februar 1832 starb seine 27jährige Tochter Berta (Brief Hans Georgs vom 15. 2. 1832), im Jahre 1833 sein Sohn Moritz als Leutnant zu Koblenz und am 22. Mai 1834 nach einjähriger schmerzhafter Krankheit seine Gemahlin Maria Josephe, geb. Gräfin von Pötting und Persing, mit der er seit dem 23. November 1797 verheiratet gewesen war.  Ihr Gatte war in ihrer letzten Leidenszeit und bei ihrem Tode in Liebstadt und blieb auch noch einige Zeit dort, um den Nachlaß zu ordnen; er beschäftigte sich mit ihrem Stammbaum und beabsichtigte, eine Lebensbeschreibung der Heimgegangenen zu verfassen.  Auch die ungünstigen Nachrichten, die Carl Adolf über die verschwenderische Lebensführung seines Sohnes Carl in Konstantinopel erhielt, und die Geldforderungen, die infolge davon an ihn selbst erhoben wurden, verdüsterten zeitweilig seinen Lebensabend (Briefe Hans Georgs an Carl Adolf vom 2. Oktober 1830, vom 9. August 1832 u. a.).

Der Verkehr mit den Gelehrten der Breslauer Universität und anderen geistig hochstehenden Männern der Stadt brachte dem Gouverneur zwar manche Zerstreuung und genußfrohe Stunde, ebenso hat er dort manche militärisch wichtige Einrichtung geschaffen — ein Vorstadtviertel, wohl ein früherer Exerzierplatz, heißt noch heute Carlowitz —, aber das alles entschädigte ihn doch nicht für die Entbehrungen, die ihm seine Familienverhältnisse und das Getrenntsein von der Heimat und den Seinigen auferlegte (s. S. 167).  Durch die wenigen Briefe, die uns aus der Breslauer Zeit Carl Adolfs erhalten sind, klingt ein wehmütiger, weltschmerzlicher Ton der Sehnsucht nach den entschwundenen Zeiten, nach dem geliebten Bruder und nach der Heimat, der im letzten Jahre seines Lebens noch durch körperliche Leiden verstärkt wurde.  Der Brief Carl Adolfs vom 22. September 1831 aus Großhartmannsdorf ist ein aus dem tiefsten Herzen klingender Widerhall auf die Einladung Hans Georgs, den Verfassungstag mit ihm in Dresden zu verleben, was nicht geschehen war.  Nun bittet der Großhartmannsdorfer Gutsherr mit beweglichen Worten, daß Hans Georg zu ihm komme:  „Du bist so sehr lange nicht in Großhartmannsdorf gewesen — so sehr Dich auch dieser alte liebe Geburtsort stets interessiert hat, und mir würde Dein Hiersein eine unaussprechliche Freude verursachen — — Reiße Dich doch einmal von Deinen Arbeiten los, die jetzt unmöglich mehr für Dich die Wichtigkeit und das Anziehende haben können, wie ehedem: leben Dir und Deinem alten Freund einmal einige Tage, — in traulichen, rührenden Reminiszenzen heiterer glücklicherer Tage, wie die erbärmliche Gegenwart sie nie mehr zu erschwingen vermag.  — Auch werden wir alt, und oft sehen wir uns gerade auf diesen Gefilden, in diesen feierlichen Mauern unserer ersten jugendlichen Entwicklung wohl nicht mehr.  — Darum erhöre meine Bitte — wirf rasch und vornehm für einige Tage die Regentschaftlich=Lindenauischen Machwerke beiseite und komme zu mir.  — Mit herzlicher Liebe und Verehrung Dein treuer Bruder Carl v. Carlowitz”

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Hier ist der Ort, einige Stimmungsbilder aus den Jahren 1832 bis 1834, und zwar 2 Briefe des Mitregenten an Hans Georg und 4 Hans Georgs an Carl Adolf in den Gang der Erzählung einzuschieben.  Der Brief vom 27. Juli 1832 zeigt Hans Georg als stellvertretenden Minister des Innern in Erwartung des ersten nach der Konstitution berufenen Landtags, mit dem er harte Kämpfe voraussieht, der vom 20. August 1832 zeigt ihn im Begriff, die Konvention mit den Ständen der Oberlausitz (S. 269) abzuschließen, der Brief „vor dem 24. 4. 1833” enthält Persönliches vom Mitregenten, der vom 29.  … abends 1833 betrifft das von der katholischen Kirche seitens der Landesregierung einzuholende Plazet zu den Erlassen der katholischen Behörden, vgl. Flathe III, S. 482 ff., der vom 11. Februar 1834 Märkers Chronik von Großhartmannsdorf, die Verhandlungen des Landtags und der geheimen Ministerkonferenz, die vom Januar bis Juni 1834 in Wien tagte und durch ihr berüchtigtes Schlußprotokoll nicht nur die Rede=, Lehr= und Preßfreiheit noch mehr als bisher einengte, sondern auch das Steuerbewilligungsrecht der Stände zu einer bloßen Form herabzudrücken bemüht war (Weber=Baldamus, Lehr=Handbuch der Weltgeschichte, hg. V. Hellmuth Schmidt=Breitung IV, S. 280).  Der letzte dieser Briefe vom 24. Mai 1834 ist geschrieben, als Marie Josephe, die Gemahlin Carl Adolfs, heimgegangen war (S. 266).

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Hans Georg an Carl Adolf v. C.

Dresden, 27. 7. 1832.  „… Mir scheint, die französische Regierung werde sich nicht halten und ihr Fall das Signal eines europäischen Meinungskriegs werden.  Im Grunde halte ich einen solchen Krieg nur für ein notwendiges Übel und nach ungeheuren Fehlern für das noch einzig übrige Mittel zur Rettung des guten Prinzips.  Die Regierungen, selbst die besten, haben sich viel vorzuwerfen und werden selbst im günstigsten Falle schwer die vorige Achtung und Sicherheit wiedergewinnen.  Es wäre doch eine seltsame Erscheinung, wenn am Ende die Kosaken die Retter und Garanten der europäischen Kultur werden.  …

Man zweifelt allgemein, daß die Meißner Ritterschaft Leysern wählen werde, glaubt aber, daß es die Bauern tun werden, denen er allerdings in den Ansichten und Formen näher steht.  Dann steht der General Foy[2] in Miniatur wieder auf.  Du kannst das Gefühl bemessen, mit dem ich den neuen Ständen entgegensehe.  Unter ihnen würde ich mich zu stellen wissen, aber ihnen als verantwortlicher Minister in modernen Geschmack gegenüber ist die Sache schwieriger.  Ich bin durch die Zeitverhältnisse gereizt, halte das Regieren für eine seltene, fast verlorene Kunst, die am allerwenigsten quivis ex populo versteht, habe nie vor Gericht gestanden und bin, so bürgerlich auch unser Zeitalter sein mag, stets ein Edelmann geblieben; ich sehe also wirklich das Resultat meiner Stellung am nächsten Landtag nicht ab und gehe um so unbesonnener ihr entgegen.  Während andere aus Furcht sich bis an die Zähne verschanzen, erwarte ich den Stier auf freiem Felde, um ihn bei den Hörnern zu fassen.  Mit meiner Frau ist mein Genius von mir gewichen, das Leben gibt mir nichts mehr, und daher kannst Du noch sonderbare Dinge von mir erfahren.  Das einzige weiß ich vorher, daß unser Name durch mich nichts verlieren werde.  Im Lande habe ich übrigens eine große und ehrenwerte Partei.”

 

Dresden, 20. 8. 1832.  „… Heute gehe ich nach Bautzen ab, denn ich habe schon morgen um 9 Uhr eine Sitzung dort bestellt, die ich [er]öffnen muß.  Diesmal werde ich die Konvention mit der Provinz vollends zum Abschluß bringen, doch muß ich den dasigen Landtag abwarten, so daß ich vor der Mitte des Septembers schwerlich wieder in Dresden einheimisch sein werde.  Durch meine Abwesenheit umgehe ich das am 4. September eintretende Konstitutionsfest, welches hier sehr feierlich begangen werden soll.  Die obersten Staatsbeamten ziehen mit dem Stadtrat und den Kommunrepräsentanten paarweise in die Schloßkirche, wo der Oberhofprediger Ammon vermutlich seltsames Zeug predigen wird, und abends ist ein Feuerwerk auf der Elbe, wie seit der Pillnitzer Konvention[3] kein ähnliches stattfand.  Wenn nur die Konstitution ein besseres Resultat liefert, als diese Konvention …”

Mitregent Friedrich August an den Staatsminister von Carlowitz.  (A. O. Mappe, Aufzubewahrende Briefe.)

[Dresden, vor dem 24. April 1833.]  „Überzeugt von Ihrer aufrichtigen Teilnahme an allem, was mein Schicksal betrifft, kann ich nicht länger anstehen, Ihnen die Eröffnung zu machen, daß ich entschlossen bin, mich wieder zu vermählen, und daß meine Wahl auf die Prinzessin Maria[4] von Bayern, Schwester meiner Schwägerin, gefallen ist.  Diese Wahl, welche auf genaue Bekanntschaft und Erkenntnis der ausgezeichneten Eigenschaften des Geistes und Herzens dieser vortrefflichen Prinzessin gegründet ist, verbürgt mir die glückliche Zukunft, und ich bin daher bei den Gesinnungen, die ich an Ihnen gegen mich kenne, überzeugt, daß Ihnen diese Mitteilung nur erfreulich sein wird.

                                                                                       Friedrich.”

 

[Dresden, 29.  … abends 1833.]  (G. A. H.)  „Ich weiß nicht, ob morgen das Regulativ über das jus circum sacra in der zweiten Kammer vorkommen wird, aber für diesen Fall bemerke ich, daß mir daran gelegen ist, daß der zwischen beiden Kammern noch offene Differenzpunkt wegen der Erwähnung des Plazet in den Erlassen der katholischen Behörden im Sinne des Entwurfs angenommen werde.  Wenn ich gleich diesen Gegenstand an sich nicht für so wichtig zu erkennen vermöchte, so wird doch von seiten des Bischofs ein solcher Wert darauf gelegt, daß ich sehr unangenehme Folgen voraussehe, wenn man in diesem Punkte nachgeben wollte; übrigens sind aber auch die Besorgnisse der Kammer ganz unbegründet, denn eine Umgehung des Plazet ist, ohne daß sie zur Kenntnis käme, ohnehin nicht denkbar.  Ich ersuche Sie daher, diesen Punkt fortwährend mit Bestimmtheit zu verteidigen und, wenn es möglich ist, dahin zu wirken, daß die zweite Kammer sich mit der ersten vereinige.

                                                                                            Friedrich.”

 

Hans Georg an Carl Adolf v. C.

Dresden, 11. 2. 1834.  „Der M. Märker aus Großhartmannsdorf war kürzlich hier und ließ mir die zehn ersten Bogen seiner Geschichte dieses Orts im Manuskripte zur vorläufigen Durchsicht zurück.  Meine Bemerkungen kann ich wohl Dir, nicht aber ihm mitteilen, und ich bitte Dich, sie in Erwägung zu ziehen und das Nötige mit ihm selbst abzumachen.  …

Von Anton habe ich gute Nachrichten aus Berlin.  Er ist dort, um den Austausch von Lichtenberg an Preußen gegen Domänen in Thüringen zu betreiben.  …

Was mich betrifft, so bin ich wohl und im Karneval, das mich bei meinen vielen Arbeiten zur Verzweiflung brachte; weil ich die Feste bei Hofe, den Gesandten pp. nicht absagen konnte, kam mir eine kleine podagrische Geschwulst der Füße zustatten, welche mich hinderte, Schuhe anzuziehen, nicht aber in Stiefeln auszugehen und selbst zum Könige.  Im allgemeinen geht es mit meinen Geschäften gut.  Ich werde fertig, wenn man mich nicht mit Kurialien stört, zuweilen freilich mit Abbruch des Schlafs.  Man scheint allmählich sich mit meinen Grundsätzen mehr einzuverstehen und allenthalben, selbst unter den Ständen und im Volke, ist das Vertrauen zu mir im Steigen.  Nach Wien richten sich meine Blicke und Wünsche, und ich gäbe zum Heile der Menschheit und meines kleinen Vaterlandes den Rest meines Lebens darum, wenn ich dort nur 4 Wochen der Minister Ancillon[5] sein könnte.  Unser Minckwitz[6] ist ein Ehrenmann, den ich jetzt wahrhaft lieben und hochachten lerne …”

 

Dresden, 23. Mai 1834.  „Mit der innigsten Teilnahme habe ich eben die betrübende Nachricht von dem Tode Deiner Frau vernommen.  Gott hat es wohl mit ihr gemeint, indem er durch ein sanftes Scheiden den Schmerzen ein Ziel setzte, welche die letzte Periode des Lebens ihr so sehr verbitterten.  Ihre Freunde konnten nur das Ende ihrer Leiden wünschen, und doch schmerzt es nun, sie nicht mehr unter uns zu haben.  Sie hatte ein edles Herz, das alle Menschen mit Vertrauen und Wohlwollen umfaßte, und auch für immer hatte sie mich durch die treue Freundschaft, welche sie meiner Frau schenkte und ihr noch in der letzten Stunde bewahrte, zur größten Dankbarkeit verpflichtet.  Dir muß es eine große Beruhigung gewähren, daß Du bis zum Tode bei ihr sein konntest.

Auch wir, lieber Bruder, haben den größten, den bei weitem schönsten Teil unseres Lebenswegs zurückgelegt, und je näher sich uns die Zukunft eines anderen Daseins stellt, desto beruhigter müssen wir auf die Gegenwart blicken.  Gott schenke Dir Beruhigung, Gesundheit, Zufriedenheit und so viel Freunde, als uns jetzt noch zu schöpfen möglich ist.  …”

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Eine herrliche Auffrischung für Carl Adolf war der Carlowitzische Familientag, der am 3. Jahrestag der Verfassung, am 4. September 1834, in Großhartmannsdorf abgehalten wurde und ihn noch einmal mit seinen Brüdern Hans Georg, Anton und auch mit Fritz zusammenführte, der unterdes zum Direktor der Herzoglich=Koburgischen Domänen aufgestiegen war.  Auch eine Anzahl von Kindern der Brüder nahmen an der Feier teil, deren Mittelpunkt natürlich das alte behaglich langgestreckte Herrenhaus des Rittergutes bildete.  Der Name Carlowitz hatte in Großhartmannsdorf einen guten Klang, und so gestaltete sich der Familientag zu einem Festtage, an dem die ganze Dorfgemeinde tätigen Anteil nahm.  Der Singe=Chor begrüßte die Gutsherrschaft mit einer vom Pfarrer gedichteten und wohl vom Kantor komponierten Cantate, deren erste Strophe die schöne Lage des Orts und sein Verhältnis zu denen von Carlowitz recht anmutig zum Ausdruck bringt:

             Seid gegrüßt im schönen Tale,
            
Wo Natur mit Zärtlichkeit,
             Wie zu einem Freudensaale
             Ihre Gaben ausgestreut;
             Wo der Bach im leichten Tanze
             Aus besetzten Ufern blinkt
             Und die Höh’ im Pappel=Glanze
             Gern dem frohen Wandrer winkt.
Chor:   Tag des Glücks, sei froh besungen,
             Wo sich Brüder wiedersehn
             Und im Vaterhause steh’n,
             Von der Liebe Band umschlungen!

Es klingt wie ein Nachhall der von Erinnerungen aller Art durchzogenen Festtage, wenn Hans Georg, nachdem er wieder fast ein Vierteljahr in Dresden als Minister seinen vielfältigen und oft schweren Verpflichtungen obgelegen hatte, am 12. Dezember 1834 an den Bruder schreibt:

„… Wie gern wäre ich jetzt mit Dir in Deinem alten lieben Großhartmannsdorf.  Hier ist ganz der Teufel los.  Mit den neuen Einrichtungen und Formierungen, die gar kein Ende finden wollen.  Am wenigsten sind die Herren Staatsdiener zufrieden, die sich einen Thron bauen wollten und in ihrer Verblendung den Ast absägten, auf dem sie günstig saßen.  Man bestürmt mich mit Reklamationen, Petitionen und Remonstrationen, — aber ich kann nun einmal nicht helfen.

Auf der Rückkehr von Großhartmannsdorf hoffe ich gewiß, Dich hier wieder zu sehen, und ich freue mich schon darauf.”

Ein Jahr später sehen wir beide Brüder mit familiengeschichtlichen Fragen beschäftigt, im Zusammenhang damit gibt auch Carl Adolf wieder seiner Sehnsucht nach mündlicher Aussprache mit Hans Georg Ausdruck.  Er schreibt aus Breslau an ihn am 20. 12. 1835:

„Auf Dein freundliches Schreiben vom 29. v. M., das vom Baron Zedlitz=Neukirch angekündigte neue Preußischen Adelslexikon betreffend, habe ich mich sogleich an den Baron Willfried auf Leipe bei Jauer gewendet, um von diesem sehr gründlichen und unermüdlichen Genealogen und Geschichtsforscher zu erfahren, was wohl von diesem Unternehmen zu erwarten sei.  Der Baron Zedlitz steht mit Willfried, soviel ich weiß, in einiger Verbindung, letzterer hat mir aber noch nicht geantwortet.  — Der Baron Zedlitz war zu der Zeit, wo wir am Rhein lebten, auch daselbst und hat mich damals in Mainz besucht.  — Er ist nicht der bekannte Dichter, der lebt in Wien — aber er ist leider ein zu fruchtbarer Brotschreiber im Felde der Statistik und der Biographien und, obschon äußerst fleißig im Sammeln, doch oft sehr oberflächlich und nachlässig im Stil und in der Darstellung.  …

Auch mir würde es das Leben sehr erheitern und dessen Wert erhöhen, wenn ich mehr in Deiner Nähe leben und wir uns oft sehen könnten — denn ein Surrogat für einen teuern lieben Bruder, mit welchem man zu leben angefangen und die eigentlich paradiesische Zeit des Seins zurückgelegt hat, gibt es in der Schöpfung nicht.  Hier ist niemand, mit dem ich ein ganz vertrautes Wort, ein Wort sprechen könnte, mit der sicheren Überzeugung, ganz verstanden zu werden.  Mehrere gute freundliche Leute — auch einige wenige Kluge — aber keinen, zu welchen man durch das Gemüt angezogen wird …”

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Wie wenig Vertrauen der Gouverneur von Breslau der ganzen neuzeitlichen Entwicklung der Verhältnisse in Preußen und Sachsen entgegenbrachte, bekennt er in einem drei Wochen später (am 10. Januar 1836) an seinen Bruder gerichteten Schreiben aus Breslau:  „… Wenn Du Oberschöna [an Deinen älteren Sohn] abtrittst (S. 278), reserviere Dir ja Wohnung und notwendige Emolumente — kein Mensch kann Zeit und Umstände voraussehen — und noch weniger wissen, wie er in späterer Zeit fühlen und was ihm da frommen würde.  — Man muß sich auf der Welt keinem Menschen, wer er auch sei, gefangen geben, um Gottes Willen nicht.  — So wie sich seit etwa 2—3 Jahren zum Beispiel die Dinge bei uns gestalten, kann kein alter Militär heute wissen, ob er morgen nicht weggeschickt wird — und wer kann bei euch einen Staatsdienst für eine gesicherte Existenz halten?

Ehe ich mich entschließen könnte, in einer preußischen Stadt als Pensionär herumzuschleichen, würde ich tausendmal vorziehen, in Großhartmannsdorf bei verschlossenen Türen, verschanzt hinter meinen Büchern wie ein Einsiedler zu leben, und wenn ich nichts weiter zu essen hätte als Butter, Brot und Erdäpfel.  — Es leben hier in Breslau gegenwärtig 13 pensionierte Generale und 83 Stabsoffiziere vom Obersten abwärts.  Alle, gedrückt von schrecklicher Langerweile, schleichen wie große matte Fliegen auf den Promenaden herum, liegen in den Kaffeehäusern, wo sie kleine Spiele spielen, kannegießern oder langweilige Journale lesen.  Der Zustand eines Soldaten außer Dienst ist das Verzweiflungsvollste, was man sich denken kann.”

Seine Befürchtungen erfüllten sich nicht.  Der König Friedrich Wilhelm III. blieb ihm gewogen, und er behielt seine Stellung als Gouverneur von Breslau bis an sein Ende.

Im August dieses Jahres zeigten sich bei Carl Adolf die Anzeichen der schweren Krankheit, der Brustwassersucht, an der er heimgehen sollte.  Er, der sich fast immer einer großen körperlichen Rüstigkeit erfreut hatte, konnte sich schwer in sein Los hineinfinden und haderte in seiner impulsiven Weise mit den Ärzten.  Das war ein altes Lieblingsthema von ihm.  Schon als Hans Georg im Juni 1834 an hartnäckigen Schmerzen im rechten Arme litt, die ihn zeitweise am Schreiben hinderten, schrieb er am 27. Juni ihm zum Troste einen Erguß von göttlicher Grobheit über den königlichen Leibarzt Hedenus:  „An Deinem Gichtübel im rechten Arm nehme ich den größten Anteil, — es hat bestimmt keinen anderen Grund als den einer fortgesetzten vieljährigen Anstrengung dieses Armes durch Schreiben.  Ich habe viel Personen gekannt, die dadurch in späteren Jahren eine Schwäche nur in diesem Arm und das Zittern bekamen, — ich nenne Dir nur den alten Waurich, den M. Hartwig, Brücknern, den Kalligraphen Staps, welcher noch lebte, wie ich nach Dresden kam, und könnte noch viele nennen, die Dir aber nicht bekannt sein würden.  Man muß sich daher sehr über des Hedenus einfältige Hindeutung auf allgemeines Nervenübel und Konsensualität mit dem Gehirn wundern und möchte glauben, daß es bei ihm selbst im Kopf rappele — denn aus dem Kopf können sich wohl paralytische Zufälle nach den äußeren Gliedern verbreiten, aber aus den äußeren Teilen nie nach dem Kopf.  Auch müssen ihm doch in einer beinahe hundertjährigen Praxis viel Fälle der Art bei Geschäftsmännern, Gelehrten und Leuten von der Feder vorgekommen sein.  Wunderbar ist es, daß man diesen Zufall weniger nach gewaltsamen Anstrengungen der Arme findet, als bei Schmieden, Fechtmeistern usw.  —”

Auch mit seinen eigenen Ärzten war er stets unzufrieden und beurteilte ihre Anordnungen sehr skeptisch.  Als er am 7. September 1836 seinen letzten Brief an den Lieblingsbruder richtete, war er schon so geschwächt, daß er den größten Teil einem Schreiber diktierte.  Aber den Schluß fügte er eigenhändig bei:  „Ohngeachtet der großen Abmattung, in welcher ich mich befinde, versuche ich noch ein paar Zeilen eigenhändig hinzuzufügen — ich sterbe gern — denn es existiert für mich kein großer Zweck mehr in diesem Leben und weit mehr Aussichten zu kleinen Verdrießlichkeiten als zu noch einigen heiteren Tagen.  — Der einzige Wunsch ist, daß ich nicht zu viel noch möge zu leiden haben.  —

Wegen der hiesigen Juristen[7] muß ich noch erwähnen, daß sämtliche, jeder in seiner Sphäre, ein vorzüglich Lob besitzt:  Abegg als Kriminalist, Gaup als Zivilist, Unterholtzer als Pandektenmann, Huschke das ausgezeichnetste und universellste Lob.  — Es scheinen sich jedoch die sämtlichen preußischen Professoren stillschweigend das Wort gegeben zu haben, um keine Lehrstellen im Auslande anhalten zu wollen — wohl aber solche anzunehmen, wenn ihnen dieselben angetragen werden.  — Vergib, daß ich nicht weiter schreibe, es wird mir gar zu schwer.  Gott erhalte Dich und die Deinigen.  Mit herzlicher Liebe und Verehrung Dein treuer Bruder

                                                                               Carl v. Carlowitz.”

Während des Winters trat eine Besserung seines Zustandes ein.  Aber im Januar 1837 plötzlich wieder eine Verschlimmerung; sie führte am 20. Januar 1837 zum Tode.  Einen knappen Bericht über den Tod und die Bestattungsfeierlichkeiten in Breslau und Großhartmannsdorf, wo er in der Carlowitzischen Familiengruft beigesetzt wurde, enthält der Brief Hans Georgs an seinen Bruder Anton aus Dresden vom 22. Januar 1837 (S. 279).  Am 19. Februar 1837 richtete der König Friedrich Wilhelm III. an den Kammerherrn und Legationsrat Paul von Carlowitz, den Erben des Majorats, ein teilnehmendes Schreiben über den Verlust des Vaters, „in welchem ich einen treuen Diener verloren habe, dessen unbegrenzte Anhänglichkeit und dessen umsichtiger Eifer bei allen ihm anvertrauten Aufträgen mir unvergessen bleiben werden”.

Ehe wir uns ein Gesamturteil von der Wesensart des Generals bilden, muß erwähnt werden, daß einer seiner Zeitgenossen, der bekannte sächsische Generalleutnant Ferdinand von Funck (S. 86; 103) in seinen „Erinnerungen” (gedruckt in Artur Brabants Buche „In Rußland und Sachsen 1812—1815”, Dresden [1930]) sich über Carl Adolf v. Carlowitz wie über viele andere namhafte Sachsen dieser Zeit mit einer Mischung von Spott und Verdächtigungen ausgesprochen hat.  Funck war ohne Zweifel ein sehr befähigter Mann, er wird auch in den Carlowitzischen Briefen (S. 103) als solcher und sogar als Freund behandelt.  Aber anderseits sind seine Urteile durch eine kaum verhüllte Vorliebe für Frankreich, ferner durch die Verbitterung über seine plötzliche Abberufung vom Kommando einer sächsischen Kavalleriedivision (S. 108) und nicht minder durch einen hemmungslosen Subjektivismus öfters von objektiver Beobachtung sehr entfernt.  Soweit sie sich auf Carl Adolf v. Carlowitz beziehen, habe ich sie an anderer Stelle (NAS, 55) einer Nachprüfung unterzogen, die nicht zugunsten Funcks ausgefallen ist.  Aber auch im allgemeinen verdienen die von Funck entworfenen Charakteristiken nicht ohne weiteres das Vertrauen des Lesers.  Wer wie Funck so wenig das Wehen des neuen Geistes der Romantik versteht, daß er über die „Deutschheit” der sich gegen die französische Knechtschaft erhebenden Sachsen spottet und angesichts des Elends, das Napoleon über Deutschland und Sachsen gebracht hatte, nach der Leipziger Schlacht zu dem Schlusse kommt, der König von Sachsen hätte besser getan, mit Napoleon nach Frankreich zu entfliehen, als sich den Verbündeten zu ergeben, dessen Urteile über Andersdenkende sind von vornherein verdächtig.

Blickt man vorurteilsfrei auf das Leben Carl Adolfs von Carlowitz zurück, so muß man wohl sagen, daß es trotz mancher Wechselfälle reich an denkwürdigen Augenblicken und Erfolgen gewesen ist.  Sein Wesen war trotz einzelner Schwächen in der Genialität und in der Grundanschauungen dem seines Bruders Hans Georg ähnlich, aber er besaß nicht die ausdauernde Stetigkeit, die diesen zu immer höheren Aufgaben emporführte.  Hervorzuheben ist sein lebenslängliches Streben nach der Vertiefung seiner Geistesbildung und seine selbstlose Hingabe an ideale Ziele — man denke an seine opferbereite Freundschaft mit Heinrich von Kleist und an sein Wirken für die Erweckung und Stärkung des deutschen Gedankens in Sachsen.  In der Gesellschaft galt er als eine eindrucksvolle Erscheinung durch seine Vielseitigkeit, durch die Anmut seines mündlichen und schriftlichen Ausdrucks und durch einen gewissen Zauber (S. 244), der von seiner Persönlichkeit ausging.  Gewichtige Zeugen dafür sind der Reichsfreiherr vom Stein, die Erbprinzessin von Weimar Maria Paulowna und vor allem der Staatsmann und Geschichtschreiber B. G. Niebuhr, dem die mit Carl Adolf v. C. verbrachten Stunden und die mit ihm gepflogenen Gespräche über geschichtliche Stoffe unvergeßlich waren.

Wir beschließen dieses Kapitel mit drei Briefen, die sich mit der Krankheit und dem Tode des Generalleutnants v. Carlowitz beschäftigen.

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Hans Georg an Carl Adolf v. C.

Dresden, 7. 9. 1834.  „Dein Brief an Paul hat mich in tiefe Kümmernis gesetzt.  Zwei Tage vor dessen Eingang sprach ich den Grafen Beust, der Dich auf seiner Reise durch Breslau besucht hatte; er sagte mir zuerst, daß Du recht unwohl seist; aber daß Deine Krankheit bedeutend sei, konnte ich nach seinen Äußerungen nicht voraussetzen.  Ich weiß, daß Du in bezug auf Krankheit hart und nicht besorglich bist, um so mehr erschreckte mich jener Brief.  Du hattest darin erwähnt, daß Du mir schreiben werdest, ich habe aber keinen Brief erhalten, und dies hat meine Unruhe noch vermehrt.  Gott erhalte Dich, mein teurer Bruder, noch recht lange und stets wohl und zufrieden, — und da doch einmal in dieser Welt geschieden sein muß, so lasse er mich den ersten sein, der aus dem Kleeblatte der drei verbundenen Brüder fällt …”

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Dresden, 20. 12. 1836.  Dem Himmel sei Dank, daß die Gefahr Deiner Krankheit nunmehr überwunden ist!  Niemand in der Welt kann sich inniger über dieses glückliche Ereignis freuen, als ich, und ich sehe schon mit Freude der Zeit entgegen, wo Dir bei völliger Genesung möglich sein wird, wieder hierher zu kommen, Deine ältesten Freunde wiederzusehen und Deine liebsten Orte zu besuchen.  Dann wollen wir wie sonst in den Erinnerungen unsrer Jugend die Gegenwart vergessen …

Diesen Winter habe ich noch keinen Anfall der Gicht gehabt, auch bin ich überhaupt wohl, doch nehme ich mich so viel als möglich in acht, besonders vor Zugluft und Nässe.  Daß mir, wie Du auch aus diesem Briefe sehen wirst, die Augen bei den jetzigen langen Nächten ablegen und die rechte Hand schwach wird, ist nicht Krankheit, sondern notwendige Folge meiner vieljährigen Lebensweise.  Diese Glieder haben lange genug gedient.

Neues weiß ich Dir nicht zu schreiben.  Der König hat die Dir wohlbekannte rote Galauniform bei dem Zivildienste abgesetzt und bloß auf die Hofdiener beschränkt.  Demzufolge muß ich einen Anzug beiseite legen, welcher bei der vielen Goldstickerei der 1. Rangklasse an 500 Taler gekostet hat.  Sehr angenehm ist mir aber, daß dem Zivildienste gestattet worden ist, bei Couren und Hoffesten in Stiefeln und langen weißen Beinkleidern zu erscheinen, denn bei diesen Gelegenheiten zog ich mir von Zeit zu Zeit eine Erkältung und Gichtschmerz zu.

Anton ist wohl und nur über die portugiesischen Angelegenheiten in Sorgen[8].

Der jetzige Landtag macht hier zu schaffen, denn die dermaligen Stände sind schon weniger freundlich als die letztvorherigen.  Lindenau hat sich schon schwer geärgert, und Zeschau ist aus Verdruß krank geworden.  Die Stände haben sehr unrecht, wenn sie die Minister kränken, denn die Regierung wird wirklich mit großer Ordnung und Gewissenhaftigkeit geführt.  Albert leitet durch sein loyales Prinzip und seinen allgemein anerkannten Verstand die erste Kammer und leistet der gute Sache wichtige Dienste.  Gleichwohl wird er im Staatsdienste nicht vorwärtskommen, und ich habe nichts dagegen, wenn er nach dem Landtage abgeht, wo ich ihm dann Oberschöna übergeben werde.”

Hans Georg an Anton v. C.

Dresden, 22. 1. 1837.  „Mit der innigsten Betrübnis zeige ich Dir den Tod des Generals an, meines ältesten Freundes, an dem auch Du einen aufrichtigen Freund verloren hast.  Seit dem 24. August war er krank an Folge einer Erkältung bei den Manövern vor dem Prinzen August von Preußen.  Die Krankheit äußerte sich durch Stockungen und durch Schwulst der Füße, so daß man eine Wassersucht besorgte.  Allmählich siegte seine starke Natur, er konnte das Bette verlassen und bei gutem Wetter wieder ausfahren, auch fand sich der Schlaf wieder.  Nur an den Knöcheln wollte die Schwulst nicht weichen, daher ordnete der Generalstabsarzt Räucherungen mit Spirituosen an.  Da man keinen Räucherungsapparat hatte, so bediente man sich eines Tellers, über welchen die Füße verletzte.  Nun stellten sich wieder Schmerzen und Schlaflosigkeit ein, welche seine letzten Kräfte verzehrt zu haben scheinen.  Über die letzten Stunden seines Lebens gibt der abschriftliche Brief seines Sekretärs Ufert Auskunft, welcher heute durch Estafette an Paulen einging.  Paul geht soeben nach Breslau ab und hat nicht Zeit, selbst Dir zu schreiben.  Der General war auch in Breslau allgemein beliebt und wird deshalb und nach seinem Range mit großem Kondukt bestattet werden; die Garnison ist an 6000 Mann.  Vor der Stadt werden die Pferde des Generals mit einem kleinen Wagen stehen, um die Leiche nach Großhartmannsdorf in die Familiengruft zu bringen, was er gewünscht hat, wenn es seinen Kindern nicht zu viele Kosten verursache.  Letztere sind gering, und daher habe ich wegen des Passes durch Sachsen das nötige bereits veranstaltet.  Hier werde ich mich mit meinen Kindern dem Leichenzuge anschließen.  In der Gruft werde ich meine Eltern wiederfinden.”


 


[1] Die am 8. Juli 1830 bis zum 6. Januar 1832 vertagten Stände waren schon für den 1. März 1831 wieder zusammengerufen worden, um gemeinsam mit der Regierung den von dieser vorgelegten Entwurf der Verfassung zu beraten und darüber zu beschließen, vgl. Flathe III, S. 430 u. 442.

[2] General Foy hatte unter Massena in Spanien gekämpft und war unter Ludwig XVIII. Und Karl X. einer der Führer der liberalen Opposition in der französischen Kammer.  Man nannte ihn den „Mirabeau ohne Laster”; sein Leichenbegängnis (25. 11. 1825) wurde zu einer nationalen Feier.

[3] Die Pillnitzer Konvention (Deklaration) vom 27. August 1791 bildete die Einleitung zu den verhängnisvollen Koalitionskriegen gegen Frankreich.

[4] Prinz Friedrich August war seit 1819 mit der Erzherzogin Karoline von Österreich vermählt, seit dem 22. Mai 1832 verwitwet, vermählte sich wieder am 24. April 1833 mit der 1805 geborenen Prinzessin Maria von Bayern (s. Johann Georg, Herzog zu Sachsen, Briefwechsel zw. K. Johann usw. S. 126).

[5] Seit 1832 Minister des Auswärtigen in Berlin, Anhänger Metternichs.  Hans Georg v. C. wünscht, in Wien an seiner Stelle zu sein, um durch das Gewicht Preußens den schlimmsten Auswüchsen der Reaktion ebenso entgegenwirken zu können, wie den übertriebenen Forderungen der Liberalen.

[6] Der sächs. Minister des Äußeren.

[7] Hans Georg hatte sich als sächs. Kultusminister bei seinem Bruder nach den Juristen der Breslauer Universität erkundigt, weil er einen von ihnen nach Leipzig zu berufen gedachte.

[8] Nicht ohne Antons Mitwirkung hatte Prinz Ferdinand von Sachsen=Koburg im Jahre 1836 die Ehe mit der verwitweten Königin Maria da Gloria von Portugal geschlossen und war seit dem 16. September 1837 König von Portugal.  Aber seit dem Aufstand der „Septembristen” wurde sein Einfluß mehr und mehr zurückgedrängt (s. Weber=Baldamus, Handbuch d. Weltgesch. IV, hg. v. Schmidt=Breitung, S. 305).