Gegen das Vergessen

Bündnis gegen Rechts

Home ] Nach oben ] Dringlichkeitsantrag ] [ DK-1998-12-08 ] MZ-1998-10-13 ] MZ-1998-10-14 ] MZ-1998-10-30 ] MZ-1998-12-31 Pappmahnmal übergeben ] WB-1999-01-07 Pappmahnmal ] MZ-1998-11-03 ] MZ-1998-12-07 ] MZ-1998-12-08 ] NN-1998-12-08 Erinnern ] SZ-1998-10-29 Gedenkstein-Streit ] WB-1998-11-02 Mahnmal-Diskussion ] WB-1998-12-09 Erinnern ]

 

 

 

 

Jahreswechsel
2000/2001:
Drohungen und
rechte Gewalt
in der
Oberpfalz

Telefonhäuschen statt Gedenkstein

Schwandorfer Bürgermeister: Mahnmal für Opfer von Brandanschlag "inhuman"

Von Ulf Vogler

Schwandorf (ib) Blinder Ausländerhaß kostete in der Nacht zum 17. Dezember 1988 in Schwandorf eine dreiköpfige türkische Familie und einen Deutschen das Leben. Zehn Jahre später erinnert in der oberpfälzischen Kreisstadt nichts mehr an den Brandanschlag eines Neonazis. Wenn es nach den politisch Verantwortlichen in der 27000 Einwohner zählenden Stadt geht, wird das so bleiben. Sie lehnen die Errichtung eines Gedenksteins vehement ab.

Im Rathaus will man verhindern, daß Schwandorf mit anderen Orten rechtsextremer Verbrechen wie Solingen, Mölln und Rostock in einem Atemzug genannt wird. Es handle sich bei dem Anschlag um die Tat eines Einzelnen, in Schwandorf gebe es keine rechte Szene, erklärt eine Sprecherin der Stadt die Haltung von Oberbürgermeister Hans Kraus. "Das ist der Unterschied zu Städten wie dem sächsischen Hoyerswerda", lautet die offizielle Meinung.

Die Behörde des CSU-Oberbürgermeisters lehnte mehrfach Anträge auf Errichtung eines Mahnmals ab. "Das tragische Ereignis wird den Bürgern auch ohne Mahnmal in Erinnerung bleiben", beschied die Stadtverwaltung zuletzt im Februar dieses Jahres. Vertreter von Kirchen, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und andere Gruppen hatten immer wieder angeregt, auf einen kleinen Grünstreifen am Ort des Verbrechens ein Mahnmal zu stellen. Kurz nachdem die Idee 1994 erstmals an die Stadt herangetragen wurde, ließ die Verwaltung die fragliche Fläche mit einer Telefonzelle zubauen. "Wir werden auf keinen Fall Steuergelder für einen Gedenkstein ausgeben", sagt auch der Zweite Bürgermeister Michael Kaplitz. Der CSU-Politiker hält die Idee für "inhuman". Ein Denkmal für die Toten des Neonazi-Anschlags sei "eine Diskriminierung von anderen Mord-opfern". Schließlich würden für von Sexualtätern verstümmelte Frauen auch keine Mahnmale errichtet, meint der hauptberuflich als Rechtsanwalt tätige Kommunalpolitiker. Für ihn ist die Tat des Mannes, der früher in der ganzen Stadt rassistische Schriften verbreitete, ein "Verbrechen wie jedes andere auch".

Vor den Jugendrichtern, die den aus Schwandorf stammenden Neonazi 1990 zu einer Strafe von zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilten, ergab sich jedoch keineswegs das Bild eines "normalen" Kriminellen. Zeugen berichteten damals, daß der zur Tatzeit 19jährige ein glühender Verehrer Adolf Hitlers gewesen sei und den "Führer-Geburtstag" regelmäßig feierte. Der junge Mann, der im Münchner Olympiastadion während eines Bundesligaspiels auch schon nach "Sieg Heil"-Grölereien festgenommen worden war, habe in seiner Heimatstadt mit 20 Skinheads sogar eine Wehrsportgruppe gründen wollen, sagten Bekannte beim Prozeß aus.

Am 17. Dezember 1988 legte der Ausländerfeind dann im Treppenhaus eines überwiegend von Türken bewohntem Haus in der Schwandorfer Innenstadt Feuer. Zwölf Mieter wurden bei dem Brand teilweise schwer verletzt. Ein zwölfjähriger Bub, seine Mutter (44) sowie der Vater (50) und ein 47 Jahre alter Deutscher verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Von dem Haus blieb nur eine Ruine zurück.

Um an dieses traurige Kapitel der jüngeren Schwandorfer Stadtgeschichte zu erinnern, organisierte ein Bündnis gegen Rechts kürzlich auf eigene Faust einen Granitstein, in den ein Steinmetz die Namen der Toten einschlagen soll. Der Stein soll bei einer Gedenkkundgebung am 19. Dezember enthüllt werden.

Mit dieser privaten Initiative sollte sich der Stadtrat bereits im Oktober beschäftigen. Die Stadträtin und ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Irene Maria Sturm hatte einen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Doch die Stadtväter jedoch legten das Thema vorerst auf Eis. Jetzt wird der Gedenkstein bei der nächsten Stadtratssitzung wohl erneut auf der Tagesordnung stehen: am 15. Dezember, zwei Tage vor dem zehnten Jahrestag des Anschlags.

Donau-Kurier, Ingolstadt v. 08.12.1998