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Schwandorter Nazi-Anschlag: Gezerre um ein MahnmalVor zehn Jahren starben vier Menschen in den Flammen / Stadt tut sich immer noch schwer mit ihrem düstersten KapitelSCHWANDORF (hh/dpa). Die Erinnerung an die Tat weckt heute noch blankes Entsetzen: Am 17. Dezmber 1988 gegen 0.15 Uhr legte er damals 19jährige Rechtsextremist Josef Saller Feuer im Habermeier-Haus in der Nähe des Schwandorfer Bahnhofs. In den Flammen starben eine dreiköpfige türkische Familie und ein 47jähriger Deutscher. Vor dem zehnjährigen Gedenktag tut sich die Stadt Schwandorf nach wie vor schwer mit der Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels. Das Tauziehen um einen Gedenkstein für die Opfer des Brandanschlags geht weiter. Schon seit Jahren machen sich Vertreter von Kirchen, Grünen und S PD für ein Mahnmal in der Nähe es Tatorts stark - bisher ohne Resonanz. Einige Wochen, nachdem die Idee 1994 erstmals an die Stadt herangetragen wurde, ließ die Verwaltung den fraglichen Grünstreifen beim ehemaligen Habermeier-Haus sogar mit einer Telefonzelle zubauen. Anträge für einen Gedenkstein wurden immer wieder abgelehnt. Erst in jüngster Zeit scheint Bewegung in die Aufarbeitung des Nazi-Anschlags zu kommen, der noch vor Solingen, Mölln oder Rostock Menschenleben kostete: Ein oberpfalzweites "Bündnis gegen Rechts" um die ehemalige grüne Landtagsabgeordnete Irene-Maria Sturm hat den Jahrestag ins öffentliche Bewußtsein gerückt. Unbekannte Gönner finanzierten einen Granitstein für das Mahnmal bereits aus eigener Tasche. Fehlt nur noch, für 1500 Mark, die Inschrift: "Den Opfern des rassistischen Brandanschlags: Osman Can. Fatma Can. Memeth Can. Jürgen Hübener." Und grünes Licht seitens der Stadt. "Auf keinen Fall Steuergelder"Am heutigen Dienstag beschäftigt sich erstmals der städtische Hauptausschuß mit dem Gedenkstein; am 15. Dezember, also zwei Tage vor dem Jahrestag, soll der Schwandorfer Stadtrat abschließend darüber befinden. Im Vorfeld haben Stadtspitze und auch die SPD-Fraktion im Stadtrat soweit Entgegenkommen signalisiert, daß öffentlicher Grund zur Verfügung gestellt werden soll. Aber bezahlen will man das Ganze bisher nicht. "Wir werden auf keinen Fall Steuergelder für einen Gedenkstein ausgeben", so Zweiter Bürgermeister Michael Kaplitz, einer der dezidiertesten Gegner eines Mahnmals. Dies sei "eine Diskriminierung von anderen Mordopfern", so der CSU-Politiker. Schließlich würden für von Sexualtätern verstümmelte Frauen auch keine Mahnmale errichtet. Für den hauptberuflich als Rechtsanwalt tätigen Kommunalpolitiker ist Sallers Tat ein "Verbrechen wie jedes andere auch". Auch Oberbürgermeister Hans Kraus ist von dem Mahnmal wenig angetan: Es handle sich bei dem Anschlag um die Tat eines einzelnen, in Schwandorf gebe es keine rechte Szene, umschreibt Pressesprecherin Johanna Alwang seine Haltung: "Das ist der Unterschied zu Städten wie dem sächsischen Hoyerswerda." Vor den Jugendrichtern, die den Schwandorfer Neonazi 1990 zu einer Strafe von zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilten, ergab sich zwar das Bild eines Sonderlings und "Einzelkämpfers", aber nicht das eines gewöhnlichen Kriminellen. Offenbar war der zur Tatzeit l9jährige ein glühender Verehrer Adolf Hitlers und feierte regelmäßig den "Führer-Geburtstag". Der junge Mann verfügte über bundesweite Kontakte zu Neonazis und wollte in Schwandorf mit 20 Skinheads sogar eine Wehrsportgruppe gründen. Doch die Kampftruppe kam nie zustande - Josef Saller war sogar den damaligen Schwandorfer Rechtsextremen einfach zu radikal. Nur die halbe Wahrheit ist auch, es gebe keine rechtsradikale Szene in Schwandorf. Es gab sie - zumindest bis vor ein, zwei Jahren. Regelmäßig lieferten sich junge Skinheads und linksgerichtete Gegner Auseinandersetzungen in der Stadt. Immer wieder waren Ausländer Ziel von Angriffen, wurden bei Schlägereien verletzt. Allerdings ist die Neonazi Szene inzwischen offenbar ausgedünnt, wenn nicht gar zerschlagen. Während der harte Kern zum Teil mehrjährige Haftstrafen absitzt, haben sich etliche Mitläufer öffentlich von ihrer rechtsradikalen Vergangenheit losgesagt oder verhalten sich zumindest unauffällig. Ob es dabei bleibt, will allerdings niemand beschwören. Auch das "Bündnis gegen Rechts" ruft auf zur Wachsamkeit: Am Samstag, 19. Dezember, soll eine große Kundgebung in Schwandorf stattfinden. Ob mit oder ohne Gedenkstein. Mittelbayerische Zeitung Schwandorf v. 08.12.1998 |