Gegen das Vergessen

Bündnis gegen Rechts

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Jahreswechsel
2000/2001:
Drohungen und
rechte Gewalt
in der
Oberpfalz

Erinnern kann so schwer sein!

Die Deutschen tun sich immer noch schwer mit ihrer Vergangenheit; die Diskussion um die Rede Martin Walsers bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels zeigt dies überdeutlich. Mehr als 50 Jahre nach dem Ende des braunen Spuks will so mancher endlich seine Ruhe haben. Verständlich ist das allemal; in Ordnung ist es deshalb noch lange nicht. Denn längst marschieren sie wieder in unseren Straßen, grölen Nazi-Parolen und gehen "Fidschis-klatschen". Erinnerung tut also Not!

Doch Erinnern kann so schwer sein. Vor zehn Jahren zündete ein Josef Saller das sogenannte "Habermeierhaus" in Schwandorf an. Er tat dies, wie er später bei der polizeilichen Vernehmung aussagte, "um Ausländer zu ärgern". Die türkische Familie Can kam damals in den Flammen ebenso ums Leben wie der Deutsche Jürgen Hübener. Seitdem bemüht sich ein "Bündnis gegen Rechts" um die Errichtung eines Mahnmals, das an die Opfer des Anschlags erinnern soll - bislang freilich vergebens. Noch 1994 schrieb die Stadt Schwandorf: "Die polizeilichen Ermittlungen und das zuständige Gericht haben festgestellt, daß es sich um die Tat eines Einzelgängers und politischen Wirrkopfes gehandelt hatte." Die Bürger der Stadt seien nicht bereit, rechtsradikales Gedankengut zu tolerieren; die Toten würden den Schwandorfern auch ohne Mahnmal in Erinnerung bleiben. Also alles in Butter in der Großen Kreisstadt? Sind die Schwandorfer die eindeutig besseren Menschen, die es nicht nötig haben, beständig daran erinnert zu werden, daß so etwas wie die Tat vom 17. Dezember 1988 möglich ist? Es darf getrost daran gezweifelt werden!

Der Journalist und Filmemacher Michael Schmidt weiß, wie schwer sich die Öffentlichkeit mit rechtsradikalen Umtrieben tut. In seinem 1993 erschienenen, vielbeachteten Buch "Heute gehört uns die Straße - Der Inside-Report aus der Neonazi-Szene" schreibt er auch über Schwandorf und den Fall Saller: "Systematisch wurden Hinweise ausgeblendet, die auf SalIer als organisierten Neofaschisten hingedeutet hatten. Bei Saller gefundene Briefumschläge wandern ungeöffnet in die Asservatenkammer. Erst auf Drängen der Nebenkläger öffnete man sie und fand darin revisionistisches Propagandamateral eines führenden österreichischen Neofaschisten. Bundesbahnfahrkarten, die darauf hindeuten, daß SalIer unmittelbar vor der Tat zum 4. "Bundesparteitag" der NF (Nationale Front. die Red.) nach Bielefeld gefahren ist, finden keinen Eingang in die Gerichtsakten. Die Führer von NF und FAP (Freiheitliche Arbeiter Partei, die Red.) werden niemals zum ihrem "Kamerad Josef", wie sie ihn nachher in ihren Publikationen bezeichnen befragt. Kontakte zu örtlicher Republikanern fallen unter der Tisch, entsprechende Kontaktpersonen werden nicht einmal vernommen. Die Nähe der hetzerischen rassistischen Propaganda der NF zu Sallers todbringender Aktion interessiert weder die Kripo noch die Staatsanwalt-schaft oder das Gericht. Saller wird als Einzeltäter, der sich "vom Einzelgänger zum Einzelkämpfer entwickelt" habe, nicht wegen Mordes zu "lebenslänglich", sondern wegen schwerer Brandstiftung zu zwölf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Seitdem findet sich sein Name auf der Liste der "nationalen Gefangenen" in der Zeitschrift NS-Kampfruf der NSDAP-AO. In Interviews mit neonazistischen Skinheadmagazinen wie Querschläger oder Frontal meldet sich SalIer aus der Zelle zu Wort. Sein "größter politischer Wunsch" sei demnach "ein besatzer- und ausländerfreies Deutschland, in germanisch-preußischer Tradition in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen" und "vor allem, daß sich der Nationalsozialismus wieder durchsetzt". So Josef Saller, Einzeltäter, ohne behördlich erkannten rechtsextremen organisatorischen Hintergrund."

Vor dem Hintergrund dieser Schilderung: Ist ein Mahnmal in Schwandorf da wirklich so abwegig, so unnötig, wie die Stadt glaubt? Mögen sich die Räte in dieser Woche deshalb einen Ruck geben und den Gedenkstein endlich genehmigen -auch, wenn's vielleicht die eine oder andere Mark kosten sollte!

Thomas Göttinger

Wochenblatt Schwandorf 09.12.1998