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Jahreswechsel |
Die Stadt, die nicht erinnert werden möchteVor zehn Jahren tötete ein Rechtsextremist bei Brandanschlag in Schwandorf vier Menschen / Demonstration für MahnmalVon Thomas Maron (Schwandorf) Mölln, Solingen und Hoyerswerda sind Orte, die an Opfer ausländerfeindlicher Gewalt erinnern. Kaum jemand nennt in diesem Zusammenhang Schwandorf. Und das soll auch so bleiben, meint der CSU-dominierte Rat der oberpfälzischen Stadt. Zehn Jahre nach dem Brandanschlag auf ein Wohnhaus, bei dem eine dreiköpfige türkische Familie und ein Deutscher ums Leben kamen, versuchen die örtlichen Christsozialen, die Errichtung eines Mahnmals zu verhindern. Am Samstag demonstrierte ein "Bündnis gegen Rechts" gegen die ablehnende Haltung der Stadt. Josef Saller war 19 gewesen, als er sich in der rechtsextremen Szene ein Denkmal gesetzt hatte. In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1988 hatte der Autolackierer in der Schwandorfer Innenstadt mit drei Streichhölzern und Packpapier den holzverkleideten Flur des Habermeier-Hauses angezündet. In den Flammen waren die Eheleute Osman und Fatma Can, deren zwölfjähriger Sohn Mehmet und der 47jährige Deutsche Jürgen Hübener gestorben. Zuletzt sprach sich am 8. Dezember die CSU-Mehrheit in einer Sitzung des Hauptausschusses dagegen aus, ein Mahnmal für diese Opfer zu errichten und zu finanzieren. Dabei würde das die Stadt kaum einen Pfennig kosten. "Der Granitstein wurde gespendet, die Gestaltung kostet genau 1740 Mark", sagt Irene Maria Sturm vom Oberpfälzer "Bündnis gegen Rechts". Das Geld hätte während der diesjährigen Demonstration gesammelt werden sollen. Das aber hatte die Stadt verboten. Begründung: Was nicht aufgestellt werden darf, müsse nicht bezahlt werden. Folglich brauche auch gar nicht erst gesammelt zu werden. Die Schwandorfer CSU spricht von der Tat eines einzelnen. Dem Täter würde man eine "Gloriole umhängen - ihn als Täter der Sonderklasse herausstellen und ihm damit nur einen Gefallen tun", heißt es in einer Presseerklärung der Stadt. Im übrigen gebe es "keine rechtsradikale Szene in Schwandorf". Sturm, ehemalige Grünen-Abgeordnete im bayerischen Landtag, wirft der CSU vor, die Hintergründe der Tat gezielt "herunterzuspielen und zu vernebeln". So zu tun, als habe die Tat keine politische Dimension gehabt, sei "sträflich", meint sie. Saller, der im Mai 1990 wegen schwerer Brandstiftung zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, hatte der Polizei "Haß gegen Ausländer" als Motiv genannt. Er war Mitglied der inzwischen verbotenen rechtsextremen Nationalistischen Front (NF) und der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP). Noch immer sitzt er hinter Gittern. Und noch immer träumt er in Interviews mit Skinhead-Magazinen von einem "besatzer- und ausländerfreien Deutschland", einem "Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen". Dennoch argumentiert die Stadt, Saller sei nicht "im Namen einer Gruppierung" zum Verbrecher geworden. Das Wohnhaus ist längst wieder aufgebaut und manch jüngerer Schwandorfer weiß nur so ungefähr wo das Verbrechen geschehen ist. Da vorne rechts mußte es irgend wo gewesen sein vermutet ein 20jahriger. Er findet den Streit über das Mahn mal lächerlich. Das war doch nur ein Verrückter meint er. Nur wenige Schwandorfer reihen sich unter das laute Volk der aus ganz Deutschland angereisten Antifaschisten. Die meisten Einheimischen bleiben Passanten, abgeschirmt vom Großaufgebot der Polizei. "Die Zeit der Diskussionen ist vorbei", läßt ein älterer Mann seinen Begleiter wissen. Andere haben nichts gegen ein Mahnmal, aber mit gepiercten und dosenbierbestückten Punks möchten sie sich nicht von den Polizeikameras filmen lassen. Der Tag geht ohne Zwischenfälle zu Ende. Auf dem Weihnachtsmarkt, wenige Meter vom Ort der Kundgebung entfernt, spielt eine Musikschule besinnliche Lieder. Die Menschen unterhalten sich über Geschenke und Skiurlaub. Von den Toten spricht keiner mehr. Frankfurter Rundschau v. 21.12.1998 |