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Jahreswechsel |
Bitterer Gedenktag in Schwandorf
Ausländerhaß: Vor zehn Jahren starben vier Menschen bei einem BrandanschlagVON MICHAEL ZEISSNER Schwandorf. Wenn sich am Samstag auf dem Schwandorfer Marktplatz gegen 15 Uhr ein Demonstrationszug formieren wird, gilt er gleichermaßen dem stillen Gedenken wie öffentlichen Protest. Heute vor zehn Jahren hatte ein Einzelgänger aus der Neonazi-Szene im Stadtzentrum ein Wohn- und Geschäftshaus angezündet. Im Schlaf von den Flammen überrascht, starben eine dreiköpfige türkische Familie und ein 47jähriger Schwandorfer. An dem Motiv ließ das rund eineinhalb Jahre später den jungen Lackierer aburteilende Amberger Landgericht keinen Zweifel: Ausländerhaß, basierend auf rechtsextremen Gedankengut. Der 19jährige wurde zu einer zwölfeinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er in der JVA Straubing verbüßt. Abgeschworen hat er Ausländerhaß und rechten Hetzparolen bisher nicht. Vielmehr firmiert der Schwandorfer Lakierer unter anderem auf der "Gefangenenliste der HNG", der "Hilfsorganisation für nationalpolitische Gefangene und deren Angehörige" eine dem Verfassungsschutz nur allzu gut bekannte, einschlägige Adresse. In das öffentliche Bewußtsein ist dieser erste Menschenleben fordernde, von Ausländerhass motivierte Brandanschlag in der Bundesrepublik im Gegensatz zu den späteren Pendants Mölln und Solingen kaum. Um so schwerer tut sich gerade jetzt Schwandorf mit diesem neonazistischen Kapitalverbrechen. Die erhobene Forderung, am Ort des Geschehens ein Gedenk und Mahnmal zu errichten, ist zwischen parteipolitische Fronten geraten. Die CSU-Mehrheit im Schwandorfer Stadtrat hat sich bisher erbittert gegen den Gedenkstein ausgesprochen und dessen Errichtung verhindert. Derart abscheulichen Verbrechen, so argumentiert sie, könne kein Denkmal gesetzt werden. Die Gegenseite sprach von einem warnenden Mahnmal. "Türken raus" -AufkleberAls das Haus mit damals 17 Bewohnern vor zehn Jahren in einer Nacht von Freitag auf Samstag in Flammen aufging, war ursprünglich noch von der größten Brandkatastrophe der Nachkriegsgeschichte in der Stadt ausgegangen worden, die vier Menschenleben, sechs zum Teil Schwerverletzte und einen Schaden in Höhe von rund 1,5 Millionen Mark gefordert hatte. Doch bald war die vage Angst gewachsen, es könne sich um eine ausländerfeindlich motivierte Brandstiftung handeln. Die Polizei hatte in der entfernten Nachbarschaft an einem gleichfalls überwiegend von Türken bewohnten Haus einen "Türken raus" -Aufkleber gefunden. Wenige Tage später wurde aus der Befürchtung traurige Gewißheit. Die Polizei hatte einen damals 19jährigen, stadtbekannten Rechtsradikalen mit bundesweiten Kontakten festgenommen. Kurz darauf gestand er die Tat. Später widerrief er seine Angaben und schweigt seitdem zu dem Verbrechen - nicht aber innerhalb der nach wie vor existierenden neonazitischen Szene. Der Neue Tag Schwandorf 17.12.1998 |