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Jahreswechsel |
Ein Feuer, das Gedenken verlangt
Erster neonazistischer Brandanschlag, der Menschenleben forderte, jährt sich zum zehnten MalVon Michael Zeissner Schwandorf. Heute vor zehn Jahre ging das sogenannte "Habermeier"- Haus in Flammen auf. Eine dreiköpfig türkische Familie und ein 47jährige Deutscher starben. Anlaß genug, für das längst fällige, bittere öffentlich Eingeständnis einer Stadt, daß das der erste ausländerfeindlich motivierte Brandanschlag in der jüngsten Geschichte Deutschlands war, der Menschenleben forderte. Aus nur allzu verständlichen Gründen möchte Schwandorf nicht in einem Atemzug mit Mölln oder Solingen genannt werden, wenn diese Städtenamen als Synonyme für die Todesopfer neonazistischer Kapitalverbrechen stehen. Doch zeitlich liegen MölIn und Solingen weit hinter dem 17. Dezember 1988, wenn auch sich damals die lokale wie überregianale Öffentlichkeit noch bis zu einem gewissen Maß sträubte, die eigentliche Ursache für diesen Brandanschlag in um sich greifendem neonazistischem Gedankengut zu suchen Dieses Bewußtsein war erst später gewachsen, als kein Weg mehr daran vorbeiführte Von Flammen eingeschlossenEs war eine bitterkalte Nacht von Freitag auf Samstag, als vor zehn Jahren um 1.20 Uhr eine Nachbarin daws Anwesens an der Ecke Postgarten-Schwaigerstraße das Feuer meldete. Die verheerende Dramatik des Brandes offenbarte sich nur zwei Minuten später, als eine Polizeistreife eingetroffen war. Eine kaum überschaubare, große Anzahl von verzweifelt um Hilfe rufenden Menschen auf Vordächern, bereit zum rettenden Sprung vor den Flammen. Wenig später sahen sich die Löschmannschaften mit einem bereits voll ausbrennenden Gebäudekomplex konfrontiert Als gelöscht galt das Feuer erst am Vormittag. Späte, traurige GewißheitNur eines Stand zu diesem Zeitpunkt bereit fest: Das war und ist bis dato die schwerste Brandkatastrophe der Nachkriegsgeschichte in der Stadt. Damit war gleichermaßen die Befürchtung gewachsen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Todesopfer zu beklagen sein werden. Lange herrschte völlige Ungewißheit, wieviele Menschen in dem überwiegend von türkischen Staatsangehörigen bewohnten Haus im Schlaf von den Flammen überrascht wurden. Erst am Nachmittag hatten die Behörden Klarheit gewonnen: Es waren 17. Gerettet wurden 13, sechs davon zum Teil schwerverletzt. Vier Menschen starben. Die dreiköpfige türkische Famile Fatma (43) und Osman (50) Can und deren zwölfähriger Sohn Memet sowie der Schwandorfer Jurgen Hübener (47). Nur der Vollständigkeit halber wurde der materielle Schaden auf 1,5 Millionen Mark beziffert. Kaum greifbare SpurenDie Ursache des Feuers, immerhin handelte es sich um einen bereits recht betagten Geschafts/Wohnkomplex, ließen Feuerwehr und Ermittlungsbehörden vorerst völlig offen. Ihnen erschien ein technischer Defekt ebenso realistisch wie eine Brandstiftung, weshalb Experten des Landeskriminalamtes eingeschaltet wurden. Parallel nahm die Kripo ihre Ermittlungen auf, während das sich offenbarende Spuren- und Brandbild keine konkreten Verdachtsmomente in Richtung vorsätzliches Feuerlegen lieferten. Klar war nur, daß der Brand im Erdgeschoß im Bereich des Treppenhauses seinen Ursprung hatte, und somit die Flammen den Bewohnern sehr schnell diesen Fluchtweg abgeschnitten hatten. Der "Türken raus!"-AufkleberDie bald aufkommenden, gerüchteweisen Spekulationen um eine eventuell ausländerfeindlich motivierte Brandstiftung stützten sich anfangs auf ein nur sehr vages Indiz. Die Polizei hatte in der nicht weit entfernten Höflingerstraße an einem gleichfalls überwiegend von Türken bewohnten Haus einen "Türken rauß!"-Aufkleber gefunden, der vor dem Feuer dort noch nicht angebracht war Derweil machte sich in der Stadt eine Welle der Hilfsbereitschaft breit, Spendenkonten wurden eingerichtet, Wohnraum für die überlebenden Brandopfer gesucht.Sehr diskret konzentrierte die Kripo in den folgenden Tagen mehr und mehr ihre Ermittlungsarbeit auf die Kreise rechtsradikal gesinnter Jugendlicher in der Stadt, verhörte nach und nach insgesamt rund 60 Personen, darunter auch zweimal den damals 19jährigen Schwandorfer Lackierer Josef Saller. Am 4. Januar wurde er wegen Widersprüchen in seinem Alibi festgenommen. Nach einer Nacht in Polizeiarrest gestand der junge Mann gegenüber den Beamten und später einer Ermittlungsrichterin, mit Streichhölzern im Treppenhaus des Anwesens Kartonagen angezündet zu haben. Motiva: Ausländerhass. Die Angst vor dem MakelSaller, unverzüglich in Untersuchungshaft genommen, widerrief sein Geständnis kurz darauf. Mitte Januar 1989 fand die erste, hauptsächlich von türkischen Verbänden getragene Gedenkdemonstration für die Brandopfer und gegen Ausländerfeindlichkeit statt. Die breite Schwandorfer Öffentlichkeit zog es vor durch Abwesenheit zu glänzen. Mit todschweigender Ignoranz wird weitgehend seither der Befürchtung begegnet, auf der Stadt könnte dar Makel lasten, Ort der ersten Menschenleben fordernden, in neonazistischem Gedankengut veranker-ten Brandanschlages in der Bundesrepublik sein. Das ist jedoch Fakt. Von Reue keine SpurFestgestellt wurde es in dem sich mehrere Wochen hinziehenden Prozeß gegen Josef Saller im März, April 1990. Der Lackierer schwieg beharrlich. Nachgewiesen wurden dem Einzelgänger jedoch intensive bundesweite Kontakte zu neonazistischen Organisationen und der sich darin begründete Ausländerhass, der ihn veranlasste, das verheerende Feuer zu legen. Zu einer zwölfeinhalbjährigen Freiheitsstrafe wurd er deshalb verurteilt, sitzt seither in der JVA Sraubing ein und lässt sich in den einschlägigen Kreisen als Ikone des Rechtsextremismus in Deutschland verehren und bemitleiden. Von Reue, von Abkehr keine Spur. Gedenk-Demo am SamstagWie schon einige Male in den zurückliegenden Jahren, hat heuer wieder ein "Aktionsbündnis gegen Rechts" zu einer Gedenk- wie Protestdemonstration anlässlich des rechtsradikalen Schwandorfer Brandanschlages aufgerufen. Sie beginnt am Samstag um 15 Uhr auf dem Marktplatz, danach wird sich ein Schweigemarsch zum einstigen Tatort am Schlesierplatz in Bewegung setzen. Ähnlich wie die Forderung nach einem Mahnmal am Ort des Geschehens, ist auch diese Veranstaltung in heftiges lokalpolitisches Sperrfeuer geraten. Die Stadtverwaltung hat dem Aktionsbündnis untersagt, mit Plakaten in Schwandorf zu werben. Andernorts, etwa in Regensburg hängen sie dagegen sogar auf dem Neupfarrplatz im unmittelbaren Umfeld des dortigen Christkindl-Marktes. Der Neue Tag Schwandorf, 17.12.1998 |